Psychedelische Psychotherapie

Fragen und Gedanken rund um Spiritualität und Religionen, alternative Behandlungsmethoden, den üppigen Garten sonstiger "Therapie"-Formen, Esoterik ... und ihre Berührungspunkte mit Psychotherapie bzw. psychologischen Problemen.
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PeterTTT31
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Psychedelische Psychotherapie

Beitrag Mo., 17.07.2023, 10:12

Hallo an alle,

hat jemand Erfahrung mit psychedelischer Psychotherapie? Konkret psilocybinhaltige Pilze / Trüffel, daran wird gerade wohl am meisten geforscht.

In Deutschland ist es (noch) nicht zugelassen, aber es wird geforscht. Anbei ein Artikel dazu vom Ärzteblatt.
Google Suche: aerzteblatt psilocybin
"Depressionen: Psychodroge Psilocybin in Phase-2-Studie wirksam"

Im Ausland tut sich auch einiges z.B. Australien
Google Suche: australien psilocybin mdr

In den Niederlanden (und diversen anderen Ländern wie z.B. Jamaica) gibt es dazu schon heute Anbieter, da psilocybinhaltige Trüffel dort legal sind (Niederlande). Jedoch nicht im "klinischen" Setting.

Mich würde interessieren, wie hier im Forum das Stimmungsbild dazu ist. Vielleicht hat ja sogar jemand schon einmal selbst Erfahrungen gesammelt oder an einer Studie teilgenommen.

Viele Grüße

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Gespensterkind
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Beitrag Di., 18.07.2023, 06:07

Ich hätte kein Interesse daran, Psychotherapie unter Substanzeinfluss zu machen.

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peponi
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Beitrag Mi., 19.07.2023, 11:22

Hi,

mich interessiert das Thema sehr, allerdings eher in Hinblick auf die psychotherapeutische Nutzung von MDMA. Vor psychedelischen Substanzen habe ich sehr viel Respekt; ich habe es zu oft erlebt, dass Menschen durch diese wirklich böse psychisch abgestürzt sind (die es allerdings außerhalb eines therapeutischen Settings, wenngleich manchmal mit therapeutischen Intentionen genommen haben).
Meine eigenen Erfahrungen beziehen sich also auf MDMA, dessen großes therapeutisches Potenzial, insbesondere was Traumatisierungen betrifft, ja schon länger bekannt ist und an dem viel geforscht wird. Australien hat es vor kurzem für die Behandlung von PTBS zugelassen und in anderen Ländern laufen ebenfalls Zulassungsverfahren, wenn ich richtig informiert bin.
Ich habe es selbst nie explizit im therapeutischen Settings genommen - ich wüsste leider auch nicht, wo und wie das in Deutschland, das in dieser Hinsicht dem Forschungsstand um Jahrzehnte hinterher hinkt, möglich wäre - aber vor kurzem konnte ich das mit meinem Therapeuten zumindest "nachbearbeiten". Die therapeutischen Effekte von MDMA sind für mich (im positiven Sinne) überwältigend. Es bringt mich ins Fühlen und in den Kontakt zu mir und der Welt um mich herum, holt mich aus der Erstarrung, löst Barrieren, von denen mir nicht mal bewusst war, dass es sie gibt, und ermöglicht mir ein Gefühl, das mir sonst mir selbst gegenüber völlig fremd ist - Mitgefühl. Es fühlt sich einfach heilsam an, anders kann ich es nicht beschreiben.
In meinem Fall lag zu viel Zeit zwischen dem eigentlichen Trip und der therapeutischen Sitzung. Da ist vieles verloren gegangen, bevor ich es therapeutisch integrieren konnte.

Im Grunde frustriert mich das sehr. Ich glaube, dass die therapeutische Wirkung so viel stärker ist, wenn die Einnahme wirklich im klinischen Setting erfolgt. Und es ist ärgerlich und frustrierend, dass Deutschland da nicht weit genug ist. Ich würde mich sofort für eine Studie melden, weil ich aufgrund dieser Vorerfahrungen denke, dass ich davon enorm profitieren würde - weit mehr als von allen traumatherapeutischen Verfahren, mit denen ich bislang zu tun hatte. Zu wissen, da gibt es etwas, das mir bei der Heilung hilft, aber ich kann es nicht nutzen, weil es leider einer irrationalen und empirisch nicht fundierten Politik zum Opfer gefallen ist, ist ziemlich beschissen, um es in dieser Klarheit zu sagen.

Grundlegend denke ich, dass es sich mit psychedelischen Substanzen ähnlich verhält, die ebenfalls ein großes Potenzial haben. Ich weiß nicht, ob ich es sinnvoll finde, sie angesichts der fehlenden Möglichkeiten, das offiziell machen zu können, privat - Tripsitter und safer Konsum vorausgesetzt - zu nehmen und das therapeutisch aufzuarbeiten. Hier sind die Risiken einfach andere. Bei MDMA liegt das größte Risiko in der Dosierung, bei Psychedelika in der Wirkung an sich.

Aber falls du auf die Möglichkeit einer klinischen Studie stößt, würde ich das an deiner Stelle unbedingt wahrnehmen. Die Studienlage ist sehr klar und eindeutig. Insbesondere schwerere Erkrankungen, bei denen sonst nicht viel geholfen hat, können gut damit behandelt werden.

Ein letzter Gedanke kommt mir noch, und zwar betrifft dieser DMT (Ayahuasca). Im Amazonas wird dessen therapeutisches Potenzial schon seit Jahrhunderten genutzt und kulturell auch sehr stark ritualisiert. Ich habe es selbst nie genommen (zu viel Respekt vor Psychedelika, insbesondere solch starken), aber hatte einmal die Möglichkeit, gemeinsam mit einer Freundin an einer solchen rituellen und begleiteten Einnahme im Amazonas dabei zu sein. Meine Freundin hatte das DMT genommen. Sie hat lange an Essstörungen und Depressionen gelitten. Sie hatte einen harten und nicht immer schönen Trip, aber ihre Essstörung war danach geheilt und ihre Depressionen deutlich gelindert. Das ist über zehn Jahre her, ich habe heute keinen Kontakt mehr zu ihr und weiß nicht, wie sich das langfristig ausgewirkt hat. Aber zumindest die kurz- bis mittelfristige Wirkung war sehr stark und sehr positiv.
silence like a cancer grows.

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PeterTTT31
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Beitrag Do., 20.07.2023, 14:55

Hi Gespensterkind,
 
danke für deine Antwort!
 
Ich kann die Aussage, Psychotherapie nicht unter Substanzeinfluss machen zu wollen sehr gut nachvollziehen.
 
Ich war früher auch sehr davon überzeugt und war immer stolz auf meine mentale Klarheit, frei von dem Einfluss von Substanzen und komplett nüchtern. Und als die Depression meine mentale Klarheit zumindest ein Stück weit zerstört hat, blieb da zumindest noch eine gewisse „nüchterne Klarheit“, nur etwas vernebelt durch die Depression, auf die ich stolz war und ich konnte so in der Psychotherapie und im Alltag verschiedenen Themen begegnen. Andere Bewusstseinszustände interessierten mich nicht.
 
Später habe ich verstanden, dass sich innerhalb der Psychotherapie, wie ich sie viele Jahre gemacht habe, gewisse Grenzen gezeigt haben. In meiner Psychoanalyse (in der Verhaltenstherapie ist das natürlich ein wenig anders), ging es ja auch darum, tiefer zu gehen und unbewusste Konflikte in einem Selbst zu verstehen und aufzulösen, die große Probleme im Hier und Jetzt verursachen. Nur unbewusst ist eben unbewusst und viele Dinge haben wir verdrängt zum eigenen Schutz. Ich denke das kennt jeder. In der Psychotherapie (bzw. in dem Fall in der Psychoanalyse) stehen wir oft vor verschlossenen Türen, die uns hindern weiterzukommen, aber wir finden auch nicht den Schlüssel um das Monster dahinter zu konfrontieren. Apathie und Gefühlslosigkeit sollten ja jedem Depressiven ein Begriff sein. Somit wurde für mich (und viele andere, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben) auf einmal die Substanz (Psilocybin) zum Schlüssel, mit der es mir gelang tiefer zu gehen und hinter die Tür zu schauen und genau DEM in die Augen zu schauen, was vorher verborgen war. Endlich wieder Emotionen spüren, positiv oder negativ, und das Gefühl sich mit den tiefen Inneren wunden auseinanderzusetzen und diese zu heilen.
 
Außerdem ist es nicht einfach so, dass man wie in der klassischen Psychotherapie eine Stunde dort sitzt und unter dem Einfluss von einer Substanz mit dem Therapeuten redet. Es gibt Protokolle, mit denen man schon in den 1950er und 1960er Jahren gearbeitet hat, die jetzt wieder verwendet werden, nachdem Jahrzehnte lang nicht geforscht wurden an den Substanzen. Abhängig von der Substanz (Psilocybin, MDMA, etc.) gibt es da Unterschiede. Bei Psilocybin beispielsweise gibt es im Ideal fall mehrere Stunden Psychotherapie (ohne Substanz) zur Vorbereitung und Besprechung, welche Themen man in der Psilocybin-Sitzung bearbeiten möchte. Dann ist ein kompletter Tag ca. 8 Stunden für die Psilocybin-Sitzung selbst vorgesehen. Es ist vielmehr eine innere Reise als eine Konversation mit einem Psychologen. Zum Schluss in den Tagen nach der Psilocybin-Sitzung, finden dann Integrationstermine statt, in denen das Erlebte reflektiert wird. Es scheint so, dass psychedelischen Sitzungen mit „normaler“ Psychotherapie kombiniert werden müssen, um die besten Ergebnisse zu erzielen.

Hi peponi,

danke auch für deine Antwort!

Der therapeutische Einsatz von MDMA ist mir auch bekannt, auch wenn ich selbst leider noch nicht die Möglichkeit hatte, dies im therapeutischen Kontext zu erleben. Deinen Respekt von psychedelischen Substanzen kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich denke auch, dass da Respekt vollkommen angebracht ist. Ob man sich jetzt dafür oder dagegen entscheidet, ist jedem selbst überlassen, aber den Respekt sollte man nie verlieren. Ich denke das wichtigste ist, dass man sich sicher und gut aufgehoben fühlt.

Die Zulassungsverfahren, gerade wie du schreibst, MDMA zur Behandlung von PTBS, verfolge ich ebenfalls. Soweit ich weiß ist die USA kurz davor es zuzulassen.

In Deutschland ist das Ganze (egal ob MDMA oder Psilocybin) leider tatsächlich nicht möglich. Wirklich schade!

Du bringst es sehr gut auf den Punkt. Ich kopiere deinen Satz eben nochmal kurz hier rein.
„Es bringt mich ins Fühlen und in den Kontakt zu mir und der Welt um mich herum, holt mich aus der Erstarrung, löst Barrieren, von denen mir nicht mal bewusst war, dass es sie gibt, und ermöglicht mir ein Gefühl, das mir sonst mir selbst gegenüber völlig fremd ist - Mitgefühl. Es fühlt sich einfach heilsam an, anders kann ich es nicht beschreiben.“
Genau darum geht es ja in der Heilung: Mitgefühl für einen selbst und Kontakt zu den eigenen Gefühlen, zu sich selbst, zur Welt, raus aus der Erstarrung, das Überwinden von Abwehrmechanismen. Darunter ist die Heilung verborgen.

(Ich habe noch mehr geschrieben, aber wurde leider begrenzt durch 5.000 Zeichen maximale Post-Länge. Der Rest folgt später ;-) )

Viele Grüße

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PeterTTT31
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Beitrag Do., 20.07.2023, 15:00

Deinen Frust kann ich gut nachvollziehen. Ich muss sagen, dass es mich auch sehr frustriert. Es gibt Möglichkeiten zur tiefen und echten Heilung, aber wir können sie nicht nutzen, weil Politik und der Verwaltungsapparat Jahrzehnte hinterherhinkt oder weil Personen in entsprechenden Positionen in Berlin und Brüssel ein Stück weit losgelöst von der Realität eben oft gar nicht wissen, wie tief das Leid mancher Menschen reichen kann. Wobei mich das eigentlich wundert, denn es hat doch eigentlich jeder seine Probleme. Manche scheinen es aber besser zu schaffen nicht mit einer Depression darauf zu „reagieren“.

So bleibt tatsächlich nur der private Kontext, der wie du sagst, auch andere Risiken mit sich bringt. Aufgrund der Legalität von psilocybinhaltigen Trüffeln ist Holland da aber eine interessante erste Anlaufstelle, zum Teil auch sehr professionell.

Vielen Dank auch für die Geschichte deiner Freundin mit Ayahuasca. Gerade bezogen auf die stark ritualisierte Nutzung seit Jahrhunderten: ich habe manchmal das Gefühl, dass wir bei uns im modernen Westen beim Streben nach technischen und finanziellen Fortschritt komplett unsere seelische Gesundheit vergessen haben. Da können wir viel von anderen Kulturen lernen.


Viele Grüße

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