Ist nachdenken und einlassen richtig?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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lia17
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Ist nachdenken und einlassen richtig?

Beitrag So., 05.10.2014, 20:47

Hallo alle zusammen,

ich brauche Eure Meinung, Erfahrung, Rat und Hilfe...
Gestern wurde mir von einer Freundin vorgeworfen, dass ich mich in meiner Therapie zu sehr verrenne und mich zu sehr eingelassen habe. Warum? Weil sie der Meinung ist, ich denke zu viel über mich nach. Ich sehe auf einmal Dinge anders, würde zu viel reflektieren. Und sie hätte Angst, dass ich mich dadurch in die Isolation stürze.

Ist es nicht normal, dass man im Zuge dieses therapeutischen Prozesses Dinge neu beleuchtet und vllt. auch feststellt, dass das eigentlich so nicht stimmig ist und dann Sachen verändern möchte? Bsp: Mir fehlt es an ehrlichen Freundschaften. Ich habe viele oberflächliche Bekannte und nur gaaaanz wenige enge Freunde, die geblieben sind während meiner Therapie, die mich unterstützt haben, mich nicht fallen gelassen haben. Aber diese besagte Freundin, hat sich in der Phase, als es mir sehr schlecht ging, nicht gekümmert, hatte Berührungsängste. Selbst hat sie keine Therapieerfahrung. Fakt ist, ich habe mich von einigen Bekannten verabschiedet, einfach weil ich erkannt habe, dass die mir nicht gut tun. Und ja, ich denke viel nach über mich und die Therapie und wenn ich zurück blicke und auf die 2 Jahre Therapie schaue, sehe ich eine harte Zeit, die aber ganz viel gebracht hat. Ich konnte Ängste abbauen, mein Leben ordnen und mich neu finden. Das ist wirklich so. Ich empfinde die Zeit als eine ganz wertvolle Erfahrung, die ich nicht missen möchte.

Ich habe meine Therapeutin zugelassen, was am Anfang ganz schwierig war und bin froh um die Erfahrung.

Wie ist das bei Euch? Denkt ihr auch so viel nach und ändert Sachen und Euer Umfeld reagiert mit Unverständnis und Konfrontation? Ich fühle mich manchmal, wenn ich mich Menschen hierzu öffne, als ob ich einen Stempel auf die Stirn gedrückt bekomme

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candle.
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Beitrag So., 05.10.2014, 20:54

Hallo lia17!

Vielleicht hat deine Freundin einfach Angst, dass sie von dir auch bald verabschiedet wird?

Viele Grüße!
candle
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Arthur
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Beitrag So., 05.10.2014, 21:02

Viele Menschen haben Angst vor Veränderung. Das ist ganz normal. Wenn du durch die Therapie anfängst was zu ändern, führt das einfach bei dem einen oder anderen zu Beunruhigung. Aber wenn du nix änderst, kannste dir die Therapie auch sparen

Also erstmal würde ich mich nicht beirren lassen.

Was allerdings auch stimmt, ist, dass es eine Falle des über-sich-nachdenkens gibt. Dann nämlich wenn man anfängt immer wieder in den selben Gedankenschleifen zu denken. Dafür sind dann die hilfreichen neuen Impulse von anderen Menschen gut, oder mal das nicht denken, sondern reine Spüren und Erleben. Oder das meditative den Geist zur Ruhe kommen lassen. Oder ein Buch, das ein neue Sichtweise eröffnet.

Wenn man die Menschen die man beunruhigt nicht beunruhigen möchte, kann man versuchen sie durch Gespräche mit einzubinden. Sorgen nehmen. Ihnen zeigen, dass sie nichts verlieren. Aber es ist auch Teil des Lebens, dass Beziehungen wieder auseinandergehen können.

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Thread-EröffnerIn
lia17
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Beitrag Mo., 06.10.2014, 14:41

Candle, Arthur... danke für Eure Meinungen.

Da ist schon was Wahres dran: Wenn man die Menschen die man beunruhigt nicht beunruhigen möchte, kann man versuchen sie durch Gespräche mit einzubinden. Sorgen nehmen. Ihnen zeigen, dass sie nichts verlieren. Aber es ist auch Teil des Lebens, dass Beziehungen wieder auseinandergehen können.[/quote]

Genau das habe ich ja oft gemacht. Habe Menschen teilnehmen lassen, in dem ich offen Gespräche geführt habe, mich nicht verleugnet habe, sondern auch mal ehrlich gesagt habe, wie es mir geht. Und dadurch wurde ich sehr oft enttäuscht. Viele konnten nicht damit umgehen, haben mich nicht verstanden. Und nun spricht eine es vllt. mal aus. Sie sagte halt, dass sie den Eindruck hat, dass ich mich zu sehr in diese Therapie gehängt habe, mir viele Sachen durch meinen Therapeuten einreden lassen habe mir quasi ins Gehirn gequasselt wurde und ich nun ganz anders sei.

Völliger Blödsinn!

Ich kann nur sagen, dass ich durch diese Zeit in der Therapie mehr auf mich achte, was ich vorher nicht getan habe, nicht gleich ja sage und eben mich auch wichtiger nehme. Ich bin insgesamt selbstbewusster und weicher geworden und nehme mich auch so wahr. Versteht mich nicht falsch. Ich habe vorher so gut wie gar nicht Gefühle wahrgenommen, jetzt schon. Und..., ich fühle mich gut so. Mich macht es aber so traurig und das lässt mich eben schon wieder zweifeln, ob ich nun vor allen ein gebranntes Therapiekind bin, weil ich mich eben verändert habe.

Es ist einfach grade krass, dass jetzt erst nach der Therapie sich so vieles ändert. Und mir fällt auf, dass gerade diese alten Kontakte, die von meiner "Therapievergangenheit" wissen, noch immer Berührungsängste haben. Das tut irgendwie weh und hemmt mich auch ein wenig, mich nicht beirren zu lassen. Versteht ihr?

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Jenny Doe
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Beiträge: 4881

Beitrag Mo., 06.10.2014, 15:45

@ lia17,

letztendlich ist es doch eine Frage des Mittelweges. Ohne Nachdenken und sich Einlassen funktioniert Therapie nicht. Andersrum: Nur Nachdenken und nur für die Therapie leben ist auch nicht so das Goldene vom Ei.
Wir müssen das Leben loslassen, das wir geplant haben, damit wie das Leben leben können, das uns erwartet (Joseph Campbell). Manche Leute glauben, Durchhalten macht uns stark. Doch manchmal stärkt uns gerade das Loslassen (Hermann Hesse).

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Greenhorse
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Beiträge: 34

Beitrag Mo., 06.10.2014, 21:04

Hallo Lia,
ich wollte heute früh schon etwas schreiben, musste dann aber doch los zur Arbeit.
Ich sehe es wie Arthur, wenn du eh nichts ändern wollen würdest oder müsstest, dann bräuchtest du die Therapie nicht. Für mich persönlich stehen Veränderungen in direktem Zusammenhang zu Therapie. Ansonsten, ja ansonsten wäre sie überflüssig, denn was bringt es, wenn du weißt was schief läuft und dennoch nichts daran änderst?!
Ich habe auch eine Freundin, meine beste Freundin die wie (m)eine große Schwester ist, sie sagte letzte Woche auch völligst entsetzt zu mir "Was zum Teufel hat deine Therapeutin mit dir gemacht?" und ich sagte nur "nichts". Denn meine Therapeutin macht nicht viel, außer mir neue Blickwinkel eröffnen. Aus denen ziehe ich mir selbst das, was ich ändern muss. Sie selbst sagt mir nicht was ich anders machen soll oder muss. Sie regt mich an, nachzudenken. Und es ist ja auch so, dass man andere, neue Verhaltensmuster erstmal ausprobieren muss um zu sehen, ob es das ist, was zu einem passt, was geändert werden muss.
Ich habe mich in den letzten 2 Jahren auch von vielen Menschen getrennt. Besonders von meiner Familie, zuerst "nur" emotional, dann auch räumlich. Wenn ich jetzt noch eine Wohnung finde, dann bin ich ganz raus aus der Familie und es geht mir damit so verdammt gut.
Naja und um nochmal auf meine beste Freundin zu kommen. Auch wenn sie letzte Woche so etwas gesagt hat, sie sagte auch sie würde mich nicht wieder erkennen, was mich auch wiederum zum Nachdenken angeregt hat und naja ich habe dabei viel gemerkt. Sie steht aber dennoch zu 1000% hinter mir und unterstützt mich. Und sie sagt, dass ich was ändern muss. Und damit hat sie recht, denn sonst könnte ich mir die Strapazen auch ersparen.

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Wandelröschen
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Beitrag Mo., 06.10.2014, 23:27

Hallo Lia17,

Die Antwort auf deine Frage: Ja.

Eine erfolgreiche Therapie bringt zwangsläufig eine Veränderung mit sich, sonst könnte man sich den ganzen Stress echt sparen (wurde ja schon erwähnt).

Es ist ja bei Freundschaften/Partnerschaften so, dass eine Bindung zueinander entstand, weil bestimmte Eigenschaften beim Freund/Partner vorhanden waren. Wenn sich diese nun bei einem verändern, verändert sich zwangsläufig die Beziehung zueinander, entweder in die Richtung, wie du es schreibst, dass sie auseinander gehen können oder oberflächlicher werden, oder aber auch in die andere Richtung, ja, auch dass gibt´s, erlebe ich in meiner Partnerschaft. Da fällt vieles weg, was vorher immer für Konflikte sorgte, die Lage hat sich also entspannt. Und da ich auch nicht mehr so viel kontrolliere, läuft es in unserer Beziehung viel angenehmer.

Aber auch ohne Therapie brechen ja Freundschaften auseinander. Klassisches Beispiel, selber auch erlebt: Der Freundeskreis bestand nur aus Singles. Als dann einige heirateten und Kinder bekamen, drehte sich bei denen alles nur noch um Kinder/Windeln/Schule … Damit konnten die Singles nichts mehr anfangen und es ging auseinander. Muss natürlich nicht zwangsläufig so sein, hab auch noch eine wertvolle Freundin aus der Schulzeit, die Single geblieben ist.
Gruß
Wandelröschen

Wann, wenn nicht jetzt. Wo, wenn nicht hier. Wer, wenn nicht ich.


montagne
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Beitrag Di., 07.10.2014, 07:16

Hi lia, wie schon gesagt wurde, machst du doch wahrscheinlich Therapie UM etwas zu verändern. Also ist es schon richtig.
Oft wird es fürs Umfeld erstmal unbequemer, stimmt schon. Früher war man überangepasst hat viel runtergeschluckt, dann fängt man an, sein Missfallen und seine Wünsche und Forderungen zu äußern. Manch einer kommt beser damit klar, als ein anderer.

Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass es dennoch leichter werden kann. Die meisten Menschen gewöhnen sich nach einer Phase der Entrüstung dran. Menschen, ddenen wirklich was an einem liegt, spüren, dass es so besser ist für einen und es einem besser geht und merken auch, dass die Interaktionen unterm Strich einfacher und doch reichhaltiger werden. So habe ich es zumindest erfahren.

Was ich aber auch erfahren habe ist, die Menschen die einem am Herzen liegen mitzunehmen auf der Reie und nicht vor vollendete Tatsachen zu stellen. Manchmal muss man drüber reden und in manchen Beziehungen vielleicht auch kleinere Schritte gehen. Und was ich durchaus auch erlebt habe, was ich aber gut finde, dass ich den Mut und die Kraft fand, Beziehungen zu beenden, die mir geschadet haben. Ich wusste eigentlich vorher shcon, das diese Trennungen für mich sein müssen, insofern hatte ich keine Zweifel mehr. Ich kann mir aber vorstellen, das Menschen, die erst durch die Therapie anfangen zu spüren wie destruktiv manche Beziehung ist, große Zweifel bekommen, ob es so richtig ist, was sie spüren, gerade wnen es die Famiie betrifft.
Und das kann man letzlich wirklich nur für sich selbst herausfinden.
amor fati


Hannah*
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Beiträge: 35

Beitrag Di., 07.10.2014, 10:44

Es ist richtig, dass Therapie Veränderungen mit sich bringt und man sich in dieser Zeit vor allem auf die Suche nach sich selbst macht. Das bedeutet aber nicht, dass das unbedingt mit einem Kahlschlag im Freundes- und Bekanntenkreis einhergehen muss. Auch wenn sich die Beziehungen verändern und neu bewertet werden, muss das nicht heißen, dass alles, was nicht eng und innig ist, schlecht ist.

Nur noch mit sogenannten echten Freunden zu verkehren, finde ich den falschen Weg. Vielleicht hast du auch überzogene Erwartungen an deine Bekannten, lia? Ich finde, dass auch eher oberflächliche Kontakte den Alltag bereichern können und das eigene Leben auflockern (daneben reichen ein, zwei richtig gute Freunde völlig aus).

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