Wie lange bleibt die Übertragung bestehen?

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Sonnenblumenkern
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Wie lange bleibt die Übertragung bestehen?

Beitrag Fr., 13.03.2020, 21:03

Hallo Ihr lieben!

Ich weiß es gibt wahrscheinlich Schon sehr sehr viele threads zu dem Thema! Aber wie war das bei eurer Übertragung in der psychoanalytisch orientierten Therapie?
Ich bin 16 Monate dort und seid 4 Monaten geht es ziemlich heftig ab! Damals habe ich ihm von meiner Bulimie erzählt und ich rutschte in eine emotionale Krise und dachte nur mehr er kann mir helfen! Seitdem denke ich nur mehr von Stunde zu Stunde, mal ist es besser mal etwas schlechter! Wielange dauert das? Zwecks Übertragung--ich sehe eher eine väterliche Figur in ihm, träume aber sexuelle Träume von ihm bzw fühle ich mich ja so nicht sexuell zu ihm hingezogen, ich denke da geht es eher mehr um die nähe und Intimität die in den Stunden durch die besprochenen Themen entstanden ist.
Im großen und ganzen fühle ich mich sehr gut, aber es war immer das schlimmste für mich daran zu denken dass man abhängig von der Therapie sein kann! Nun bin ich es geworden und durch Wut und Aggression ihm gegenüber versuche ich mich wieder ein Stück weit zu distanzieren! Aber das funktioniert nur schlecht weil ich die Wut dann mitheimnehme und nur weinen muss, Angst habe gefallen lassen zu werden.
Denkt ihr eine Abhängigkeit kann förderlich sein? Oder ist das eher schlecht? Mein Therapeut hat mit im März eine zusätzliche stunde eingetragen weil er meint dass ich momentan gerne öfter kommen würde.
Wie seht ihr das? PS er ist Analytiker aber wie machen keine Freud Analyse
Danke. :)

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Pianolullaby
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Beitrag Fr., 13.03.2020, 21:16

Was kann denn an einer Abhängigkeit förderlich sein?? Kommt Dir selber dazu irgend etwas in den Sinn? Wohl kaum, deswegen, nein gut ist das sicherlich nicht.
Träume nicht Dein Leben, lebe Deinen Traum

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Sonnenblumenkern
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Beitrag Fr., 13.03.2020, 22:20

Naja ich habe mal gehört bzw hier gelesen dass es ziemlich normal ist oder viele so geht. Bzw frage ich mich dann ob das ein normaler relativ häufiger Prozess ist? Dann müsste ja irgendwas dahinter stecken.


ziegenkind
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Beitrag Fr., 13.03.2020, 22:23

doch, ich denke eine Abhängigkeit kann gut sein. so war es bei mir.

ich war eigentlich immer ein sehr auf autonomie bedachter mensch, immer auf der hut, immer bestrebt stärke zu zeigen, nie jemanden zu brauchen. das leben war sehr anstrengend in und mit dieser haltung. das habe ich bloß nie gemerkt, weil ich es nicht anders kannte.

in der therapie brach das auf: ich wollte gesehen, gehalten, beschützt werden - all das, was ich nie hatte und als wunsch immer unterdrückt hatte, weil ich sch.iss hatte zurückgewiesen zu werden. das war sehr, sehr schwer mit diesen gefühlen klar zu kommen. zudem hatte ich eine riesen angst vor abhängigkeit. aber meine therapeutin ist immer ganz ruhig geblieben. "sie kennen das nicht, eine gute abhängigkeit, in der sie nicht missbraucht werden", hat sie immer gesagt. und das hat mir irgendwie geholfen, dass sie keine panik geschoben hat.

und: es ist in der tat gut ausgegangen. ich habe eine intensive 3, manchmal 4 stündige analyse gemacht, die seit 5 jahren zu ende ist. mir geht es besser als je zuvor im leben.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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Solage
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Beitrag Fr., 13.03.2020, 22:27

Sonnenblumenkern hat geschrieben: Fr., 13.03.2020, 21:03 Hallo Ihr lieben!

Denkt ihr eine Abhängigkeit kann förderlich sein? Oder ist das eher schlecht? Mein Therapeut hat mit im März eine zusätzliche stunde eingetragen weil er meint dass ich momentan gerne öfter kommen würde.
Wie seht ihr das? PS er ist Analytiker aber wie machen keine Freud Analyse
Danke. :)
Wie siehst Du das?
Magst Du öfter kommen, weil Du das magst, oder weil Du glaubst, dass das der Therapeut/Analytiker das glaubt/meint.

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Sonnenblumenkern
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Beitrag Fr., 13.03.2020, 22:37

Danke Ziegenkind, ich gehe 1 mal die Woche zur Zeit bisschen öfter.
Voll schön was du schreibst und auch beruhigend dass es gut ausging!


Ich bin sehr sehr froh dass er mir die Stunden anbietet, ich weine sehr viel weil viel hochkommt und ich brauche ihn da einfach auch!

Ich sehe es also auch so, dass ich die Stunden gerade brauche (habe ja gefragt warum er mir plötzlich mehr gibt) er sieht bzw erkennt einfach alles, das ist voll gut!

Ich habe aber eben auch Angst dass es nicht vergeht und ich in dieser Abhängigkeit bleibe und es sich nicht verändert! Mir war die Therapie nie egal, aber im ersten Jahr dachte ich mir nie, dass es mir so Wichtig wird und ich es einfach so sehr brauche!
Es macht mir ehrlich gesagt große Angst dass ich jemanden brauche! Es kommen dann eben die Ängste hoch verlassen zu werden. Drum versuche ich eben auf Abstand zu gehen und mache gedanklich immer "Schluss"

Sowieso: ich bin permanent seid Wochen in einem inneren Dialog mit ihm. Ich schreibe seitdem sehr sehr viel von Stunde zu Stunde das hilft mir und ich weiß was ich als nächstes bereden mag. Es fühlt sich so an als hätte die Therapie erst richtig begonnen, ich habe mich immer ziemlich zurück gesagt und das freie assoziieren ist mir immer sehr schwer gefallen :/

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amarok
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Beitrag Sa., 14.03.2020, 12:09

Hallo Sonnenblumenkern

meiner Meinung nach ist eine Übertragung sehr gut, denn es heisst, dass die Chemie stimmt und man sich gegenseitig vertraut. Wichtig ist aber auch, dass man diese kindliche Liebe nicht körperlich, sondern nur mündlich auslebt. So kann Dein inneres Kind in der Beziehung zum Therapeuten als "Vaterfigur" heilen. So habe ich es jedenfalls erlebt. Auch ich hatte 1x pro Woche eine Sitzung, hielt er aber nie bis zur nächsten Sitzung aus, ohne dass wir nochmals telefoniert, gemailt oder uns gesehen hatten. Er hat gespürt, dass für mich der Kontakt so wichtig war, weil ich grosse Verlustängste hatte.

Wie lange diese "Liebe" dauert ist wohl sehr individuell und ich hoffe, dass ich Dich jetzt nicht erschrecke, wenn ich Dir sage, dass ich 2 Jahre damit gekämpft hatte. Es war eine anstrengende, aber auch wunderschöne Zeit und ich konnte so meine Kindheit nachholen, resp. habe sehr viel von ihm gelernt. Das erste Mal fühlte ich bei ihm sogenannte Bindungsgefühle, lernte was Übergangsobjekte sind und spühre was Urvertrauen und Souveränität ist und wie ich aus der Opferrolle raus komme. Und ich lernte bei ihm auch, dass ich bei mir bleiben muss und nicht für andere die Verantwortung tragen muss.

Jetzt bin ich 3 1/2 Jahre in Therapie und ich mag ihn immer noch, aber die kindliche Liebe hat sind langsam neutralisiert. Habe auch unheimlich viel über Kinderpsychologie gelesen und verstehe nun mich, Kinder allgemein und auch meine "Sehnsucht" nach ihm viel besser. Gib Dir die Zeit die Du brauchst und es ist so unendlich wichtig, dass Du das immer wieder ansprechen darfst, auch wenn es das x-mal ist. Mein Therapeut hat mir gezeigt, dass er für mich da ist, aber gleichzeitig auch seine Grenzen mitgeteilt, was für mich am Anfang sehr schockierend war. Aber inzwischen weiss ich, dass auch ich meine Grenzen zeigen und egoistischer sein darf. Und ich nehme seinen NEIN's nicht mehr persönlich, sondern akzeptiere sie als seine Entscheidung. Und auch ich darf egoistischer sein, ohne dass er mich ablehnt, das ist ein wunderschönes Gefühl.

Mach weiter so, es ist ein steiniger Weg, aber es lohnt sich, gib nicht auf, denn auch Dein Therapeut gibt Dich nicht auf.

Liebe Grüsse Amarok
:-) bleib bei Dir :cool:

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Scars
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Beitrag Sa., 14.03.2020, 12:24

Sonnenblumenkern hat geschrieben: Fr., 13.03.2020, 22:37 Ich habe aber eben auch Angst dass es nicht vergeht und ich in dieser Abhängigkeit bleibe und es sich nicht verändert! Mir war die Therapie nie egal, aber im ersten Jahr dachte ich mir nie, dass es mir so Wichtig wird und ich es einfach so sehr brauche!
Es macht mir ehrlich gesagt große Angst dass ich jemanden brauche! Es kommen dann eben die Ängste hoch verlassen zu werden. Drum versuche ich eben auf Abstand zu gehen und mache gedanklich immer "Schluss"
Diese Angst ist glaube normal, nicht nur, wenn man schlechte Erfahrungen gemacht hat. Fände alles andere auch ziemlich ungesund, wenn man da so gar kein Problem mit hätte. Hast du deinem Therapeuten schon gesagt, dass du gedanklich immer Schluss machst? Ich habe mehrfach den Fehler gemacht, dass ich an bestimmten Stellen tatsächlich Schluss gemacht habe und durfte das jetzt im Nachhinein erst erkennen; wenn man diese ganzen Gefühle zulässt und in guten Händen ist, ist die Gefahr, dass das ewig dauert und sich nie verändert glaube auch geringer, als wenn man sich fröhlich verstrickt. Ich wette, wenn ich mit der Intensität, mit der ich mich gegen meine Therapie gewehrt habe, dort gearbeitet hätte, wäre ich heute schon fertig. :anonym: Aber dass muss man natürlich auch erstmal erkennen und wenn du das schon tust, wirst du sicherlich auch einen guten Umgang mit diesen Ängsten finden können!
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nulla
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Beitrag So., 15.03.2020, 02:05

Abhängigkeit kann positiv sein, weil man dadurch die Möglichkeit hat zu erfahren, dass jemand für einen da ist, wenn man ihn braucht. Diese Erfahrung kann später in anderen Beziehungen hilfreich sein, weil man gelernt hat, Hilfe anzunehmen bzw. überhaupt den Gedanken zuzulassen, dass man Hilfe benötigt.

Wichtig finde ich aber, dass der PT auf dem Laufenden diesbezüglich ist, weil er dann dabei helfen kann, dass es nicht ausartet und kontraproduktiv wird. Viele PTs spüren das vermutlich auch, ohne dass man es ihnen sagt, aber alles Ausgesprochene macht es einfacher für beide. Das ist zumindest meine Meinung.
Ich bin selbst in so einer Übertragungs- und Abhängigkeitssituation, auch wenn ich momentan das Gefühl habe, dass sich alles ein bisschen relativiert. Aber ich denke auch sehr viel an ihn und mag es nicht, wenn zwischen den Einheiten allzu viel Zeit verstreicht. Aktuell kann ich aber auch an andere Dinge denken, als an Therapie und PT. Wie gesagt, vielleicht flaut es ab, vielleicht ist auch nur eine Zwischenphase. Mal abwarten.

Hast du mit deinem PT schon einmal darüber gesprochen?

LG nulla
"Wege entstehen dadurch, dass man sie geht."
(Kafka)

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Sonnenblumenkern
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Beitrag So., 15.03.2020, 15:37

Viiiiielen lieben Dank für eure tollen Antworten!
Das hat mir voll gut getan was ihr geschrieben habt!
Vor allem, dass abhängigkeit auch ok sein darf!

Wir haben in der letzten stunde zuerst über meine Wut gesprochen, er hat gesagt ich soll und darf ihm mal alles auf den kopf klatschen was ich will! Aber ich habe das eigentliche was mich gestört hat leider nicht geschafft auszusprechen, weil mir einfach oft meine Gefühle sehr unangenehm sind!

Und wir haben eben über meinen Traum gesprochen, indem ich mit meinem Arzt wegen meiner laborwerte sex haben musste, dann sind wir drauf gekommen, dass es sich eigentlich um ihn handelt.

Ich habe ihm im jänner mal eine Mail geschrieben, meine erste und seither keine mehr. Da stand drin, dass ich diese abhängigkeit jetzt spüre und er mir so eine große stütze ist und ich gleichzeitig das Gefühl habe weg zu müssen weil ich so große Angst habe von ihm gefallen lassen zu werden. Vor allem habe ich 100 Stunden bekommen und mehr als die Hälfte ist verbraucht und es geht erst jetzt so richtig ab. Da ich eben auch Bulimie habe und ihm erst jetzt davon erzählt habe, habe ich natürlich Angst dass ich bis zum Schluss immer noch depressiv bin und meine essstörung nicht besser wird.
Er meinte warum ich denke dass ich in ein paar Monaten alleine da stehe, er meinte dann, dass wir uns was überlegen werden wenn es mir dann nicht gut geht.
Die weiteren Male hat er mir einfach zugehört und gedeutet woher das kommen kann. Ich denke auch dass es nicht förderlich wäre wenn er jedesmal sagt dass ich eh bleiben kann. Aber irgendwie würde ich es eben brauchen. Er hat mir schon auch klar gemacht dass die Therapie irgendwann enden wird. Oder dass er mir gerade zb im März 6 Stunden gibt, auf meine Frage warum, meinte er dass er merkt dass ich eben gerne viel öfter kommen möchte.

Aber jetzt durch die coronakrise: ich hatte keine letzte Sitzung am Mittwoch und die nächste ist diesmal erst 1,5 Wochen später. Aber ganz ehrlich? Ich denke nicht das die stattfinden wird.
Wie ist das bei euch?
Geht ihr weiterhin zur Therapie?

Glg


ziegenkind
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Beitrag Di., 17.03.2020, 11:35

ich würde gerne auf eines noch hinweisen: wenn man in einer Therapie lernt, die eigene Bedürftigkeit zuzulassen, dann heißt fas nicht, dass alles Bedürfnisse nach Nähe, Gesehen und Umsorgt werden erfüllt werden (können). Für mich das allerwichtigste war, diese Bedürfnisse zu haben, sie auszusprechen und lernen auszuhalten, dass sie zwar sein dürfen aber nicht notwendig befriedigt werden. Ich hatte nämlich lange die Vorstellung im Kopf, ich darf nur solche Bedürfnisse haben, die der/die andere mir gerne erfüllt. daraus folgt im Umkehrschluss die ebenso irrige Annahme, wenn ich es schaffe, ein Bedürfnis zu artikulieren, dann musst du es mir erfüllen, sonst sterbe ich vor Scham. es war ungeheuer anstrengend diese bekloppten Gleichungen in meinem kopf erst auszusprechen und dann aufzulösen. ich kann mich noch genau an die situation erinnern, in der meine Therapeutin nach langem nachdenken meinen Wunsch nach einer extra-stunde abgewiesen hatte. 5 Sekunden dachte ich, die welt geht unter und dann war da auf einmal ganz viel Leichtigkeit.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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