Sehnsucht nach Mutterliebe

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Thread-EröffnerIn
coco
Helferlein
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weiblich/female, 32
Beiträge: 49

Beitrag Fr., 02.05.2014, 22:00

Liebes Schwebeteilchen,

ich kann dich SO gut verstehen! Diese Gefühle sind derart heftig, dass nichts anderes dagegen ankommt.Bei meiner ehemaligen Therapeutin dachte ich immer "alles wäre gut, wenn sie mich doch nur einmal in den Arm nehmen würde". Aber ich habe mich nicht getraut das auszusprechen. Wenn man nicht fragt, kann man wenigstens nicht abgewiesen werden - auch wenn die Sehnsucht sich ähnlich anfühlt wie das abgewiesen werden.

Ich habe Jahre gebraucht um diesen Satz sagen zu können: "Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten und auch nicht Ihre Grenzen überschreiten, aber ich möchte zumindest ausdrücken, dass es mir gerade unheimlich helfen würde, wenn Sie mich in den Arm nehmen würden" sagen konnte.

Ich habe so etwas in meinem Leben nie sagen können, selbst als Kind nicht. Ich habe mich immer so sehr für meinen Wunsch nach Trost und Schutz und Wärme geschämt, dass ich es nie als etwas ganz normales ansehen konnte, das eigentlich JEDER von uns braucht oder zumindest mal gebraucht hat.

Ich hatte unendlich große Angst, als ich das zu meiner Therapeutin gesagt habe, aber das Vertrauen war größer. Wenn das für sie eine Grenze überschreitet, dann wird sie meinen Wunsch nach der Umarmung zwar zurückweisen, dachte ich mir, aber sie wird mich doch in dieser großen kindlichen Sehnsucht sehen und sensibel mit mir umgehen. Diese Sehnsucht ist mein heftigstes Thema und wenn ich es weiter aus der Therapie ausschließe, dann werde ich damit nie weiterkommen.

Es war wie ein Sprung ins kalte Wasser, aber er hat sich gelohnt. Ich habe mich in meinem Bedürfnis SO wahrgenommen gefühlt. Meine Therapeutin hat mich damals in den Arm genommen und ich war einfach nur dankbar.

Viele hier schreiben, dass sie das nie wollen würden, entweder, weil sie die Nähe nicht ertragen könnten, weil das den Rahmen der Therapie sprengen würde oder weil sie Angst vor Abhängigkeit haben. Mit all dem habe ich mich natürlich vorher intensiv im Kopf auseinandergesetzt.

Mich hat daher selbst total verblüfft, wie dieses Thema sich bei mir verändert hat. Ich bin irgendwie viel unabhängiger geworden. Es ist so anstrengend, seine kindlichen Bedürfnisse ständig wegzurationalisieren oder zu verstecken, dass sie einen dann immer wieder mit einer Vehemenz umhauen, die ihresgleichen sucht. Es fühlt sich so an, als käme man aus dem "Brauchen" gar nicht mehr raus und hätte in sich ein tiefes Sehnsuchtsloch ohne Boden. Wenn die Gefühle aber da sein dürfen, sind sie ganz friedlich und man merkt, dass man eigentlich gar nicht so viel braucht. Zumindest war das bei mir so. Und auf einmal ging es wieder um ganz andere Themen in der Therapie und Urlaube meiner Therapeutin machten mir viel weniger aus.

Ich weiß, dass es unendlich schwer ist, so etwas anzusprechen und ich weiß auch aus eigener Erfahrung, dass nicht jeder Therapeut mit den kindlichen bzw. bedürftigen Anteilen von Patienten souverän umgehen kann.Trotzdem, glaube ich, melden sich diese Gefühle und Bedürfnisse so lange, bis sie endlich gesehen und akzeptiert werden. Ein wohlwollendes Gegenüber ist dabei unersetzlich. Allerdings geht es wohl dennoch sogar noch mehr darum, dass man sich selbst mit diesen Anteilen akzeptiert.

Ich weiß, ich habe jetzt nur über mich geschrieben und dir nicht wirklich einen Rat gegeben. Das kann ich nicht, denn jeder ist anders und jede Beziehung ist auch anders. Dennoch hoffe ich, dass dir meine Geschichte vielleicht ein klein wenig Mut machen kann.

Ganz liebe Grüße,

Coco

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Christine_Walter
Forums-Gruftie
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Beiträge: 515

Beitrag Fr., 02.05.2014, 22:09

meine therapeutin hat mich auch ein oder zweimal umarmt. beim ersten mal ging die initiative von mir aus, ich fragte sie ob ich darf und nahm sie in den arm, und sie mich. beim zweiten mal, das war als mein vater gestorben war. allerdings muss ich sagen, ich hatte in diesen momenten nicht das gefühl, "bei mama zu sein", sondern was gestillt wurde war das bedürfnis einer erwachsenen, und weniger nach zärtlichkeit als einfach nach einem halt und einer stütze. und die hat sie mir gegeben.

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Schwebeteilchen
sporadischer Gast
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Beiträge: 14

Beitrag Sa., 03.05.2014, 07:34

Liebe Coco,
ich empfinde es als so wohltuend, was du geschrieben hast. Ich fühle mich sehr verstanden und das fühlt sich gerade sehr schön an.
Coco hat geschrieben:Es fühlt sich so an, als käme man aus dem "Brauchen" gar nicht mehr raus und hätte in sich ein tiefes Sehnsuchtsloch ohne Boden. Wenn die Gefühle aber da sein dürfen, sind sie ganz friedlich
Weißt du, ich habe wirklich lang überlegt, ob ich es hier überhaupt schreiben sollte, weil ich sonst eigentlich eher nur mitlese. Ich habe mehrere Versuche gebraucht und es immer wieder gelöscht, bevor ich meine Nachricht gestern abgeschickt habe. Und wider Erwarten schäme ich mich im Nachhinein nun nicht dafür. Vielleicht war dies ein erster, kleiner Schritt, dass die Gefühle da sein dürfen. Zumindest fühlt es sich ein wenig "friedlicher" an, als gestern.

Herzliche Grüße
Schwebeteilchen

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Sunny girl
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Beiträge: 175

Beitrag Sa., 03.05.2014, 19:09

Schwebeteilchen hat geschrieben:Hast du es denn schon mal versucht in deiner Therapie anzusprechen? Also ich meine deine Bedürfnisse nach Liebe, Trost und Nähe (durch ihn)?
Nein, das habe ich mich noch nicht getraut.
Ich befürchte, dass es dafür vlt. keinen Platz gibt, dass er dann sagt, ich sollte das nicht in der Therapie suchen, sondern bei anderen Menschen usw. Das wäre mir dann ziemlich unangenehm.

Das Problem ist bei mir, dass ich mich ziemlich kühl verhalte. Das hat mir der Th. schon rückgemeldet. Ich vermute,dass es daran liegt, dass manchmal keine Nähe entsteht. Wohl auch daran, dass ich sehr rational spreche und wenig über Gefühle.
So diskutieren wir ziemlich rational über etwas und ich merke das und weiß, wenn ich jetzt nach Hause gehe, werde ich wieder ganz allein mit meinen Gefühlen sein und es wird mir elend gehen. Aber ich weiß nicht wie ich ihm das mitteilen könnte, was ich mir dann von ihm wünschen könnte. Ich kann nicht einfach sagen mehr Nähe.
Schwebeteilchen hat geschrieben:Ich weiß noch nicht genau, wie ich es ansprechen werde. Wahrscheinlich wird sie es eh merken und mich fragen, was mir "auf der Seele" liegt und dann hoffe ich, dass ich es so zum Ausdruck bringen kann, wie es gerade ist und nicht wie es wahrscheinlich in einigen Tagen sein wird, wenn der rationale, erwachsene Anteil gewonnen hat. Ich werde dir berichten, wenn du magst!
Ja, bitte, das interessiert mich sehr!

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Tillysmi
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Beitrag So., 09.12.2018, 20:23

Elena hat geschrieben: Fr., 04.12.2009, 12:10 Hallo an Alle,

interessantes Forum, da es auch genau meine Problematik angeht. Ich kann jezt einfach nur von mir berichten, dass ich, solange ich denken kann, auf der Suche nach einer Ersatzmutter war. Natürlich habe ich immer wieder ältere Frauen getroffen, die diese Bedürfnis erfüllen wollten, jedoch merkte ich immer und immer wieder, dass ich in meiner Sehnsucht nach Mutterliebe so intensiv war, dass es garnicht möglich war, eine normale Freundschaft auf diesem Wege aufzubauen, auch eine richtige Partnerschaft zu einer Frau geht für mich garnicht, da es nicht das ist, was ich will. Es ist wirklich schlicht und einfach die Mutter, die ich brauche.
Natürlich kam dies in der jetzigen Therapie voll zum Vorschein, anfangs mehr auf der rationellen Ebene, mittlerweile (nach neun Monaten) ist es so, dass meine Therapeutin vollkommen als Mutter herhalten muss, indem wirklich die ganzen kindlichen Anteile in mir ausbrechen, und die ich mein Leben lang mehr oder minder erfolgreich zurückgehalten habe. Anfangs dachte ich, meine Therapeutin wird dem nicht standhalten können, weil ich mich wirklich an ihr abreagiere, mit meinem kindlichen Trotz etc. Sowas kann man z.b. in einer Freundschaft mit einer mütterlichen Freundin garnicht bringen, es wäre mir auch viel zu peinlich. Dies war es im Übrigen auch für mich, als ich meinen ersten Trotzanfall bekommen habe in der Sitzung ......, aber mittlerweile stehe ich dazu.
Dadurch, dass diese Übertragung so intensiv ausgelebt wird, und wir daran arbeiten, werden die Details deutlich, die ich immer vermisst habe. Das, was vorher wie eine geballte Ladung an kindlichen Bedürfnissen auf mich wirkte, wird immer klarer. Somit habe ich das Gefühl, mich im Griff zu haben und nicht mehr so überwältigt zu sein, von dem, was ich brauche. Irgendwie wie ein Wollknäuel, der geduldig aufgerollt wird. Deswegen sage ich Euch, habt den Mut, und lasst die Sau raus, auch wenn es Euch auf der kognitiven Ebene kindisch, peinlich, unanagemessen erscheint. Nur so kommt ans Tageslicht, was Ihr wirklich braucht. Und ich glaube, dann ist es auch möglich, einige Sehnsüchte auf verschiedene Menschen zu verteilen. Aber irgendwie sind bei mir die Sehnsüchte ganicht mehr so stark, seitdem wir dran arbeiten. Und es ist einfach herrlich, dass eine Therapeutin mal ganz anders reagiert, als es die eigenen Mutter getan hat und das gibt, was man braucht, z.B. zu versuchen zu verstehen, was hinter einem Wutanfall steckt, warum es nicht möglich ist, mütterliche Liebe zu wollen, aber von der Threapeutin nicht zuzulassen.

LG Elena
Hallo Elena,

ich bin mittlerweile 37 Jahre alt und ich brauche gar nicht viel schreiben, denn mir ergeht, bzw. erging es genauso wie dir. Nur ich habe vor einigen Jahren die Therapie und den Kontakt zu meiner Therapeutin abgebrochen, weil ich nicht mehr konnte. Ich war wie besessen von ihr. War teilweise 3 mal die Woche bei ihr und es wurde immer schlimmer, so daß ich dachte, das ist nicht der richtige Weg. Dein Thread ist mittlerweile 9 Jahre her und ich hoffe, du liest das hier noch. Mich würde interessieren, wie es dir geht und wie lange die Therapie noch gedauert hat. War es vielleicht ein Fehler von mir, das abzubrechen? Ich würde mich so freuen, von dir zu lesen, denn mich frisst diese Sehnsucht fast auf. Liebe Grüße Tanja

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