Kleine Umfrage zur Therapieform

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mio
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Beitrag So., 15.01.2017, 16:22

Möbius hat geschrieben: Wenn der Therapeut zudem diese Literatur und ihre therapeutischen Auswirkungen auf den Patienten gut kennt und einzuschätzen vermag, kann das doch für allerlei sehr hilfreich sein. Nennen wir es "Bücherbasierte Therapie" ?
Das sehe ich auch so und meine Thera glücklicherweise auch. Zumal Bücher ja Wissen vermitteln, Wissen von dem ich profitieren kann, wenn ich es richtig "übersetze" für mich. Ich gehöre ja zu denen die jeden "Fachtermini" erst mal hinterfragen, wenn es mir bedeutsam erscheint. Meine Thera weiss das sehr genau.

Ich nenne das immer: "Sie muss nur den Krümmel in den Raum werfen und kann sich sicher sein, dass ich loslaufen werde um den Kuchen zu suchen..." Spart immens viel Zeit letztlich, denn müsste sie mir den ganzen Kuchen erklären würde das verdammt viel Zeit in Anspruch nehmen. Zeit die wir so nicht haben.

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Möbius
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Beitrag So., 15.01.2017, 16:26

MariJane hat geschrieben:Bibliotherapie ist ein anerkanntes Verfahren. Allerdings ist die Idee, dass der Therapeut die begleitende Literatur empfiehlt.
Das wußt' ich garnicht ... da sieht man mal wieder !


mio
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Beitrag So., 15.01.2017, 16:26

isabe hat geschrieben:Ich behaupte, dass das Lesen nur dann "gut" ist, wenn man mit dem Therapeuten darüber spricht bzw. sprechen kann. Wenn der Patient das Gefühl hat, es verheimlichen zu müssen, kann man von einem Widerstand ausgehen.
Das ist sicher richtig. Und macht ja auch wenig Sinn weil dann ein Kenntnisstand verheimlicht wird.

Meine Thera meinte mal, dass sie bei mir von einem gewissen Kenntnisstand ausgeht, aber diesen auch gegebenenfalls immer wieder mal überprüfen wird wenn sie es für notwendig hält. Umgekehrt frage auch ich, wenn sich mir was nicht erschließt.

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Möbius
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Beitrag So., 15.01.2017, 16:33

Apropos "Widerstand": bei meiner Lektüre verspüre ich diesen Widerstand recht häufig. Ich konnte zB. "Das Ich und das Es" von Freud nicht über das 3. Kapitel hinaus lesen (und erst ab da wird das Buch eigentlich spannend!) - weil Freud da die Entstehung des Über-Ichs aus der Introjektion des gegengeschlechtlichen Elters erklärt, was ein ganz neuralgischer Punkt bei mir ist. "Ich hab's einfach nicht verstanden!", hab 3-4 x abgebrochen und neu angesetzt - und bin dann erst über Ferenczis berühmten letzten Aufsatz dem Introjekt auf die Schliche gekommen ... also: bei mir spielt diese Lektüre eine sehr, sehr große Rolle.

Und wie gesagt: es spart massig Therapiezeit !

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mio
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Beitrag So., 15.01.2017, 16:43

"Widerstand" würde ich an der Stelle - also in Isabes Zitat - so verstehen, dass die Therapie durch das "verheimlichen" des Wissens boykottiert wird. So ein bisschen "Ich sehe was was Du nicht siehst..." mässig. "Sie glauben sie wissen? Sie wissen nicht..." Also ein Kontrollversuch letztlich.

Innerpsychischer Widerstand dürfte stets ein Hinweis darauf sein, dass da was gewichtiges drinsteckt. Außerpsychischer natürlich auch, aber es ist wohl eine andere Dynamik.

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Thread-EröffnerIn
sandrin
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Beitrag So., 15.01.2017, 16:52

Mich würde mal interessieren, wie läuft das denn in einer VT inzwischen? Meine ist schon fast 20 Jahre her. Da ging es hauptsächlich noch darum, andere Gedanken aufzubauen, positive Aktivitäten mehr in den Alltag einfließen zu lassen...
Nun gibt es ja diese dritte Welle der VT. Wie schlägt sich das in euren Vts nieder?

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Möbius
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Beitrag So., 15.01.2017, 17:01

@ mio

Es kann mehr sein, als ein bloßer Boykott - schließlich ist der Widerstand ein mächtiges diagnostisches Instrument. (Siehe auch: "Kinderwagenmann"). Es ist natürlich auch ein Beziehungsverhalten: der Patient will die therapeutische Beziehung karnevalisieren. Ich glaube, aktiv-narzistische Typen neigen da sehr dazu.

Und da gibt es noch etwas: nicht wenige Patienten richten sich häuslich-gemütlich-behaglich in der Psychotherapie ein. Sie wollen garnicht mehr gesund werden, genießen auf infantile Weise ihren jeweiligen Krankheitsgewinn, den sie auch in großzügiger Weise in Anspruch nehmen und zu optimieren trachten, werden sozusagen zu "Profi-Patienten" - letztlich nahezu untherapierbar, weil das in ihren Privatbibliotheken aufgehäufte Fachwissen nicht nur ein Therapieabwehrarsenal darstellt, sondern auch ein unerschöpflicher Fundus zur Rationalisierung ihrer Lebensverweigerung ist. Es sind die "Drehtürpatienten" aus der Psychiatrie, die "Knackis" der Psychotherapie - und auch die berufenen Internet-Experten: schließlich haben sie ja schon über 15 Therapien erfolgreich abgebrochen ...


isabe
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Beitrag So., 15.01.2017, 17:06

Ich würde eher sagen, es handelt sich um eine starke Identifikation mit der Therapie. Dann ist vielleicht das Lesen das "Baby", das in der Therapie "gezeugt" wurde und das nun gepflegt werden muss - wie bei einer Art Nestbautrieb. Man holt sich ein Stück Therapie nach Hause und will alles richtig machen.


mio
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Beitrag So., 15.01.2017, 17:11

Möbius hat geschrieben: werden sozusagen zu "Profi-Patienten" - letztlich nahezu untherapierbar, weil das in ihren Privatbibliotheken aufgehäufte Fachwissen nicht nur ein Therapieabwehrarsenal darstellt, sondern auch ein unerschöpflicher Fundus zur Rationalisierung ihrer Lebensverweigerung ist.
Rationalisierung gilt aber doch als "reifer" Abwehrmechanismus? Und streng rational gedacht müsste mir das dann doch erst Recht um die Ohren fliegen, da ich schwarz auf weiss lese, was ich tue? Ich denke eher, dass da dann so eine Art "(Ur)Misstrauen" vorliegt das sich im Therapeuten nur den Spiegel sucht, der natürlich "unterlegen" sein muss. Damit man selbst "überlegen" bleiben kann. Also ein Spaltungsmechanismus bzw. eine Projektion stattfindet.


Sunna
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Beitrag So., 15.01.2017, 17:19

Mir hat das Lesen und der daraus resultierende (extreme) Erkenntnisgewinn geholfen, mir selbst zu vertrauen, so dass ich nun mit deutlich weniger Widerstand in die Therapie gehen kann. Es ist weder ein Misstrauen der Therapeutin noch ein Widerstand der Therapie gegenüber (auch wenn es mitschwingen mag). Durch mein Wissen, das mir nun als ausreichend erscheint, kann ich mich in die Therapie fallen lassen. Alles weitere wird sich (hoffentlich) ergeben.


MariJane
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Beitrag So., 15.01.2017, 17:22

Möbius hat geschrieben:
Und da gibt es noch etwas: nicht wenige Patienten richten sich häuslich-gemütlich-behaglich in der Psychotherapie ein. Sie wollen garnicht mehr gesund werden, genießen auf infantile Weise ihren jeweiligen Krankheitsgewinn, den sie auch in großzügiger Weise in Anspruch nehmen und zu optimieren trachten, werden sozusagen zu "Profi-Patienten" - letztlich nahezu untherapierbar, weil das in ihren Privatbibliotheken aufgehäufte Fachwissen nicht nur ein Therapieabwehrarsenal darstellt, sondern auch ein unerschöpflicher Fundus zur Rationalisierung ihrer Lebensverweigerung ist. Es sind die "Drehtürpatienten" aus der Psychiatrie, die "Knackis" der Psychotherapie - und auch die berufenen Internet-Experten: schließlich haben sie ja schon über 15 Therapien erfolgreich abgebrochen ...
Ich glaube nicht daran, dass es den untherapierbaren Drehtürpatienten gibt. Das liegt meines Erachtens daran, dass Therapeuten oft mit ihren Methoden nicht weiterkommen und es dann am Patienten liegt. Mein Therapeut meinte zu der Thematik mal, dass es da eine Studie gibt, in der einfach alle Methoden über den Haufen geworfen wurde und der Therapeut versucht hat, sich auf die Wünsche seines Patienten einzustellen- der Patient als Fachmensch in eigener Sache (bestimmt eine gute Sache, wenn der Patient zu Hause schon eine Bibliothek angelegt hat...)- und dass das dann zu Therapieerfolgen mit eben solchen Patienten geführt hat. Ich bin sehr froh, dass ich mit einem Therapeuten arbeite, der so tickt, nicht dem Patienten die Schuld gibt, sondern wirklich versucht sich auf den Patienten einzustellen. Das ist meines Erachtens harte Arbeit, aber mit einem anderen Therapeuten würde ich nicht arbeiten wollen.

Achso zum Thema, ich mach eine Verhaltenstherapie, zumindest auf dem Papier. Wir reden oft über die Vergangenheit. Mein Therapeut arbeitet- glaube ich- methodenintegrativ.


mio
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Beitrag So., 15.01.2017, 17:28

Sunna hat geschrieben:Durch mein Wissen, das mir nun als ausreichend erscheint, kann ich mich in die Therapie fallen lassen.
Das ging mir ähnlich. Denn ich hatte so bereits eine gewisse "Kenntnis" dessen, was mein Problem ist. Ohne diese Kenntnis wäre es wohl auch wesentlich schwerer geworden daran zu arbeiten und zwar sowohl für mich als auch für meine Therapeutin. Aber dazu gehört natürlich auch, dass man sich selbst und auch dem Therapeuten gegenüber ehrlich ist.

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Möbius
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Beitrag So., 15.01.2017, 17:38

mio hat geschrieben:
Rationalisierung gilt aber doch als "reifer" Abwehrmechanismus? Und streng rational gedacht müsste mir das dann doch erst Recht um die Ohren fliegen, da ich schwarz auf weiss lese, was ich tue? Ich denke eher, dass da dann so eine Art "(Ur)Misstrauen" vorliegt das sich im Therapeuten nur den Spiegel sucht, der natürlich "unterlegen" sein muss. Damit man selbst "überlegen" bleiben kann. Also ein Spaltungsmechanismus bzw. eine Projektion stattfindet.
Die Abwehrmechanismen können beliebig kombiniert werden - da kann man bei Anna Freud Beispiele lesen, bei denen sich die Fußnägel rollen, so kompliziert wird das dann ... man liest es eben nicht "schwarz auf weiß", sondern man spaltet unpassende Textteile aus der Wahrnehmung ab, "projiziert" in den Text dann das hinein, was man als Rationalisierung herauslesen will: "das trifft erstens auf mich nicht zu weil ... und ist zweitens sowieso völlig daneben, weil ..." So etwa stelle ich mir das jedenfalls gerade vor.

Mir selbst ist schon mehrfach in Psychosen oder psychotischen Zuständen meine Lebenserfahrung ziemlich ins Kreuz gefallen - es ist, wenn man es dann analysiert hat, immer eine arge narzistische Kränkung, wenn man (ein-)sehen muß, wie sich die eigene Intellektualität gegen einen selbst richten kann.

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Möbius
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Beitrag So., 15.01.2017, 17:53

@ mariJane

Ich glaube schon, daß es solche Patienten gibt - schon Freud berichtet darüber, und ich selbst sehe mich einer Instanz in meinem Unbewußten gegenüber, daß sich mit Händen und Füßen gegen die Therapie wehrt, v.a. mit Fehlleistungen. Meine letzte Sitzung ist ein schönes Beispiel: erst habe ich den Termin verwechselt - gerade noch am Vorabend bei der x-ten Kontrolle gemerkt, dann morgens blödsinnig lange am Frühstückstisch ein Buch gelesen, so daß ich den Bus verpasste. Das ging auch grad noch, weil ich stets mit großzügigen Reserven plane. Dann hab ich mir an einer extrem zugigen Ecke vor'm Klinikgebäude unbedingt eine Zigarette anstecken müssen, so daß mir Glut ins Auge flog (Selbstkastrationsdrang ist festgestellt) und ich dann mit den tränenden Augen auf die Straße lief - beinahe vor ein Auto. Der Überpsycho meinte dann, wir machen besser erst mal ne kleine Pause in der Analyse ... Und als Sahnetüpfelchen lies ich dann noch die Karte mit dem Termin für eine Blutentnahme beim Dermatologen im Vorzimmer des Überpsycho liegen, seine Krankenschwester hat mir dann hinterhertelefoniert.

Mein einziger Vorteil gegenüber dem "klassischen" Drehtürpatienten ist meine Krankheitseinsicht - ich kann also bewußt gegensteuern.

Ich will natürlich nicht sagen, daß es kein therapeutisches Versagen gäbe - auch dazu hätte ich so einiges zu sagen, aber das ist dann schon wieder "völlig OT". Und ausserdem gibt es Patienten, die aus gutem Grund auf eine sehr langfristige, "lebensbegleitende" Therapie angewiesen sind, vielleicht lebenslang angewiesen bleiben, wie die Zuckerkranken auf ihr Insulin.


mio
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Beitrag So., 15.01.2017, 18:01

Möbius hat geschrieben:man liest es eben nicht "schwarz auf weiß", sondern man spaltet unpassende Textteile aus der Wahrnehmung ab, "projiziert" in den Text dann das hinein, was man als Rationalisierung herauslesen will: "das trifft erstens auf mich nicht zu weil ... und ist zweitens sowieso völlig daneben, weil ..." So etwa stelle ich mir das jedenfalls gerade vor.
Ah, ok, so meinst Du das. Man liest dann quasi nicht um was "rauszufinden" über sich selbst sondern eher um das Selbst so wie es ist stabil zu halten.

Möbius hat geschrieben:Mir selbst ist schon mehrfach in Psychosen oder psychotischen Zuständen meine Lebenserfahrung ziemlich ins Kreuz gefallen - es ist, wenn man es dann analysiert hat, immer eine arge narzistische Kränkung, wenn man (ein-)sehen muß, wie sich die eigene Intellektualität gegen einen selbst richten kann.
Ich denke festzustellen, dass man sich geirrt hat ist immer erst mal eine narzisstische Kränkung. Die Art wie mit dieser dann umgegangen wird macht den Unterschied aus. Und irren kann ich mich ja immer. Sich nicht auf die eigene Wahrnehmung verlassen zu können stelle ich mir allerdings sehr bedrohlich vor, was wahrscheinlich auch die hohe "Abwehrkraft" dann mobilisiert. Mir ging das zB. mit der Halluzination so, mit der alles so richtig anfing - ich wusste zwar, dass die "nicht echt" ist, aber es war bedrohlich was "wahrzunehmen" das faktisch nicht da ist ohne zu wissen, woher es kommt.

Das waren mit die schlimmsten Wochen überhaupt für mich und sie endeten exakt in dem Moment wo ich den "ersten Schlüssel" in der Hand hatte und die "Halluzination" verstand. Das war, als ob ich plötzlich wieder "deckungsgleich" wurde durch diese Erkenntnis. Vorher habe ich mich ganz seltsam "unwirklich" gefühlt, am ehesten wohl völlig depersonalisiert und ein bisschen derrealisiert. Das war ein ziemlich übler Zustand.

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