Immer angespannt während der Therapie

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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fml284
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Immer angespannt während der Therapie

Beitrag Fr., 16.11.2018, 00:06

Hallo, ich habe folgendes Problem:
Seit einigen Wochen mache ich eine ambulante VT. Ich bin immer während der Stunde angespannt und nervös. Meine Anspannung kann ich aber nie wirklich benennen. Genau so wenig bei den Themen die wir besprechen kann ich auf vieles einfach keine Antwort geben. Mein Therapeut fragt mich oft was er mir noch mitgeben kann. Die Frage überfordert mich immer total. Darauf finde ich auch keine Antwort und weiß auch gar nicht was man darauf antworten soll ? Er sagte mir das man an mich nicht wirklich ran kommt und er auch ratlos da ist. Ich soll anscheinend Vorschläge geben wie das besser klappt aber ich weiß es einfach selbst nicht.
Hoffentlich habe ich mich einigermaßen verständlich ausgedrückt und jemand weiß was mir ansatzweise da helfen könnte...

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spirit-cologne
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Beitrag Fr., 16.11.2018, 03:47

Hallo fml,
vielleicht würde es dir helfen ein Therapietagebuch zu führen? Darin könntest du z.B. Fragen, die dir dein Therapeut stellt und auf die du ad hoc keine Antwort weißt aufschreiben und dann zu Hause noch mal in Ruhe darüber nachdenken? Deine Gedanken kannst du dann hineinschreiben und ebenso, wenn dir andere Dinge durch den Kopf gehen, Fragen auftauchen, die du in der Therapie gerne stellen möchtest oder schwierige Situationen, die du gerne besprechen möchtest. Das Buch nimmst du dann in die Stunden mit und nutzt es als Gedankenstütze oder, falls es dir auch dann nicht gelingt, deine Fragen/Gedanken zu formulieren, kannst du es deinem Therapeuten am Anfang auch einfach zu lesen geben. Du solltest aber in jedem Fall üben, deine Gedanken zu formulieren, denn das brauchst du ja auch im Kontakt mit anderen Menschen. Hast du denn dieses Problem auch wenn du mit Freunden oder Familie über Probleme oder deine Gefühle sprechen willst?
It is better to have tried in vain, than never tried at all...

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Anna-Luisa
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Beiträge: 2909

Beitrag Fr., 16.11.2018, 06:44

Ich muss gestehen, dass ich mit solchen Fragen auch nichts anfangen kann. "Mitgeben" kann man mir nur Dinge die ich in der Hand transportieren kann. Generell kann ich mit Phrasen wie "Ich möchte Ihnen mit auf den Weg geben..." oder "Ich möchte Sie dazu einladen, erst einmal anzukommen" nichts anfangen. Das kann ich so wenig leiden, dass ich es sogar mit in meine Kriterienliste aufgenommen habe, die ich für die Therapeutensuche wichtig fand.

Wie lange machst du die Therapie denn schon?
Fordere viel von dir selbst und erwarte wenig von den anderen. So wird dir Ärger erspart bleiben.
(Konfuzius)


Jenny Doe
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Beiträge: 4811

Beitrag Fr., 16.11.2018, 07:07

Hallo fml284
Mein Therapeut fragt mich oft was er mir noch mitgeben kann. Die Frage überfordert mich immer total.
Dass dich das überfordert kann ich verstehen. Wenn du Deine Gefühle nicht benennen und nicht richtig wahrnehmen kannst, dann kannst Du logischerweise auch nicht sagen was Du brauchst.
Meine Anspannung kann ich aber nie wirklich benennen. Er sagte mir das man an mich nicht wirklich ran kommt und er auch ratlos da ist.
Ist er der richtige Therapeut für Dich?

Was ich so aus deinem Posting entnehme ist, dass du Hilfe dabei brauchst Deine Gefühle wahrnehmen und benennen zu können. Eigentlich sollten Deinem Therapeuten Techniken einfallen, wie er Dir dabei helfen kann.

Eine Therapeutin hat mal was bei mir gemacht was ich klasse fand. Wir haben in der Vorbereitung sämtliche Gefühle auf Kärtchen geschrieben.Schon diese Vorbereitung half mir dabei zu benennen was Gefühle in mir sind bzw. sein könnten. So sagte ich z.B. "Wut" usw. Meine Therapeutin schrieb die von mir bekannten Gefühle auf Kärtchen und ergänzte sie um eigene mögliche Gefühle. Wenn ich dann in der Therapie saß und nicht klar sagen konnte was ich jetzt fühle und warum, dann half mir diese Gefühle-Kartesammlung dabei das richtige Gefühl rauszusuchen.

Zur Selbsthilfe finde ich die Idee von spirit-cologne gut. Mir persönlich helfen Tagebücher.
Wir müssen das Leben loslassen, das wir geplant haben, damit wie das Leben leben können, das uns erwartet (Joseph Campbell). Manche Leute glauben, Durchhalten macht uns stark. Doch manchmal stärkt uns gerade das Loslassen (Hermann Hesse).

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Fairness
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Beiträge: 1516

Beitrag Fr., 16.11.2018, 08:21

Liebe fml284, ich kann aus meiner Erfahrung schreiben, mir hat mein Therapeut sehr geholfen, als wir mal gesprochen haben, über Situationen die mir in den Wochen vor der Sitzung passierten, und er hat mich dabei die ganze Zeit gespiegelt... ich meine, das war nicht abgesprochen, das machte er einfach und an einigen Punkten fand ich Diskrepanz zwischen meinem Gefühl und dem Bild, welches er mir zurückspiegelte. Das bringt einem so richtig ins Bewusstsein, wie angepasst man ist... Und eben, die Gedanken und Gefühle nicht äußern zu können, ist überangepasst zu sein, glaube ich.

Du könntest mit ihm auch besprechen, wie man die Gefühle spüren kann, e.g. an welche innere Organe sie sich auswirken und wie? Dieses Wissen kannst du dir dann auch für später mitnehmen, und falls du sie nicht alle so ganz empfinden kannst, glaube ich, dass die Zeit irgendwann kommen wird, wo du sie in dir findest.
Man sieht, was man am besten aus sich sehen kann. (C.G.Jung)

Grief is just love with no place to go. (Jamie Anderson)


Boah
Helferlein
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Beiträge: 34

Beitrag Fr., 16.11.2018, 08:41

Hallo fml284,

ich verstehe sehr gut, dass Du überfordert bist. Jenny Doe hat bereits geschrieben, was auch mein Gedanke dazu war.

Vielleicht ist er nicht der richtige Therapeut für Dich, wenn er Dich so unter Druck setzt anstatt zu erkennen, was Du brauchst.

Ich selbst musste auch erstmal mühsam lernen, Gefühle zu benennen und wahrzunehmen. In meinem Fall fand das in einer Klinik statt. Ich bekam dort eine Liste mit allen Gefühlen, die es so gibt. Die habe ich erstmal wie Vokabeln auswendig gelernt. Häufig musste ich Mitpatienten oder Therapeuten bitten, mir einzelne der Gefühle zu beschreiben und zu erklären. In einem zweiten Schritt habe ich mit Hilfe von Übungsblättern angefangen, aktuelle Situationen im Stationsalltag, die "irgendwas mit mir machen" zu beschreiben, meine Reaktion im Verhalten zu beschreiben und mir deduktiv zu erschließen, welches Gefühl ich in der Situation eigentlich hatte. Das ist eine Menge Übungsarbeit. Aber nach einigen Wochen ging das Prozedere dann auf einmal automatisch, ohne Übungsblätter und dann war es nur noch ein kleiner Schritt bis der Analyseteil unbewusst und in Sekundenschnelle ablief und ich nun also immer gleich wusste, welches Gefühl ich gerade habe, und das auch äußern konnte. Das alles war erstmal unglaublich anstrengend und beängstigend, weil es ja einen Grund hat, warum man den Kontakt zu seinen Gefühlen verliert. In der Regel, weil sie zu bedrohlich waren und nicht bewältigt werden konnten und können. Denn das ist dann der nächste Schritt: Heute und mit vielen Jahrzehnten Verspätung zu lernen, wie ich mit Gefühlen umgehen kann.

Bevor ich in der Klinik die ersten Schritte gemacht habe, ging es mir exakt wie Dir. Ich war in den Sitzungen mit meinem Kliniktherapeuten ohne ersichtlichen Anlass hoch angespannt, völlig überfordert mit seinen Fragen. Ich wusste gar nicht, was der von mir will, was er erwartet. Da war nur das Gefühl, irgendeiner diffusen Anforderumg an mich ganz und gar nicht gerecht zu werden. Auch mir wurde gesagt, dass man an mich nicht heran käme. Nur dass mein Kliniktherapeut erkannt hat, was ich brauche, wo er anfangen muss, und mich eben das oben Beschriebene hat üben lassen. Ohne diesen Anfang wäre ich niemals in der Lage gewesen, inhaltlich in der Therapie zu arbeiten, also mein Verhalten und meine Gefühle mit meiner Biographie zu verknüpfen, zu gucken, was heute anders ist oder was ich ändern kann und möchte, und das dann anzugehen.

Ich gehe nach Deiner Schilderung stark davon aus, dass auch Du erstmal Hilfe dabei brauchst, Deine Gefühle wahrzunehmen und zu benennen. Für Deinen Therapeuten bedeutet das vermutlich, sehr viele Schritte zurückgehen zu müssen und eine sehr viel längere Therapiedauer einplanen zu müssen. Das ist unbequem und anstrengend und bedeutet auch für den Therapeuten erstmal nur sehr wenige Erfolgserlebnisse.

Wenn Du Deinen Therapeuten magst, es zwischenmenschlich stimmt, kannst Du ja versuchen, das was Du hier geschildert hast, anzusprechen und zu gucken, ob er sein Vorgehen deutlich an Deine Bedürfnisse anpasst. Nachdem er da bislang aber nicht selbst drauf gekommen ist, könntest Du Dich ja vielleicht auch dem Gedanken öffnen, dass er nicht der Richtige für Dich sein könnte.

Ich wünsche Dir viel Erfolg. :)

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