Phantasien, Illusionen und der Heilerfolg

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leberblümchen
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Phantasien, Illusionen und der Heilerfolg

Beitrag Fr., 24.02.2012, 09:31

Hallo,
ich hab neulich schon mal in einem anderen Unterforum etwas Ähnliches gefragt, aber es ging irgendwie in die falsche Richtung, daher versuche ich es mal, auf die Psychotherapie zu beschränken:

Ich lese hier so oft von den Phantasien der Patienten ihren Therapeuten gegenüber. Das ist ja auch alles absolut nachvollziehbar für mich (ich kenne das auch) und soweit ich weiß, gehört das auch dazu. Ich erinnere mich jetzt nicht an Details aus den einzelnen Threads, aber zusammenfassend liest es sich immer so:

Patienten sehen in ihren Therapeuten die Ersatz-Eltern, -partner, den Retter, den Freund usw. Nun bin ich aber irritiert darüber, dass die vermeintlich einzige 'Lösung' dieses Problems zu sein scheint, dass man diese Phantasie als Phantasie akzeptiert und sich - salopp formuliert - mit dieser Illusion eine schöne Zeit macht, so nach dem Motto: In der Phantasie ist alles möglich! Diesen Ansatz verstehe ich nicht: Müsste es nicht eher so aussehen, dass man sich als Patient möglichst mit diesen Phantasien 'quält'? Müsste man nicht eher lernen, den Schmerz zu spüren, dass diese Phantasien eben nichts sind als ein Ausdruck unserer nicht erfüllten und sich niemals erfüllenden Sehnsüchte?

Was hat man denn davon, dass man sich vorstellt, dass der Therapeut der Ersatz ist für das, was man nicht hatte und auch nie bekommen wird? Ist das wirklich hilfreich, sich dann - wenigstens - in der Phantasie vorzustellen, wie es wäre, wenn...? Und ist es dann nicht geradezu logisch, dass der 'klassische' Patient unter diesen Umständen entsprechend wenig Lust hat, sich zu entwickeln? Denn, wenn man sich entwickelt, müsste man diese Phantasien ja loslassen können, oder nicht? Und wenn sie einem so guttun - will man das dann überhaupt?

Ist es nun also ein Zeichen, dass es einem besser geht, wenn man den Tag - etwas übertrieben formuliert, natürlich - damit verbringt, sich diesen Illusionen hinzugeben? Diese Frage ist durchaus ernst gemeint, denn ich weiß es tatsächlich nicht, ob das nun Teil des Heilerfolges ist, weil es ja sein könnte, dass diese Phantasien sozusagen irgendwelche positiven Kräfte in einem selbst mobilisieren.

Andererseits könnte ich mir vorstellen, dass es auch geradezu hinderlich für den Therapie-Erfolg ist, wenn man sich gar nicht damit auseinander setzt, setzen muss, dass diese Retter-Eltern-Partner-Phantasien nichts weiter sind als ein Zeichen der eigenen inneren Leere. Was nützt es einem, wenn man sich etwas vorstellt, was man sowieso nie bekommt? Sorgt das nicht dafür, dass die tatsächliche Arbeit an und mit einem selbst auf der Strecke bleibt?

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CrazyChild
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Beitrag Fr., 24.02.2012, 10:34

Hallo Titus,

...sehr interessante Frage und Überlegung...trifft genau das an was ich seit 2 Jahren "leide"...
titus2 hat geschrieben:Müsste es nicht eher so aussehen, dass man sich als Patient möglichst mit diesen Phantasien 'quält'? Müsste man nicht eher lernen, den Schmerz zu spüren, dass diese Phantasien eben nichts sind als ein Ausdruck unserer nicht erfüllten und sich niemals erfüllenden Sehnsüchte?
...weißt Du...ich gebe mich hier keinen Illusionen und Phantasien hin. Ich WEIß daß ich dadurch nicht glücklich werde. Ich habe mich voll und ganz auf meine Thera eingelassen. Ich bin mehr als empfänglich für jedes kleinste Zeichen von Aufmerksamkeit und Zuneigung. Meine Thera kam mir dabei grade recht. Und was ist passiert ? Ich stecke in einer Abhängigkeit zu ihr. Seit 2 Jahren. Und dieses Gefühl und diese Phantasien quälen mich ganz furchtbar. Ja, ich quäle mich damit. So sehr daß ich schon überlegt habe abzubrechen. Aber das macht es auch nicht besser. Ja, mir ist bewusst das dies unerfüllte und nie mehr erfüllbare kindliche Sehnsüchte sind. Ich kann das jetzt verstehen. Aber es hilft mir nicht weiter. Wir haben EMDR, Imagination, hypnotische Tiefenentspannung gemacht aber nichts hilft so wirklich durchschlagend. Ich habe bis jetzt noch keinen Weg gefunden.

Manchmal denke ich es ist besser, in einer gewissen Illusion zur Thera zu leben und trotzdem sich das Beste aus der Therapie mitzunhemen, denn die anderen Gefühle sind teilweise kaum aushaltbar.

titus2 hat geschrieben:Ist es nun also ein Zeichen, dass es einem besser geht, wenn man den Tag - etwas übertrieben formuliert, natürlich - damit verbringt, sich diesen Illusionen hinzugeben?
Ich glaube, das kann man so nicht sagen.
Ich könnte mir vorstellen, daß es manchen wirklich eine positive Energie gibt, sich diesen Illusionen hinzugeben. Wenn man dazu im Stande ist, dies nur als Illusion zu akzeptieren.
Wenn die Sehnsüchte jedoch tiefer gehen und man das nicht so akzeptieren kann artet es meist in Quälerei aus. Wenn man dann dazu fähig ist, die Ursache anzuschauen, zu bearbeiten und zu beseitigen ist diese Quälerei auf alle Fälle hilfreich gewesen. Ohne diesen Schmerz hätte man die Ursache des Problems niemals erkennen können. Nur der Weg vom Erkennen bis hin zur Auflösung hat es meist in sich.

CrazyChild
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carö
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Beitrag Fr., 24.02.2012, 10:42

hallo titus,
Nun bin ich aber irritiert darüber, dass die vermeintlich einzige 'Lösung' dieses Problems zu sein scheint, dass man diese Phantasie als Phantasie akzeptiert und sich - salopp formuliert - mit dieser Illusion eine schöne Zeit macht, so nach dem Motto: In der Phantasie ist alles möglich!
wie kommst du denn darauf, dass das die einzige lösung zu sein scheint ?
mir fallen auch die beiden pole auf, die du einander gegenüberstellst ... in den illusionen/phantasien schwelgen vs. sich damit quälen.

ich glaube auch, dass es darum geht zu erkennen, was hinter den phantasien steckt. das muss nicht immer qual und schmerz sein, kann aber... ich glaube, dass es darum geht, SICH selbst besser zu verstehen und zu spüren und unerfüllte sehnsüchte, die möglicherweise dahinterstecken zu würdigen und betrauern zu können.... sie nicht mehr von sich weghalten und abspalten, sondern als zu sich gehörig zu erkennen und damit weiterleben zu können. hoffentlich besser, als in der abgespaltenen verfassung.

sicherlich gibt es auch ganz reale elemente in der therapie, die einem gut tun können und auch dürfen und die nicht ausschließlich eine phantasie sind. zB die reale zuwendung, die reale aufmerksamkeit, die man erhält. die übertragung bzw. die phantasien, die sich einstellen sind ein mittel auf dem weg dahin, sich selbst besser zu verstehen und kein selbstzweck. würde man in den phantasien für immer verharren wollen, würde man sich von der weiterentwicklung und vom lebendig sein (oder werden) abwenden. und trotzdem gilt, dass in der phantasie alles sein darf... es ist eben nur die frage, was man letztendlich damit macht.. wie man letztlich damit umgeht und es für sich im wahren leben auch nutzen kann, was man an gefühlten erkenntnissen daraus zieht, wie man sich selbst zB in der übertragung erlebt hat. sonst wäre es eine reine flucht vor der welt. das kann passieren phasenweise in einer therapie und ist sicher nicht schlimm, wenn es phasenweise auftritt, nur wenn es die einzige "lösung" wäre, wie man damit umgeht, auch in dem sinne - alles oder nichts - phantasie und "unecht" oder schnöde kalte realität - dann würde das mE nicht viel bringen. dann kann man sich auch mit irgendwelchen substanzen auf einen tripp bringen

LG
Es ist krass, was man erreichen kann, wenn man sich traut. (Aya Jaff)


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leberblümchen
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Beitrag Fr., 24.02.2012, 11:00

Ja, carö, da merkt man mal wieder, dass du eben schon viel weiter bist als ich...

Mich frustriert es so, dass ich ja weiß, woher diese Sehnsüchte kommen. Und nun? Wie soll ich denn nun damit umgehen? Es ist so, dass ich mich dafür verachte (vielleicht ist das Wort zu stark, aber es kommt so ungefähr hin), solche Gefühle zu haben - nicht nur dem Therapeuten gegenüber, sondern auch anderen Menschen gegenüber, die eine ähnliche Rolle einnehmen. Ich finde es furchtbar, die Sehnsucht zu haben, quasi adoptiert zu werden (auch völlig übertrieben - ich will das nicht wirklich, aber ich merke, dass ich da teilweise total kindische Vorstellungen habe, die mir wirklich zuwider sind). Ich kann das auch nicht genießen und mir vorstellen, wie es wäre, wenn mir jemand, den ich auserkoren habe, sagen würde: "Frau Titus, Sie sind in unserer Familie jederzeit willkommen. Wir bekochen und bemuttern Sie und führen tolle Gespräche" Also, ich WILL das eigentlich nicht, aber irgendwie wohl doch, sonst hätte ich diese Vorstellung ja nicht.

Jetzt könnte ich also sagen: Gut, ich stelle mir das einfach vor, wie einen schönen Traum. Aber würde mich das irgendwie weiterbringen? Wohl kaum.

Ich akzeptiere es, dass diese Wünsche da sind. Ich weiß auch genau, woher sie kommen. Ich weiß, dass ich mich dafür eigentlich nicht verachten muss. Und ich weiß, dass ich nicht die Einzige bin, die diese infantilen Bedürfnisse hat.

Aber weiter bin ich noch nicht gekommen...

Natürlich fühlt es sich wirklich gut an, wenn man in der Therapie reale Zuwendung bekommt (wohl dosiert, natürlich!!! ). Mittlerweile kann ich das auch als solche erkennen, wahrnehmen und genießen. Aber ob das langfristig dabei hilft, dass die Sehnsucht weniger wird?

So bin ich denn hin- und hergerissen zwischen diesen Sehnsüchten, die sich ständig melden, und dem Verstand, der mir sagt: "Das ist kindisch, unreif und peinlich!"

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carö
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Beitrag Fr., 24.02.2012, 11:14

So bin ich denn hin- und hergerissen zwischen diesen Sehnsüchten, die sich ständig melden, und dem Verstand, der mir sagt: "Das ist kindisch, unreif und peinlich!"
du bist noch sehr am ANFANG deiner therapie. ... geduuuuld!
zu wissen, woher möglicherweise sehnsüchte kommen, reicht noch nicht. auch nicht, sie nur so schmerzhaft zu fühlen. es werden sich im laufe der zeit - beim einen früher, beim anderen später - vorstellungen entwickeln, wie man mit sich selbst und diesen sehnsüchten vielleicht besser wird umgehen können.. also besser im sinne von, sich eben nicht dafür verachten zu müssen, sondern wirklich annehmen und sich damit in ordnung zu fühlen. letztlich wird es dann auch irgendwann weniger werden ganz real. und da spielt die reale therapeutische beziehung eine wichtige rolle. da ist dann ein ANDERER mensch, der einem hoffentlich eine neue erfahrung ermöglicht, mit diesen anteilen in einem selbst, die sich verachten, anders umzugehen.

das will gefühlt und nicht nur kopfmäßig verstanden werden. und diesen "sprung" zwischen wissen und fühlen zu nehmen, dazwischen können welten liegen... und so manche phase der irrungen und wirrungen.

LG
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Tristezza
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Beitrag Fr., 24.02.2012, 11:22

titus2 hat geschrieben:Ich akzeptiere es, dass diese Wünsche da sind. Ich weiß auch genau, woher sie kommen. Ich weiß, dass ich mich dafür eigentlich nicht verachten muss. Und ich weiß, dass ich nicht die Einzige bin, die diese infantilen Bedürfnisse hat.
Das klingt doch schon mal gut. Allerdings solltest du diese Einsichten noch in dir stärken, denn deine Selbstverachtung ist doch noch sehr ausgeprägt:
titus2 hat geschrieben:So bin ich denn hin- und hergerissen zwischen diesen Sehnsüchten, die sich ständig melden, und dem Verstand, der mir sagt: "Das ist kindisch, unreif und peinlich!"
Ich fände es wichtig, das "kindisch" und "unreif" durch "kindlich" zu ersetzen. Durch diese "gnädigere" Sprache kannst du schon einen Schritt weiter in Richtung Selbstakzeptanz gehen.


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leberblümchen
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Beitrag Fr., 24.02.2012, 11:25

Ja, danke, carö! Das Problem ist, dass ich immer denke, der Therapeut würde nun sinngemäß sagen: "So, Frau Titus, nun haben wir ja geklärt, woher Ihre Probleme kommen. Dann müssten Sie ja nun selbst wissen, was zu tun ist. Auf Wiedersehen!" - das ist natürlich auch wieder Quatsch, weil er das ja nicht sagen würde. Aber mir ist noch nicht klar, sozusagen, was jetzt eigentlich noch 'passiert', weil ich immer denke, ich hätte ihm ja nun quasi alles Wichtige gesagt.


montagne
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Beitrag Fr., 24.02.2012, 12:28

Hi titus,
hm also ich sehe das ähnlich wie carö. Du stellst zwei Pole gegenüber, dabei gibt es nicht nur dazwischen was, sondern auch außerhalb, keine Linie, sondern 2 oder 3 Dimensionen in denen sich das bewegt.

Was mir halt immer wieder auffällt, sorry muss ich mal loswerden, dass du zwar berichtest, du hättest solche Phantasien, aber wenn es darum geht das Klienten faktisch etwas bekommen, sei es das User berichten oder aber ihre Meinung dazu äußern wie schön und hilfreich das für sie sei, dann argumentierst du dagegen. Sagst das sei falsch.
Müsste es nicht eher so aussehen, dass man sich als Patient möglichst mit diesen Phantasien 'quält'?
Heilung ist, wenn man sich quält? Man muss sich quälen um zu heilen?
Glaubst du das wirklich?
Ich finde das ehrlich gesagt ganz schön krass dir selbst gegenüber.


Es ist doch so, auch bei Menschen, die von ihren Eltern genug bekommen und bekommen haben, löst sich diese Art der Mutter-Kind-Beziehung irgendwann auf. Da ist es doch auch nicht so, dass der Nachwuchs ein ewig abhängiges Kind bleibt, das es genießt die Zuwendung zu bekomemn und sich gar nicht entwickelt.
Warum sollte das nun bei Menschen in Therapie so sein?
Warum sollte sich das überhaupt widersprechen etwas zu bekommen und sich gleichzeitig zu entwickeln, auch Eigenmotivation dazu zu haben?
amor fati

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stern
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Beitrag Fr., 24.02.2012, 12:37

Patienten sehen in ihren Therapeuten die Ersatz-Eltern, -partner, den Retter, den Freund usw.
Was heißt so sehen bzw. phantasieren, usw.... wenn ich z.B. auch an die stationäre Therapie zurückdenke, so wurden mir ersteres u.a. explizit angeboten (allerdings erst nachträglich halb-transparent gemacht)... war also bis zu einem gewissen Grad etwas ganz reales bei mir (und keine Phantasie/Sehnsucht, die ich originär gehabt gehabt hätte).
Aber mir ist noch nicht klar, sozusagen, was jetzt eigentlich noch 'passiert', weil ich immer denke, ich hätte ihm ja nun quasi alles Wichtige gesagt.
Das wäre mit dem Thera abzusprechen, was er dazu sagt... bzw. alternativ abzuwarten bzw. weiter zu besprechen wie es sich entwickelt. Bist ja erst am Anfang... verlange nicht zuviel auf einmal von dir, dass du gleich antizipieren kannst, wo alles hinführt, was sicher auch einige individuelle Komponenten beeinhalten dürfte, so dass nicht jede hier geschilderte Erfahrung duplizierbar wäre. Deine Vorstellungen bzw. Antizipationen, was passieren könnte, und die teils auch deine Befürchtungen sind (wie "auf Wiedersehen, nun ist alles wichtige angesprochen") sagen erstmal mehr über dich aus als wie das bei anderen real abläuft oder abläufen könnte bzw. was in anderen Patienten wirklich vorgeht.

Mir fehlt z.B. der Aspekt der heilsamen Verinnerlichung mancher Erfahrungen/elterlicher "Qualitäten"... die ja dann btw. auch etwas eigenes werden. Aber mglw. arbeitet dein Thera ja auf einer abweichenden Schiene.
"Frau Titus, Sie sind in unserer Familie jederzeit willkommen. Wir bekochen und bemuttern Sie und führen tolle Gespräche" Also, ich WILL das eigentlich nicht, aber irgendwie wohl doch, sonst hätte ich diese Vorstellung ja nicht.

Jetzt könnte ich also sagen: Gut, ich stelle mir das einfach vor, wie einen schönen Traum. Aber würde mich das irgendwie weiterbringen? Wohl kaum.

Also ich muss sagen, ich schwelge weniger in derartigen Vorstellungen noch leide ich darunter (insofern finde ich manches ein bissi schwarz-weiß geschildert ) ... aber manches schaue ich z.B. auch dahingehend an, wie ich für mich (und sei es als fiktiver Elternteil für mich) besser sorgen kann. Iss in dem Sinne also auch kein striktes Verhaftetbleiben in irgendwelchen Vorstellungen/Phantasien. Nichtsdestotrotz wird imaginativen Techniken eine hohe Wirksamkeit nachgesagt. Zwar laufen Imaginationen (z.B. inneres Kind) ein bisschen anders als das Ausmachen an real existierenden Personen im Äußeren... trotzdem kann ich mir vorstellen, dass auch das hilfweise bzw. übergangsweise etwas bringen kann.

Gibt sicher einige Facetten mehr, ich beschränke mich mal darauf.

Edit: montagne noch nicht gelesen
Liebe Grüße
stern 🌈💫
»Je größer der Haufen,
umso mehr Fliegen sitzen drauf
«

(alte Weisheit)


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leberblümchen
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Beitrag Fr., 24.02.2012, 13:04

Was mir halt immer wieder auffällt, sorry muss ich mal loswerden, dass du zwar berichtest, du hättest solche Phantasien, aber wenn es darum geht das Klienten faktisch etwas bekommen, sei es das User berichten oder aber ihre Meinung dazu äußern wie schön und hilfreich das für sie sei, dann argumentierst du dagegen. Sagst das sei falsch.
Das ist ja gerade mein Problem, dass ich einerseits total diese Bedürfnisse verstehe, dass ich aber andererseits die Idee komisch finde, dass der Therapeut dann sinngemäß sagt: "Na, dann wollen wir das hier mal alles nachholen" - DASS es nachgeholt wird, habe ich mittlerweile auch verstanden. Es geschieht eben auf eine ganz andere Art. Aber die eigentlichen Bedürfnisse, die wirklich tief sitzen, werden eben nicht befriedigt. Ich beziehe mich dabei eben auf diese ausdrücklichen Adoptionsphantasien oder die erotischen Liebesgefühle.
Heilung ist, wenn man sich quält? Man muss sich quälen um zu heilen?
Glaubst du das wirklich?
Naja, irgendwie schon. Das Wort 'Qual' mag vielleicht hart klingen, aber ich denke schon, dass der Veränderungsprozess und auch die Erkenntnis mit Schmerzen verbunden ist.

Und ich könnte mir halt vorstellen, dass es dann schwierig ist, sich diesen Schmerzen zu stellen - das liest man doch hier immer wieder -, dass man also eher sagt: "Ich erwähne in der Therapie mal lieber nicht, dass ich verliebt bin" - obwohl doch sicher genau das der (einzige?) Schlüssel zu diesem Problem ist. Stattdessen besteht die Gefahr, sozusagen kurzfristig oder mittelfristig diese Phantasien zu genießen - um dann am Ende der Therapie (das unweigerlich kommen wird) plötzlich festzustellen, dass man gar nicht das erreicht hat, was man (vielleicht?) hätte erreichen können, wenn man sich diesen Qualen gestellt hätte - ist jetzt so meine Vermutung, jedenfalls.


montagne
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Beitrag Fr., 24.02.2012, 13:23

DASS es nachgeholt wird, habe ich mittlerweile auch verstanden. Es geschieht eben auf eine ganz andere Art.
Genau.
Aber die eigentlichen Bedürfnisse, die wirklich tief sitzen, werden eben nicht befriedigt. Ich beziehe mich dabei eben auf diese ausdrücklichen Adoptionsphantasien oder die erotischen Liebesgefühle.
Okay, beides kenne ich selbst nicht.
Jedoch empfinde ich es schon sehr stark so, das ich in der Therapie eben nachhole. Sehr viel sogar, in einer Tiefe, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Und das hat nichts mit Körperkontakt oder sonstigen physischen Versorgungen zu tun.
aber ich denke schon, dass der Veränderungsprozess und auch die Erkenntnis mit Schmerzen verbunden ist.
Ja. ich glaube auch nicht, das Therapie schmerzfrei geht.
Nur erlebe ich es eben genau so, dass meine Therapeutin eben genau ein lindernder, stabilisierender, tröstlicher Faktor ist, bei der schmerzhaften Erkenntnis, was meine Eltern und Bezugspersonen mir nicht geben konnten und was ich aber gebraucht hätte. Dinge, die ich in meinem Leben erdulden musste.

Ich glaube die gebenden und haltenden Aspekte der therapeutischen Beziehung haben es mir erst möglich gemacht diese Erkenntnis zu erlauben, zuzulassen und daran zu arbeiten. Mir war das vor der Therapie nicht klar, was mir fehlte.

Schmerzliche, negative Gefühle bezüglich der therapeutischen Beziehung kenne ich nur von negativen Übertragungsphasen.

Wie auch immer, jeder geht seinen Weg.
Ich würde es dir wünschen, nicht ganz uneigennützig , dass du sanfter und weicher mit deinen Wünschen, Sehnsüchten umgehst und weniger dazu tendierst sie in dir und anderen zu verfolgen und zu verdammen.
amor fati

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hawi
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Beitrag Fr., 24.02.2012, 13:32

Hallo titus!

Von Therapie versteh ich nichts, aber über Geschriebenes reflektier ich ganz gern und manchmal auch so, dass daraus einigermaßen brauchbare Gedanken (-anstöße) werden.

Ich les grad etwas zu viel konstruierte Widersprüchlichkeit, zu viel entweder/oder.
Sich Quälen um erfolgreich zu sein? Klingt nach Lebertran!
Manch eine Medizin mag bitter sein, aber bei weitem nicht alle sind so und nicht alles was bitter schmeckt heilt.

Auch Fantasie und Wirklichkeit? Ist das soweit voneinander entfernt? Immer?
Nicht nur, dass ja manch Traum durchaus erfüllbar ist, in gewisser Weise wenigstens, wenn nicht ganz real direkt dann vielleicht etwas anders als im Traum. Sogar der Traum selbst? Ist auch Ausdruck von Leben, ist Leben. Und so sind „gute Träume“ auch gut fürs Leben, für den, der ihn träumt, dem zumindest im Traum manch Wunsch erfüllt wird, der real (bislang) unerfüllt blieb.

Auch was Montagne schreibt, Dimensionen, Ebenen! Ob nun rational oder emotional, vieles, das zunächst widersprüchlich scheint, ist oft eine individuelle Einengung, Fixierung, ist also eher eindimensional wo mehrere Dimensionen denkbar sind, fühlbar wären, wenn sichs im Innern weitet, wenn und sobald die inneren Schranken, Hürden wenigstens so niedrig sind, dass das erfahrbar wird.

LG hawi
„Das Ärgerlichste in dieser Welt ist, daß die Dummen todsicher
und die Intelligenten voller Zweifel sind.“
Bertrand Russell

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Mary-Lou
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Beitrag Fr., 24.02.2012, 13:36

Aber was passiert dann, wenn man gewisse ausgebliebene Erfahrungen nachgeholt hat? Es handelt sich ja doch um recht tiefsitzende Bedürfnisse. Sind diese dann durch die positive Nachholerfahrung verschwunden? Oder bekommt man durch das schöne Erlebnis nicht plötzlich noch mehr Verlangen danach?
Ich frage deshalb, weil ich selbst mir auch noch einfach nichts darunter vorstellen kann.

Ich schwanke noch sehr zwischen Idealisieren meiner Therapeutin und gegen sie ankämpfen und rebellieren. Anderweitig hatte ich solche Wünsche schon bei anderen Personen, aber bei ihr sind solche Fantasien bislang nicht aufgekommen. Manchmal bin ich sogar froh, wenn ich die ein oder andere "Macke" von ihr entdecke, in der Hoffnung, dass ich nicht in diese (in meiner Vorstellung ebenfalls) quälende Situation komme. Andererseits macht sie das eben auch menschlich und mich vielleicht doch noch mehr anfällig?
Meint ihr, dass man mehr dem fehlerfrei wirkenden, vollkommen idealisierten Therapeuten diese Rolle vergibt oder eher dem menschlichen, nicht fehlerfreien? Oder hängt das gar nicht damit zusammen, sondern vielmehr nur mit der Zuneigung, Akzeptanz und Stillung der Bedürfnisse, die man erfährt?

Edit: Beitrag von hawi noch nicht gelesen
Zuletzt geändert von Mary-Lou am Fr., 24.02.2012, 13:42, insgesamt 1-mal geändert.
Frühling: „Eine echte Auferstehung, ein Stück Unsterblichkeit.” (Henry David Thoreau)


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leberblümchen
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Beitrag Fr., 24.02.2012, 13:38

hawi, irgendwie scheint dieses Muster sehr tief in mir verankert zu sein: Ich neige wirklich dazu, bei derartigen Fragen alles schwarz-weiß zu sehen; offenbar macht es das für mich leichter, die Welt zu verstehen Ich bin ansonsten gar kein eindimensionaler Mensch und eher zu kompliziert als zu einfach, aber vermutlich ist es für mich dann irgendwie wichtig, bei derartigen Themen in ein Entweder-Oder zu verfallen. Das ist uns in der Therapie auch schon aufgefallen...


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leberblümchen
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Beitrag Fr., 24.02.2012, 13:40

montagne, ich kann mich nicht erinnern, hier jemandes Phantasien verurteilt zu haben - du? Ich würde mich über einen Hinweis freuen, denn ich merke ja schon, dass ich beginne, einige Dinge jetzt anders zu sehen als noch vor ein paar Monaten.

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