Was bewirkt 1x die Woche 'eine Stunde' bzw. 45 Minuten?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Bouress1989
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Was bewirkt 1x die Woche "eine Stunde" bzw. 45 Minuten?

Beitrag Sa., 18.07.2020, 09:39

Scheinbar sind einige Therapiemodi, wie Kurzzeittherapie oder Verhaltentherapie auf 1 Wochenstunde angelegt.

Wieso entscheidet man sich dafür das 1x die Woche 45 Minuten?

Hat das auch behandlerische Gründe oder eher nur wirtschaftliche Gründe?

Ich habe nicht den Eindruck so optimal betreut werden zu können.

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ENA
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Beitrag Sa., 18.07.2020, 09:45

Es geht um die Kosten und darum, dass man im Alltag durchaus auch Zeit braucht, um Dinge aus den Sitzungen nachwirken lassen und integrieren zu können. Wer mehr braucht, ist wohl besser in einer Analyse mit mehreren Wochenstunden, einer Tagesklinik oder vollstationär, wie Reha. aufgehoben. Es ist auch die Frage, wobei man Hilfe benötigt, welche Themen, welche Dringlichkeit es hat. Es gibt ja auch noch die Möglichkeit, sich an eine Beratungsstelle oder Selbsthilfegruppen zu wenden. Da kann man dann auch mehrere Termine in der Woche haben, wenn man z.B. pro Woche einen Termin beim Therapeuten, in der Beratungsstelle und der Selbsthilfegruppe hat. Je nachdem, worum es geht. Wenn das dazu führt, dass man gegenteilige Meinungen von den verschiedenen Stellen hört und man sich dann zerrissen fühlt, ist es auch nicht gut.

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Mondmann
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Beitrag Sa., 18.07.2020, 10:05

Bouress1989 hat geschrieben: Sa., 18.07.2020, 09:39 Wieso entscheidet man sich dafür das 1x die Woche 45 Minuten?
Wieso nicht? Irgendeine Festlegung muss es geben; ansonsten wäre jeder Therapeut und jeder Patient damit überfordert, für jeden Einzelfall und womöglich jede Woche neu zu diskutieren, wer wie oft und wie lange kommen soll / darf.
Hat das auch behandlerische Gründe oder eher nur wirtschaftliche Gründe?
Beides. Wirtschaftliche Gründe durchaus, denn du könntest dir vielleicht keine vierstündige Therapie leisten - die Krankenkassen sehen das ähnlich ;)

Daneben ist es wichtig, wie ENA sagt, das Besprochene wirken zu lassen und darüber nachzudenken und zu spüren und über die Woche (bzw. bis zur nächsten Stunde) weitere Phantasien und Erinnerungen aufsteigen zu lassen.

Im Extremfall wäre der Patient - nur mal so als Phantasie - 24/7 beim Therapeuten: Dann wäre das Ganze (wenn du die Schlafzeiten abziehst) nach spätestens drei Wochen vorbei... Bei diesem Gedankenexperiment wird sicher klar, wieso therapiefreie Zeiten nötig sind.

Schließlich benötigt eine Therapie einen festen Rahmen, der wiederum seinerseits in einem gewissen "Rahmen" frei verhandelt wird, der dann aber stabil sein muss. Der Witz an diesem Rahmen ist, dass sich schon allein durch seine Existenz (egal, wie der aussieht) Gefühle einstellen, die bearbeitet gehören.
Ich habe nicht den Eindruck so optimal betreut werden zu können.
Normalerweise würde ich dich fragen, was du meinst zu brauchen (nicht alle brauchen in der Tat dasselbe); aber das Wort "Betreutwerden" macht mich stutzig; eine Therapie würde ich mir nicht als Betreuung vorstellen, sondern als Begleitung und / oder Begegnung. Betreuen tut man passive Menschen, die sich nicht selbst helfen können im Leben; in der Tat wäre da eine Wochenstunde zu wenig.

Der Aspekt des Begleitens hingegen sieht vor, dass der Patient selbst derjenige ist, der sein Leben führt; beim Konzept der Begegnung stehen eher psychodynamische Faktoren (Übertragungen) im Vordergrund.

Das Ganze ist nur auf dem Papier eine Frage der Quantität - ansonsten könnte man dir zu einer Analyse raten (je nach Indikation), aber da geht es nicht um eine möglichst umfassende Betreuung, sondern um die Möglichkeit, durch die Dichte der Begegnungen Raum für Phantasien und Übertragungen zu schaffen, ohne die eine Analyse nicht funktioniert. Also, nur "Analyse", um das Gefühl zu haben, besser betreut zu werden, ist nicht ratsam (davon abgesehen, gibt es auch einstündige Analysen...).

Du solltest also mit deinem Therapeuten besprechen, was du möchtest; vermutlich steht der Aspekt der wöchentlichen Minuten gar nicht im Vordergrund.

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chrysokoll
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Beitrag Sa., 18.07.2020, 10:13

Ich sehe das wie meine Vorschreiber, es ist gut und nachvollziehbar dass es einen Rahmen gibt.

Ich bin in einer Verhaltenstherapie, einmal pro Woche 50 Minuten, auch mal wegen Urlaub etc. weniger und ich fühle mich da nicht nur sehr gut betreut, sondern das ist auch so intensiv, dass ich mehr weder wollen noch schaffen würde.

Klar, auch weil ich einen Alltag mit Beruf und Kind habe, aber auch weil da so viel passiert in den Stunden, das muss ich verarbeiten, überdenken, üben. Denn zumindest bei mir gibt es ja auch Übungen, Hausaufgaben.

Also wenn du dich nicht gut betreut fühlst wäre das ein wichtiges Thema in der Therapie.
Das lässt sich nicht nur mit mehr Stunden lösen.

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saffiatou
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Beitrag Sa., 18.07.2020, 10:24

Genau, Chrysokoll, es sind immer 50 min Therapie und nicht 45 min.

Es kommt doch darauf an, was man selbst aus den 50 min macht. Es liegt in deiner Hand sie gut zu nutzen. Manchmal sind 50 min ganz schön lang.
never know better than the natives. Kofi Annan

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chrysokoll
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Beitrag Sa., 18.07.2020, 10:26

ja klar, es kommt drauf an was man selbst draus macht und was der Therapeut draus macht.
Das muss passen, auch vom Tempo her. Nicht immer ist hohes Tempo auch sinnvoll.

Aber wenn man sich nicht gut genug betreut fühlt, dann ist das ein Thema für die Therapie
Das lässt eher nicht mit mehr Stunden lösen

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Bouress1989
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Beitrag Sa., 18.07.2020, 10:38

Dann passt ja alles. Ich sehe wie auch sonst so oft im Leben liegt es an mir und meinen falschen Erwartungen.
Deswegen und wegen meiner anderen vielen Fehler will ich mich ja dieser Therapie unterziehen.

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chrysokoll
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Beitrag Sa., 18.07.2020, 10:45

also wenn du noch keine Therapie gemacht hast dann kannst du das ja auch nicht wissen
Das sind dann ja nicht unbedingt falsche Erwartungen, sondern nur eine bislang nicht gemachte Erfahrung

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Anna-Luisa
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Beitrag Sa., 18.07.2020, 11:14

Bouress1989 hat geschrieben: Sa., 18.07.2020, 09:39 Hat das auch behandlerische Gründe oder eher nur wirtschaftliche Gründe?
In erster Linie behandlerische würde ich sagen. Es ist nicht verboten, mehrere Stunden pro Woche zu nehmen (so weit Kapazitäten vorhanden sind). Aber viele kämen wohl nicht damit klar, dass das Gesamtstundenbudget entsprechend schneller verbraucht wäre.

Zudem ist, auch hier im Forum, häufig zu lesen, wie abhängig sich manche Menschen vom Therapeuten machen - diesen verklären und als guten Freund betrachten (der die Not erkennt und die nötige Nähe gibt) - um dann zu verzweifeln, wenn der "menschliche Therapeut" keinen Folgeantrag mehr durchdrücken kann.....
Fordere viel von dir selbst und erwarte wenig von den anderen. So wird dir Ärger erspart bleiben.
(Konfuzius)


Waldschratin
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Beitrag Sa., 18.07.2020, 11:25

Hallo Bouress,
hast du dich denn schon mal ein bissl belesen über Psychotherapie, im Internet z.B.?

Wenn nicht, hier findest du Basisinfos, mit denen du vielleicht ein bissl was anfangen kannst:

https://www.therapie.de/psyche/info/fra ... gespraech/

https://www.therapie.de/psyche/info/ind ... stherapie/

https://opk-info.de/patienten/kassenaer ... inigungen/

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Sadako
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Beitrag So., 19.07.2020, 09:37

Woran machst du es denn fest, nicht gut betreut zu werden, Bouress?
Oder anders gefragt, was brauchst du deinem Eindruck nach mehr oder öfter?

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~~~
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Beitrag So., 19.07.2020, 09:53

Bouress1989 hat geschrieben: Sa., 18.07.2020, 09:39 Wieso entscheidet man sich dafür das 1x die Woche 45 Minuten?

Hat das auch behandlerische Gründe oder eher nur wirtschaftliche Gründe?
Meine Meinung: die eigentliche Therapie läuft ja zwischen den Stunden wenn man keine Therapie hat.
Also man muss ja selbst sehen, wie man klar kommt, reflektieren, umsetzen, was man in der Therapie für sich mitgenommen hat. etc.

Mehrnals in der Woche Therapie hatte ich nur in Krisensituationen, wo man sowieso nicht reflektieren und umsetzen kann und es "nur" ums Stabilisieren geht :anonym:

Da ich auch noch 40 Stunden arbeiten, wäre es für mich anders auch zu stressig gerade.
"You cannot find peace by avoiding life."
Virginia Woolf

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Bouress1989
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Beitrag So., 19.07.2020, 10:24

Sadako hat geschrieben: So., 19.07.2020, 09:37 Woran machst du es denn fest, nicht gut betreut zu werden, Bouress?
Oder anders gefragt, was brauchst du deinem Eindruck nach mehr oder öfter?
Dass es kein Ergebnis gibt. Die Zeit läuft ab und dann war es das. Therapiestunde erfolgreich.
Ich stehe ja erst am Anfang. Mal sehen wie das alles wird. Angeblich hat das Vorgehen ja öfter Erfolg.

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chrysokoll
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Beitrag So., 19.07.2020, 10:31

was genau meinst du denn mit "es gibt kein Ergebnis" ?
Oder anders und konkreter gefragt: Welche Ergebnis erwartest du, wünschst du dir?

Wie viele Stunden hast du denn schon gemacht und welche Therapieform?

Mit so einer passiven, eher abwartenden Haltung ist das aber eher schwierig, deine aktive Mitarbeit ist in einer Therapie das entscheidende. Du musst da was tun, du musst das wollen und ja, du musst da auch dran glauben.
Mit "mal sehen" und "angeblich..." distanzierst du dich und gibst dem eher keine Chance

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Sadako
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Beitrag So., 19.07.2020, 10:59

Bouress1989 hat geschrieben: So., 19.07.2020, 10:24
Dass es kein Ergebnis gibt. Die Zeit läuft ab und dann war es das. Therapiestunde erfolgreich.
Das klingt widersprüchlich für mich. Es gibt kein Ergebnis aber die Therapiestunde war erfolgreich?
Wie lange bist du denn schon dabei?
Es ist durchaus ok, kritisch zu hinterfragen, ob dir die Therapie hilft. Nicht jede Methode ist für jeden gut und auch die menschliche Ebene zwischen Patient und Therapeut muss passen.
Habt ihr Therapieziele ausgemacht?
Es ist eine gute Idee, das als Thema In die Therapie zu bringen, wenn man das Gefühl hat nicht voran zu kommen.
Es ist eine große Chance und kostet nebenbei eine Stange Geld, wenn jemand eine Therapie macht und beide Beteiligten, Patient und Therapeut, haben die Verantwortung dies auch sinnvoll zu nutzen bzw. zu hinterfragen, wenn es keine Wirkung hat.

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