Erkenntnisse in der PA... und dann?

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Lou Who
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Erkenntnisse in der PA... und dann?

Beitrag Mo., 09.04.2012, 15:50

Hallo,

ich bin hier im Forum ganz neu angemeldet, lese aber schon eine Weile mit. Jetzt brennt mir eine Frage so sehr unter den Nägeln, dass ich sie gerne loswerden würde... und das, ohne mich vorher so richtig vorgestellt zu haben. Sorry Vielleicht kann ich das noch nachholen.

Seit zwei Monaten bin ich in psychoanalytischer Behandlung. Diese Art der Therapie war mir vorher nicht bekannt. In meiner Jugend und dann nochmals vor ein paar Jahren war ich in Gesprächstherapie, die mir allerdings nicht oder nur wenig geholfen hat. Bei der Psychoanalyse merke ich das erste mal, dass diese etwas anspricht, dass ganz tief in mir drin sitzt. Langsam erfahre ich, warum es mir überhaupt so schlecht geht. Warum ich keine Lust am Leben habe. Aber da fängt auch irgendwie das Problem an. Dass ich weiß, warum etwas so ist wie es ist, ändert ja nichts daran DASS es so ist. Ich weiß nicht, wie ich mit meinen Erkenntnissen weiterarbeiten soll.

Als Beispiel: Vor ein paar Sitzungen habe ich mich von meinem Analytiker stark kritisiert gefühlt, da er ansprach, ich würde nicht frei assoziieren, sondern meine Gedanken filtern, bevor ich sie ausspreche. Mit dem freien Reden habe ich tatsächlich ein Problem. Ich fühlte mich dann total bloßgestellt und hatte das Gefühl, er würde mir vorhalten, dass ich alles falsch mache und das, was ich momentan zu den Sitzungen beitragen kann, nicht ausreicht. Ich habe dann total blockiert und konnte zwei Sitzungen lang einfach gar nichts mehr sagen. Nachdem ich mich endlich dazu gebracht hatte, meine Wut anzusprechen, kam im weiteren Gespräch heraus, dass meine Eltern schon immer wahnsinnig hohe Anforderungen an mich gestellt haben, die ich praktisch nie erfüllen konnte, weil das Erfüllen dieser Anforderungen nie Lob oder Anerkennung hervorgerufen hat. Deshalb bin ich wohl permanent überfordert und habe das Gefühl, mit dem was ich mache, nie gut genug zu sein.
Tolle Erkenntnis und sehr treffend aber ich habe das Gefühl, dabei bleibt es jetzt. Wie kann ich die Situation ändern? Kann alleine dieses Wissen den Zustand verändern? Muss ich mich jetzt selbst therapieren. Ich fühle mich ein wenig alleine gelassen. So, als hätte man von ganz tief unten den ganzen Dreck hochgeschaufelt und mich dann alleine gelassen, mit den Worten: So, und jetzt sieh zu, wie du damit klarkommst.

Kennt jemand diese Problematik während einer Analyse oder kann mir Ratschläge geben? Wäre sehr dankbar über jeden Beitrag.

Viele Grüße

Lou Who

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growing.up
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Beitrag Mo., 09.04.2012, 16:25

Hallo Lou, ich mache zwar keine PA, sondern eine TFP, aber ich habe am Anfang meiner Therapie etwas Ähnliches erlebt und kann dir nur aus vollem Herzen zustimmen - nur dadurch, dass du es besprochen hast und jetzt besser Bescheid weißt, ändert sich GAR NICHTS. Aber... und jetzt der Grund, oder genauer: mein persönlicher Grund, warum es eben doch hilft: Dass dich dein Gegenüber - in meinem Fall mein sehr zurückhaltender, freundlicher, entspannter Therapeut - immer, immer, immer wieder mit diesen Themen, deiner Wut (auf deine Eltern, auf die extrem hohen Anforderungen usw.), deinem Ich-bin-nicht-gut-genug-Gefühl usw. auffängt, DAS macht es besser. Bei mir zumindest hat genau das geholfen. Ich weiß nach über 2 Jahren Therapie immer noch nicht genau, wie es funktioniert, ich habe mir keinen "Werkzeugkoffer" o. Ä. erarbeitet und mein Therapeut hat mich in den seltensten Fällen inhaltlich erleuchtet. Was ich sagen möchte: Nein, du musst dich nicht selbst therapieren. Ich weiß nicht genau, wie (d)eine PA abläuft, aber ich könnte mir vorstellen, dass es auch bei dir im Wesentlichen eine Frage der Zeit ist. Glaub mir, am Anfang dachte ich auch "Na toll"... und jetzt bin ich davon überzeugt, dass das "Immer-immer-immer-wieder-ankommen-und-aufgefangen-werden" das Geheimnis ist. Ich hoffe, das kann dein Analytiker für dich tun. Alles Gute für dich!
If you have built castles in the air, your work need not be lost; that is where they should be. Now put the foundations under them.
H. D. Thoreau, Walden

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sandrin
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Beitrag Mo., 09.04.2012, 16:52

Ein basales Problem, das du da ansprichst. Ich kann mich in deinen Ausführungen nach 325 Stunden, die aber schon weiter zurückliegen, voll anschließen, aber auch growing-ups Ideen nachvollziehen.
Das ist eine der größten Schwächen der PA, dass sie eben glaubt, das Problem wäre durch das Erkennen gelöst. Ist es nicht. Vielmehr kommt es auf Erfahrungen an, die sicherlich heilsam sein können. Bei mir war es halt aber auch so, dass mir immer bewusst war, dass die Beziehung zu meiner Analytikerin im Grunde keine reale, sondern (für mich) gewissermaßen eine "erkaufte".
Die beste Therapie wäre meiner Meinung nach die, die beides kombiniert: die Arbeit im Inneren und das Umsetzen der Erkenntnisse im Alltag. Ich bin der Meinung, dass eines der wichtigsten Dinge das Fühlen der Gefühle ist, die man lange unterdrückt hat. Komischerweise kam das in meiner PA viel zu kurz.
Lass dich drauf ein, schau, wie es dir damit geht - aber bleib ein kritischer "Verbraucher". Das ist auch im Therapiesektor so.

Viel Erfolg und ein gutes Bauchgefühl!

Sandrin

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Lou Who
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Beitrag Mo., 09.04.2012, 16:57

Danke für deinen Beitrag, growing.up.
Ich bin so froh und auch für's erste beruhigt, dass es wohl nicht nur mir so geht und dass die Hoffnung besteht, dass es so, wie es läuft schon irgendwie richtig ist. Ich hatte zwischenzeitlich schon regelrecht Panik, dass ich am Ende der Therapie vor einem Berg Fakten stehe, den ich nicht bewältigen kann.

Vielleicht kannst du mir noch sagen, inwiefern dein Therapeut dich 'auffängt'. In der PA sehe ich das Problem darin, dass der Analytiker sich, was das Bewerten von Äußerungen und Gefühlen angeht, komplett zurücknimmt. Man bekommt also keinerlei Bestätigung oder gar Trost. Der Analytiker soll ja so neutral wie möglich auftreten, damit die Therapie funktioniert. Mein Analytiker gehört da wohl zu den super-abstinenten und zeigt im Grunde null Regung. Ich weiß nicht, ob jemand, der im Grunde so 'gefühlskalt' ist, mir das Gefühl vermitteln kann, mich aufzufangen.

Vielen Dank auch dir, sandrin.
Bevor ich die PA angefangen habe, habe ich mich über die Methode erkundigt und eben auch gelesen, dass die Erkenntnis der Weg zur Besserung sein soll. Habe mich dann darauf eingelassen und stehe jetzt vor dem Problem, dass die Heilung eben nicht eintritt, weil irgendwas fehlt.
Es ist eine gute Erfahrung für mich, dass in der Therapie Dinge angesprochen werden, die von mir bis jetzt konsequent vernachlässigt oder verdrängt worden aber ich habe nicht das Gefühl, dass ich dadurch in der Lage wäre, in Zukunft etwas anders zu handhaben... weil eben, die Möglichkeit zur praktischen Anwendung nicht gegeben ist. Was ja vor allem an der Neutralität der Analytiker liegt.

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Sausewind
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Beitrag Mo., 09.04.2012, 17:53

Hallo Lou Who.
Ich kann das supergut verstehen, was du beschreibst. Ich habe zwar keine PA gemacht, da diese bei Traumafolgestörungen (unter denen ich leide) nicht indiziert ist, aber ich habe das schon von so vielen AnalysandInnen gehört, überhaupt von der Tiefenpsychologie.
Ein Stückweit geht es mir gerade ähnlich, ich mache allerdings eine Traumatherapie und neulich fanden wir etwas Bestimmtes raus, nämlich, dass ich mich als Kind in einer bestimmten Situation immer auf eien bestimmte Art und Weise gefühlt habe und davor noch heute Angst habe. Und ich dachte danach auch, toll, und was bringt mir diese Erkenntnis jetzt? Also ich muss auch noch gucken, wie ich dieses Wissen nun umsetze . .
sandrin hat geschrieben:Das ist eine der größten Schwächen der PA, dass sie eben glaubt, das Problem wäre durch das Erkennen gelöst.
Yep, und das ist durch die Hirnforschung, die ja immer mehr Platz einnimmt in der Psychotherapieforschung, eigentlich gut zu erklären. Es müssen ja erst mal neue Bahnen im Gehirn angelegt werden, neue Verknüpfungen, damit sich ein Verhalten ändert, und die entstehen nur durch konkrete Erfahrungen, durch Dinge "tun" sozusagen, nicht durch die reine Erkenntnis.

Mein Therapeut kennt sich diesbezüglich ganz gut aus, und er sagte neulich zu mir: "Ein Verhalten ändert sich nicht dadurch, dass man beschließt, dieses Verhalten zu ändern."

Und das ist ja eigentlich das, was du auch beklagst, nämlich:
Lou Who hat geschrieben:Muss ich mich jetzt selbst therapieren.
Und das ist ja einfach das Allerschwerste, das Verhalten dann auch wirklich zu ändern, und dabei braucht man ganz sicherlich Unterstützung.
sandrin hat geschrieben:Die beste Therapie wäre meiner Meinung nach die, die beides kombiniert: die Arbeit im Inneren und das Umsetzen der Erkenntnisse im Alltag.
Ja, das denke ich auch. Irgendwann muss schon auch Innenschau betrieben werden. Ich kenne es selber nicht, aber von dem, was ich gelesen habe, kommt die Schematherapie dem ziemlich nahe . . die analysiert nach früher, arbeitet aber auch sehr konkret an der Änderung des Verhaltens im Hier und Jetzt.

Liebe Grüße!


Jenny Doe
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Beitrag Mo., 09.04.2012, 18:26

@ Lou Who
Wie kann ich die Situation ändern? Kann alleine dieses Wissen den Zustand verändern?
Mir ging es in der Psychoanalyse so wie dir. Ich hatte das Gefühl, da wird gewühlt und gewühlt, aber mir werden keine Lösungsstrategien aufgeführt. Noch einiger Zeit führte die PA bei mir zu einer Überforderung. Ich hatte das Gefühl, noch mehr Baustellen zu haben als vor der Therapie. Und gleichzeitig wusste ich nicht, wie man die Baustellen denn eigentlich beseitigt.
Es müssen ja erst mal neue Bahnen im Gehirn angelegt werden, neue Verknüpfungen, damit sich ein Verhalten ändert, und die entstehen nur durch konkrete Erfahrungen, durch Dinge "tun" sozusagen, nicht durch die reine Erkenntnis.
Genau das beginnt da Problem der PA. Man bräuchte neue positive Erfahrungen, um negative kompensieren zu können, positive Erlebnisse, um aus der Depression rauszukommen, .... Aber um diese neuen Erfahrungen machen zu können, muss man als Klient aufstehen, unter Menschen gehen, sich positve Rückmeldungen aus der Umwelt besorgen, , ... sprich, man muss sein Verhalten ändern, um andere Erfahrungen machen zu können. Genau daran scheitert es ja bei Depressiven. Eine PA, die es bei Erkenntnisgewinn belässt und keine Lösungwege aufzeigt, ist dabei nicht hilfreich. Zu wissen, warum man depressiv ist, reicht nicht aus.

Mir hat eine Jahrelange PA nichts gebracht. Erst eine Verhaltenstherapie führte bei mir, und das relativ schnell, zu einem Erfolg. Dort lernte ich, wie ich Probleme lösen kann, dort wurden mir Verhaltensalternativen aufgezeigt und geübt, ...
Wir müssen das Leben loslassen, das wir geplant haben, damit wie das Leben leben können, das uns erwartet (Joseph Campbell). Manche Leute glauben, Durchhalten macht uns stark. Doch manchmal stärkt uns gerade das Loslassen (Hermann Hesse).


Widow
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Beitrag Mo., 09.04.2012, 18:28

sandrin hat geschrieben:Das ist eine der größten Schwächen der PA, dass sie eben glaubt, das Problem wäre durch das Erkennen gelöst.
Wo steht denn das geschrieben?! Sorry, aber "Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten", also das, was eine PA versucht, lebt ganz wesentlich auch vom immer wieder neuen (Wieder-)Erleben von Gefühlen (sowohl im 'gefühlslebendigen', also nicht rein intellektuell-kognitiven "Erinnern" als auch in den dagegen aufgebauten lebendigen Gefühlswiderständen des "Durcharbeitens").
Sausewind hat geschrieben: Yep, und das ist durch die Hirnforschung, die ja immer mehr Platz einnimmt in der Psychotherapieforschung, eigentlich gut zu erklären. Es müssen ja erst mal neue Bahnen im Gehirn angelegt werden, neue Verknüpfungen, damit sich ein Verhalten ändert, und die entstehen nur durch konkrete Erfahrungen, durch Dinge "tun" sozusagen, nicht durch die reine Erkenntnis.
Nicht zuletzt deswegen nähern sich Hirnforschung und PA ja wieder aneinander an: Das oben genannte "Erinnern-Wiederholen-Durcharbeiten" über Jahre hinweg drei- bis viermal in der Woche ist bestens geeignet, die neuen neuronalen Verknüpfungen herzustellen. - Dazu gehören freilich wohl eine gewisse Imaginations- und Symbolisierungsfähigkeit: Wenn du dich intensiv daran erinnern kannst, wie die Backe nach dem Schlag brannte, musst du nicht erneut geschlagen werden, damit die zugehörigen Gefühle wachgerufen werden. Und wenn du oft genug gefühlt hast, ein wie großes Unrecht dieser Schlag war und wie bemitleidenswert die geschlagene Backe, dann brauchst du nicht die Übung "fremde/eigene Hand streichelt über meine Wange, damit der Schmerz ausgelöscht ist", um Trost zu finden und jenes Selbstbewusstsein aufzubauen, das verhindert, dass man dich wieder schlägt (übrigens nicht, um etwas "auszulöschen", im Gegenteil: Nicht Umprogrammierung, sondern Sicherung des schmerzhaften Altbestandes, damit daraus keine Monster mehr kriechen können, und "neue Verknüpfungen" will PA).
Das ist aber gewiss nichts für jeden. Doch ein wenig Geduld, um das rauszufinden, kann vielleicht auch nicht falsch sein?


Allen einen Gruß von der Scholle
Widow


Jenny Doe
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Beitrag Mo., 09.04.2012, 18:53

Q Widow
Das oben genannte "Erinnern-Wiederholen-Durcharbeiten" über Jahre hinweg drei- bis viermal in der Woche ist bestens geeignet, die neuen neuronalen Verknüpfungen herzustellen.
Dieses ewige nochmal und nochmal und nochmal, .. Durchleben war bei mir bestens geeignet, um meine Symptome zu verstärken. Denn anstatt positive Erfahrungen zu machen, durchlitt ich in der PA über Jahre hinweg, zwei bis vier mal in der woche, immer aufs neue die negativen. Diese konnten sich durch das ständige Wiedererleben regelrecht verfestigen und führten bei mir zu einer Symptomverstärkung. Dazu, positive Erfahrungen machen und sammeln zu können, trug die PA bei mir nichts bei. Im Gegenteil, sie verstärkte alte, bereits bestehende negative neuronale Verknüpfungen.
Wir müssen das Leben loslassen, das wir geplant haben, damit wie das Leben leben können, das uns erwartet (Joseph Campbell). Manche Leute glauben, Durchhalten macht uns stark. Doch manchmal stärkt uns gerade das Loslassen (Hermann Hesse).


Widow
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Beitrag Mo., 09.04.2012, 18:56

@ Jenny: Wie gesagt, ist nicht für jeden das richtige, mal abgesehen davon, dass es natürlich auch auf der Gegenseite auf den menschlichen Faktor ankommt, wie überall (ich übrigens würde tatsächlich zum reißenden Eisbären mutieren, wenn man auf meiner Scholle einen Verhaltenstherapeuten aussetzte ...).

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münchnerkindl
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Beitrag Mo., 09.04.2012, 18:58

Lou Who hat geschrieben: Tolle Erkenntnis und sehr treffend aber ich habe das Gefühl, dabei bleibt es jetzt. Wie kann ich die Situation ändern? Kann alleine dieses Wissen den Zustand verändern? Muss ich mich jetzt selbst therapieren. Ich fühle mich ein wenig alleine gelassen. So, als hätte man von ganz tief unten den ganzen Dreck hochgeschaufelt und mich dann alleine gelassen, mit den Worten: So, und jetzt sieh zu, wie du damit klarkommst.
Sprich das alles doch in der nächten Stunden einfach an und frag ihn auf welcher Basis in einer Psychoanalyse seiner Meinung nach eine Veränderung deiner Problematik über den intellektuellen Erkenntnisgewinn hinaus stattfinden soll.

Als Dienstleister ist er dir als Kundin durchaus zu Auskunft verpflichtet was die Methodik angeht die angewendet wird.

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Lou Who
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Beitrag Mo., 09.04.2012, 19:01

Eure Beiträge helfen mir sehr weiter. Es tut gut, sich mit dem Thema näher zu beschäftigen.
Vielen Dank @ Widow. Du vertrittst ja eine etwas abweichende Meinung im Vergleich zu deinen Vorrednerinnen.
Ich bin ja wirklich noch nicht sehr lange in der PA und da kann sich sicherlich noch so einiges ergeben. Ich merke auch, dass mir die Sitzungen in gewisser Weise gut tun. Einfach, weil mein Analytiker für mich in Worte fasst, was mir so schwer fällt auszusprechen oder zu Ende zu denken. Wenn seine Deutungen zutreffen, löst das sehr tiefgreifende Gefühle in mir aus- und das nicht im negativen Sinne. Alleine das gibt mir schon das Gefühl, ein wenig Ordnung in das Chaos meiner Seele zu bringen. Ich bin der PA also wahrlich nicht abgeneigt.
Trotzdem kommt nach jeder Sitzung diese Frage nach dem 'Und jetzt?' hoch. Da hab ich vielleicht einfach noch nicht begriffen, wei das ganze funktionieren soll. Da bin ich manchmal leider sehr rational und kann mich schlecht auf Dinge einlassen, die ich nicht begreife. Und die Frage ist: Muss ich es begreifen, damit es funktioniert oder funktioniert es einfach irgendwann wie von selbst?

Liebe Grüße

Lou

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Blaubaum
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Beitrag Mo., 09.04.2012, 19:14

immer mehr menschen, denen der kognitiv-assoziative ansatz der PA nicht geholfen hat, wenden sich einer körperorientierten psychotherapie zu.
der grundansatz ist der, dass alles, was wir erlebt haben, irgendwo im körper abgespeichert ist.

in diesen körperzonen findet der körperpsychotherapeut blockaden, verkrustungen, zonen mit niedrigem energieumsatz.
eine hebung des energieumsatzes in diesen speicherorten des körpers führt zuerst zu einem wieder-fühlen der emotionen, die mit den erlebnissen verbunden waren und die in den entsprechenden körperzonen "eingefroren", in die körperstruktur eingebrannt sind.

konkrete erinnerungen können, müssen aber nicht die weitere folge sein.

durch die hebung des energieniveaus kommt es ganz automatisch zu verändertem verhalten, zu neuem leben und erleben.

und es kommt häufig vor, dass der therapeut mitweint, wenn der klient weint.

gefühl, empathie und intuition sind hier sehr wichtig. der körperkontakt zwischen klient (nicht patient, es geht nicht um "ich--gesund, du--krank", sondern um "wir fühlen das selbe") und therapeut ermöglicht dieses.

da der therapeut diese "prozedur" bereits selbst hinter sich, es am eigenen leib und der eigenen seele erlebt hat, kann er sowohl ein mitfühlender als auch ein stützender sein.

indem er das selbst tut, was der klient lernen soll (z.b. sein zwerchfell lockern, tiefer atmen, seine beine und füsse wieder beweglich, fühlfähig, energie transportierend machen, "walk your talk"), überträgt er die für den therapieprozess erforderliche energie auf den klienten.

körperpsychotherapeutische verfahren haben sich aus der psychoanalyse entwickelt...
spezialisten wissen zuerst viel über wenig und am ende alles über nichts


Widow
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Beitrag Mo., 09.04.2012, 19:19

Lou Who hat geschrieben:@ Widow. Du vertrittst ja eine etwas abweichende Meinung im Vergleich zu deinen Vorrednerinnen.
Mal abgesehen davon, dass ich dafür berüchtigt bin , die meisten Dinge sind ja mehrschichtig und vieldeutig (und Mehrheitsmeinungen oft genug eine Komplexitätsreduktion ).
Lou Who hat geschrieben:Ich merke auch, dass mir die Sitzungen in gewisser Weise gut tun. Einfach, weil mein Analytiker für mich in Worte fasst, was mir so schwer fällt auszusprechen oder zu Ende zu denken. Wenn seine Deutungen zutreffen, löst das sehr tiefgreifende Gefühle in mir aus- und das nicht im negativen Sinne.
Das freut mich sehr! (Und: Da bist Du weiter als ich nach 70 Liegungen ...)
Lou Who hat geschrieben:Trotzdem kommt nach jeder Sitzung diese Frage nach dem 'Und jetzt?' hoch. Da hab ich vielleicht einfach noch nicht begriffen, wei das ganze funktionieren soll. Da bin ich manchmal leider sehr rational und kann mich schlecht auf Dinge einlassen, die ich nicht begreife. Und die Frage ist: Muss ich es begreifen, damit es funktioniert oder funktioniert es einfach irgendwann wie von selbst?
Liebe Lou, um ganz ehrlich zu sein: Deine Frage ist mir fürchterlich vertraut! Ja, auch falls Dich das jetzt überrascht angesichts meines postings. Das scheint aber zum einen sehr persönliche Gründe zu haben (vieles in mir "will" keine Therapie - deshalb lese ich auch so viel darüber ), zum anderen mag es auch daran liegen, dass der Beginn meiner PA ziemlich holperig gewesen ist und der Hintercouchler und ich uns bis heute sehr oft wie zwei interstellare Flugkörper umkreisen, die nicht wissen, ob im andern nun Freund oder Feind sitzt. Alle AnalysandInnen aber, denen ich vertraue, haben mir immer gesagt, dass ich Geduld haben möge, denn irgendwann passiere "es" einfach, und ob man das begreifen könne, sei dann gleichgültig. In diesem Sinne Dir alles Gute!

Widow


pandas
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Beitrag Mo., 09.04.2012, 19:38

Widow hat geschrieben: Nicht zuletzt deswegen nähern sich Hirnforschung und PA ja wieder aneinander an: Das oben genannte "Erinnern-Wiederholen-Durcharbeiten" über Jahre hinweg drei- bis viermal in der Woche ist bestens geeignet, die neuen neuronalen Verknüpfungen herzustellen. - Dazu gehören freilich wohl eine gewisse Imaginations- und Symbolisierungsfähigkeit: Wenn du dich intensiv daran erinnern kannst, wie die Backe nach dem Schlag brannte, musst du nicht erneut geschlagen werden, damit die zugehörigen Gefühle wachgerufen werden. Und wenn du oft genug gefühlt hast, ein wie großes Unrecht dieser Schlag war und wie bemitleidenswert die geschlagene Backe, dann brauchst du nicht die Übung "fremde/eigene Hand streichelt über meine Wange, damit der Schmerz ausgelöscht ist", um Trost zu finden und jenes Selbstbewusstsein aufzubauen, das verhindert, dass man dich wieder schlägt (übrigens nicht, um etwas "auszulöschen", im Gegenteil: Nicht Umprogrammierung, sondern Sicherung des schmerzhaften Altbestandes, damit daraus keine Monster mehr kriechen können, und "neue Verknüpfungen" will PA).
Das Problem dabei ist ja aber, dass ein Analytiker nicht so deutlich zu erkennen geben wird, dass es unrecht war, aufgrund der abstinenten Haltung. Bzw. dass das sehr dosiert kommt. Mitunter spürt man ja auch als Kind, dass der Schlag unrecht war. Vielleicht geht es auch eher darum, dass keiner geholfen hat.
Nun liegt man da also und erinnert das in der Analyse, der Analytiker hmt und sagt vielleicht auch etwas mehr dazu, die Analysandin spürt das Gefühlswirrwarr, verbalisiert, es werden Querverbindungen hergestellt .... ich sehe jetzt nicht, warum dadurch - wie hier dargestellt über eine lange Dauer - nahezu automatisch (durch angeblich angeregter neurochemischer Änderungen im Gehirn) neues Selbstbewußtsein aufgebaut werden sollte, dass sich das Verhalten in der Gegenwart ändert.
Viele (nicht alle) brauchen dazu zusätzliche Sachen wie bspw. Konflikttraining etc.

Ich persönlich finde es sehr schade, dass die euroamerikanische Arbeitsteilung auch in der Therapie stattfindet und ganzheitliche Ansätze gerade nicht von der Krankenkasse bezahlt werden, stattdessen monumental lange Mono-Analysen.
Dabei haben viele Therapeuten ja sogar mehrere Therapieausbildungen, auch Analytiker haben teils Körperpsychotherapieausbildungen, sollen aber bei KK-Zahlungen rein verbale, mehr oder weniger auch abstinente Analysen machen.

Liebe LouWho,

wie ist es denn, gehst Du denn nun an Anforderungen im Alltag etc. anders heran als vorher?
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard

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Lou Who
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Beitrag Mo., 09.04.2012, 19:57

@ biber:
Nein, die Anforderungen im Alltag kann ich leider nicht besser meistern als vorher. Wenn mein Vater zu mir sagt, dass ich ein fettes Trampel bin, tut das noch genauso weh wie immer und ich kann mir das in keiner Weise schön reden oder abtun. Ich habe auch immer noch das Gefühl, ich müsste tausend verschiedene Dinge machen und in allem die Beste sein, um in irgendeiner Art und Weise anerkannt zu werden.
Ich fühle mich, als hätte ich irgendwas an der Sache nicht kapiert. Als wäre es nach den Sitzungen oder Liegungen, wie Widow so schön schrieb :D, an mir aktiv zu werden aber ich weiß halt nicht wie! Wenn man mir wenigstens sagen würde, in welche Richtung ich weiterdenken muss. ich weiß einfach nicht, was von mir verlangt wird.

Und das der Analytiker 'hmt' fand ich in deinem Beitrag gut. Das macht meiner nämlich ständig 'Hm' und 'Aha'. Deswegen war ich mal richtig zornig und hab ihn gefragt, was das denn wohl heißen soll. Aha könne ja schließlich alles und nichts bedeuten und ob ich mir das jetzt aussuchen solle :D

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