Ich denke nur noch an meine Therapeutin, soll ich das ansprechen?

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JonathanSchling
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Ich denke nur noch an meine Therapeutin, soll ich das ansprechen?

Beitrag Sa., 20.06.2020, 09:13

Hallo liebes Forum,

ich habe ein kleines „Problem“ bzw. eine Sache, die ich nicht so ganz einschätzen kann. Und zwar ist es so, dass ich den ganzen Tag nur an meine Therapeutin denke. Das mag sich vielleicht im ersten Moment nicht schlimm anhören, jedoch belastet mich das schon irgendwie.

Wenn ich zum Beispiel an mein bevorstehendes Abitur denke, denke ich nicht nur nach wie das für mich wird mit dem Prüfungsstress oder dem Abiball( bin sehr einsam und sozialphobisch, deswegen male ich mir im Hinblick auf den Abiball nur schlechte Gedanken aus) sondern auch, wie sich meine Therapeutin wohl zu ihrer Zeit auf dem Abiball amüsiert hat und wie viel Spaß sie allgemein in ihrem Leben hat/ hatte( was ich leider nicht über mich behaupten kann).

Diese Gegenüberstellung mache ich halt in fast jeder Situation, also dass ich meine Therapeutin als sehr überlegen darstelle und mich als das einsame bzw. nicht so überlegene Opfer. Und das macht mich dann noch trauriger und einsamer als ich ohnehin schon bin.

Ich möchte das schon längere Zeit bei ihr ansprechen, nur habe ich schlichtweg Angst, dass ich damit irgendwie diese therapeutische Beziehung kaputt mache. Ich weiß halt nicht, wie sie damit umgehen wird, wenn ich sie quasi als perfekten und unfassbaren Menschen bezeichne( ich weiß sie hat auch ihre Macken, nur die sehe ich halt nicht in der Therapie, dort wirkt sie halt „leider“ wie ein perfekter Mensch). Ich habe einfach unfassbare Angst, dass sie die Therapie beendet bzw. das Verhältnis zwischen uns kaputt geht, da ich wirklich gerne zu ihr gehe und sie mir auch wirklich hilft. Außerdem finde ich den Gedanken, ihr genau das hier zu sagen, irgendwie total unangenehm.

Vielleicht kann mir einer ja helfen, das wäre auf jeden Fall sehr nett :)
Mfg Jonathan

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Joa
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Beitrag Sa., 20.06.2020, 18:59

Hi Jonathan,

ich rate dir dringend dazu, die Karten auf den Tisch zu legen. Darum geht es ja bei Therapie, auch genau solche Dinge zu besprechen.

LG

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JonathanSchling
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Beitrag Sa., 20.06.2020, 19:21

Joa hat geschrieben: Sa., 20.06.2020, 18:59 Hi Jonathan,

ich rate dir dringend dazu, die Karten auf den Tisch zu legen. Darum geht es ja bei Therapie, auch genau solche Dinge zu besprechen.

LG
Danke für die Antwort!
Ist es denn möglich bzw. kann es passieren, dass meine Therapeutin deswegen die Therapie beenden kann. Ich meine, es sind ja schon starke Übertragungsgefühle, wenn man seine Therapeutin bei jeder Situation vor dem geistigen Auge hat. Falls das von der Therapieform abhängig ist, ich bin in Verhaltenstherapie

Gruß Jonathan

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Candykills
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Beitrag Sa., 20.06.2020, 19:38

Nein, sie wird ganz sicher deswegen nicht die Therapie beenden, mach dir keine Sorgen. Das gehört zur therapeutischen Arbeit dazu, dass es zu solchen Übertragungen kommen kann. In manchen Verfahren ist das sogar ausdrücklich erwünscht. Deine Therapeutin wird das nicht das erste Mal erleben und wird damit umgehen können. Nur Mut!
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)

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JonathanSchling
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Beitrag Sa., 20.06.2020, 19:43

Candykills hat geschrieben: Sa., 20.06.2020, 19:38 Nein, sie wird ganz sicher deswegen nicht die Therapie beenden, mach dir keine Sorgen. Das gehört zur therapeutischen Arbeit dazu, dass es zu solchen Übertragungen kommen kann. In manchen Verfahren ist das sogar ausdrücklich erwünscht. Deine Therapeutin wird das nicht das erste Mal erleben und wird damit umgehen können. Nur Mut!
Das ist schön zu hören!
Sie ist die einzige, der ich aktuell wirklich alles anvertraue und deswegen fühle ich mich auch so schlecht, dass ich es ihr noch nicht gesagt habe. Nur habe ich halt einfach diese Angst, sie auch noch zu verlieren, weil ich vielleicht eine „Grenze“ oder so überschreite.
Dann werde ich mich hoffentlich in den nächsten Stunden überwinden und das ansprechen!

Danke für die Hilfe

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JonathanSchling
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Beitrag Sa., 20.06.2020, 19:52

Candykills hat geschrieben: Sa., 20.06.2020, 19:38 Nein, sie wird ganz sicher deswegen nicht die Therapie beenden, mach dir keine Sorgen. Das gehört zur therapeutischen Arbeit dazu, dass es zu solchen Übertragungen kommen kann. In manchen Verfahren ist das sogar ausdrücklich erwünscht. Deine Therapeutin wird das nicht das erste Mal erleben und wird damit umgehen können. Nur Mut!
Aber eins frage ich mich dennoch. Kann das die Beziehung zwischen meiner Kinder- und Jugendpsychotherapeutin und mir negativ beeinflussen? Ich meine, ich möchte nun auch nicht, dass sie sich gegenüber mir anders bzw. kälter verhält.

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Candykills
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Beitrag Sa., 20.06.2020, 19:57

Ich denke sie wird halt versuchen mit dir herauszufinden welche Bedürfnisse hinter der Übertragung stecken. Und ich bin auch der Meinung, dass du diese Angst, dass sie jetzt "kälter oder abweisender" werden könnte, auch ansprechen solltest.
Eigentlich denke ich nicht, dass sie das tut, weil die Therapie scheint ja professionell zu laufen nach dem wenigen, was du davon berichtet hast zu urteilen.
Ich kann mir schon vorstellen, dass das schwierig ist das alles anzusprechen, aber nur dann kann halt damit gearbeitet werden. Es muss dir wirklich nicht unangenehm sein.

Ich kann natürlich nicht in deine Therapeutin hineingucken, deswegen die Empfehlung diese Ängste auch anzusprechen. Ich tippe aber darauf, dass sie Profi genug ist und dich jetzt nicht einfach zurückweist, sondern sich freuen wird, wenn du das so offen ansprechen kannst.
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)

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JonathanSchling
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Beitrag Sa., 20.06.2020, 20:09

Candykills hat geschrieben: Sa., 20.06.2020, 19:57 Ich denke sie wird halt versuchen mit dir herauszufinden welche Bedürfnisse hinter der Übertragung stecken. Und ich bin auch der Meinung, dass du diese Angst, dass sie jetzt "kälter oder abweisender" werden könnte, auch ansprechen solltest.
Eigentlich denke ich nicht, dass sie das tut, weil die Therapie scheint ja professionell zu laufen nach dem wenigen, was du davon berichtet hast zu urteilen.
Ich kann mir schon vorstellen, dass das schwierig ist das alles anzusprechen, aber nur dann kann halt damit gearbeitet werden. Es muss dir wirklich nicht unangenehm sein.

Ich kann natürlich nicht in deine Therapeutin hineingucken, deswegen die Empfehlung diese Ängste auch anzusprechen. Ich tippe aber darauf, dass sie Profi genug ist und dich jetzt nicht einfach zurückweist, sondern sich freuen wird, wenn du das so offen ansprechen kannst.
Danke für das Mut machen :)
Ich werde es auf jeden Fall in den nächsten Stunden irgendwie ansprechen. Das sie damit professionell umgehen wird, glaube ich auch, vor allem da sie ein guten Draht zu mir hat. Das sie damit schon Erfahrung gemacht hat, kann gut sein, obwohl sie noch sehr sehr jung ist, und wenn nicht, bin ich halt der erste der damit bei ihr ankommt ;)


Fighter1993
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Beitrag Sa., 20.06.2020, 20:22

speziell mit Kinder und Jugendtherapeuten hab ich keine Erfahrung, aber ich vermute mal, dass gerade die mehr als genug Erfahrung mit solchen Übertragungen haben. Also auch von mir nur ein "Nur Mut", kaputt gehen dürfte da nix, aber es kann was neues draus entstehen, etwas womit ihr arbeiten könnt.
Meine Therapeutin (Analytikerin) ist bei solchen Offenbarungen meinerseits mega entspannt, gefasst, sachlich und neutral. Und solche Offenbarungen gab es schon einige. Ich kenne ihre Reaktion und dennoch ist es jedesmal wieder eine riesen Überwindung für mich, solche Dinge auszusprechen. Oft schreib ich es dann auf und sie liest es. Bisher ist in unserer Beziehung da noch nichts kaputt gegangen, es ging immer einen Schritt weiter auf meinem therapeutischen Weg, die Sicherheit wächst, dass ich alles ansprechen kann und auch trotz meiner Sorge, ich könnte ihr nie wieder begegnen, tauche ich immer wieder bei ihr auf :)
Also, trau dich!

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JonathanSchling
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Beitrag Sa., 20.06.2020, 20:28

Fighter1993 hat geschrieben: Sa., 20.06.2020, 20:22 speziell mit Kinder und Jugendtherapeuten hab ich keine Erfahrung, aber ich vermute mal, dass gerade die mehr als genug Erfahrung mit solchen Übertragungen haben. Also auch von mir nur ein "Nur Mut", kaputt gehen dürfte da nix, aber es kann was neues draus entstehen, etwas womit ihr arbeiten könnt.
Meine Therapeutin (Analytikerin) ist bei solchen Offenbarungen meinerseits mega entspannt, gefasst, sachlich und neutral. Und solche Offenbarungen gab es schon einige. Ich kenne ihre Reaktion und dennoch ist es jedesmal wieder eine riesen Überwindung für mich, solche Dinge auszusprechen. Oft schreib ich es dann auf und sie liest es. Bisher ist in unserer Beziehung da noch nichts kaputt gegangen, es ging immer einen Schritt weiter auf meinem therapeutischen Weg, die Sicherheit wächst, dass ich alles ansprechen kann und auch trotz meiner Sorge, ich könnte ihr nie wieder begegnen, tauche ich immer wieder bei ihr auf :)
Also, trau dich!
Danke für die Antwort!
Was mich halt ein bisschen davon abhält, dass ich wirklich fast immer an sie denke bzw. sie in meine geistige Situation stecke. Also nicht nur hin und wieder sondern gefühlt bei allen Situationen. Aber ich werde es trotzdem ansprechen, danke :)


Fighter1993
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Beitrag Sa., 20.06.2020, 20:39

Ist bei mir momentan ähnlich. Also, sie nimmt auch sehr viel Platz in meinen Gedanken ein und zu meinem Leidwesen nicht nur bei den alltäglichen und normalen Vergleichen wie dem Leben, wo sie Urlaub macht oder wie sie sich wohl entscheiden würde.
Zu gewissen Dingen, kenne ich mittlerweile ja ihre Einstellung und wenn ich dann eine Entscheidung treffe, die sie nicht gutheißen würde, dann hab ich sie da durchaus auch im Kopf und höre sie innerlich - das allerdings kann ich mittlerweile mit einem Schmunzeln wegstecken. Weil ich da eben auch einfach die Sicherheit habe, es ist ihr Empfinden und ich darf dennoch anders denken und handeln.

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Hasenmaus123
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Beitrag Sa., 20.06.2020, 20:41

Nur Mut!
Wenn du es ihr nicht sagst, ist die Therapie für die Katz,
wenn du es sagst und sie blöd reagiert, ist die Therapeutin die falsche.

Ich habe auch schon Geständnisse abgelegt und ihr gesagt, dass ich dauernd an sie denken muss. Sie hat ganz normal reagiert. Ich habe natürlich gestottert beim Erzählen und irgendwann hat sie es verstanden gehabt und mir die letzten Worte abgenommen. Und ja, es war wirklich peinlich und ich habe Wochen gebraucht um es zu kapieren und Wochen gebraucht um ihr das zu sagen. Aber es war richtig.

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JonathanSchling
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Beitrag Sa., 20.06.2020, 20:51

Fighter1993 hat geschrieben: Sa., 20.06.2020, 20:39 Ist bei mir momentan ähnlich. Also, sie nimmt auch sehr viel Platz in meinen Gedanken ein und zu meinem Leidwesen nicht nur bei den alltäglichen und normalen Vergleichen wie dem Leben, wo sie Urlaub macht oder wie sie sich wohl entscheiden würde.
Zu gewissen Dingen, kenne ich mittlerweile ja ihre Einstellung und wenn ich dann eine Entscheidung treffe, die sie nicht gutheißen würde, dann hab ich sie da durchaus auch im Kopf und höre sie innerlich - das allerdings kann ich mittlerweile mit einem Schmunzeln wegstecken. Weil ich da eben auch einfach die Sicherheit habe, es ist ihr Empfinden und ich darf dennoch anders denken und handeln.
Das mit den „wie sie sich wohl entscheiden würde“ kommt mir bekannt vor.
Manchmal frage ich mich auch, wenn sie Sachen sagt wie „ich mache mir wirklich Sorgen um dich“ oder „Mir ist es wirklich wichtig wie es dir geht“ ob sie das nur aus Nettigkeit sagt, oder ob sie das wirklich so meint. Ich vertraue ihr wohl, dass sie es so meint, nur macht sie halt in dem Sinne ja auch nur ihren Job und da kann sie ja nicht sagen „ne ich mag dich nicht“ oder so ;)
Ich bin das einfach nicht gewohnt, dass man mir sowas sagt, vielleicht hinterfrage ich das ja auch nur deshalb..
Vielleicht sollte ich das auch mal ansprechen.

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münchnerkindl
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Beitrag So., 21.06.2020, 20:42

JonathanSchling hat geschrieben: Sa., 20.06.2020, 20:51
Manchmal frage ich mich auch, wenn sie Sachen sagt wie „ich mache mir wirklich Sorgen um dich“ oder „Mir ist es wirklich wichtig wie es dir geht“ ob sie das nur aus Nettigkeit sagt, oder ob sie das wirklich so meint. Ich vertraue ihr wohl, dass sie es so meint, nur macht sie halt in dem Sinne ja auch nur ihren Job und da kann sie ja nicht sagen „ne ich mag dich nicht“ oder so ;)


Ich denke ein kompetenter Therapeut würde einen Klienten der ihm/ihr bei den probatorischen Sitzungen ernsthaft unsympathisch ist nicht nehmen. Auf der Basis könnte man nicht arbeiten, genau wie wenn du den Therapeuten unsympathisch findest.

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Milan
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Beitrag Di., 23.06.2020, 18:36

Lieber Jonathan.
Wenn Du nicht den Mut hast, darüber zu reden, dann schreibe Deine Gedanken auf und schicke es ihr. Ich denke, dass viele Therapeuten diesen Weg als Einstieg in ein verzwicktes Thema durchaus als sinnvoll erachten.

VG Milan

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