Fragen Therapeuten in der ersten Stunde nach Missbrauch?

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Grünblatt
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Fragen Therapeuten in der ersten Stunde nach Missbrauch?

Beitrag Mi., 27.02.2019, 19:48

Hallo zusammen,

ich habe nächste Woche ein Erstgespräch und werde mit jedem Tag nervöser.
Meine Angst; dass der Therapeut direkt in der ersten Stunde nach Erfahrungen sexuellen Missbrauchs fragt :red:

Ich war bisher bei 4 Therapeuten, 2x Einzeltherapie und 2x Paartherapie.
3 der 4 haben mir ohne dass ich etwas angedeutet hätte (darauf habe ich bewusst geachtet) die gleiche Frage gestellt. Also selbst in der Paartherapie vor dem Lebensgefährten. Ich fand das mehr als Grenzüberschreitend. Aber da es nicht nur einmal passiert ist, habe ich die Angst, dass man es mir entweder von der Stirn ablesen kann, oder das eine Standardfrage ist.

Wie ist eure Erfahrung? Manche Therapeuten haben glaube ich auch Fragebögen vorab, was "muss" man da angeben?

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mathilda1981
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Beitrag Mi., 27.02.2019, 20:21

Hallo Grünblatt,

also ich bin seit neuestem (sehr neu...2 Sitzungen bisher) auch, ich denke erstmal vordergründig wegen Verg.(und daraus resultierend seit kurzem Panikattacken, Flashbacks usw...) in Therapie. Ich habe bereits am Telefon gesagt, warum ich in Therapie möchte. Also kurz angerissen Panikattacken, Essstörung, Verg.,. Also grundsätzlich weiß sie, warum ich da bin (was ich auch für gut befinde). Direkt darauf angesprochen hat sie mich noch nicht, meinte auch nach der ersten Stunde, dass sie mich momentan nicht direkt auf etwas ansprechen wird, weil sie noch nicht weiß, wie stabil ich bin. Daher sind wir gerade am Anfang. Sie fragt z.b. wie ich die Kindheit erlebt habe, wie der Kontakt zu den Eltern/Geschwistern war etc. Fragebögen habe ich keine ausgefüllt - außer den normalen Standardfragen von wegen vorherige Therapie/Medikamenteneinnahme/Kurzanamnese.

Lg Mathilda


Fighter1993
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Beitrag Mi., 27.02.2019, 20:34

Hi
also ich weiß nicht obs standartmäßig abgefragt wird bzw. ob explizit danach gefragt wird, denn ich hatte es bisher immer schon beim allerersten Telefonkontakt gesagt, bevor es überhaupt zu einer Sitzung kam. Aber ich habe bei meiner jetzigen einen Fragebogen bekommen, glaube 6 Seiten lang war der. Gefragt wurder allerhand, aber antworten musst du nur auf das, was du willst. Vermutlich wird der/die Therapeut/in dann nachfragen wieso da keine Antwort ist, aber da kannst du ja sagen dass du nicht oder noch nicht drüber reden magst. Es ist jedenfalls kein Test wie in der Schule, bei dem alles beantwortet werden muss. Und ich schätze, jeder Therapeut hat da auch einen anderen Fragebogen, mit den für sie relevanten Fragen.
Wir haben den jedenfalls nach und nach bei den ersten Terminen gemeinsam durchgesprochen und auch heute, über ein Jahr später schaut sie gelegentlich rein und fragt nach wie es jetzt ist, wie ich jetzt mit einzelnen Dingen umgehe etc.
Sinnvoll ist jedenfalls - meiner Meinung nach - so viel und ehrlich wie möglich auszufüllen, denn nur so kann der Therapeut auf einen möglichst gut eingehen und man kann sich besser einstimmen.

Und um dir deine Angst zu nehmen, dass man es dir von der Stirn ablesen kann: nein, ich glaube nicht. Aber je nachdem was du eben bisher preisgegeben hast von dir und wie die dich erlebt haben, könnte es sein, dass sie da etwas vermuten und dann eben nachfragen. Wobei ich eine direkt Nachfrage durchaus auch kritisch sehe, grad wenn ich noch nicht bereit bin darüber zu sprechen könnte so ein direktes "Wurden Sie sexuell missbraucht?" schon ein wenig aus der Bahn werfen.

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Grünblatt
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Beitrag Mi., 27.02.2019, 22:00

Danke euch, aber dass ich nichts beantworten muss ist mir klar, aber meine Angst ist, dass die Frage überhaupt im Raum steht, ob verbal oder über den Fragebogen. Ein nicht beantworten ist halt genauso ein Ja...

Daher meine Frage an diejenigen die es jetzt nicht schon vorab angesprochen haben, ob das vom Therapeuten aus direkt thematisiert wurde.

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Dampfnudel
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Beitrag Mi., 27.02.2019, 23:10

Bei mir wurde nicht explizit nach Missbrauch gefragt, aber jedes Mal, ob es traumatische Erfahrungen gab.
Alles hat seine Zeit.

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Pinguin Pit
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Beitrag Do., 28.02.2019, 00:23

Bei meiner Therapeutin wurde auch nicht danach gefragt und im Fragebogen wurde auch nur ergebnisoffen nach der sexuellen Entwicklung gefragt. Allerdings hätte das auch nicht viel gebracht, weil es noch verschüttet/verdrängt war. Meinem jetzigen Therapeuten habe ich diese Information in den Vorgesprächen unaufgefordert mitgeteilt.
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spirit-cologne
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Beitrag Do., 28.02.2019, 01:31

Warum ist es denn so schlimm, wenn er das fragen sollte? Du musst ja nicht näher drauf eingehen, kannst ja z.B. sagen: "Ja, aber da möchte ich im Moment nicht darüber reden." Ich verstehe nicht so recht was an der Frage an sich (solange derjenige nicht anfängt da rumzubohren) übergriffig ist. Du denkst doch sowieso schon jetzt die ganze Zeit darüber nach und beschäftigst dich mit der Frage, also ist es doch nichts wirklich Neues oder Unerwartetes, wenn er diese Frage aussprechen sollte. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man oft mehr an das schwierige Thema denkt und davon belastet ist, wenn man die ganze Zeit darum herum schleicht, wie die Katze um den heißen Brei, weil man halt die ganze Zeit dran denkt, wie schlimm das doch ist, falls es zur Sprache kommen sollte. Oft ist es einfacher wenn es einmal ausgesprochen ist und man gesagt hat, dass man gerade nicht darüber reden will, dann ist danach erst mal Ruhe im Karton.
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Fighter1993
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Beitrag Do., 28.02.2019, 07:57

sehe es da auch wie spirit, scheinbar gibts da ja persönliche Erfahrung in diese Richtung und wenn die Frage kommt, sagt man dann halt ja(sofern einem selbst das Erlebniss bewusst ist, scheint ja aber hier der Fall zu sein) und gut ist. Kein guter Therapeut wird in der ersten Stunde weiterbohren oder rumwühlen. Der muss doch selbst erstmal das Feld abstecken, was das "Ausmaß" angeht weswegen man bei ihm ist und auch checken, wie weit ist der Patient belastbar.

Ich hab wie gesagt von Anfang an da mit offenen Karten gespielt und wirklich drüber gesprochen in der aktuellen Therapie haben wir vielleicht frühestens nach nem halben Jahr oder so. Und das auch nicht sehr intensiv wie ich finde, und seit einiger Zeit ist es wieder gar kein Thema in der Therapie. Also es wird sich auch nicht pausenlos darum drehen, wenn DU es nicht willst.

Und zu "keine Antwort ist dann eben doch ein Ja", nö. Man sagt das zwar so schön, keine Antwort ist auch eine Antwort, aber das stimmt so nicht. Ich antworte relativ häufig nicht auf Fragen, entweder weils nichts zu sagen gibt dazu oder weil ich unsicher bin, ob es dazupasst, ob es das ist, was gefragt wird. Und wenn man sagt, da möchte man jetzt nicht drüber reden, heißt es lange nicht, dass da was vergraben liegt. Ich hab das in Therapie gelegentlich, wenn meiner Therapeutin ein Thema wichtiger ist als mir, dann sag ich ihr das auch "Mir ist das gerade nicht wichtig und mir scheint, Sie sehen da jetzt wieder einen größeren Nutzen als ich". Und damit ist es dann gut.

Ich denke, wenn man freiwillig in Therapie geht, sollte man mit möglichst offenen Karten spielen um eben die bestmögliche Hilfe zu bekommen, sonst kann mans auch gleich bleiben lassen, wenn man eigentlich wegen traumatischen Erlebnissen geht und sich dann nur über das schwierige Nachbarschaftsverhältnis auslässt. Ich geh doch auch nicht mit Rückenschmerzen zum Arzt und sag "es tut mir überall weh", auch wenn ich genaustens lokalisieren kann wo der Schuh drückt. Das kostet beide Beteiligten doch nur unnötig Zeit und Kraft.

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Montana
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Beitrag Do., 28.02.2019, 08:55

Ich wurde nicht gefragt und ich schleiche immer noch. Nach Jahren. Und ich würde eine direkte Frage immer noch ausweichend beantworten. Es kann mal vorkommen, dass ich wirklich für meine Verhältnisse viel von den Ereignissen erzähle und am Ende der Stunde sowas sage wie: "Jetzt habe ich viel erzählt." Dann sagt er: "Sie haben es aber nicht ausgesprochen. Noch nie. Und auch heute nicht."
Jetzt gerade kommt mir der Gedanke, dass ich darüber sprechen möchte, warum ich das nicht aussprechen kann. Ich werde mir das mal aufschreiben und vielleicht möchte ich ja in der nächsten Stunde immer noch. Ein Problem ist, dass ich an Gewalttätigkeit durch ihn direkt keine Erinnerungen habe. Gar keine. Meine Schwester aber, die hat welche die mich betreffen. Ich habe eigentlich nicht den allergeringsten Grund, ihr nicht zu glauben. Wir waren immer zusammen, wir sind gemeinsam geflohen. Wir müssen gute Gründe dafür gehabt haben. Aber ich habe nur Indizien. Ganz viele. Aber eben nicht mehr. Ich wäre doch eine Lügnerin?

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spirit-cologne
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Beitrag Do., 28.02.2019, 10:35

Montana hat geschrieben: Do., 28.02.2019, 08:55 Ein Problem ist, dass ich an Gewalttätigkeit durch ihn direkt keine Erinnerungen habe. Gar keine. Meine Schwester aber, die hat welche die mich betreffen. Ich habe eigentlich nicht den allergeringsten Grund, ihr nicht zu glauben. Wir waren immer zusammen, wir sind gemeinsam geflohen. Wir müssen gute Gründe dafür gehabt haben. Aber ich habe nur Indizien. Ganz viele. Aber eben nicht mehr. Ich wäre doch eine Lügnerin?
Warum wärst du eine Lügnerin? Du sollst ja nichts erfinden, was du nicht weißt, ich denke dass es vielleicht darum gehen könnte, zu schauen was du selbst weißt und was dir deine Schwester erzählt hat und vor allem, was es mit dir macht, dass da offensichtlich was Schlimmes passiert ist, woran du dich nicht erinnern kannst. Das führt ja sicher bei dir auch zu starker Verunsicherung, dass es da Dinge gibt, von denen du weißt, dass sie passiert sind, die du aber nicht erinnerst und die daher auch für dich gedanklich nicht zugänglich und kontrollierbar sind. Es ist ja nicht so dass der Therapeut sensationslüstern darauf aus ist, möglichst viele Details geschildert zu bekommen, sondern eher darum die fragmentierten Teile der Erinnerung, die Symptome machen, wieder zu einer "normalen" einheitlichen Erinnerung mit Raum-Zeit-Bezug zusammen zu fügen, die dann auch wie eine "normale" Erinnerung im Gedächtnis abgelegt werden kann und nicht mehr unkontrolliert im Unbewussten rumspringt und Symptome macht, d.h. das darüber reden dient ja nicht dazu, dich zu quälen, sondern zu helfen.

Aber das ist natürlich auch immer eine Abwägung. Wenn du glaubst, dass es dir besser geht, wenn du gar nicht drüber sprichst, ist das doch auch in Ordnung und bedeutet auch nicht, dass du oder der Therapeut dann "versagt" haben, jeder Mensch verarbeitet Erlebnisse anders. Versuche den Druck da raus zu nehmen. Du musst dem Therapeuten gar nix erzählen und von einem Erwartungsdruck dahingehend solltest du dich lösen. Es geht doch allein um dich in der Therapie und nicht um die Wünsche oder Erwartungen deines Therapeuten.
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Grünblatt
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Beitrag Do., 28.02.2019, 11:18

Wisst ihr was ich schade finde? Ich stelle eine einfache Frage nach Erfahrungswerten.
Daraufhin gibt es selbst in einem Forum wie diesem Unverständnis, anstatt dass man Ängste anderer akzeptiert und einfach die Frage beantwortet, schließlich beginne ich genau wegen dieser Probleme überhaupt eine Therapie.
Und innerhalb kürzester Zeit geht es dann um die Probleme von jemand anderem.

Uncool.

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Zora_
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Beitrag Do., 28.02.2019, 11:31

Ich kann deine Ängste verstehen! Ich war mir am Anfang der Therapie da auch sehr unsicher. Vor allem weil ich eigentlich wegen einer Angststörung dort hin gegangen bin. Sie hat mich in den ersten Stunden nicht direkt nach Missbrauch gefragt aber als ich dann den Fragebogen zurück gegeben habe (so in der 3. oder 4. Stunde) war es dann doch Thema. Ich hatte auch einige Fragen nicht beantwortet und da hat sie dann schon nochmal genauer nachgefragt und auch etwas gebohrt weil der Verdacht dann wohl nahe lag. In meinem Fall war es gut so weil meine Therapie dadurch in eine ganz andere Richtung ging. Ich denke, in meinem Fall war es (im nachhinein betrachtet) sehr gut, dass es genau so gelaufen ist. Aber das kann bei dir ja auch ganz anders sein. Versuch auf dein Bauchgefühl zu hören, ob es dran ist darüber zu reden oder nicht. Ansonsten seh ichs wie die Anderen, du mußt auf so eine Frage nicht antworten, wenn das für dich momentan nicht geht!!

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Thread-EröffnerIn
Grünblatt
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Beitrag Do., 28.02.2019, 11:38

Danke Zora! Meine Sorge; wenn ich direkt darauf angesprochen werde bevor ich ein Vertrauensverhältnis aufbauen konnte, sitze ich wie das Kaninchen vor der Schlange und kann das dann eben auch nicht einfach überspielen oder mit „ich will da noch nicht drüber reden“ antworten. Die Frage selbst stresst mich noch so sehr dass da nichts mehr geht. Weswegen ich wie gesagt ja auch in Therapie will, aber der Anfang ist in dem Fall halt echt schwer für mich.

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Zora_
Helferlein
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Beitrag Do., 28.02.2019, 11:48

Ja, der Anfang ist sehr schwer! Ich weiß was du meinst aber ich denke auch, ein guter Therapeut wird allein durch deine Reaktion auf die Frage merken, wie schwer es für dich ist und dich zu nichts drängen. Ich konnte auch oft nicht antworten, gerade am Anfang aber ich hatte oft das Gefühl, dass sie trotzdem wusste was Sache ist und wir haben uns dann langsam dem Thema genähert...

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Montana
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Beitrag Do., 28.02.2019, 12:01

Ich fand den Ansatz gar nicht schlecht, dass durch eine direkte Frage am Anfang auch der Druck rausgenommen werden kann. Weil es dann passiert ist und man nicht mehr ängstlich drauf wartet. Aber trotzdem finde ich es erstaunlich, dass du tatsächlich schon so oft danach gefragt wurdest, dass du diese Angst überhaupt haben musst. Ich hätte das nie erwartet, dass solche Fragen kommen.

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