Privater Kontakt zum Therapeuten?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Thread-EröffnerIn
Adriana
Helferlein
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Privater Kontakt zum Therapeuten?

Beitrag Sa., 21.11.2009, 01:47

Hallo, liebe Foris,

ich lese schon eine ganze Weile als Gast hier mit, und ein aktuelles "Problem" veranlasste mich, mich jetzt hier zu registrieren.

Ich mache zur Zeit eine Verhaltenstherapie und bin seit einiger Zeit sehr in meinen Therapeuten verliebt. In der letzten Sitzung sagte er, da ich wiederholt Suizid-Gedanke äußerte, dass es sehr schade wäre, wenn ich Suizid begehen würde, weil er mich dann ja nie mehr wiedersehen würde. Ich sagte daraufhin, dass wir uns ja sowieso nicht mehr sehen würden, wenn die Therapie beendet ist. Daraufhin meinte er, ich hätte aber ja seine E-Mail-Adresse, und überhaupt sei das ja gar nicht gesagt.

Jetzt schwebe ich auf Wolken und hoffe darauf, dass er sich tatsächlich privat mit mir treffen wird, wenn die Therapie beendet ist.

Aus anderen Threads habe ich aber herausgelesen, dass Therapeuten sich nicht auf privaten Kontakt einlassen, auch nicht nach Therapieende. Hat er das möglicherweise nur gesagt, um mir meine Suizidgedanken zu nehmen? Ich weiß nicht, ob ich jetzt hoffen darf, oder ob er zum Ende der Therapie vielleicht einen Rückzieher macht. Was denkt ihr darüber?

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feder
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Beitrag Sa., 21.11.2009, 02:08

Es ist spät bzw. früh...deshalb nur ein Gedanke: wenn er das macht, um dir deine Suizidgedanken zu nehmen und du dich darauf einlässt, lebst du dann nicht nur für ihn (weiter)? Solltest du nicht für dich leben wollen. und sollte er dir nicht dabei helfen?

Ich kenne die Wolke, auf der du schwebst. Auch meine Therapeutin hatte mir mehrfach Hoffnungen gemacht, die sie vielleicht auch so gemeint hat. Letztendlich haben wir uns im Streit getrennt und ich werde es nicht heraus finden. Ich weiß, dass ich mich mit der Aussicht auf eine private Weiterführung der Beziehung sehr wohl fühlte. Im Rückblick denke ich jedoch, dass so etwas, wenn überhaupt, dann nur mit viel Abstand (mehrere Jahre?) möglich ist. Es ist kaum möglich, aus einem solchen Gefälle (wie dem der therapeutischen Beziehung) gleich auf Augenhöhe und Gleichberechtigung einer privaten Beziehung umzuschalten.

Hast du mal überlegt, was du an ihm so magst und warum du dich in ihn verliebt hast? Was weißt und kennst du von ihm, das ihn so attraktiv macht? Ist es wirklich er, den du meinst oder überträgst du da was?

Schwierig, das so nüchtern zu sehen, wenn man mittendrin steckt, ich weiß.
Frag ihn am besten direkt, was er mit seinen Andeutungen meint und warum er sie macht. Dann musst du dir nicht den Kopf zerbrechen und es kann zudem für deinen Therapieprozess unglaublich hilfreich sein, hinter deine Gefühle zu gucken und deren Gründe rauszufinden.

Vielleicht hatte er mit seiner Aussage gemeint, was viele Therapeuten tatsächlich anbieten: das sie, sollten dringende Probleme auftreten, auch nach Therapieende noch ansprechbar sind, per Telefon oder eben per Mail, sodass man nach dem Abschluss eben nicht völlig allein gelassen wird, wenn man nochmal Hilfe braucht.

Es ist übrigens tatsächlich so, dass sich VT bis 2 Jahre nach Therapieende auf keinen privaten Kontakt einlassen sollten. Soweit ich weiß.

Doch mehr als ein Gedanke...
Nachtgrüße
psychologisch ist nicht logisch. (schulz von thun)

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Dunkle
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Beitrag Sa., 21.11.2009, 02:16

Hi Adriana,

der mögliche Kontakt nach Therapieende ist tatsächlich eines der Themen, die jeden Patienten mal bewegen und erst recht, wenn starke Gefühle für den Therapeuten im Spiel waren/sind.

Genauso verschieden wie die Therapeuten und Therapien sind auch die Kontakte nach der Therapie. Deswegen können wir hier für Dich keine "Fern"-Voraussage abgeben.

Es gibt nur einige Fakten: Therapeuten DÜRFEN keinen privaten Kontakt mit ihren Patienten haben, nach Ende der Therapie wird eine "Abstinenzzeit" von zwei Jahren empfohlen oder auch eine lebenslange Abstinenz.

Diese Möglichkeiten, und welche er für sich und Dich richtig findet, müsst Ihr IN der Therapie besprechen.
Adriana hat geschrieben:Daraufhin meinte er, ich hätte aber ja seine E-Mail-Adresse, und überhaupt sei das ja gar nicht gesagt.
Das hier, so Du ihn einigermaßen original zitierst, kann aber alles Mögliche sein. Deine Gefühle haben Dich sicherlich in diesem Moment gehindert, näher nachzufragen. Weil Du Deinen Wolkenplatz nicht so gern aufgeben oder gefährden würdest. Hängt Dein Lebenswillen nun tatsächlich daran, ob sich Dein Therapeut nach der Therapie mit Dir privat trifft? Ich denke, Du hast mit Deinem Therapeuten noch eine ganze Menge zu bearbeiten, vielleicht ist das ja auch einfach eine Option auf Verlängerung der therapeutischen Beziehung??

Gruß,
D.

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Stöpsel
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Beiträge: 978

Beitrag Sa., 21.11.2009, 12:32

Hallo Adriana,

ich würde mir an Deiner Stelle die Frage nicht stellen, weil Du dadurch viel zu fixiert bist darauf und zu sehr von Dir abgelenkt. Ähnlich wie feder meine ich, geht's doch darum, daß Du für Dich leben willst. Wenn Du die Sympathie zu ihm sozusagen als Krücke nehmen willst, damit Du selbst wieder laufen lernst, dann ist es ok. Ich würde die Kraft mitnehmen, daß er Dich mag und für mich umsetzen. Aber ich würde ihn jetzt nicht auf irgendwas festnageln. Denn völlig unabhängig davon, wie sich der Kontakt nach der Therapie gestaltet, ist doch zumindest klar, daß er Dich irgendwie mag und das auch jetzt schon. Brauchst Du den Beweis in Form von einem zugesicherten Kontakt von ihm? Sei doch froh über den Rahmen, den Du jetzt bekommst und laß alles andere auf Dich zukommen.
Und jetzt ist es Dir vielleicht ungemein wichtig, mit dem Therapeuten nach der Therapie Kontakt zu haben, kannst Dir nicht vorstellen, ohne ihn glücklich zu werden, aber wenn Du die Therapie bei ihm machst, ohne so fixiert auf spätere Kontakte zu sein und dadurch wirklich wegen Dir an Dir arbeitest, kommst Du gegen Ende der Therapie ja in einen Zustand, wo Du so selbständig bist, daß Du Dein Glück nicht von anderen abhängig machst und brauchst ihn nicht mehr. Aber ist vermutlich schwierig, das jetzt sehen zu können.

Viele Grüße

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lingaroni
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Beitrag Sa., 21.11.2009, 13:09

@Adriana
Daraufhin meinte er, ich hätte aber ja seine E-Mail-Adresse, und überhaupt sei das ja gar nicht gesagt.
Ich würde diese Aussage nicht als ein unmoralisches Angebot interpretieren. Wie die Vorposter schon meinten, private Kontakte mit ehemaligen Klienten sind eine heikle Sache.

Ich verstehe das so, dass er meinte, er sei ja auch dann nicht aus der Welt und wenn mal Probleme auftreten für Dich da. Als Therapeut wohlgemeint, nicht als Mann für gewisse Stunden.

Was denkst Du würde ein seriöser Therapeut auf die Frage, ob er bereit wäre, seine berufliche Existenz für ein Liebesabenteuer mit Dir auf Spiel zu setzen, antworten. Und er ist doch ein seriöser Therapeut oder?

LG

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Elena
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Beitrag Sa., 21.11.2009, 17:17

lingaroni hat geschrieben:Ich verstehe das so, dass er meinte, er sei ja auch dann nicht aus der Welt und wenn mal Probleme auftreten für Dich da. Als Therapeut wohlgemeint, nicht als Mann für gewisse Stunden.
So denke ich es auch, dass es gemeint ist.

LG Elena

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Zauberstaub
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Beitrag Sa., 21.11.2009, 17:44

Dunkle hat geschrieben: Therapeuten DÜRFEN keinen privaten Kontakt mit ihren Patienten haben, nach Ende der Therapie wird eine "Abstinenzzeit" von zwei Jahren empfohlen oder auch eine lebenslange Abstinenz.
Was ist wenn Therapeut und Patient beide männlich bzw. weiblich sind und NICHT lesbisch bzw. schwul sind. Ich meine jetzt, wenn eine Liebes-Beziehung ausgeschlossen ist.

Dürfen sie dann auch keinen Kontakt haben? Warum nicht?
Viele Grüße

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SamuelZ.
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Beitrag Sa., 21.11.2009, 18:53

@Zauberstab:
Dürfen sie dann auch keinen Kontakt haben? Warum nicht?
Das ist ein interessanter Blickwinkel!
Ich vermute mal, nein, sie dürfen nicht, weil Abstinenz nicht auf sexuelle Abstinenz beschränkt ist, d.h., Ausbeutungsverhältnisse müssen sich nicht nur auf sexueller Ebene äußern...mal so dahingedacht.
Würde mich interessieren, wie andere das sehen.

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Dunkle
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Beitrag Sa., 21.11.2009, 19:00

SandyP. hat geschrieben:Ich vermute mal, nein, sie dürfen nicht, weil Abstinenz nicht auf sexuelle Abstinenz beschränkt ist, d.h., Ausbeutungsverhältnisse müssen sich nicht nur auf sexueller Ebene äußern...
Ganz genau...

Es sind auch emotional sehr vorsichtig zu behandelnde Beziehungen, sie passieren und entwickeln sich ja im "Schutzraum Therapie" und nicht im Alltag.

Es ist dann weniger eine Frage, ob sie auch im Alltag Bestand haben würden, sondern es geht besonders draum, dass der (ehemalige) Patient geschützt wird mit diesen Gefühlen, die nach der Therapie manchmal wohl auch nur langsam verebben. Man ist ja als verliebte Patientin immer voll und ganz der Meinung, dass der eigene Thera NIE diese Beziehung zu seinen Vorteilen ausnutzen wird, er wird sich selbstlos und vorbehaltlos in eine Liebesbeziehung stürzen, nicht wahr... - aber dass das zu oft und sehr zum Schaden der ehem. Patientinnen schiefging, ist oft dokumentiert worden.

Was uns so schmerzt, ist also zu unserem eigenen Schutz erfunden und verhängt worden und soll unseren Thera als professionell auszeichnen, wenn er sich daran hält.

Schwer zu verstehen.

Aber an diesen Gegebenheiten werden wir uns alle den Kopf stossen (müssen).

Mit realistischen Grüßen
D.

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Dunkle
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Beiträge: 839

Beitrag Sa., 21.11.2009, 19:08

P.S.
Und das gilt auch für gleichgeschlechtliche Thera-Pat.-Beziehungen.
Es gibt ja hier viele Threads mit Mutter-Übertragungen, die auch SEHR emotional sind und oft viel Schaden anrichten, wenn sie auf die private Ebene übertragen werden sollen und dann die Erwartungen zu hoch sind und riesige Enttäuschungen vorprogrammiert sind....
Nur bei Mann-Mann habe ich noch nie was gehört von diesen Wünschen. aber ich las mal, dass ein Thera eben bei sich auch feststellen muss, wenn er sich "nur" wünscht, dass dieser Patient ihm mal tolle Konzertkarten besorgt (weil der Patient Musiker ist) oder ähnliche Vorteile, die verlockend sein könnten...
Auch dies sollte bedenkenswert sein...

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SamuelZ.
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Beitrag Sa., 21.11.2009, 19:23

Bei Irvin Yalom gibt es ein Beispiel, wo ein PT sich in einen riskanten Investmentdeal einlässt, den ihm sein Patient, ein vermeintlich millionenschwerer Investmentmanager (?), der sich später als Betrüger herausstellt, vorschlägt. Letztendlich verliert der PT sein gesamtes Vermögen. Hier wird also eher der PT geschädigt, aber selbst Schuld, so die Moral von der Geschicht.

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lingaroni
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Beiträge: 666

Beitrag Sa., 21.11.2009, 19:44

Hallo,

was ich mir auch denke ist, dass das Verhältnis Therapeut-Patient ja berufsbedingt völlig asymmetrisch ist. während der therapeut den patienten in machen bereichen wohl besser kennt als der patient sich selbst bleibt der therapeut wohl weitgehend eine blackbox. wäre ja auch schlimm, würde er sein eigenes innenleben zum thema machen. dafür zahlt man ja nun wirklich nicht. also verliebt man sich ja praktisch in ein phantom. das kann nicht gut sein.

LG

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*AufdemWeg*
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Beitrag Sa., 21.11.2009, 20:55

Hallo lingaroni,
während der therapeut den patienten in machen bereichen wohl besser kennt als der patient sich selbst
Ich glaube, meine Therapeutin kann das nicht
ausser sie könnte vielleicht doch hellsehen
aber das bestreitet sie vehement
sie ist eben
ein Mensch
Gott sein Dank
oder leider?

Oder wie genau meinst du das?

LG ADW


Und noch einen Nachtrag zum Thema:

Ich sagte einmal zu meiner Therapeutin:
"Lassen Sie uns doch jetzt besser einfach einen Kaffee trinken gehen"
Bekam ich zur Antwort:
"Das würden Sie doch gar nicht aushalten"

Danach hatten wir eine unserer fruchtbarsten Stunden
nie zuvor fühlte ich eine grössere Erleichterung
als mit dem Wissen
dass sie meine Therapeutin ist
und nicht eine Freundin
oder gar meine Mutter
Zuletzt geändert von *AufdemWeg* am Sa., 21.11.2009, 21:01, insgesamt 1-mal geändert.
Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.



Albert Einstein, 14.03.1879 - 18.04.1955

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Elena
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Beiträge: 1378

Beitrag Sa., 21.11.2009, 20:58

Ich könnte mir schon vorstellen, dass es möglich ist, nach einer abgeschlossenen Therapie eine Beziehung auf privater Ebene herzustellen, die nicht negativ, sondern sich auf freundschaftlicher und gleichwertiger Basis bewegt. Aber, ich glaube, da müssen einige Kriterien erfüllt sein, die sich schon im Laufe der Therapie herauskristallisieren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Therapeut einen privaten Kontakt anstrebt, wenn er feststellt, dass der Patient nicht autonom ist, Abhängigkeitsgefühle ihm gegenüber hat, anhänglich ist und erhofft, seine inneren Bedürfnisse nach Liebe und Geborgenheit erfüllt zu bekommen.
Ich denke, wenn ein Patient ehrlich zu sich selber ist, und es trennen kann, was auf therapeutischer Ebene lief, die Kindheitsebene verlässt und auf der Erwachsenebene handelt, kann ich mir wirklich vorstellen, dass es funktionieren könnte.
Auch wird er in einer freundschaftlichen Beziehung den ehemaligen Therapeuten nicht mehr als seine Projektionsfläche benutzen können, sondern ihn so erleben wie er leibt und lebt.
Hat es denn jemand schon mal erlebt, nach der Therapie eine Freundschaft zu haben?

LG Elena

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carö
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Beiträge: 2036

Beitrag Sa., 21.11.2009, 21:14

hallo elena, hallo zusammen,

ja ich denke du triffst genau den kern. darum gehts.

aber es ist glaub ich sehr, sehr schwer, aus dieser asymmetrischen beziehung auszusteigen, auch nach beendigung der therapie. sich das eingestehen zu können ist nicht so einfach aber wichtig, glaub ich.

LG
caro
Es ist krass, was man erreichen kann, wenn man sich traut. (Aya Jaff)

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