Was ist die therapeutische Beziehung?

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Was ist die therapeutische Beziehung?

Beitrag Sa., 05.01.2019, 01:09

Huzu zusammen,

vorhin las ich quer durchs Forum und fand auch einiges zum Thema therapeutische Beziehung.

Was ist das eigentlich?
Wie lebt ihr eure therapeutische Beziehung? Wie ist sie für euch? Was fehlt euch, was ist vorhanden?... Wie gut kommt ihr mit euren Therapeuten zurecht? Ist die Beziehung gut? Warum?

Ich mache mir seit so langer Zeit Gedanken dazu.

LG, Annie

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mio
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Beitrag Sa., 05.01.2019, 01:27

Ich würde das erst mal als so eine Art "Allianz" verstehen, also wie gut man gemeinsam darin ist miteinander konstruktiv (also Problemlösend) zu arbeiten.

Wie ich das lebe?

Ich versuche so offen wie es mir möglich ist und so weit ich es will und für förderlich halte zu sein.

Wie ist für mich ist?

Erst mal vertrauensvoll, sicher und grundsätzlich hilfreich.

Was mir fehlt, was für mich vorhanden ist?

Eigentlich bin ich da insgesamt ziemlich zufrieden muss ich sagen. Manchmal hätte ich gerne ein "Wundermittel", aber na ja...das versteht sich von selbst, dass das nichts werden dürfte. :lol: :lol: :lol:

Wie ich mit meiner Therapeutin zurecht kommen?

Meist ziemlich gut, es gab zwar auch schon "Hakeleien" (wie sie das nennen würde) also Situationen wo wir uns nicht gleich verstanden haben oder auch mal was schwierig war, aber insgesamt bin ich da eigentlich hoch zufrieden.

Die Beziehung ist also gut.

Warum?

Weil es sich eigentlich immer klären lässt, wenn es mal zu Problemen kommt, weil sie mich ernst nimmt, mir zu hört, mich machmal besser wahrnimmt als ich selbst es tue ohne mir das dann "überstülpen" zu wollen. Weil sie mich sein/frei lässt, weil sie trotzdem immer da ist und bleibt ohne was dafür zu "fordern" (außer ihrem Honorar natürlich). Weil ich sie als kompetent und hilfreich wahrnehme. Weil sie sich auf mich einlässt... Sowas halt. :)


MariJane
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Beitrag Sa., 05.01.2019, 01:37

Na, ich verstehe darunter eine Beziehung auf Zeit, die von einer Seite finanziert wird und von der anderen Seite ohne persönliche Bedürfnisse gegenüber der anderen Seite gelebt wird und als Arbeitsbündnis gelten kann, bei dem die Probleme der bezahlenden Seite im Vordergrund stehen. Ich glaube, das kennzeichnet sie zumindest- ihre Ausgestaltung dürfte vom jeweiligen Therapeuten und auch vom jeweiligen Patienten abhängen.

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Federchen
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Beitrag Sa., 05.01.2019, 06:39

Generell ist die therapeutische Beziehhung wohl so definiert, wie MariJane es erklärt hat.

Ganz persönlich für mich ist die therapeutische Beziehung eine, in der ich ziemlich ähnlich fühle wie in anderen Beziehungen (ehrlich gesagt sogar eigentlich gleich), ich aber langsam lerne, nicht nur nach alten Mustern zu handeln. Und das geht nur, weil mein Gegenüber emotional nicht (so) involviert ist, wie es ansonsten der Fall ist..

Für mich macht es das einfacher, dass ich meinem Therapeuten sagen kann, wie ich gerade fühle, ohne dass er sich persönlich angegriffen fühlt. Der Wechsel zwischen Lobpreisen und Entwerten gestaltet sich dann nämlich nicht so dramatisch. Zum Beispiel wenn ich in der einen Stunde heulend vor ihm sitze, weil wir eine Therapiepause (wegen Urlaub) haben und ich nicht weiß, wie ich ohne ihn überleben soll (... :roll: ) und in nächsten Stunde trotzig wie ein kleines Kind vor ihm sitze, weil ich der Meinung bin, dass er sowieso nichts versteht und ich besser alles hinschmeiße.

Jedenfalls.. mir sagte mein Therapeut letztens, dass wir diese therapeutische Beziehung nutzen können, um mir bestimmte Muster zu verdeutlichen und den Umgang damit zu lernen. Macht für mich Sinn. Von dem her ist die therapeutische Beziehung für mich sowas wie ein Abbild meiner sonstigen Beziehungen - aber mit Lerneffekt.

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Beitrag Sa., 05.01.2019, 10:10

@mio, das klingt gut. Du scheinst, was das betrifft, in dir zu ruhen.
@MariJane, ja, das ist die trockene, nüchterne Seite ;). Ich weiß, dass es so ist, aber mag gar nicht so denken.
@Federchen, da sprichst du mir aus der Seele... und so ein deutliches Wort ist gut. Man muss sich nur trauen...

Ich habe gemerkt, dass es lange dauert, bis man wirklich verinnerlicht, was es ist. Theorie ist gut, man kann viel dazu lesen, man kann definieren, erklären... aber bis man "an eigener Seele" erfährt, wie sie sich anfühlt, was sie ist und was nicht, dauert es lange. Das finde ich manchmal schwer zu ertragen.

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Fairness
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Beitrag Sa., 05.01.2019, 10:42

nosweets hat geschrieben: Sa., 05.01.2019, 01:09 vorhin las ich quer durchs Forum und fand auch einiges zum Thema therapeutische Beziehung.

Was ist das eigentlich?
Wie lebt ihr eure therapeutische Beziehung?
Für mich ist die therapeutische Beziehung wie jede andere, plus dass dort "alles" Seelische sein darf, um das Problematische irgendwann überwinden zu können... Es geht nur darum, sich im Klaren zu sein, dass sie symbolisch bleiben sollte und zeitbegrenzt ist.
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Beitrag Sa., 05.01.2019, 10:58

Ja, Firewalker, und kannst du das so verinnerlichen?

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Beitrag Sa., 05.01.2019, 11:07

Ja, zum Teil... bei mir funktionierte das so, dass ich mich entschieden habe, mich im Erleben nicht zu sehr zu begrenzen, d.h. ich habe das Schöne, das Aggressive und auch das Leid zugelassen, gleichzeitig tauchte wiederholt der Gedanke in mir auf, dass es symbolisch ist, dass es mir hilft, während der Übertragung mich und meine innere Objekte in mir selbst, in der zwischenmenschlichen Beziehung und im Kollektiv zu finden...
Sozusagen, ich wurde von intensiven Gefühlen überfahren, und dann holte ich mich mithilfe oben beschriebener Gedanken zurück und reflektierte, was dort passiert.
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MariJane
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Beitrag Sa., 05.01.2019, 12:24

Nosweets, ja das ist sehr nüchtern- aber ich denke, mehr lässt sich dazu nur individuell sagen und auch das hab ich versucht auszudrücken. Ich habe verschiedene therapeutische Beziehungen erlebt und jede war anders, weil andere Menschen aufeinandergetroffen sind. Ich frage mich, ohne das wertend zu meinen, warum dich anderer Leute therapeutische Beziehungen interessieren? Das ist so, wie wenn ich mich frage, wie andere Leute ihre Liebesbeziehung leben; das kann spannend sein, aber ich kann es doch nur so, wie ich das kann...

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Beitrag Sa., 05.01.2019, 13:00

MariJane, ich bin gerade mitten in einem Prozess, den ich für mich aufarbeiten muss. Darum habe ich nach anderen Erfahrungen gefragt. Wenn du mehr dazu wissen möchtest, schick mir gern eine PN; öffentlich möchte ich nicht mehr dazu sagen.
Ich hoffe, das reicht auch den anderen als "Rechtfertigung"; angesprochen hat das, was du sagst, ja sonst bisher keiner ;) (und antworten muss auch niemand ;) ).


MariJane
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Beitrag Sa., 05.01.2019, 13:19

Nosweets, die Frage war überhaupt nicht wertend und du kannst, wenn du magst, mehr dazu schreiben, musst aber überhaupt nicht. Kannst du denn mit deiner Therapeutin oder deinem Therapeuten über diese Frage sprechen? Ich glaube, sowas gehört unbedingt in die Therapie. Ich meinte das insbesondere so, dass du eben in der Therapie die Beziehung eingehst, die du in dem Moment kannst und spürst. Und ich denke, dass die Beziehung auch vom jeweiligen Therapeuten abhängt. Auch er kann nur eine Beziehung mit dir eingehen, die zu ihm und dir passt. Ich denke, dass Therapiebeziehungen real ein sehr interaktives Geschehen sind und es eben letztlich, egal ob therapeutisch oder nicht, eben immer auf die Konstellation ankommt. Mein Therapeut meinte zu mir mal, jede Beziehung kann mal schwierig werden, eben auch therapeutische Beziehungen. Das heißt für mich, dass es eben wirklich so ist, dass da Menschen aufeinandertreffen und auch Therapeuten das auf dem Schirm haben.


Fighter1993
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Beitrag Sa., 05.01.2019, 13:23

Bei mir ist die aktuelle therapeutische Beziehung ein Miteinander. Auf eine Art irgendwo schon ausgeglichen - so vom Gefühl her, aber faktisch gesehen eben doch recht ungleich. Für mich ist sie momentan auch die einzige Beziehung die ich habe, in der ich nicht perfekt sein muss, in der ich nicht alles schon im Vorfeld wissen und durchdacht haben muss (bei den meisten meiner Freunde muss ich das - nicht weil sie es verlangen, sondern weils mein Anspruch ist). Es ist eine stabile Beziehung in der ich auch mal Fehltritte machen darf, in der ich lerne, dass man über Reibereien sprechen kann, dass auch ich Wünsche und Bedürfnisse äußern darf und dass siese bei Bedarf auch erfüllt werden. In der ich Gefühle zulassen und zeigen kann und auch vom Gegenüber gelegentlich Gefühle, Empfindungen etc wahrnehme. In der ich einfach zu mir finden kann.
Klar ist es eine Beziehung auf Zeit, aber vielleicht ist auch gerade das für mich persönlich von Nutzen um eben all die Erfahrungen machen zu können. Ich brauche bei ihr dann keinen Grund, wieso sie wieder aus meinem Leben muss, so wie ich es oft bei anderen Menschen getan habe, wenn sie zu viel wussten, wenn es Reibereien gab.
Also im Großen und ganzen ist es ein großes Lernfeld für mich, es ist etwas was mir unheimlich gut tut und ich momentan nicht missen mag. Nüchtern betrachtet ist es tatsächlich ja eine Dienstleistung, aber ich bin davon überzeugt, dass diese Beziehung dennoch echt ist und gelebt wird. So viel wie sie sich merkt, wie sie mir gegenübersitzt.... das ist nicht nur Dienstleistung, da steckt Herzblut ihrerseits dahinter. Und genau das merke ich, ich bin nicht einfach nur Arbeit. Ich bin Mensch dort.
Was mir fehlt, ist tatsächlich "nur" die körperliche Nähe, sei es mal ne Umarmung oder so. Aber das gehört eben nicht in die Therapie, auch wenn ich es mir doch immer mal wieder wünsche. Ansonsten passt bei uns die Chemie und wir kommen gut aus miteinander.

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Beitrag Sa., 05.01.2019, 13:50

@Fighter1993, genau das ist es, was mich auch so fühlen lässt, wie ich fühle: Die Tatsache, dass die Therapeutin sich alles merkt, dass sie immer da ist, dass sie Herzblut investiert... das macht so eine Beziehung so sehr wohltuend.


Fighter1993
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Beitrag Sa., 05.01.2019, 19:48

Weißt du, vorallem ist es für mich etwas, was ich nicht in Frage stelle. Oder vielleicht nicht mehr, nachdem ich vor kurzem mit ihr darüber gesprochen habe, wieso sie die Therapie mit mir eingegangen ist. Dabei hat sie mir gesagt, dass sie nach bestimmten Kriiterien vorgeht und das wichtigste für sie ist, dass die Chemie stimmt. Und was ich ihr auch hoch anrechne, dass sie mir auch von Fehlern ihrerseits erzählt - gerade dann, wenn ich mal wieder zu sehr idealisiere. In unsrer Beziehung ist noch keiner solcher Fehler passiert, aber ich hab da immer wieder bisschen "Angst" vor, dass es so sein wird. Und da fand und finde ich gut, dass sie nie sagt "das passiert mir nicht" sondern, "XY ist mir grad letztens passiert, ich hab so und so reagiert und denken Sie immer daran, ich bin auch nur ein Mensch". Und das finde ich für mich und für eine Beziehung - egal welcher Art - elementar. Wir sind Menschen. Mit allem was dazugehört.
Und ja, die therapeutische Beziehung ist wohltuend, auf verschiedene Arten. Und mir persönlich tut es einfach gut, es so zu nehmen wie es ist, daran zu wachsen und mit ihr lernen. Für mich ist sie irgendwie besonders und doch alltäglich.

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Federchen
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Beitrag So., 06.01.2019, 06:39

nosweets Mich würde es interessieren, weil es dir scheinbar ähnlich geht wie mir. :->

Für mich ist, obwohl es eine "einseitige/bezahlte" Beziehung ist, doch sehr wichtig, dass ich mich dem Menschen öffnen kann und das geht nur, wenn er drauf Lust hat und, ja, ich auch das Gefühl habe, dass er mich "mag" (in diesem Rahmen eben). Genau da liegt ja aber auch immer mein Problem in anderen Beziehungen.. ich kann mich da nicht so abgrenzen und neutral bin ich schon gar nicht. Liegt halt vllt auch am Krankheitsbild. :anonym:

Mein Therapeut sagte letztens mal, dass er Lust drauf hat, mit mir an meinen Problemen zu arbeiten (im Rahmen der therapeutischen Beziehung) und das gerne tut und dass er mir das auch noch tausend Mal sagen wird, wenn ich es anzweifle. Er betonte auch, dass er sich das natürlich aussuchen kann (obwohl es ja immer heißt, Therapeuten würden bezahlt und müssten dann halt einfach). Und genau deshalb konnte ich dann letztes Mal wirklich weinend vor ihm sitzen und ihm sagen, dass ich Angst vor der "Therapiepause" habe und halbwegs rauslassen, was icj fühle. Das ging davor auch nicht. Und hätte er da nicht "Vorarbeit" geleistet, wäre ich vermutlich gegangen ohne etwas zu sagen und hätte meinen üblichen Sch*** abgezogen. Ohne es zu merken natürlich..

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