Leben ohne Essstörung - Erfolgsfaktoren

Bulimie, Anorexie, Adipositas, EDNOS (mehr zur Unterscheidung finden Sie in meinen themenbezogenen Artikeln im Archiv, darüber hinaus finden Sie auf der Website auch Selbsttests zum Thema)
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inlines
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Leben ohne Essstörung - Erfolgsfaktoren

Beitrag Sa., 16.09.2017, 08:38

Hallo zusammen,

mich würde interessieren, ob es Leute gibt, die eine schwere Essstörung hatten, diese aber dennoch erfolgreich überwinden konnten. Vor allem würde mich interessieren, was die besten Ressourcen und Hilfsmittel waren um dies erreichen zu können. Lag es an Klinikaufenthalten, am Akzeptieren der Sucht, am eisernen Willen dagegen anzukämpfen, oder waren es andere Dinge, wie ein liebevoller Partner oder ein besonders schönes Erlebnis?

Ich selbst habe seit etwa 3 Jahren Bulimie, und komme überhaupt nicht davon los. Ich erbreche täglich bis zu 5 Mal (anfangs 15 Mal), und mein letzter Tag an dem ich nicht erbrochen habe dürfte schon 1 Jahr oder so her sein. Ich war schon in einer Spezial-Klinik, die mir auch sehr geholfen hat. Das Erbrechen ging dort stark zurück, dafür wurde die Disso viel extremer. Ich würde eigentlich trotzdem wieder gerne eine spezialisierte Klinik besuchen (weil mein Körper langsam kaputtgeht), aber meine Behandler finden es viel wichtiger, dass mein Trauma-Zeugs angegangen wird und ich in eine dementsprechende Klinik gehe (was ich eigentlich überhaupt nicht möchte). Sie meinen dass dies die Wurzel meines Übels ist, und dadurch alle meine Baustellen postiv beeinflußt werden könnten.

Wer hat positive Erfahrungen in Sachen Essstörung gemacht, und möchte davon berichten?

FG Inlines

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Hamna
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Beitrag Sa., 16.09.2017, 10:19

Hallo Inlines,

ich hatte vor Jahren auch Bulimie, noch dazu habe ich Unmengen von Abführmitteln geschluckt. Als ich dann einen Vollzeitjob fand, KONNTE ich das so nicht mehr durchführen und habe als erstes die Abführmittel abgesetzt. Erbrochen habe ich dann noch eine Zeit lang abends, aber ich war es so leid, dass ich dann meine Ernährung umgestellt habe. Habe tagsüber nur noch Obst gegessen, damit hatte ich nicht das Gefühl, meinen Körper zu beschweren und es musste dann auch nicht zwingend wieder raus. Das Essen am Abend hat sich dann irgendwann auch normalisiert. In einer Klinik war ich wegen meiner Essstörung nie. So ganz wird man das aber wohl nicht los, ich erbreche heute noch manchmal, aber selten, vielleicht alle 3 Monate mal.

Den Gedanken für dich, in eine Klinik zu gehen, halte ich für gar nicht schlecht. Du kannst deine Traumata bearbeiten und auch wenn es keine Spezialklinik für Essstörungen ist, wirst du dort kaum 5 x am Tag erbrechen können. So schlägst du doch quasi zwei Fliegen mit einer Klappe, was meinst du dazu?

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inlines
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Beitrag Sa., 16.09.2017, 11:00

Hallo Hamna,

danke für deine Antwort! Ja, da hast du schon recht. Vor allem gibt es in den Kliniken nur zu bestimmten Zeiten Essen und es ist auch viel schwieriger sich etwas zusätzlich zu beschaffen. Das ist eine positive Sache die selbst in einer Traumaklinik (eine am Chiemsee ist geplant) zum Tragen kommt. Das würde bestimmt schon ein Stück weit was bringen. Ich erbreche zwar auch oft schon, wenn ich nicht so viel gegessen habe, aber alleine das Hungergefühl ist dann so groß, dass man lieber noch ne Stunde durchhält, um das Essen doch im Magen zu halten.

Ist es bei dir auch erst nach der Jugend losgegangen? Ich finde es jedenfalls stark, dass du es geschafft hast, dich so gut davon zu distanzieren!

VG

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Krümmelmonster
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Beitrag Sa., 16.09.2017, 11:09

Hallo Inlines,
Wenn du erbrichst was fühlst du denn dann bei dir? welche Gedanken kommen auf? Oder kommt gar nichts bei dir?
Wie fühlt sich dein Körper, Magen an?
Was will denn deinem Erbrochen zu dir sagen?
Wieso möchtest du nicht dein Trauma erarbeiten in einer anderen Klinik, steckt vielleicht ein wenig Angst dahinter, für was Neues?
Ich erbreche auch wenn mein Körper das nichts mehr verdauen kann, was ich alles in mir rein esse (Gefühle und essen)
Wird mein Körper einfach Zuviel! Deswegen helfe ich nach und breche dann wieder und neues hat wieder Platz.

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Hamna
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Beitrag Sa., 16.09.2017, 11:12

In meiner Jugend war ich magersüchtig, die Bulimie ging so richtig los im Alter von ca. 30 Jahren, nach der Geburt meiner Tochter, und dauerte ca. 7 Jahre.

Anfangs war das reine Gewichtskontrolle bei mir, später habe ich dann gegessen, um überhaupt erbrechen zu können.

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Scars
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Beitrag Sa., 16.09.2017, 19:36

Ich war als Teenager knapp 5 Jahre magersüchtig und habe heute mit Anfang 20 eigentlich keine Probleme mehr damit. Therapie hatte ich damals keine gemacht; geholfen hat mir weiters gar nichts, das hat sich so entwickelt. Durch Veränderung äusserer und innerer Umstände sozusagen, mit Willen und Geduld. Insofern halte ich es auch für sehr sinnvoll, wenn du dein "Trauma-Zeugs" bearbeitest, welches ja sicherlich ursächlich in die Essstörung mit reinspielt.
Remember to leave pawprints on hearts.

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inlines
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Beitrag So., 17.09.2017, 08:22

@ Krümmelmonster: du schriebst:
Krümmelmonster hat geschrieben: Sa., 16.09.2017, 11:09 Wenn du erbrichst was fühlst du denn dann bei dir? welche Gedanken kommen auf? Oder kommt gar nichts bei dir?
Wie fühlt sich dein Körper, Magen an?
Was will denn deinem Erbrochen zu dir sagen?
Meistens ist das erst Mal eine Riesen-Erleichterung. Mein Spannungslevel rauscht nach unten, und ich komme mir irgendwie klarer und befreit vor. Vorher hab ich das Gefühl mein Magen wäre randvoll (auch wenn er das nicht ist), und fühle mich extrem gestresst, irgendwie durcheinander. Hinterher bin ich froh das los zu sein, aber gleichzeitig kommt dann der Hunger wieder, und meistens auch Schuldgefühle, weil ich s nicht ausgehalten hab. Oft hab ich absolut verwirrende Gefühle zwischen absoluter Kontrolle und absolutem Kontrollverlust. Mein Gewicht mag eine Rolle spielen, es kommt mir aber oft so vor als ob mein Körper das von alleine macht. Ich denke nicht gerne darüber danach (deswegen konnt ich gestern nicht mehr beantworten).
Krümmelmonster hat geschrieben: Sa., 16.09.2017, 11:09 Wieso möchtest du nicht dein Trauma erarbeiten in einer anderen Klinik, steckt vielleicht ein wenig Angst dahinter, für was Neues?
Schon der Gedanke daran, dass die wieder in der Vergangenheit wühlen wollen, und man irgendwas davon erzählen muss, das dann unbeabsichtigterweise etwas auslöst und das mich dann wochenlang quält. Es ist für mich der reine Horror, auch wenn die Disso wohl vieles dämpft. Das ist so peinlich, wenn man Totalabschaltung hat. Ich kucke mir zu, und hoffe hinterher eine gewisse Schadensbegrenzung erreichen zu können. Auch dieses Thema ist nicht so leicht für mich... ::?

VG

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Krümmelmonster
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Beitrag So., 17.09.2017, 10:06

@inlines,
Nur in der Klinik bist du in einem gesicherten Raum und du hast sofort jemanden zum Reden und du bist nicht alleine für dich. Jemand ist für dich da in den Moment was früher eben nicht da war.
Du lernst neue Situationen kennen, wie du vielleicht anders umgehen kannst, was früher nicht möglich war.

Vorher hab ich das Gefühl mein Magen wäre randvoll (auch wenn er das nicht ist),
Vom Essen nicht, aber von deinen ganzen Gefühlen. Da wird es bei dir im Magen abgelagert und erzeugt Stress.
Wenn du dich nicht mit dir beschäftigen möchtest und in die Vergangenheit gehst, wie willst du es sonst loswerden?


MrsPortinari
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Beitrag So., 17.09.2017, 17:53

Ich war letztes Jahr 10 Wochen in einer psychosomatischen Klinik wegen Bulimie. Zuvor habe ich 2 Jahre an einer Essstörung gelitten. Habe erst 10 kg abgenommen, dann kamen die Essanfälle hinzu und haben sich gehäuft. Ich hab mich zwar nicht übergeben, aber ich habe gefastet, Sport getrieben, Abführmittel genommen und Entwässerungstabletten geschluckt. Irgendwann konnte ich nicht mehr und habe den Entschluss gefasst, in die Klinik zu gehen. Dort hatte ich verschiedene Therapieformen und auch ein klar strukturierter Ess-Alltag. Damit konnte zumindest der erste Brand gelöscht werden. Im Anschluss an die Klinik habe ich mit einer Therapie begonnen. Erst mit der Zeit, nachdem einige Themen aus meinem Leben aufgearbeitet wurden bzw. angefangen wurden, wurde auch mein Essverhalten besser. Mittlerweile habe ich ein normales Hunger- und Sättigungsgefühl. Meinen letzten Essanfall hatte ich ein paar Tage vor dem Beginn des Klinikaufenthalts.
Ich hab zwar meine Depression noch nicht ganz los, aber es wird immer besser. Und am Essen habe ich wieder Freude.

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baobab
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Beitrag Do., 28.12.2017, 14:43

Bin so halber Weg raus aus der Essstörung, vom Gefühl her.
Hatte verschiedene Phasen, von Kindheit an, Untergewicht (hungern), Normalgewicht (überessen und hungern hielten sich die Waage), Übergewicht (klassisches Binge-Eating, kontrollieren wollen und dann Essanfälle).

Was hilft (mir)?
Achtsamkeit, Körperwahrnehmung verbessern, Hier und Jetzt Bezug, gesündere Stress- und Emotionsregulation lernen.
Gesündere Bindung als als Kind erfahren (Therapie und später dann auch Partnerschaft), herausfinden: wann überesse ich? Gestatte ich es mir überhaupt genug zu essen. Literatur zum Thema. Mich mit Sucht und Bindung und Essstörung als Autonomiekonflikt beschäftigen.

Gleichzeitig aber auch Annahme von dem, "was ist", auch der schweren Gefühle, heißt für mich aber nicht konfus da reingeraten, sondern an der Stabilität primär arbeiten durch das dann auch gehen zu können, mit Hilfe wenn notwendig, was ansteht.

Mir hat auch die DBT geholfen, da gibt es ein Selbsthilfe-Programm für den PC von Martin Bohus. (Für eine angeleitete Gruppe wurde ich noch zu dissoziativ angesehen, deswegen dann Selbst am PC, eigenes Tempo mit Rücksprache in der Therapie). DBT gibt es mittlerweile ja nicht nur für Borderline-Patienten, sondern auch modifiziert für PTBS, kPTBS, usw.

Ich glaube, am meisten hat mir geholfen einen stabilen Bezugspunkt in mir zu finden und Annahme, auch Grenzen spüren und schützen lernen. Da bin ich auf dem Weg.

Ich nenne noch mal ein Buch Bei sich und in Kontakt von Thea Rytz das beschäftigt sich mit dem Thema.

Genau genommen gibt es noch Einiges mehr, viele kleine Bausteine, was geholfen hat - aber ich denke, das würde hier den Rahmen sprengen für den Moment.
- Bitte erstmal keine Antworten in meinem Blog-Thread, weil es mich überfordert -

In Wirklichkeit gibt es nur die Atome und das Leere.
Demokrit

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lemon
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Beitrag Do., 28.12.2017, 15:31

Ich hatte ca. 15 Jahre Magersucht / Bulimie im Wechsel.

Bei mir war das ähnlich wie bei Hamna. Ich hatte einen mir sehr wichtigen neuen Job wo es unmöglich war zu erbrechen. Die Clos waren rar und gut besucht, das hätte ich nicht gewagt. Somit habe ich tagsüber auch nur leichte Kost zu mir genommen, wie Obst, Jogurt oder Knäcke und abends gekocht. Das abendliche Erbrechen wurde mit der Zeit weniger, ich habe viel Sport getrieben und war voll beschäftigt mit Job, Kindern, denen ich auf jeden Fall ein gutes Vorbild sein wollte und somit habe ich es sein gelassen.

Ich war noch während der Essstörung zweimal auf einer 8wöchigen psychosomatischen Reha; das hat mir essenstechnisch zwar nicht geholfen, doch es hat mir sehr, sehr gefallen, ich konnte was für mein Wohlbefinden tun und habe mich dort sehr gut erholen können. Somit fällt auch schon mal Anspannung ab und ich lernte mich zu entspannen (auch ohne zu Erbrechen). Druck ablassen durch Sport nutze ich per heute noch oft.

Meiner Meinung nach gehört Wille auf jeden Fall dazu und die Bereitschaft sich einen neuen Fokus zu suchen und sich abzulenken vom Hungern, Essen, Erbrechen.

Wieder seinen Hunger neue entdecken und sich ein gesundes Sättigungsgefühl aneignen, das dauert jedoch und ist Übungssache, immer und immer wieder aufs Neue regelmäßige kleine Mahlzeiten zu sich nehmen und diese auch behalten, je öfter das funktioniert desto stolzer macht einen das.
Ich habe anfangs auch immer 4 - 5 Std. zwischen den Mahlzeiten Zeit verstreichen lassen, damit sich das Essen gut verdaut und ich kein Völlegefühl bekomme.
[center]Das, was wir Menschen am meisten brauchen,
ist ein Mensch, der uns dazu bringt,
das zu tun, wozu wir fähig sind.[/center]

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inlines
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Beitrag Do., 28.12.2017, 15:40

Eure Geschichten machen mir echt Hoffnung, dass ich eines Tages vielleicht auch wieder einigermaßen normal leben kann.

Vielen Dank dafür!

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lemon
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Beitrag Do., 28.12.2017, 15:52

inlines hat geschrieben: Do., 28.12.2017, 15:40 Eure Geschichten machen mir echt Hoffnung, dass ich eines Tages vielleicht auch wieder einigermaßen normal leben kann.

Vielen Dank dafür!
Wenn du dich heute noch auf den Weg dort hin machst wird dir das auf jeden Fall gelingen inlines.
Jeder kleine Schritt zählt, denke daran. Und wenn du tägl. deine Brechanfälle evtl. mal halbierst, wäre das was?
Außerdem wirst du fitter und siehst wieder viel besser und gesünder aus, wenn du dich ansatzweise gesund ernähren wirst.

Ich wünsche dir auf jeden Fall, Elan, Mut, Zuversicht und Einsatzbereitschaft!

lemon
[center]Das, was wir Menschen am meisten brauchen,
ist ein Mensch, der uns dazu bringt,
das zu tun, wozu wir fähig sind.[/center]

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