Bearbeitung von Vergewaltigung

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Henryette
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Bearbeitung von Vergewaltigung

Beitrag Di., 12.03.2019, 09:29

Hallo Ihr Lieben,
nach langer Zeit schreibe ich auch mal wieder. Ich habe etwas Hoffnung, dass ich hier Menschen finde, die vielleicht ihren sexuellen Missbrauch oder ihre Vergewaltigung in einer Traumatherapie bearbeitet haben und mit den ganzen Gefühlen die darin auftauchten und den Flashbacks einen „guten Umgang“ gefunden haben.
Bei mir lief der Anfang ja ziemlich holprig, inzwischen konnte ich zu meinem Therapeuten so eine sichere Bindung und Beziehung aufbauen, dass wir jetzt wirklich über alles reden können und eine ganz andere tiefe Ebene erreicht haben auf der wir arbeiten können. Wir haben ein erstes Erlebnis mit EMDR bearbeitet, was schon erfolgreich war, aber nicht nicht so meinem „Bearbeitungsstil“ entsprach. Also haben wir uns gemeinsam für eine andere Methode entschieden. Hier bin ich jetzt in der zweiten Stunde und wühle mit ihm ziemlich tief in meinem Thema rum.
In der ersten Stunde ging das alles ziemlich gut, er hat so eine warme und liebevolle und sichere Atmosphäre hergestellt, dass ich mich problemlos dort rein gleiten lassen konnte. Ich arbeite im Liegen da ich im sitzen nicht so entspannen kann. Vor allem hat diese Atmosphäre der Sicherheit und Geborgenheit schwerer gewogen als negativen Gefühle die in der Bearbeitung aufgekommen sind. Gestern habe ich ihm das gesagt, dass mir das gut getan hat, und wir haben eine weitere Stunde als Vertiefung dazu gemacht. Als ich rausgegangen bin hat es mir den Boden unter den Füßen weg gefetzt seitdem geht’s mir irgendwie total beschissen.
Abends hatte ich dann meine Yogastunde. Wie sollte es anders sein machte sie ausgerechnet Beckenübungen. Irgendwie hab ich mich nicht getraut einfach abzubrechen, aufzustehen, meine Matte zusammen zu rollen und den Raum zu verlassen. Also habe ich immer wieder Pausen gemacht an Stellen wo es mir zu intensiv wurde und bin danach einfach gegangen. Ich hab mich in mein Auto gesetzt und hab so los geheult, dass ich eine viertel Stunde gebraucht habe um mich runter zu regulieren um wieder nach Hause fahren zu können.

Eigentlich habe ich in den letzten anderthalb Jahren gelernt, wie ich mit Gefühlen umgehen kann, dass ich sie annehmen kann, dass sie vor allem auch wieder vorbeigehen. Dass ich nicht ständig versuchen muss in Papas Schoß zu kriechen (der Papa wäre in dem Fall mein Therapeut), sondern dass ich das alleine schaffe. Jetzt tauchen ständig Bilder wieder auf die das Puzzle meiner Vergewaltigung zusammensetzen (mir fehlten einige Sequenzen und die kommen gerade wieder) ich habe ständig das Gefühl akustische Szenen zu hören aus dieser Situation. Ich habe irgendwie ein Taubheitsgefühl in meinem Körper und im nächsten Moment habe ich das Gefühl in meinem Unterleib steckt Dynamit. Ich habe das Bedürfnis zu rennen wie eine bekloppte weil ich so eine Energie in meinen Beinen habe, dass ich durchdrehen könnte, ich bin innerlich richtig aggressiv und geladen. Ich könnte mich permanent gehen lassen und nur noch heulen und schreien.

Das Schlimmste ist, dass dieses Gefühl wieder da ist, permanent an ihm rumzerren zu wollen damit der mir hilft. Schon in der Stunde gestern kam ein Bild dazu was mir fehlte. In der Stunde kam ich damit recht gut klar, er war ja da. Jetzt bin ich total fahrig und unsicher. Ich war so stabile inzwischen und hab unsere Stunden emotional immer super weggesteckt. Jetzt habe ich das Gefühl ich bin zurückversetzt In die Zeit vor einem Jahr. Ich fühle mich einfach nur Hilflos und allein und so unglaublich wütend. Kennt ihr sowas und falls ja, wie seid ihr damit umgegangen? Ich möchte nicht wieder in alte Muster zurückfallen.


Anm.Mod.: Absätze gesetzt. Bitte der Leserlichkeit halber mit Absätzen schreiben. lg, Pauline
Dem Gehenden schiebt sich der Weg unter die Füße.
Martin Johannes Walser

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elfi07
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Beitrag Di., 12.03.2019, 10:20

Ja das kenne ich.
Abnehmen aushalten geduld haben.
Es geht vorbei.
Ablenken, es gibt mehr als dieses eine.
Wenn nötig medikamente nehmen.
Was willst du da sonst machen?
Mir geht's auch so.
Ist halt so Aber es wird vorbei gehen.
Viel erfolg

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Montana
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Beitrag Di., 12.03.2019, 10:40

Wenn das Bedürfnis zu Rennen kommt: rennen. Als Jugendliche hatte ich das oft. Ich bin einfach raus. Egal welches Wetter. Sehr gern im Regen, denn der entsprach meinem Inneren und hielt andere Menschen in ihren Häusern. Als ich älter war konnte ich das auch im Dunkeln tun, nach dem Auszug auch nachts. Wie viele Diskussionen gab es früher mit meinen Eltern über dieses Verhalten! Ich konnte es ja nicht erklären. Was wirklich passiert war, wusste ich nicht. Nur den offensichtlichen Teil. Inzwischen gibt es klare Auslösersituationen, die dazu führen, dass ich erbrechen muss und eine Weile out of order bin. Einen Umgang damit habe ich noch nicht gefunden. Vielleicht hört das ja wieder auf. Vermeiden kann ich das nicht ganz, es ist eine Gratwanderung. Die Kombination aus Zahnbürste im Mund, Kopf gesenkt und Wärme an den Händen (warmes Wasser z.B.) führt in Nullkommanichts zu einem nicht zu stoppenden Würgereiz. Das hört und hört nicht auf, trotz leerem Magen. Also: Kopf hoch, auch wenn ich alles vollspritze. Immer viiiel kaltes Wasser. Zur Not abbrechen. Das fing während eines Klinik-Aufenthalts an, verschwand dann wieder und ist seit einiger Zeit immer da. Ich habe eine Verknüpfung hergestellt zu etwas, da passt jetzt etwas zusammen. Was mir vorher ein Rätsel war. Das Rauslaufen und Rennen ist das, was ich als Kind nicht konnte, obwohl ich zu entkommen versucht habe. Draußen sein, den Regen im Gesicht, außer Sichtweite vom Haus, das erleichtert noch heute.
Das alles habe ich in der Therapie noch nicht angesprochen. Weiß nicht, ob ich mich trau.

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Shukria
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Beitrag Di., 12.03.2019, 14:36

Ja kenn ich auch. Gerade nach solchen Therapiestunden von Aufarbeitung bricht viel auf weil plötzlich neue Verknüpfungen entstehen. Eigentlich ein gutes Zeichen weil es zeigt das eine Verarbeitung stattfindet. Aber Mega anstrengend.
Es wird besser.
Ich nehme mir solche Tage immer frei von Arbeit oder anderweitigen Verpflichtungen, mir selber Zeit geben das was kommt emotional und körperlich zu verdauen. Spätestens nach 2-3 tagen normalisiert es sich wieder. Durchhalten, es lohnt sich

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Pianolullaby
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Beitrag Di., 12.03.2019, 19:43

Tue, was Du für richtig hälst.
Wenn das Rennen ist tue das. vllt kannst Du auch Achtsamkeit einbauen,
so dass Du etwas tust, bei dem du die volle Konzentration im Hier und Jetzt brauchst.
Vllt bringt Dir ein Igelball etwas, es gibt davon auch metallische, welche härter sind.
Vllt bringt Dir ein angenehmer Duft etwas mit dem du dich umgibst.
Schau was Dir gut tut. Vllt auch für die Therapie. Benutze eine Decke welche Du magst,
das hilft mir um mich geschützer zu fühlen.
Träume nicht Dein Leben, lebe Deinen Traum

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blade
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Beitrag Di., 12.03.2019, 20:00

was ich glaube (und ich wurde nicht sexuell vergewaltigt, soweit ich mich erinnere. ich wurde verprügelt. ich wurde mit Verachtung überhäuft und auch...gefoltert):

der einzige Grund, den ich mir vorstellen kann, der eine heilsame Intention enthalten würde, warum solche
Aspekte des Traumas wiederbelebt werden ist:

Ein Trauma zieht eine Spaltung/Trennung durch einen durch (soweit diese Theorie).

Der rationale Verstand bietet die abgelöste , schmerzfreie Perspektive (Rationalisierung)

Das Gefühl bietet nur Schmerz, Ekel und unaushaltbare Zustände.

Darauf hin löst sich der Verstand von dem Rest des Erlebens, dem Rest des Wesens. Und läßt es im Stich.


Im Prozess der Aufarbeitung durchlebt man das Traume dann wieder. Mal von der einen getrennten Perspektive
mal von der "mitten drin steck"-Perspektive des Fühlens-Riechens usw.

Das Ziel dieses Problems ist nicht einen aufzureiben und fertig zu machen
sondern
die getrennten Sichtweisen wieder zu einer zu vereinen.

Eine Theorie. Nicht mehr.

Das was das dann aufstehen würde. Wäre etwas was Täter fürchten. Und alle anderen respektieren.
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Montana
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Beitrag Di., 12.03.2019, 20:20

Dafür würde ich dir gern mehrere "Danke"s geben.

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blade
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Beitrag Di., 12.03.2019, 20:25

das ist nicht nötig. ich will aber nicht einen kaltschneuzigen Eindruck erzeugen mit dieser kurzen Antwort. wenn dieser Beitrag hilfreich ist, dann entspricht das allen meinen Intentionen. Ich danke Dir.

mfg
Zuletzt geändert von blade am Di., 12.03.2019, 20:35, insgesamt 1-mal geändert.
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Henryette
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Beitrag Di., 12.03.2019, 20:32

Hallo,
vielen Dank erst einmal für eure Antworten. Ich habe mich inzwischen bei meinem Therapeuten gemeldet. Er hat recht verständnisvoll reagiert und schaut ob er einen Termin nächste Woche hat für mich. Das ist schon mal bissl beruhigend nicht 2 Wochen allein damit zu sitzen. Er hat mich gestern nach der Stunde noch mal kurz gesehen da ich meine Brille bei ihm vergessen habe und da hat er wahrscheinlich schon gesehen, dass es zu viel war. Er meinte ich soll langsam machen und nicht gleich Auto fahren und wirkte bissl besorgt/nachdenklich. Naja, nun habe ich mich versucht mit Klavierspielen abzulenken, dass hat bissl geholfen. Letztlich verlangt mein Körper grad nur noch nach einem: nach Schlaf. Ich fühle mich als wäre ich einen Marathon gerannt. Hat jemand von euch sich schon mal durch Vorstellungen getröstet? Also sowas wie Imagination? Ich hab das heute mal versucht... ins mit dem Rennen...ich dachte auch schon dran es einfach zu machen. Soweit ich weiß setzt Trauma sich ja auch in den Muskeln fest. Ich konnte damals nicht weglaufen. Vielleicht deshalb dieser Drang...
Dem Gehenden schiebt sich der Weg unter die Füße.
Martin Johannes Walser


hey_jude
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Beitrag Di., 12.03.2019, 22:07

während einer gefährlichen Situation werden dem Körper Energien zugeführt damit er kämpfen oder flüchten kann, wenn das nicht geht gerät der Körper in eine Starre. Die Energie (wie du schon vermutest) bleibt im Körper. Es gibt gute Literatur (soweit wissenschaftlich fundiert)mit Informationen damit man versteht was im Gehirn und im Körper passiert.
Es gibt zudem auch Übungen die man machen kann. Rennen klingt gut, schlafen auch, hilft der Psyche bei der Verarbeitung und Einordnung: so funktioniert EMDR, nutzt einen natürlichen Mechnismus der REM-Phase im Schlaf.

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Montana
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Beitrag Di., 12.03.2019, 22:25

Mir das Rennen vorzustellen hat mir noch nie geholfen. Ich muss es wirklich tun. Aber vor allem muss ich einfach raus. Damals bin ich einmal bis zur Wohnungstür gekommen. Und da Flucht nicht funktioniert hat, habe ich dissoziiert. Wie viel weiß ich erst seit ein paar Jahren. Wenn ich also mit Imaginationen experimentiere, dann bin ich früher oder später wieder an der Stelle, sprich weg. Ich habe regelmäßig Albträume von Situationen, in denen ich deswegen in Kliniken lande. Was auch schon passiert ist. Als Jugendliche bin ich an systematischem Vokabellernen spektakulär gescheitert, weil es im Grunde ein Gedankending ist und ich zuverlässig immer weggetreten bin und erst nach Stunden wieder da war. Erklären konnte ich das niemandem, denn ich habe es selbst nicht verstanden. Zum Glück führten Sechsen in Vokabeltests Zuhause nicht zu Konsequenzen.
Was ich aber guten Gewissens für jedes Problem (außer einem finanziellen ;) ) empfehlen kann, ist eine Katze.

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Henryette
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Beiträge: 166

Beitrag Di., 12.03.2019, 22:50

Liebe Montana,
ich habe einen Hund 🥰 und ja, der hilft schon viel!!! Mit dem imaginieren meinte ich eher so etwas:
Als ich in meiner Therapie mal eine Zeitlang an einem Punkt war an dem es mir auch so dreckig ging, ging es bei mir viel um Bindung und Nähe-Distanz-Regulierung. Wenn mein Schmerz so unerträglich würde hat es mir geholfen, mir vorzustellen, dass ich meinen Kopf auf seinen (Therapeuten) Schoß lege und dieses Bild habe ich einfach stehen lassen. Es kommt mir immer noch bissl irre vor, aber es hat mir in diesen Momenten so geholfen. Heute hatte ich die ganze Zeit ein ähnliches Bild und es hat mich zumindest erst mal soweit runter reguliert, dass ich nicht mehr ständig weinen musste. Allerdings ist es für mich noch nicht die Lösung, da sich um so ruhiger ich werde so eine Taubheut/Starre einstellt. Außerdem komm ich mir völlig bekloppt vor wenn ich solche Sachen phantasiere.

Literatur über Trauma habe ich schon verschlungen wie verrückt. Mein Thera hat mir da auch immer ganz tolle Sachen an die Hand gegeben. 😉
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Martin Johannes Walser

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Shukria
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Beitrag Mi., 13.03.2019, 08:03

Ja wir arbeiten in meiner Traumatherapie viel über imaginären Trost. Durcharbeiten, integrieren, die Trennungen und Blockaden lösen und am Ende achtet /fordert die Therapeutin immer ein das wir noch nach einem Trost suchen. Das kann im hier und jetzt sein, Decke, Freunde, etwas worauf ich mich nachmittags freue, aber meist geht es um Trost im Traumabild. Zu imaginieren, was, wer wie ich getröstet werde. Und das Trostgefühl was dazu im Hier und Jetzt auftaucht mit dem imaginären Trostbild zu verankern. Meist nochmals über EMDR.

Ohne Trostbilder was ja Teil der Auflösung /Integration ist geht das gar nicht. Dann wärs nur ne sinnlose Wiederholung.
Das können aber auch Trostbilder sein mit lieben Menschen oder Tieren zum Kuscheln...

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