Enttäuscht von mir in Therapie

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Hikhikhik
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Enttäuscht von mir in Therapie

Beitrag Mi., 05.08.2020, 22:50

Guten Abend,

zu so später Stunde plagt mich immer noch mein schlechtes Gewissen und die eigene Enttäuschung.
Gestern hatte ich Sitzung. Es war angenehm und eher an der Oberfläche. Und so geht es schon eine Weile. Gestern war ich nach dem Gespräch dann so enttäuscht von mir selbst und werde dieses Gefühl nicht los.
Selbst nach 2 Jahren schaffe ich es nicht richtig, in meiner eigenen Therapie Raum einzunehmen. Es brennen mir so viele Sachen auf den Lippen, aber sie kommen nicht raus. Die Therapeutin versucht es, bietet mir Themen an, auch wenns nicht die Richtigen sind, sie kann ja nicht hellsehen, trotzdem gelingt es mir nicht richtig. Irgendwie winde ich mich immer wieder raus. Ich habe Angst, dass sie bald die Lust verliert.
Nach der Sitzung stehe ich dann da, mit immer noch den Dingen, über die ich eigentlich gerne gesprochen hätte, die aber nicht raus kommen. Wieder alleine, mit mir, in meinem Kopf. Ich könnt heulen.
Zu Anfang konnte ich es noch verstehen, wegen Vertrauen und so, aber nach gut 2 Jahren? Vor allem habe ich das Gefühl mich immer mehr zurück zu ziehen. Sie kann gar nicht mehr wissen, wie es mir geht.
Ich vertraue ihr eigentlich. Ich weiß nicht woran das liegt, denn sie ist sehr on, wachsam und gibt mir viel. Trotzdem habe ich das Gefühl das meine "Maulsperre" immer schlimmer, als besser wird.
Wenn ich versuche mit ihr darüber zu reden, verschwinde ich, gähnende Leere im Kopf.
Ich handle Anders, als ich will und fühle.
Ich gehe schon Tage vor den Sitzungen durch, was ich eigentlich loswerden will, aber wenns drauf ankommt, bin ich mir selbst eine große Enttäuschung....

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Philosophia
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Beitrag Do., 06.08.2020, 03:31

Also, das, was du da hier geschrieben hast, ist ganz wichtig und du solltest ihr genau das, wie es dir mit ihr in der Stunde geht mitteilen.
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer

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Lilien
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Beitrag Do., 06.08.2020, 04:59

Hallo Hikhikhik ,

ich für meinen Teil kann das gut nachvollziehen, denn man geht ja mit einer gewissen Erwartungshaltung in eine solche Therapie und möchte letztendlich auch etwas erreichen und wenn es nur kleine Fortschritte sind, die man vielleicht erst im Nachgang erkennt, wenn man etwas genauer hinsieht.

Zudem entsteht während der Therapie, gerade, wenn man sein Innerstes einem anderen Menschen so offenbaren "muss" oder möchte, doch eine gewisse Verletzbarkeit, eine Art Gefälle zwischen zwei sich erst einmal recht fremden Menschen und das kann schon Hemmungen und Ängste auslösen. So empfinde ich das in meiner eigenen Therapie zumindest häufig. Ich fühle mich verletzlich und weiß aus früheren Erfahrungen, dass das von anderen Menschen auch für mich auf eine schmerzliche Art und Weise "ausgenutzt" werden kann. Vielleicht möchtest auch Du Dich so ein wenig davor schützen?

Ich würde mich Philosophia anschließen: sprich mit Deiner Therapeutin. Das könnte ein erster Schritt für Dich in die gewünschte Richtung sein. Auch über Deine Ängste, sie könne bald keine Lust mehr haben, mit Dir zu arbeiten. Vielleicht kann sie dahingehend schon ein wenig Last von Deinen Schultern nehmen. Es wirkt auf mich so, als würdest Du Dich auch selbst mittlerweile sehr unter Druck setzen, kann das sein? So dass Du dann direkt in der Stunde eine Art "Blackout" erlebst? Weil Du von "gähnender Leere im Kopf" schreibst. Deine Beschreibung erinnerte mich jetzt spontan an einen Schüler, der ein wichtiges Referat der gesamten Klasse vortragen muss und sich erst einmal tagelang darauf vorbereitet, um im entscheidenden Moment kein Wort mehr über die Lippen bringen zu können.

Was ggf. auch helfen könnte, wären kleine Notizen, die Du einfach mit in die Sitzung nimmst und die Du dann erst einmal stichpunktartig ansprichst. Ähnlich könntest Du Deine Ziele erst einmal für Dich schriftlich festhalten, so dass Du die Themen nicht einfach nur gedanklich durchgehst, sondern Dir immer wieder buchstäblich vor Augen führst.

Das wären so meine Überlegungen dazu!

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Hikhikhik
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Beiträge: 18

Beitrag Fr., 07.08.2020, 08:24

Danke!

Ja, das mit dem Blackout passt gut. Und ja, ich spüre da einen starken "Eigendruck". Ich mache mir viele Gedanken, worüber ich reden möchte, doch wenn ich dann Sitze, dann ist da niks mehr, leer. Dann bin ich still und versuche verzweifelt meine Gedanken wieder beisammen zu suchen. Meist spricht sie mich dann an, ob es was gibt, worüber ich reden möchte, leere, nichts als leere. Und gleichzeitig wirkt auch alles unwichtig und nicht der Rede wert. Und ja, da ich habe Angst vor der Verletzlichkeit. Denn mir ist schon öfter mal passiert, dass wenn ich es doch mal geschafft habe, dass ich mich in Nachhinein sehr schlecht fühle und es bereue, dass ich über dies oder jenes gesprochen habe. Auch weil ich das Gefühl habe, das klingt wahrscheinlich irrsinnig, damit ihr Macht über mich gegeben zu haben.
Ich hab dadurch, dass ich immer weniger von meinem wirklichen zeige Angst, dass sie den Platz lieber für wen Bedürftigeren nutzen möchte.
Das alles anzusprechen, versuche ich oder würde ich gerne versuchen wollen, aber es ist, als hätte ich eine Schranke im Kopf, die dann, wenn es darauf ankommt zu klappt.
Das mit den Notizen ist eine interessante Idee, danke!

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Fairness
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Beitrag Fr., 07.08.2020, 09:06

Liebe Hik, vielleicht probiere, dir zeitlang ein Thema vorzunehmen und dich darauf zu konzentrieren. Es las sich für mich so, als ob du viele Gedanken zu mehreren Themen hast und das könnte ein möglicher Grund sein, warum du dann auf die Einzelnen kein Zugriff hast - weil in dem Gesamtbild sind wir Menschen innerlich komplex und da ist dann das Problem, das in die Worte zu fassen und überhaupt in einer Stunde so zu besprechen, dass da etwas ausreichend Kompaktes entsteht, worauf ihr in nächster Sitzung weiter bauen könntet.

Und wenn es schwierig für dich ist, zu reden, nimm vielleicht als erstes ein Thema, welches dir am wenigsten belastend erscheint, damit du dich und eure Beziehung an diesem erfahren und reflektieren kannst. Das könntest du ihr auch so sagen, dass dir das Sprechen schwer fällt und deswegen mit solchem Thema beginnst. Die anderen Themen könntest du für dich notieren und vorerst verschieben. Ich würde erwarten, sie würden dann in den Zusammenhängen nach und nach auch von alleine wieder auftauchen... Alles Liebe dir.
Man sieht, was man am besten aus sich sehen kann. (C.G.Jung)

Grief is just love with no place to go. (Jamie Anderson)

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Hikhikhik
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Beitrag Do., 13.08.2020, 15:59

Oh, so ist das. Ich habe zu viele Themen im Kopf. Und doch scheinen sie alle nicht interessant genug. Ich würde in Moment soweit gehen, dass ich denke, dass meine Themen nicht mal eine Therapie begründen. Kennt ihr das Gefühl, dass sich zuhause alles auwa anfühlt und kaum seid ihr beim Arzt, ist alles weg. So geht's mir sehr oft in den Sitzungen.
Ich bekomme die Themen daheim nicht so richtig auseinander klammüsert, die in meinem Kopf sind. Irgendwie hängen die so pampig aneinander und wollen sich nicht trennen lassen. Verwirrend.

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Prinzessin27
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Beitrag Do., 13.08.2020, 17:40

Wie wäre es mit aufschreiben? Erstmal für dich, dann sortiert es sich vielleicht. Einzelne Zettel mit stichpunkten könntest du auch mitnehmen und wenn du alles vergessen hast kurz drauf schauen.

Dass dir dann alles unwichtig erscheint oder nicht der Rede wert kenne ich. Das ging mir auch oft so. Das ist eine Art Schutzmechanismus. Ausserdem müssen deine Themen ja nicht interessant sein - umgekehrt sie muss dir helfen, auch wenn du sie zu Tode langweilst:) ganz banal gesagt :-)

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Candykills
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Beitrag Do., 13.08.2020, 18:07

Ich würde - wie Philosophia geschrieben hat - genau das, was du hier schriebst, der Therapeutin sagen.
Und dann würde ich es probieren mal die einzelnen Themen aufzuschreiben und ihr zur Not als Brief zu geben. Weil dann weiß sie, wo sie ansetzen muss und auch das Problem, dass du immer diese Leere bei ihr hast, ist ein super Thema zum Ansetzen. Daraus kann soooooo viel entstehen und sich so viel lösen, was sonst in dir versperrt bleibt.

Ob deine Themen für sie interessant sind, ist nicht ausschlaggebend. Es geht um dich, du musst keine falsche Rücksicht auf deine Therapeutin nehmen.
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)

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Hikhikhik
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Beitrag Do., 13.08.2020, 18:21

Danke.

Aufschreiben, wird wahrscheinlich sehr wirr, aber vielleicht ein Versuch wert. Vielleicht auch in Stichpunkten, die ich ihr dann gebe. Wobei ich ein Problem habe, wenn sie mir konkret fragen stellt, macht mein Kopf auch zu.
Vielleicht kann ich das dazu schreiben.
Habt ihr das mit der Leere auch? Konnte man euch erklären woher das kommt?

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Lilien
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Beitrag Do., 13.08.2020, 18:51

Stichpunkte sind eine gute Idee! Dann könntest Du gleichzeitig auch ein bisschen "Brainstorming" betreiben, also schauen, was Dir tatsächlich so spontan zu dem Geschriebenem in den Kopf kommt. Außerdem sind die Stichpunkte für Dich, wenn Du den Zettel denn mit in die Stunde nehmen solltest, ja etwas sehr Greifbares. Die fliegen nicht weg ;-) , so wie vielleicht der eine oder andere Gedanke.

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Hikhikhik
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Beitrag Do., 13.08.2020, 19:56

Beim Aufschreiben habe ich nur Angst, es könnte wer lesen. Wenn ich es der Therapeutin gebe, darf ich dann darum bitten, dass sie es mir wieder zurück gibt. Oder wirkt das, als würde ich ihr nicht vertrauen?

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chrysokoll
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Beitrag Do., 13.08.2020, 20:01

Hast du wenn du sowas aufschreibst keinerlei Privatsphäre?
Einen abschliessbaren Schreibtisch, eine Schublade...?
Oder du machst eine verschlüsselte, mit Passwort versehen Datei z.B.

Und natürlich kannst du das der Therapeutin so vorschlagen, warum denn nicht?

Ich kann solche Dinge auch meiner Therapeutin vorlesen wenn ich will, das muss sie gar nicht in die Hand nehmen.
Das fällt mir wesentlich leichter so

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Hikhikhik
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Beitrag Fr., 14.08.2020, 07:40

Abschließbares habe ich nicht. Aber dass mit der verschlüsselten Datei klingt gut. Mit der Privatsphäre, ich habe zwar welche, die fühlt sich aber nicht sicher an. Aber das hat mit mein Urgefühl zu tun. Denn bis im Erwachsenenalter, hatte ich keine Privatsphäre. Darum bewege ich mich da immer noch auf wackeligen Beinen.

Ich habe der Therapeutin noch nie etwas vorgelesen. Mal schauen ob ich das hinbekomme.

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Arakakadu
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Beitrag Fr., 14.08.2020, 07:57

Habe nicht alle Beiträge gelesen nur deinen ersten, aber ich kann dich total verstehen! Genau so ging es mir immer bis vor kurzem ich habe oft nur dagesessen und gelacht oder irgendwas geredet und die eigentlichen Themen waren permanent in Gedanken.
Weißt du was mir geholfen hat? Und seitdem schaffe ich fast alles auszusprechen. Ich darf ihm Mails schreiben (auf die er nie antwortet) die wir in der nächsten Stunde besprechen. Dort konnte ich alles hinschreiben und auch die Telefonstunden wegen corona (fast 3 monate) haben geholfen weil ich mich nicht beobachtet gefühlt habe.
Kannst du sie fragen ob das möglich wäre?
Oft gehe ich sonst hin und sage, es ist so viel in meinem Kopf und ich Hau ein paar Stichworte raus und er schreibt mit.
Ansonsten denke ich dass es natürlich bei dir auch Angst bzw Widerstand sein kann warum du nicht drüber redest. Es bricht halt was auf und wir wissen ja alle wie schmerzlich die zeit zwischen den Stunden sein kann..
Aber nciht zu sprechen und dann draußen weinen (passierte mir ganz oft) ist auch schmerzhaft

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Thread-EröffnerIn
Hikhikhik
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Beitrag Fr., 14.08.2020, 13:04

Danke Marlena.
Mails würde ich allerdings nur ungern schreiben. Klingt komisch, aber irgendwie finde ich die Vorstellung unangenehm. So als hätte sie dadurch etwas gegen mich in der Hand. Ist zwar Quatsch, denn was würde sie schon damit anstellen.

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