Wenn Therapeuten 'Ich mag Sie' und Ähnliches sagen...

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RoboCat
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Wenn Therapeuten "Ich mag Sie" und Ähnliches sagen...

Beitrag Mo., 29.05.2017, 09:46

Hi,

wie geht ihr damit um, wenn eure Therapeuten Dinge wie "Ich mag Sie" oder auch "Sie sind eine tolle Frau / ein toller Mann" sagen?

Auf mich wirken diese Äußerungen simuliert und wenig authentisch. Eben weil das Dinge sind, die ein Therapeut innerhalb einer bestimmten Intervention anwenden sollte... Ich gehe deshalb nicht davon aus, dass das wirklich "echt" ist und wenn ich ehrlich bin, dann ärgert mich das massiv. Ich fühle mich komisch dabei, so, als ob ich das "nötig" hätte. Bin unsicher, ob ich das so stehen lassen will nach der (vor)letzten Stunde oder ob ich es noch mal thematisieren sollte...

Andererseits will ich der Therapeutin auch nicht auf die Füße treten. Ich glaube schon, dass sie es gut gemeint, als sie "Ich mag Sie" sagte.

Versteht jemand, was ich meine? Wäre es in dem Fall besser, diesen Ärger unter Verschluss zu halten? Wie habt ihr das gemacht?
:axt:

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isabe
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Beitrag Mo., 29.05.2017, 09:56

Es ist in einer Therapie niemals (!) besser, den Ärger oder sonstige Gefühle unter Verschluss zu halten.

Offenbar denkt deine Therapeutin ja, DASS du es nötig hast, so was zu hören; ansonsten würde sie solche Selbstverständlichkeiten ja nicht äußern (also, für meinen Th. ist es selbstverständlich, dass er die Leute mag, mit denen er arbeitet; vielleicht ist das bei deiner Therapeutin anders, und sie hat auch Patienten, die sie nicht mag?). Es gibt in der Tat Patienten, die sich nicht vorstellen können, gemocht zu werden (auch nicht vom Th.); nur dummerweise hilft man denen nicht, indem man ihnen so etwas sagt, was, wie du ja richtig bemerkst, recht schlicht klingt.

Grundsätzlich kann man Komplimente oder Zuneigungsbekundungen ja auch so äußern, dass der Angesprochene fühlt, dass es aus dem Herzen kommt. Es kann also sein, dass deine Therapeutin es entweder nicht wirklich herzlich meint - oder aber dass du selbst nicht die Wärme darin spüren kannst.

Es bleibt also nichts anderes übrig, als darüber zu sprechen.

Ich selbst habe keine Probleme damit, klar zu erkennen, ob etwas aus dem Herzen kommt oder aus dem Handbuch. Entsprechend leicht fällt mir die Reaktion: Wenn es aus dem Herzen kommt, packe ich es in mein Herz; wenn es aus dem Handbuch kommt (was in der ersten Therapie gelegentlich der Fall war), habe ich es entweder ignoriert (weil es nichts berührt hat) oder ich hab es angesprochen, dass mir das so nicht hilft usw.

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werve
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Beitrag Mo., 29.05.2017, 10:18

RoboCat hat geschrieben: Mo., 29.05.2017, 09:46 wenn eure Therapeuten Dinge wie "Ich mag Sie" oder auch "Sie sind eine tolle Frau / ein toller Mann" sagen?
Wenn eine Grundsympathie da ist, sollte der Pat. das spüren, ohne es explizit gesagt zu bekommen. Denn was soll er mit einer solchen Aussage anfangen? Entweder unecht oder man interpretiert da etwas hinein, was so nicht gemeint ist.

Die zweite Aussage wirkt einfach nur dümmlich bzw. gedankenlos, weil völlig undifferenziert.

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candle.
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Beitrag Mo., 29.05.2017, 10:26

Hallo!

Es ist wohl schon nötig das anzusprechen. Dass es für dich auch ungewohnt ist, nehme ich auch mal an, sonst würdest du es wohl nicht ablehnen.

Bei mir kam das recht oft ohne es direkt gebraucht zu haben nach meinen Gefühl auch sehr spontan und habe fas auch mal zurückgegeben.

Menschen sagen sich das allgemein viel zu wenig, aber kennen tue ich das schon bei Freundschaften und.Arbeit, dass man zum Ausdruck bringt, dass man sich gern hat oder etwas gut gemacht hat und eben toll ist.

LG candle
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isabe
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Beitrag Mo., 29.05.2017, 10:48

Also, ein Satz wie "Sie sind eine tolle Frau" hat gar keinen Sinn, wie werve ja schon festgestellt hat. Das geht in dieselbe Richtung wie "Sie haben es verdient, dass man Ihnen hilft" (ähnliche Sprüche kann man hier im Forum häufig lesen) - man meint wohl, damit etwas Gutes gesagt zu haben; tatsächlich jedoch drückt man damit nur Banalitäten aus, denn aus psychotherapeutischer und ethischer Sicht haben es alle Menschen verdient, dass man ihnen mit Wertschätzung begegnet und sie die nötige Hilfe bekommen.

Und psychotherapeutisch ist es völlig irrelevant, ob ein Patient im Auge des Therapeuten "toll" ist, zumal "toll" absolut nichtssagend ist, denn das kann sich auf alles und nichts beziehen: auf das Aussehen, auf den Charakter, auf die Kochkünste, auf die intellektuellen Fähigkeiten usw. Wenn also jemand zum Anderen sagt, er sei toll, wird stillschweigend davon ausgegangen, derjenige wisse, worauf genau sich das "toll" bezieht - wenn das aber so ist, ist es überflüssig, das Tollsein zu erwähnen ("ich habe den Medizinnobelpreis bekommen" - "Sie sind eine tolle Frau" - "Ah, gut, dass Sie mir das sagen"). Oder aber, was wohl häufiger vorkommt, derjenige, der das sagt, meint das gar nicht (sonst würde er sagen: "Sie haben Situation xy gut gemeistert"), sondern fühlt sich nur verpflichtet, etwas zu sagen - womöglich um eventuell nervigen Nachfragen ("wie finden Sie mich?") zuvorzukommen. Oder aber derjenige sagt es jedem, und dann ist "toll" nicht mehr toll.

Gerade im therapeutischen Umgang sind Gemeinplätze zu vermeiden, soll doch der Patient zur differenzierten Wahrnehmung, Empfindung und Ausdrucksfähigkeit gelangen. Und um ihm zu helfen, ist es nicht nötig, dass der Th. den Patienten toll findet; das wäre ggf. also, wenn es wirklich so gemeint wäre, eher ein Hindernis.


Speechless
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Beitrag Mo., 29.05.2017, 12:53

Meine Therapeutin hat mir auch schon Komplimente gemacht oder liebe Sachen gesagt, die aber zu mir oder der Situation gepasst haben. Über die konnte ich mich dann auch ehrlich freuen und das annehmen. Plattitüden brauche ich auch nicht, weil sie eben auf jeden passen und man daher auch nichts groß daraus ziehen kann.

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RoboCat
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Beitrag Mo., 29.05.2017, 13:34

Vielen Dank für eure Antworten!

Ich hätte vielleicht etwas mehr Kontext dazu bringen sollen ;-) Die Situation, dass meine Therapeutin sagte "Sie sind eine tolle Frau!" ging der Feststellung voraus, dass ich wohl nicht so recht glauben könne, dass mich jemand möge / ich grundsätzlich gemocht werde (was stimmt). Dann kam erst "Ich mag Sie" (was ich ihr schon noch abgenommen hätte, da ja Sympathie eine Therapievoraussetzung ist und ich sie natürlich auch mag) und danach direkt "Sie sind eine tolle Frau", was mich schon ein wenig ungläubig zurückließ. So, als ob da jetzt auf dieses mögen noch eins drauf gesetzt werden müsste, damit es auch noch "toll" ist. Hm.

Ist natürlich hinfällig, wenn ich mich hier nun über sie auslasse bzw nach Antworten suche. Aber ich wollte einfach mal horchen, ob das generell üblich ist, dass Therapeuten "Ich mag sie" und ähnliches zu ihren Patienten sagen.

und wenn ich Speechless folge, dann kommt das ja schon durchaus vor im therapeutischen Kontext. Ist ja auch in Ordnung, wenns denn authentisch ist. Aber ich sage mal, ich nehme es ihr nicht ab, dass sie mich für eine tolle Frau hält, das muss sie auch gar nicht. Ich denke, Gloria Estefan oder so wäre eine tolle Frau für sie, mal so als Beispiel. Aber wohl kaum ich. Ich bin auch ein vollkommen anderer Typ, als die Therapeutin, was ich sehr befürworte (würde jetzt zu weit führen, das auszuführen).

Ich hadere nun noch immer mit mir, ob ich es tatsächlich noch mal thematisiere, tendiere aber zu JA.
:axt:

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RoboCat
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Beitrag Mo., 29.05.2017, 13:40

candle. hat geschrieben: Mo., 29.05.2017, 10:26

Menschen sagen sich das allgemein viel zu wenig
Ich habe mich da mal gerade selbst überprüft und würde sagen, ich bin auch so ein Mensch. Direktes Lob habe ich glaube ich sehr selten jemandem gegeben. Wenn, dann waren es eher Ermutigungen im Sinne von "ich glaube an dich". Aber "ich mag dich" oder "du bist toll" habe ich niemals gesagt, jedenfalls erinnere ich mich daran nicht. Irgendwie war das für mich etwas, das gar nicht ausgesprochen werden musse, weil es doch klar sein sollte. Aber ich zweifel nun daran, ob das so stimmt.
:axt:

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Schnuckmuck
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Beitrag Mo., 29.05.2017, 13:41

Ich glaub über dich weiss sie mehr als über Gloria.

Man kann auch mit "toll" Respekt ausdrücken. Respekt vor deiner Arbeit an dir vielleicht.

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candle.
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Beitrag Mo., 29.05.2017, 13:43

Du kannst dir die Situation ja auch selber vorab durchdenken. Wie könnte sie sich denn authentischer machen? Und was hat das mit Gloria Estefan zu tun? Eine nicht zu erreichende Person toll zu finden, ist ja was anderes als jemanden in der Beziehung toll zu finden.

Und ja, Sympathie ist da, nur weiß ich nicht, ob dir das von deiner Seite konstant bewußt ist. Das ist vielleicht das Problem? Oder man meint umgekehrt, wenn es zu Konfrontationen kommt, dass man dann eben nicht mehr sympathisch ist.

Wie könnte man dir das denn authentisch rüberbringen? Und könntest du es dann annehmen?

Ich stochere ja im Nebel, aber mir ist durchaus bewußt, dass man sowas hinterfragen kann bis ins kleinste Detail bis man es kaputt zerlegt hat. Und deswegen bist du vielleicht ja auch in Therapie.

candle
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RoboCat
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Beitrag Mo., 29.05.2017, 13:47

werve hat geschrieben: Mo., 29.05.2017, 10:18
Wenn eine Grundsympathie da ist, sollte der Pat. das spüren, ohne es explizit gesagt zu bekommen.
Puh, das ist eine interessante These. Also mir geht es so, dass ich das nicht explizit spüre. Für mich ist das Therapieding vom Verständnis her eine Dienstleistung, bei der man sich nicht mögen muss. Denn meinen Tischler oder Dachdecker, den mag ich auch nicht explizit und umgekehrt. Aber mir ist auch klar, dass eine Psychotherapie etwas anderes ist.

Die Frage "Mag mich die Therapeutin?" kann ich eher aus dem, wie sie sich verhält, beantworten. Ich weiß zB, dass sie sich sehr viele Gedanken zu mir macht auch außerhalb der Sitzungen und unterstelle, dass sie das nicht täte, wenn sie mich nicht (auch) mögen würde. Für mich ist also "klar": Die mag dich. Aber spüren tue ich da gar nichts. Eigentlich ist das alles auch ein bisschen traurig. Sie gibt sich so viel Mühe mit mir, dringt aber trotzdem nicht zu mir durch. Aber das kann ja noch werden, wir haben noch ein paar Stunden.
:axt:


ziegenkind
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Beitrag Mo., 29.05.2017, 14:14

und: gefällt es dir, wenn sich einer sich um dich bemüht, versucht, zu dir durchzudringen?

alternativ: woher kommt die diskrepanz zwischen wissen und fühlen? was für eine funktion hat sie?
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.


montagne
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Beitrag Mo., 29.05.2017, 14:53

Theoretisch stimmt es ja, das eine gewisse Grundsympathie da sein sollte und jeder Mensch es verdient hat, Unterstützung zu bekommen. Aber wenn dieses theoretische Wissen reichen würde, bräuchten wir alle nur 5-10 Stunden Psychoedukation und wären dann gesund.

Von daher....
Mir zumindest ging es so, dass ich all das weiß, theoretisch eben, aber auf mich selbst bezogen habe ich es lange nicht gefühlt und vielleicht nicht mal gewusst. Es mag abhängig von der Methode und dem ganzen größeren Kontext sein, aber grundsätzlich sinnlos oder gar schädlich finde ich solche Aussagen bei weitem nicht.
Also mir hat es geholfen, nicht instant, aber so mit der Zeit zusammen mit anderen Dingen. Nochmal, sicher spielt der Kontext eine große Rolle.


Mir zumindest hat es geholfen, als ein Baustein. Eben genau dieses da gibt sich jemand Mühe mit mir und schickt mich nicht gleich weg, auch dann nicht, wnen ich unbequem bin. Von daher würde ich @RoboCat deine Bedenken, die du hier geäußert hast, offen ansprechen. Was meiner Meinung nach auch schon eine große Leitung ist, sowas reflektiert anzusprechen und darüber ins Gespräch kommen können. Das alleine lässt einen wachsen und stärker werden.
Zuletzt geändert von montagne am Mo., 29.05.2017, 15:23, insgesamt 1-mal geändert.
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Krümmelmonster
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Beitrag Mo., 29.05.2017, 15:14

Hallo Robocat,
was montange da schrieb wüdest du deine Therapeutin fragen trauen? Das wäre interressant für mich und bin gespannt was raus kommt.
Dieses Thema habe ich gerade auch, bis zum nächsten Termin.

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RoboCat
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Beitrag Mo., 29.05.2017, 15:48

@Ziegenkind:

Ob mir das gefällt...das ist keine leichte Frage für mich. Es ist mal so, dann wieder so. Gestern dachte ich zB wieder, dass ich in Wahrheit ihre Zeit stehle. Dass mir nicht zu helfen ist und hatte danach ein ziemlich schlechtes Gefühl. Ich habe aber auch schon den Hinweis von ihr erhalten, dass ich mir zuviele Gedanken mache, wie es dem anderen gerade mit was auch immer geht. Statt mir diese Gedanken um mich selber zu machen. Die Option des plötzlichen Abbrechens einer Beziehung, wie oben schon jemand angesprochen hatte, wird da von ihr als Hintergedanke bei mir vermutet. Ich würde dieser Interpretation auch durchaus zustimmen, jetzt, nach einer Weile, nachdem sie in der Welt ist.

@Krümmelmonster:

Wenn du schon so nett fragst ;-) Also ich werde es beim nächsten Termin zumindest versuchen. Mir wurde auch bereits von ihr eingeschärft, dass das Aussprechen von für sie möglicherweise unbequemen Dingen sie nicht derart verärgern könnte, dass sie mich ohne Umschweif vor die Türe setzt. Also erwartet sie vielleicht sogar, dass ich diesbezüglich bald mal etwas mutiger werde. Merke gerade, wie ich das innerlich alles schon wieder kleinrede und am liebsten wegschieben möchte. Einen besseren Hinweis darauf, dass ich das unbedingt noch mal thematisieren sollte, kanns ja kaum geben. Also. Tschakka
:axt:

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