Verliebt in den Therapeuten

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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sadsongs
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Verliebt in den Therapeuten

Beitrag Sa., 22.10.2016, 16:31

Hallo zusammen,
Ich bin ganz neu hier und möchte mich gern mit meinem Problem an Euch wenden. Ich mache seit einem knappen Jahr eine Verhaltenstherapie. Zuerst fiel es mir ziemlich schwer mich dem Therapeuten zu öffnen. Aber irgendwie hat er mir so viel Wertschätzung entgegen gebracht, was mir komplett fremd ist, so dass es auf einmal nicht mehr schwer war ihm zu vertrauen. Dieses Gefühl hatte ich bei meinem Partner noch nie, in der langen Zeit, in der wir zusammen sind. Ich fühle mich sehr einsam in der Beziehung und nicht bedingungslos geliebt. Das hat meine ganze Welt aus den Angeln geworfen.... und ! auf einmal kann ich an nichts anderes mehr denken als an meinen Therapeuten. Aber ich habe so eine höllische Angst es ihm zu sagen, denn es könnte sein, dass ich ihn dann als Therapeuten verliere, das könnte ich in meiner Verfassung nicht ertrangen. Könnt ihr mir weiter helfen?

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mondlicht
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Beitrag Sa., 22.10.2016, 20:17

Hallo Sadsonga,

willkommen im Forum erstmal. Schau mal in der Rubrik "Erfahrungsaustausch über Psychotherapie" - dort gibt es sehr viele Beiträge zum Thema Verliebtheit in TherapeutInnen. Du bist absolut nicht allein mit diesem Problem. Ich schließe mich ein und schreibe deshalb bewusst Problem. Andere mögen das anders sehen. Du brauchst allerdings keine Angst zu haben, dass die Offenbarung Deiner Gefühle die Therapie gefährden könnte. Ich würde drüber reden, weil so am ehesten die Chance besteht, dieses Gefühl "aufzulösen". Solange Du verliebt bist - das ist meine Meinung - ist der eigentliche therapeutische Prozess nur eingeschränkt fruchtbar. Aber es ist ja schön, dass Deine therapeutische Beziehung Dir die Defizite Deiner Partnerschaft zeigt. Schade, dass das nicht möglich war, ohne sich (unglücklich) zu verlieben.
Ich wünsche Dir alles Gute für Deine Klärung.

Liebe Grüße

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mondlicht
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Beitrag Sa., 22.10.2016, 20:19

.... sorry: es sollte "Sadsongs" heißen

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sadsongs
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Beitrag Sa., 22.10.2016, 23:50

Liebes Mondlicht,
erst mal danke für die Antwort.
Ich habe mich mit meinem Problem auch schon an einen anderen Therapeuten gewandt. Er sagte mir, es gäbe auch viele Therapeuten, die nach so einem Geständnis die Therapie beenden. Dieses Thema wird in der Ausbildung nicht so großartig behandelt. Ich hab auch schon ein Buch drüber gelesen.... bin da wohl grad ziemlich resistent,

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isabe
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Beitrag So., 23.10.2016, 08:09

Stimmt. Es ist leider nicht die Realität, dass Therapeuten damit IMMER umgehen können. So sollte es idealerweise sein, aber es sind nur Menschen, und es kann sein, dass ihnen das Liebesgeständnis zu viel wird; dass ihnen das unangenehm oder gar lästig ist. Oder dass sie sich so geschmeichelt fühlen, dass sie zum Straftäter werden und eine Beziehung mit dem Patienten eingehen, selbst wenn dieser das - trotz des Verliebtseins - nicht will.

Dass er damit umzugehen weiß, ist also bloß EINE mögliche Variante.

Jeder - auch die Therapeuten selbst - meint zu wissen: "Die können damit umgehen, weil sie das gelernt haben und weil ihnen das so oft passiert, dass man sich in sie verliebt" - aber das sagt man nur so, und man sagt es nur solange, bis es einem selbst passiert...

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zombie78
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Beitrag So., 23.10.2016, 09:09

Hallo und willkommen im Forum,

Ich kann mich den anderen nur anschließen. Am Ende ist es mehr Schmerz als alles andere. Ich konnte sehr viel über mich lernen und das War gut. Leider ging das bei mir nicht ohne unendlichen Schmerz, Verzweiflung, Trauer. Ich komme mit meinem Therapeuten, bei dem ich nun in Therapie bin, wesentlich besser zurecht.
Ich halte es auch für besser zu gehen, wenn man das Gefühl hat es nicht aussprechen und vor allem LÖSEN zu können. Ich selber empfinde, nach so langer Zeit, noch immer liebevolle Gefühle für ihn und würde ihn noch immer gerne kennenlernen. Und ich habe Angst, dass ich genau so noch denke, wenn ich später mal mit einem Rollator unterwegs bin. Meiner konnte nicht damit umgehen oder zumindest nicht so, dass es mir nicht eine Retraumatisierung beschert hätte. Das ist leider die traurige Wahrheit...

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sadsongs
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Beitrag So., 23.10.2016, 10:56

Liebe Zombie,
aber genau das ist es, wozu ich gar nicht bereit wäre: ich möchte auf gar keinen Fall den Therapeuten wechseln. Ich hätte grad gar nicht die Kraft, mochmal von vorn anzufangen, bei mir hängt doch schon so viel schief gerade, und einen Wechsel könnte ich noch weniger verkraften, als ihm immer wieder in die Augen zu sehen und sich bewusst zu werden, dass es das, was ich mir wünsche niemals geben wird....

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Broken Wing
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Beitrag So., 23.10.2016, 10:58

Es ist ganz klar, dass man nicht alles so einfach aussprechen kann. Doch zumindestens für mich ist schon die Sicherheit wichtig, dass meine Thera gefestigt ist und auch mit diesem Thema gut umgehen kann. Ich habe keine Zweifel daran, dass ich mit ihr über meine erotischen Gefühle für sie reden könnte.
Dieses Thema ist so grundsätzlich, dass ein darin schlechter Therapeut in meinen Augen eigentlich kein Therapeut ist.
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]


isabe
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Beitrag So., 23.10.2016, 11:04

Nur nützt dir die Theorie nichts, wenn sie sich nicht in der Praxis widerspiegelt: Wenn du selbst keinen Zweifel in Bezug auf die Kompetenz deiner Therapeutin hast, sagt das leider nichts aus über die Kompetenz des Therapeuten der TE.

Hinterher festzustellen: "Er hat falsch reagiert und ist somit kein 'richtiger' Therapeut", ändert ja nichts am eigentlichen Problem.

Die meisten Therapeuten werden auf jeden Fall zunächst positiv-neutral reagieren, im Sinne von: "Wir können ja über alles reden, ich fühle mich geehrt, es handelt sich wohl um eine Übertragung, haben Sie keine Angst vor Ihren Gefühlen" - soweit deckt sich das dann noch mit dem, was "man" weiß, weil man es in der Ausbildung gelernt hat. Leider sind diese Sätze bedeutungslos, wenn es nicht gelingt, mit dem Verliebtsein einen Umgang zu finden - und dazu gehört zwingend auch, dass der Patient bereit ist, trotz der Verliebtheit an sich zu arbeiten und die Verliebtheit nicht zum Zentrum seines Denkens und Fühlens zu machen.

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candle.
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Beitrag So., 23.10.2016, 11:12

sadsongs hat geschrieben: als ihm immer wieder in die Augen zu sehen und sich bewusst zu werden, dass es das, was ich mir wünsche niemals geben wird....
Ist es dir denn möglich diese Liebe selber zu "zerlegen", dass sie sich auflösen kann? Was macht denn diese Liebe aus?

Und wenn du es ihm sagst und es auf Übertragung herausläuft- bist du dazu bereit?

In schwierigen Zeiten braucht "man" vielleicht auch nur das bißchen Illusion.

LG candle
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Broken Wing
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Beitrag So., 23.10.2016, 11:13

Also die Theorie bleibt außen. Ich höre selten Fachbegriffe aus ihrem Mund.

Entscheidend ist doch nicht das, was hinterher kommt, sondern wie man vorher denkt.
Würde die TE keine Zweifel haben, würde sie es irgendwann ansprechen. Aber was jetzt schon sicher ist: Es wird keine Liebesbeziehung geben.
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]

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sadsongs
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Beitrag So., 23.10.2016, 12:35

Liebe/r candle,
was meine Liebe zu ihm ausmacht ist die Tatsache, dass ich bei ihm das erste Mal etwas bekommen habe, was ich gesucht habe: ein Mensch, bei dem ich nich immer Rechenschaft darüber ablegen muss, warum ich so bin, wie ich bin. Er nimmt mich so an, wie ich bin und ist in unvollständigem Sinne eine Schulter zum Anlehnen.... Diese Erfahrung zu machen, dass es das - obwohl ich ja nicht mehr so jung bin - überhaupt gibt.... Ich weiß nicht, ob man das verstehen kann, wie überwältigend sich das anfühlt, und was es für meine ohnehin schwierige Beziehung plötzlich mehr in Frage stellt....

Im Moment fällt mir der Gedanke schwer, diese Liebe aufzulösen, denn neben dem Schmerz ist da ja auch viel Wertschätzung und Wärme.....

Wenn ich von seiner Seite den Anstoß bekäme, dann würde ich schon versuchen, drüber zu reden, zumindest andeutungsweise.....fahre da ziemlich mit angezogener Handbremse.....

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candle.
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Beitrag So., 23.10.2016, 12:48

Da beschreibst du ja recht klar was einem Kind immer zustehen sollte. Für eine Partnerschaft würde das nie ausreichen, weil es so einseitig ist. Der Therapeut wird privat auch nicht rundum sein wie du ihn erlebst.

Ich hoffe, dass du auch so wachsen und ihn eher wie einen Vater sehen kannst. So sehe ich deine Beschteibung von ihm.

Ich kann dir jetzt von.mir sagen, auch wenn die Problematik nicht bestand, meinem Therapeuten ein fachgerechter Umgang nicht möglich gewesen wäre.

LG candle
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Jenny Doe
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Beitrag So., 23.10.2016, 13:03

Hallo sadsongs
Diese Erfahrung zu machen, dass es das - obwohl ich ja nicht mehr so jung bin - überhaupt gibt.... Ich weiß nicht, ob man das verstehen kann, wie überwältigend sich das anfühlt, und was es für meine ohnehin schwierige Beziehung plötzlich mehr in Frage stellt....
Das sehe ich als eine der größten "Gefahren" in der Therapie an, nämlich, dass man in der Therapie eine Art der Beziehung erfährt und kennenlernt, wie man sie so nie in der Realität vorfinden wird, eine Art von Beziehung, die die Realität zunehmend unerträglicher oder schwieriger machen kann.
Es gibt natürlich auch in der Realität Freundschaften und Beziehungen, in denen man Wärme, Fürsorge, Liebe, Aufmerksamkeit, Empathie, ... erfährt. Aber man erlebt in der Realität auch das Gegenteil, nämlich Zurückweisung, Ablehnung, Nicht Angenommen werden, Nicht Verstanden Werden, ... Das ist die Realität und sie weicht somit von dem, was man vom Therapeuten bekommt ab.

Ich kann Dich, denke ich, gut verstehen. Mir ging es im Jugendalter ähnlich, ... bis ich eine Erfahrung gemacht habe, die mich zurück in die Realität warf und mich Therapie mit realistischeren Augen sehen ließ. Ich habe eine Therapeutin nach der Therapie privat kennengelernt. Privat war von ihrer ganzen Wärme, Fürsorge, Liebe, Aufmerksamkeit, Empathie, ... nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil: Privat war sie so realistisch wie die Realität ist. Privat erfuhr ich auch von ihr plötzlich Momente der Zurückweisung, Ablehnung, des Nicht Angenommen Werdens, des Nicht Verstanden Werdens, ...

Das war der Moment, der mir geholfen hat, in die Realität zurückzufinden und in der Realität leben zu lernen. Ich begriff, dass ich lernen muss auch mit Zurückweisung, Ablehnung, Nicht Angenommen werden, Nicht Verstanden Werden, ... umzugehen. Denn es gehört beides zu einer Freundschaft und Beziehung, sowohl das Positive als auch das Negative.
Wir müssen das Leben loslassen, das wir geplant haben, damit wie das Leben leben können, das uns erwartet (Joseph Campbell). Manche Leute glauben, Durchhalten macht uns stark. Doch manchmal stärkt uns gerade das Loslassen (Hermann Hesse).

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sadsongs
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Beitrag So., 23.10.2016, 13:36

Hallo Jenny,
ja, es gehört beides zur Realität... es gibt nirgendwo eine Beziehung, die nur aus Zurückweisung oder nur aus Zuwendung besteht. Ich denke auch nicht, dass der Mensch, der hinter dem Therapeuten steht so ist, dass er nur annehmend und fürsorglich ist. Dennoch würde es mich interessieren. Ich würde den Menschen dahinter gern kennen lernen.

Mir geht es darum, dass ich diese positiven Dinge, die ich von ihm bekomme, bisher nicht bekommen bzw. gespürt habe....das haut mich eben vollkommen aus den Latschen.

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