Traumatherapie - Konzentration auf 1 Ereignis unmöglich

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Charlie Foxtrott
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Traumatherapie - Konzentration auf 1 Ereignis unmöglich

Beitrag Fr., 08.01.2021, 11:20

Liebe Leute,
ich lese schon eine ganze Weile hier mit und danke Euch für die informativen Diskussionen. Ich möchte gleich mit der Tür ins Haus fallen, weil es mir unter den Nägeln brennt: Mache gerade eine Kurzzeit-Traumatherapie und Therapeut sagte, ich solle mich auf das Primärtrauma konzentrieren. Will ich ja auch, denn das besprochene ist für Alltag/Beruf etc. wichtig. Nun kamen aber während der Expo Flashbacks an ein altes hoch, auch Vergleiche zum Täter 1 und Nr. 2 drängten sich auf. Was soll ich tun? Einerseits darf ich nicht über Ereignis Nr. 1 reden, will auch nicht ewig in der Jugend herumwühlen, aber andererseits bohrt Thera immer weiter nach, was denn in dem Moment war. Also muss ich lügen und oder aussteigen. Ich fühle mich wie ein Lügner, wie damals in der Schule: So tun, als sei alles okay. Also Erziehung zur Zwiespältigkeit.
Einerseits wurde ich gerügt, dass ich nichts weglassen soll, andererseits soll ich mich auf ein Ereignis konzentrieren, aber wie denn, wenn sich die Täter und die Körperempfindungen so verdammt ähnlich sind???

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chrysokoll
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Beitrag Fr., 08.01.2021, 11:27

sprich mit dem Therapeuten genau da drüber
Eine Traumakonfrontation bei der kein Vertrauen zum Therapeuten da ist kann nicht gelingen.
Und ein Therapeut hat weder zu "bohren" noch zu rügen, ich finde das geht gar nicht.
Wenn du das Gefühl hast du müsstest lügen um den Vorgaben des Therapeuten zu entsprechen läuft was entscheidend schief.
Es ist DEINE Therapie, dir soll sie helfen, nicht dem Therapeuten.

Ich finde es sehr gut weil du benennen und fühlen kannst was läuft, wie du dich fühlst!
Und genau das solltest du dem Therapeuten mitteilen, er ist dafür da hier eine Lösung zu finden

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Fairness
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Beitrag Fr., 08.01.2021, 11:31

Hallo Charlie,

sich an ein Ereignis zu konzentrieren, bedeutet für mich, dass Schwerpunkt bei einem Thema liegt und dann aber auch Anderes besprochen werden kann. Vor allem wenn du dort Zusammenhänge wiedererkennst, gehört das sicherlich dazu, das würde ich so auch in der Therapie besprechen. Nur Mut.

Lieben Gruß,
Fairness
Man sieht, was man am besten aus sich sehen kann. (C.G.Jung)

Grief is just love with no place to go. (Jamie Anderson)

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alatan
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Beitrag Fr., 08.01.2021, 11:31

Es ist nicht ungewöhnlich, dass bei der Bearbeitung eines Traumas ein tieferliegendes "freigelegt" wird, das möglicherweise eine viel größere Relevanz hat. Wenn ein Therapeut damit nicht klarkommt, ist er vermutlich kein umfassend ausgebildeter bzw. erfahrener Traumatherapeut.

Die beschriebenen Forderungen gehen gar nicht, also Finger weg von so jemandem.

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lisbeth
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Beitrag Fr., 08.01.2021, 11:37

Hm, so ist das nun mal im Leben, die Dinge und Ereignisse und Erinnerungen sind miteinander verknüpft, das ist ein System, wo alles ineinander greift, da scheint mir möglicherweise das Verfahren ungeeignet. Das hört sich für mich schon arg konstruiert an: Befasse dich jetzt nur mit diesem einen Ereignis... Kann vielleicht bei einem wirklich einmaligen Ereignis/Trauma funktionieren (wie zB Unfall), aber bei langanhaltenden (dh über Jahre) Ereignissen oder multiplen Traumata greifen die Dinge mMn schon etwas komplexer ineinander.

Ich würde auch sagen: Sprich mit dem Therapeuten drüber. Sag ihm wie es sich für dich anfühlt. Da geht es nicht um richtig oder falsch. Kann es gar nicht gehen. Es liegt an ihm, sein Vorgehen anzupassen, wenn es deinen Bedürfnissen nicht gerecht wird. Du solltest dich da nicht für ihn verbiegen müssen. Wenn er von dir verlangt, dass du dich an sein Verfahren anpassen musst, dann nimm die Beine in die Hand und lauf.

War das mit der Kurzzeit-Traumatherapie dein Wunsch, oder hat er das vorgeschlagen?
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott

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Charlie Foxtrott
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Beitrag Fr., 08.01.2021, 11:48

Liebe Leute,
das ging ja fix mit dem Antworten! Also, das mit der Kurzzeit-Traumatherapie war mein Wunsch, es fühlt sich stimmig an und Thera kommt endlich mal zum Thema im Gegensatz zu Vorgängern. Ich fühle mich da auch sicher!
Es handelt sich auch nicht um ein Komplextrauma, sondern um 2 Einzelereignisse, wobei das jüngere für meinen Job das relevante ist und ich will ja auch dabei bleiben. Nur, der Tätertyp/Vorgehensweise war beide Male derselbe (also nicht identisch, aber best. Eigenschaften).
Ein Thera muss bohren, darf es ja nicht hinnehmen, wenn man über schwierige Stellen einfach hinweggeht. Ich will ja auch darüber reden, nur, worin bildlich ganz genau der flashback bestand, nee, das will ich (noch) nicht sagen. Also, es war was sexuelles, das andere nicht. Klar, wenn ich verknüpfe, dann muss das zur Sprache, aber wie??? Das eigentliche Problem aus den Augen verlieren will ich doch gar nicht. Ob es schriftlich geht? Soll ja noch was schreiben.

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chrysokoll
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Beitrag Fr., 08.01.2021, 11:55

wenn du von der Traumatherapie profitieren willst - und das willst du ja ! - dann MUSS das zur Sprache kommen.
Bei einer Kurzzeittherapie ist da ja auch nicht sooo viel Zeit.

Wenn es dir leichter fällt das aufzuschreiben und ihm per mail zu schicken oder zu geben: Ja, dann mach das!
Finde ich eine gute Idee

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Montana
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Beitrag Fr., 08.01.2021, 18:15

Ein Therapeut muss NICHT bohren und ich hatte auch noch nie einen, der das gemacht hat. Manches Mal hätte ich mir das sogar gewünscht, weil ich mich selber nicht getraut habe, aber als Therapeut Leuten Dinge aus der Nase zu ziehen, die diese nicht erzählen wollen, das ist auch eine Form von Übergriffigkeit. Es passiert eben allzu leicht, dass man sich unter Druck setzen lässt, durch das Machtgefälle und durch den Glauben, das gehöre zu einer Therapie und müsse so sein.


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Beitrag Sa., 09.01.2021, 00:20

Das hört sich nach einer Folter für mich an.

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Charlie Foxtrott
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Beitrag Di., 12.01.2021, 16:23

Ach Leute, nun lasst doch mal die Kirche im Dorf! Ich verstehe ja, dass bei so wenig Sätzen ein falsches Bild entstehen kann. :kopfschuettel: Ja, eine Traumaexposition hat was von Folter, aber ein guter Therapeut hält einen auf einem aushaltbaren Level. Das Original ist vieeel schlimmer. Und flashbacks ohne Begleitung auch.
Und ansonsten ist der erste Weg, Missverständnisse, Probleme anzusprechen. Und Eure Rückmeldungen haben mir Mut gemacht, das zu tun. Wegrennen kann man bei abschlägiger Antwort immer noch.
Ach so, zur Ausgangsfrage: Richtig, was vernetzt ist, ist vernetzt und muss/darf/soll angeguckt werden, aber alles schön der Reihe nach und nicht wieder durcheinander. Das hatten wir lange genug.

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R.L.Fellner
Psychotherapeut
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Beitrag Fr., 15.01.2021, 07:13

Liebe Charlie,

scheinbar sind Sie noch nicht wirklich in der Lage, sich genügend auf die Traumainhalte "einlassen" (bzw. sich diesen gegenüber "exponieren") zu können, und werden folglich von allem, was sich sonst noch hinter einer inneren, schützenden Mauer befindet, überflutet.

Sie sollten Ihre Empfindungen und Ängste unbedingt mit Ihrem Therapeuten besprechen.

Wenn er in Traumatherapie ausgebildet/fortgebildet ist, sollte er damit eigentlich gut umgehen und Sie hierbei begleiten und unterstützen können, statt Sie weiterhin zu stark zu "pushen". Das ist ganz wichtig, um Sie in weiterer Folge in die Lage versetzen zu können, über die traumatischen Erfahrungen hinwegzukommen.

Nebenbei bemerkt frage ich mich gerade, ob sich "Kurzzeit" und "Traumatherapie" nicht widerspricht oder zumindest ein schwieriges Spannungsfeld eröffnet, da es suggeriert, innerhalb der "kurzen Zeit" sollte das "Trauma therapiert" werden können. Das kann gelingen, aber evt. sollte weder man selbst - noch der/die Therapeut(in) - diesen Anspruch oder die Erwartungshaltung an sich stellen. ;-)

Herzliche Grüße und alles Gute,
R.L.Fellner

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Charlie Foxtrott
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Beitrag Fr., 15.01.2021, 10:14

Guten Tag Herr Fellner,

danke für die Antwort. Allerdings bin ich anderer Meinung. Ich möchte mich einlassen, Therapeut aber sagte, ich solle mich auf das Ursprungsthema konzentrieren. Nun sind aber Täter, Vorgehensweise, betroffene Körperregionen dermaßen ähnlich. Now what? Wie kann man das aufteilen?
@Kurzzeittherapie: Lieber kurz und knackig am Thema als langzeit am Thema "vorbeigesülzt". Meine Meinung und habe ich leider so erfahren. Bis dahin, dass man mir einreden wollte, das ganze wäre gar nicht wirklich passiert. Von mir aus kann man gern verlängern, wenn es so stringent am Thema bleibt. Nur, ob das die Kasse auch so sieht? Die muss doch denken, ich kriege nie genug, dabei muss man einfach nur zum Thema kommen. Erst mal gefühlte 100 Std. stabilisieren und einen hinhalten ist nicht mein Ding. Das kann ich auch allein, auch wenn ich hinterher über der Schüssel hänge. Das tue ich ohne Behandlung eh.

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Montana
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Beitrag Fr., 15.01.2021, 10:40

Das Problem liegt möglicherweise darin, dass eine Kurzzeittherapie es einfach nicht hergibt, etwas anderes als das Ursprungsthema zu behandeln. Dein Therapeut versucht, dich da zu begrenzen, damit der Zeitbedarf nicht über die bewilligten Stunden hinaus anwächst.
Die Möglichkeit der Verlängerung gibt es genau für solche Fälle. Du bist quasi ein Paradebeispiel. Es war zu Beginn der Therapie einfach noch nicht bekannt, was du jetzt aber weißt. Dein Thema ist umfangreicher.
Die Frage ist doch, ob dein Therapeut und du da zusammenkommt. Ich höre aus deinen Beiträgen heraus, dass du eigentlich gar keine Verlängerung möchtest. Dein Therapeut kennt vermutlich deine Einstellung dazu und wird deshalb bemüht sein, den vorgegebenen Rahmen nicht zu verlassen?
Was wäre dir wichtiger, die Zeit einhalten oder die neu aufgetauchten Sachen ganz offiziell zum Thema machen? Ich denke, diese Entscheidung liegt bei dir und deinen Therapeuten solltest du das dann wissen lassen.

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Charlie Foxtrott
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Beitrag Fr., 15.01.2021, 11:11

" Ich höre aus deinen Beiträgen heraus, dass du eigentlich gar keine Verlängerung möchtest."
"Von mir aus kann man gern verlängern, wenn es so stringent am Thema bleibt. Nur, ob das die Kasse auch so sieht? Die muss doch denken, ich kriege nie genug..."

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chrysokoll
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Beitrag Fr., 15.01.2021, 11:50

Die Kasse ist kein Mensch der irgendwas "denkt" - und selbst wenn das so wäre kann dir das egal sein.
Das ist ein strukturiertes Vorgehen deines Therapeuten, der beantragt Umwandlung in eine Langzeittherapie, weil sich neue, tiefere Themen / Probleme ergeben haben. Ganz einfach. Dann wird das genehmigt.

Und genau das solltest du zeitnah mit deinem Therapeuten besprechen.
Ich denke auch der bleibt am ursprünglichen Thema weil mehr unter einer Kurzzeitherapie nicht drin ist

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