Das erste Mal in Therapie geweint

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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shoutinglisa
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Das erste Mal in Therapie geweint

Beitrag Sa., 15.08.2020, 19:53

Schönen Abend an euch,

ich habe vergangenen Mittwoch das erste Mal in der Therapiestunde geweint. Ich dachte das ist ja ganz normal. Allerdings setzt mir das ganze so sehr zu, sodass ich mich momentan pausenlos damit beschäftige.
Mir ist das ganze so unendlich peinlich, jetzt wo die Situation vorbei ist.
Ich denke, ich habe dort viel Aufstand um nichts gemacht. Der Therapeut war etwas perplex, da er glaube ich gesehen hat, oder zumindest denkt, wie schlecht es mir geht.
Jetzt meint er ich solle mir überlegen stationär zu gehen (Kommt nicht in Frage). Ich habe nun Angst, dass er durch das Weinen annimmt, dass es mir viel schlechter geht, als es wirklich der Fall ist.
Leider habe ich jetzt 5 Wochen Pause und habe Angst, dass er die Therapie ambulant nicht mehr weiter machen will.
Wie normal ist das Weinen in der Thera?

Danke

Herzliche Grüße

Lisa

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Montana
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Beitrag Sa., 15.08.2020, 21:08

Absolut normal. Du musst keine Angst haben, dass er dich quasi "wegen Weinen in der Therapiestunde" rausschmeißt. Das wird nicht passieren. Weinen ist eine gesunde Ausdrucksform bei starken Belastungen und viele Menschen weinen, ohne dass sie eine psychische Erkrankung haben. Dass du das als peinlich empfindest ist etwas, das sich genauer anzuschauen lohnt.
Ich war übrigens lange bei einem Therapeuten, der ab und zu mal Tränen in den Augen hatte, wenn ich erzählt habe. Er hat sie nie weggewischt, sondern zugelassen, dass sie sichtbar seine Wange herunterliefen. Erst habe ich das zu übersehen versucht. Dann habe ich mich erkundigt, ob er vielleicht an einer Allergie leidet. Er hat mir dann erklärt, dass er tatsächlich manchmal weint. Und DAS hat mich nachhaltig beeindruckt. Dass ein Mensch das kann, ohne Scham, einfach als Ausdruck dafür, dass er einen versteht. Seitdem schäme ich mich weniger für mein Weinen. Weil ich festgestellt habe, dass ich es bei anderen nicht als Grund zum Schämen empfinde.
Die Klinik hat dein Therapeut vielleicht nur deshalb vorgeschlagen, damit du die lange Pause besser überstehst? Da kann ja allein der Gedanke hilfreich sein, dass es Kliniken gibt und man hingehen könnte. Deswegen muss man das noch lange nicht in die Tat umsetzen.

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chrysokoll
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Beitrag Sa., 15.08.2020, 22:19

weinen in der Therapie ist absolut normal.
Das schockt nun echt keinen Therapeuten

In JEDEM Praxiszimmer das ich kenne (und ich kenn einige) steht so eine Kleenex-Box bereit. Warum wohl?
Die steht da nicht zur Deko.

Wenn du in der Therapie geweint hast musst du dich echt nicht schämen.

Mir ist nicht ganz klar warum dein Therapeut einen Klinikaufenthalt vorgeschlagen hat?
Doch sicher nicht wegen der Tränen.

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shoutinglisa
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Beitrag Sa., 15.08.2020, 22:37

Wow, Montana das hört sich nach einem tollen Therapeuten an.
Ich mag es gar nicht zu weinen. Hab das sicher die letzten 5 Jahre nicht mehr gemacht. Deshalb ist es mir so unangenehm. Ich konnts einfach nicht mehr zurück halten. Und jetzt denke ich die ganze Zeit daran, wie dumm ich wohl dabei ausgesehen haben muss.

Chrysokoll, nein nicht wegen der Tränen, sondern wegen dem, was ich deshalb gesagt habe. Ich bin eigentlich sehr beherrscht und rede nicht frei schnauze was mir in den Sinn kommt, auch in der Therapie nicht. Am Mittwoch ist allerdings irgendwie alles rausgekommen, dass es mir schon ziemlich schlecht ging. Ich denke einfach der thera hatte da bis jetzt nicht so einen Durchblick da ich in den Stunden auch immer alles mit einem Lächeln versucht habe ins Lächerliche zu ziehen.

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DieBeste
Forums-Gruftie
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Beitrag Sa., 15.08.2020, 23:31

Meine hat extra eine Kleenex Box da stehen, also scheint es normal zu sein.

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sgtmax1
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Beitrag So., 16.08.2020, 08:03

Weinen ist in der Therapie, absolut normal.
Ich hatte es auch schon paar mal und meistens dann wenn ich mich mit einem starken seelischen Schmerz auseinandersetzte.
Aber grade diese Auseinandersetzungen bringen große Fortschritte in der Therapie.

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Montana
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Beitrag So., 16.08.2020, 11:00

Lisa, es macht dich verletzlich, wenn du so viel von dir zeigst. Und das macht Angst. Das mit aller Gewalt vermeiden zu wollen, kennen sicher die meisten Menschen.
In manchen Situationen sind Tränen gesellschaftlich akzeptiert, z.B. auf Beerdigungen. In anderen darf man sich die auf keinen Fall erlauben, z.B. während eines Vorstellungsgesprächs. Aber Therapie ist etwas Privates; du stehst nicht in der Öffentlichkeit. Niemand sieht das außer dir und deinem Therapeuten.
Wenn du über bestimmte Dinge sprichst, dann kommen die dazugehörigen Gefühle nunmal hoch. Therapie ist genau der richtige Ort dafür.

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kaputt
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Beitrag So., 16.08.2020, 15:22

Weinen in der Therapie ist nichts Ungewöhnliches. Ich kenne es auch , dass immer eine Box mit Taschentüchern auf dem Tisch steht.

Als mir das erste Mal in Therapie die Tränen kamen war mir das total unangenehm. Ich dachte da kann ich nie wieder hin wie peinlich. Aber mein Therapeut meinte nur das sei völlig in Ordnung das da auch mal etwas hoch kommt

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Montana
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Beitrag So., 16.08.2020, 21:42

kaputt hat geschrieben: So., 16.08.2020, 15:22 das sei völlig in Ordnung das da auch mal etwas hoch kommt
MAL? Das ist ja wohl die Untertreibung des Jahrhunderts. ;)

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shoutinglisa
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Beitrag Mo., 17.08.2020, 20:37

Ich weiß nicht, ich fühle mich dennoch so schlecht dabei.

Mir gehts seit Jahren gar nicht gut. Ich habe mich bisher durchs Leben gekämpft, richtig Spaß am Leben hatte ich schon lange nicht mehr.
Ich schaffe es kaum noch das Haus zu verlassen, mein Studium musste ich unterbrechen da ich nicht in der Lage bin physisch oder psychisch dort anwesend zu sein.
Ich habe zwar noch Freunde, aber schaffe es nicht mich mit diesen zu treffen. Die einzigen mit denen ich noch etwas Zeit verbringe sind meine Eltern und das sind genau jene, die meine ganze Situation nicht verstehen.
Sie meinen zwar sie unterstützen mich, allerdings kommen dann dennoch immer Kommentare wie, ich soll doch endlich mal was machen, lernen oder Freunde einladen.
Stattdessen sitze ich allerdings hier und muss mich zusammenreißen nicht zu weinen anzufangen.
Mir geht's einfach nicht gut und es ich habe schon bald keine Hoffnung mehr dass es noch besser wird.
Ich bin beziehungsunfähig, hässlich und essgestört.
Ich bin in therapie aber auch da habe ich kein Gefühl, dass es irgendwie besser wird.
Ich habe schon alles versucht, aber irgendwann kommt dann wieder der Moment wo ich in ein Loch falle.

Ich frage mich, wann ist der Punkt erreicht an dem man einsehen muss, dass sich das Leben so wie es ist nicht mehr verändern wird? Dass auch eine Therapie einem nicht wirklich weiterbringt

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chrysokoll
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Beitrag Mo., 17.08.2020, 21:00

du hast zum ersten Mal in Therapie geweint, offenbar zum ersten Mal seit langem geweint.
Auch wenn sich das für dich schrecklich anfühlt, lass das zu!
Das kann der erste Schritt zur Veränderung sein!
Versuch das doch nicht weiter zu unterdrücken.

Dir geht es offenbar sehr schlecht und es ist nicht einfach da Veränderungen herbei zu führen.

Ich verstehe jetzt auch sehr viel besser warum der Therapeut dir zu einem Klinikaufenthalt geraten hat.
Warum kommt das denn für dich so gar nicht in Frage? Das wäre eine Möglichkeit viel zu verändern, ein Schritt in eine gute Richtung

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shoutinglisa
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Beitrag Mo., 17.08.2020, 21:12

Zu hause weine ich oft, nur in der Therapie nicht.

Ich war schon 2 mal in einer Klinik. Wirklich gebracht hat es mir nicht.
Jedes Jahr denke ich mir, dass das nächste nicht viel schlimmer werden kann und dann wird es das doch.

Ich bin einfach an dem Punkt, an dem ich mich frage, was der Sinn dahinter ist weiterzumachen, wenn jeder Tag eine einzige Qual ist. Es wird einfach immer schlimmer und man hat das Gefühl nichts hilft einem.

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sgtmax1
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Beitrag Mo., 17.08.2020, 21:51

ich verstehe deine Situation sehr gut.

Ich ziehe mich auch gern mal sozial zurück.
Und habe dann auch stark depressive Gedanken und teils bin ich auch des kämpfens müde und habe hin und wieder Suizidgedanken, aber andererseits denke ich mir auch, wenn man ganz unten ist kann es nur bergauf gehen.

Auch meine Eltern machen mir Druck und verschlimmern meine Stimmung sehr oft, hier gehe ich dann spazieren oder treffe Freunde.

Mir hilft es immer, wenn ich Sachen mache, welche mir Freude bereiten. Sie heben einfach meine Stimmung.

Mit deinen Freunden kannst du dich ja auch über Skype treffen.

Wichtig ist, das du dich selbst nicht aufgibst.

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Montana
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Beitrag Mo., 17.08.2020, 22:29

Klinik ist auch nicht gleich Klinik. Es gibt die für deinen Wohnort "zuständige" Allgemeinpsychiatrie. Wenn man nicht großes Glück hat, dann passt deren Ausrichtung bzw. Spezialisierung (so sie eine hat) nicht zum eigenen Problembereich. Sucht man sich eine passende, die einen guten Ruf hat, dann gibt es lange Wartezeiten. Ich kenne halt auch beides und ich kann dir daher sagen, dass es Sinn macht, auf einen Platz in einer passenden Klinik zu warten. Auch wenn man sich kaum vorstellen kann, die Zeit zu überstehen, es bringt unglaublich viel mehr als eine Aufbewahrung in der Allgemeinpsychiatrie.
Und versuche nicht, dich zu etwas zu zwingen, weil es dir vermeintlich "gut tut". Du hast es ausprobiert und versuchst es immer noch, weil dein Umfeld es dir abverlangt, dass du "etwas tust". Lass es. Hör da auf dein Gefühl. Die Zeit wird kommen, wo es wieder geht. Nur eines solltest du nicht tun: schaff keine Tatsachen, die du später bereust. Also, verkauf nicht deinen Lieblingstennisschläger, weil du glaubst ihn nie mehr zu brauchen. Denn du wirst ihn wieder brauchen.

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