Was bedeutet Leidensdruck/gibts Menschen,die nicht leiden können?

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candle.
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Beitrag Do., 04.07.2019, 13:48

mathilda1981 hat geschrieben: Do., 04.07.2019, 13:36 Selbst wenn ich krank bin, da leide ich nicht, nie. Da erwarte ich, dass ich funktioniere.
Hm. Ist ganz schwer für mich zu verstehen. Wobei man ja funktionieren kann und leiden. Wenn ich Schnupfen habe, leide ich immer irgendwo, aber ich gehe auch weiter zur Arbeit und funktioniere auch.

Es kann natürlich auch gefährlich sein sich so gar nicht um sich zu kümmern, wenn man eine Erkältung verschleppt und plötzlich eine Herzmuskelentzündung bekommt- als sehr krasses Beispiel.

Wie gesagt, man kann ja immer funktionieren, dann funktioniert man eben langsamer, wenn man krank ist. Hm, ich denke, dass du doch deine Strategien hast für dich zu sorgen.

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Emily_Erdbeer
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Beitrag Do., 04.07.2019, 14:08

Ich lese aus deinen Worten erhebliches Leiden.
Allerdings ist es abstrakt.
Höchstwahrscheinlich fehlt dir der Kontakt zu deinen Gefühlen.
Wenn ein Mensch nicht fühlt, leidet er auch nicht.
Du leidest, weil du nicht leiden kannst.
Dein Verstand sagt du solltest, aber es geht nicht.
Ist doch auch eine Form von Leid.
Korrigiere mich, wenn ich falsch liege. Ich möchte dir nix überstülpen.

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mathilda1981
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Beitrag Do., 04.07.2019, 14:19

candle. hat geschrieben: Do., 04.07.2019, 13:48 Hm. Ist ganz schwer für mich zu verstehen. Wobei man ja funktionieren kann und leiden.
Wie gesagt, man kann ja immer funktionieren, dann funktioniert man eben langsamer, wenn man krank ist. Hm, ich denke, dass du doch deine Strategien hast für dich zu sorgen.
Meine Strategie um für mich (körperlich) zu sorgen sieht so aus. Ich folge den logischen objektiven medizinischen Konsequenzen um mich "nicht umzubringen" aber leiden, "Mitleid" mit mit haben, das geht nicht. Ich verbiete mir das leiden. Mir darf es nicht schlecht gehen. In solchen Momenten denke ich immer "stell dich nicht so an" (und ich habe krankheitsbedingt durch meine MS doch auch schon einiges durch). Und dann leide ich auch nicht. Hat sich bisher auch immer "richtig" angefühlt, da ich es nicht anders für mich kannte.

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candle.
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Beitrag Do., 04.07.2019, 14:22

Puh, wenn du MS hast, verstehe ich das jetzt auch besser. Tut mir wirklich leid!

candle
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mathilda1981
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Beitrag Do., 04.07.2019, 14:29

Emily_Erdbeer hat geschrieben: Do., 04.07.2019, 14:08 Höchstwahrscheinlich fehlt dir der Kontakt zu deinen Gefühlen.
Wenn ein Mensch nicht fühlt, leidet er auch nicht.
Du leidest, weil du nicht leiden kannst.
Dein Verstand sagt du solltest, aber es geht nicht.
Ich weiß nicht wie man leidet, wie das geht. Ich habe es mir als Kind verboten. Ob ich Kontakt zu meinen Gefühlen habe, weiß ich nicht. Ich kann allerdings oft nichts fühlen, tue mir damit sehr schwer. Meine Hausaufgabe ist, täglich etwas zu geniesen...eine Aufgabe an der ich ständig scheitere...ich weiß nicht wie das geht und kann das Gefühl nicht "halten"...

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mathilda1981
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Beitrag Do., 04.07.2019, 14:38

candle. hat geschrieben: Do., 04.07.2019, 14:22 Puh, wenn du MS hast, verstehe ich das jetzt auch besser.
Wie meinst du das, candle?
Ich habe letzens festgestellt, dass das, was die MS mit mir macht (also den eigenen Körper angreifen und "vernichten") ich eigentlich genauso mit meiner Psyche mache...
Vielleicht sind mein Körper und meine Psyche Analphabeten was "Gefühle" angeht.....

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Sehr
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Beitrag Do., 04.07.2019, 14:57

Interessantes Thema, ich teile mal das
https://www.seele-und-gesundheit.de/exis/leid.html
[wegzudenken, mehr nicht]


mio
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Beitrag Do., 04.07.2019, 15:34

mathilda1981 hat geschrieben: Do., 04.07.2019, 14:29 Ich habe es mir als Kind verboten.
Vielleicht war es einfach "sinnlos" für Dich als Kind? Leid ohne Trost ist für Kinder nur schwer aushaltbar und da Kinder noch gut "spalten" können spalten sie die Gefühle dann im Zweifel einfach ab. Wenn Du das sozusagen "vollumfänglich" gelernt hast, dann fehlt Dir später der Zugang zu Deinen Gefühlen.

Wenn Du sie Dir einfach nur "verboten" hättest, dann könntest Du sie Dir ja auch wieder "erlauben", geht das nicht, dann steckt da mehr dahinter als ein simpler eigener Vorsatz.

Ich bin zum Beispiel früher beim Zahnarzt (ich hatte als Kind einen wahnsinnig brutalen Zahnarzt) regelmässig einfach dissoziiert, so tat es nicht weh und so habe ich es überhaupt nur geschafft da "angstfrei" hinzugehen. Seit ich das nicht mehr kann - und in dem Fall finde ich das echt nicht so toll, obwohl es an sich ein Fortschritt ist, dass das nicht mehr automatisch passiert - ist jeder Zahnarztbesuch für mich potentieller Horror, selbst wenn ich vorher SICHER weiss, dass da nix weh tun wird und meine aktuellen Behandler da auch nicht übergriffig sind sondern meine Grenzen achten. Mittlerweile versuche ich dann "bewusst" zu dissoziieren, mich also bewusst wo anders hinzudenken, funktioniert leider nur halb so gut wie der frühere Automatismus.

Dass Deine körperliche Krankheit da viel für Dich übernimmt kann ich mir auch gut vorstellen. MS hat ja auch viel mit "zu starker Anspannung" zu tun, oder? Und Anspannung ist super geeignet um Gefühle "unten" zu halten.

Die Körpermuskulatur "panzert" sich sozusagen und damit wird man "unemotionaler", weil Gefühle auch eine starke "körperliche Beteiligung" brauchen/haben. Gefühle entstehen nicht im Kopf, sie entstehen im Körper. "Blockiert" der Körper nun die Entstehung/Weiterleitung, dann kommt auch nix im "Kopf" an.

Hast Du schon mal versucht da über die Körperebene ran zu kommen?

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candle.
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Beitrag Do., 04.07.2019, 15:57

mathilda1981 hat geschrieben: Do., 04.07.2019, 14:38 Wie meinst du das, candle?
Ich habe letzens festgestellt, dass das, was die MS mit mir macht (also den eigenen Körper angreifen und "vernichten") ich eigentlich genauso mit meiner Psyche mache...
Vielleicht sind mein Körper und meine Psyche Analphabeten was "Gefühle" angeht.....
Ich meine, dass es gut ist, fast hohe Kunst an dieser schweren Krankheit nicht so zu "leiden".

Vielleicht machst du auch alles richtig? Es ist ja nicht immer alles falsch was falsch angelernt ist. Manches ist nützlich. Ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist da zu stark auf die Kindheit zurückgreifen zu wollen?

Wie sieht das denn deine Therapeutin (bei dir)?

LG candle
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mathilda1981
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Beitrag Fr., 05.07.2019, 05:41

mio hat geschrieben: Do., 04.07.2019, 15:34 Vielleicht war es einfach "sinnlos" für Dich als Kind? Leid ohne Trost ist für Kinder nur schwer aushaltbar und da Kinder noch gut "spalten" können spalten sie die Gefühle dann im Zweifel einfach ab. Wenn Du das sozusagen "vollumfänglich" gelernt hast, dann fehlt Dir später der Zugang zu Deinen Gefühlen.
Wenn Du sie Dir einfach nur "verboten" hättest, dann könntest Du sie Dir ja auch wieder "erlauben", geht das nicht, dann steckt da mehr dahinter als ein simpler eigener Vorsatz.
Ich habe gelitten als Kind. Nach der verg. hatte meine Mutter einfach keinen Zugang zu mir (den hatte sie vorher auch nicht), konnte mir da nicht helfen. Es war niemand anderes da, der mich hätte "halten" können (Vater gerade geschieden/Alkoholiker). Die Alpträume, Flashbacks, Ängste, Mobbing in der Schule wegen der Sache - die habe ich versucht mit mir alleine auszumachen. Heute denke ich, dass das für eine 9jährige schwierig tragbar ist (damals dachte ich, dass ich mich einfach nicht so anstellen darf). Daher habe ich vielleicht wirklich gespalten. Und diese Härte mir gegenüber habe ich gebraucht, sonst wäre ich verzweifelt. Und das habe ich beibehalten. Mein Essverhalten war mein Ventil um mich "in der Spur zu halten". Das ist es heute noch.

mio hat geschrieben: Do., 04.07.2019, 15:34 Hast Du schon mal versucht da über die Körperebene ran zu kommen?
Ich habe keinen blassen Schimmer, was die Körperebene ist. Wie ich da rankomme, daher noch weniger :red: .... Kannst du mir das mal bitte erklären?

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mathilda1981
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Beitrag Fr., 05.07.2019, 06:08

candle. hat geschrieben: Do., 04.07.2019, 15:57 Ich meine, dass es gut ist, fast hohe Kunst an dieser schweren Krankheit nicht so zu "leiden".
Vielleicht machst du auch alles richtig? Es ist ja nicht immer alles falsch was falsch angelernt ist. Manches ist nützlich. Ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist da zu stark auf die Kindheit zurückgreifen zu wollen?
Ich denke auch, dass zu viel Leiden bei MS nicht zuträglich ist. Ein "Krankheitsgewinn" ist noch "gefährlicher". Wenn man in eine "Abwärtsspirale" aus Selbstmitleid kommt, geht es einem meist schlechter. Aber ich bin zu unnachgiebig und achte zu wenig auf mich. Das weiß ich, konnte es aber noch nicht wirklich ändern. Mein eher "taffes" Verhalten, welches meine Krankheit angeht, das stärkt mich wahrscheinlich. Aber ich übertreibe es oft und gehe über meine Grenzen (was insofern schlecht ist, weil mein Körper oft nicht mehr kann und ich ihn "weiterprügle"). Die ständige Überlastung sollte man bei MS eigentlich vermeiden. Ich bräuchte einen Mittelweg.
candle. hat geschrieben: Do., 04.07.2019, 15:57 Wie sieht das denn deine Therapeutin (bei dir)?

Ich habe keine Ahnung. Ich denke, sie muss da erst noch "ordnen" und mich besser kennen lernen (war jetzt 12x da). Es ging anfangs eher um die verg., weil ich dachte, dass das mein "Hauptproblem" ist. Einschätzungen bekomme ich eher sehr selten. Ich habe den Eindruck, dass sie eher möchte, dass ich mir mein eigenes Bild dazu mache und selber "drauf komme". Ich beschäftige mich zwischen den Stunden auch ziemlich viel mit diesen Dingen und vielleicht möchte sie da abwarten wie ich die Sache sehe?!

Lg Mathilda

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Beitrag Fr., 05.07.2019, 06:26

Letztlich kann ich es auch nicht beurteilen, weil es hier gar nicht konkret wird was du meinst, das du Raubbau an dir begehrst.

Und warum immer auch die Vehemenz, das es tatsächlich so ist?

Ich würde mich um das Früher gar nicht so intensiv kümmern, eher um das was jetzt ansteht in der Familie. Oder sorgt dich das nicht? Jedenfalls habe ich dich hier bisher nicht als gefühllos wahrgenommen!

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mathilda1981
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Beitrag Fr., 05.07.2019, 13:28

candle. hat geschrieben: Fr., 05.07.2019, 06:26 Ich würde mich um das Früher gar nicht so intensiv kümmern, eher um das was jetzt ansteht in der Familie. Oder sorgt dich das nicht? Jedenfalls habe ich dich hier bisher nicht als gefühllos wahrgenommen!
Genau darum gehts mir eigentlich auch. Deshalb bin ich in Therapie. Trotzdem habe ich einen Zusammenhang gebraucht, um mir bestimmte Dinge zu erklären (ein paar Stunden damit auseinandersetzen sehe ich noch nicht als intensiv an auf 38 Jahre gerechnet). Ich will nicht in der Vergangenheit leben und auch therapeutisch sollte die "Arbeit" in der Zukunft liegen. Aber vielleicht bin ich auch total normal und man sollte gar nicht anfangen etwas zu "psychologisieren" ... Wer weiß, vielleicht war der Schritt in die Therapie im Endeffekt nur aufwühlend und nicht effektiv. Keine Ahnung.


mio
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Beitrag Fr., 05.07.2019, 13:39

mathilda1981 hat geschrieben: Fr., 05.07.2019, 05:41 Ich habe keinen blassen Schimmer, was die Körperebene ist. Wie ich da rankomme, daher noch weniger :red: .... Kannst du mir das mal bitte erklären?
Ich dachte dabei an alles, was Deinen Körper für Dich "erlebbarer" macht. Also zB. so Sachen wie Thai Chi, Qi Gong, Progressive Muskelrelaxion, Cranio sakrale Therapie, Osteopathie...what ever. Also alles, wo es mehr um Deinen Körper geht als um Deinen "Kopf". Je nachdem, was da für Dich überhaupt krankheitsbedingt geht oder möglich ist könnte das ein Weg sein mehr Kontakt zu Deinem Körper (=Deinen Gefühlen) zu bekommen.

Denn faktisch übergehst Du ja dauernd selbst Deine Grenzen (so wie Du es beschreibst) weil Du sie nicht erkennst oder aber "verurteilst" und das führt ja wahrscheinlich auch zu den Konflikten mit Deinen Lieben, oder?

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Beitrag Fr., 05.07.2019, 13:50

mathilda1981 hat geschrieben: Fr., 05.07.2019, 13:28 Genau darum gehts mir eigentlich auch. Deshalb bin ich in Therapie. Trotzdem habe ich einen Zusammenhang gebraucht, um mir bestimmte Dinge zu erklären
Ich finde es tatsächlich ganz interessant, wenn man sich heute ein Muster anschaut und den Ursprung sieht/ findet um die damalige Situation natürlich durchzugehen und für das Heute zu korrigieren. Da kommt man immer in die Vergangenheit, geht wohl auch kaum anders. Aber quasi "zusammen zu zählen" wo man gekränkt wurde usw., macht eben kein Sinn. Alles fängt eben irgendwo an und läuft dann halt weiter.

Vielleicht kommst du ja auch an diesen Anfang wo du das erste Mal "dicht" gemacht hast und kannst das auflösen.

Ich hoffe, du verstehst wie ich das meine. :)

Naja, aufwühlend ist es wohl immer in Therapie. Wichtig finde ich, dass man aus eigenem Entschluss hingeht.

LG candle
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