Therapeutin ist bei Twitter

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Therapeutin ist bei Twitter

Beitrag Mi., 17.03.2021, 00:11

Ihr Lieben,
ich bin in einer sehr gut funktionierenden Therapie.
Seit geraumer Zeit weiß ich aber, dass meine Therapeutin auf Twitter ist.
Sie tweetet dort viel. Ich sehe das, sehe auch sehr viele Beiträge und frage mich, wie sie das mit ihren Stunden vereinbart. So viele Tweets, wie ich sehe, kann sie gar nicht immer nur in Ausfallstunden absetzen - also denke ich, dass sie auch während ihrer Stunden auf Twitter ist. Ob sie das in meinen Stunden auch macht, kann ich nicht ganz genau sagen. Sie hat aber oft ihr Tablet auf dem Schoß. Das verunsichert mich.
Was soll ich tun?
Ich hatte ihr schon mal gesagt, dass mich das irritiert. Sie hat es dann weggelegt.
Mich beunruhigt das aber weiterhin massiv.
Was, wenn sie wirklich während vieler Stunden aktiv ist? Das wäre doch eine Missachtung ihrer Patienten?
Was wäre zu tun?
Beweisen kann ich es natürlich nicht.
VG

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LovisTochter
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Beitrag Mi., 17.03.2021, 08:49

Ich kenn mich mit Twitter nicht aus, aber kann man da nicht sehen zu welcher uhrzeit die Tweets abgesetzt wurden? Wenn man das sehen kann und du feststellst, dass sie während einer Deiner Stunden etwas getweetet hat, dann würde ich das auf jeden Fall ansprechen (auch wenn es mir schwer fallen würde), aber unter den Umständen wäre eine Zusammenarbeit für mich nicht möglich.
Viele Grüße,
LovisTochter
Wer nicht auf seine Weise denkt, denkt überhaupt nicht. (Oscar Wilde)

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Montana
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Beitrag Mi., 17.03.2021, 09:06

Das wäre auch mein Vorschlag. Ich kenne Twitter ebenfalls nicht. Wenn du nicht mehr nachvollziehen kannst, was während deiner Stunden bisher geschrieben wurde, kannst du für die nächsten Stunden Vorkehrungen treffen. Also z.B. festhalten, was sie zuletzt geschrieben hat, und nach der Stunde mal nachschauen, was neu ist.
Ein echt unangenehmes Problem. Da ich aber auch in anderen Kontexten die irrsten Sachen erlebt habe, wie Leute ihre Arbeitszeit verbringen, halte ich das für absolut möglich. (Nur ein Beispiel: laute Geräusche aus einem Nebenraum. Gucken gegangen. Da hatten zwei aus Büromaterial eine Dartscheibe gebastelt und schmissen mit Pfeilen aus angespitzten Bleistiften darauf. Und trafen damit ständig die Wand hinter der ich saß. Das war übrigens in der IT-Abteilung einer großen Bank und so eine Aktion ist dort nicht als normal anzusehen.)

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Beitrag Mi., 17.03.2021, 09:17

Danke. Ja, es ist unangenehm, und ich möchte das eigentlich nicht konkret ansprechen, weil das nach Hinterherschnüffeln aussieht, andererseits sind die Social-Media-Kanäle halt öffentlich und jeder kann jeden sehen. Das Risiko geht man ein, wenn man sich dort anmeldet (und weiß auch, dass man es eingeht).
Es würde einen Riss geben, und das will ich nicht. Aber es gefällt mir auch nicht.
Ich verstehe es auch nicht. Es gibt doch den Tag über immer noch genug Zeit, sich dort auszutauschen...

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LovisTochter
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Beitrag Mi., 17.03.2021, 09:21

Gibt es diesen Riss nicht auch so? Also wenn Du es nicht ansprichst? bei mir würde das die ganze Zeit im Hintergrund arbeiten und eine funktionierende Therapie behindern.
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Beitrag Mi., 17.03.2021, 09:32

Hm, ja... ich bin jetzt seit einem Jahr bei ihr, könnte also mittlerweile schon mit ihr auch über schwierigere Themen sprechen, aber das ist für mich immer noch sehr schwer. Ich hatte bisher auch nicht den Eindruck, dass die Therapie "leidet", ich hatte auch nie das Gefühl, dass sie nicht bei mir ist. Sehe manchmal, dass sie auf dem Tablet etwas macht, weiß auch, dass sie darauf mitschreibt.

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LovisTochter
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Beitrag Mi., 17.03.2021, 09:34

Es bleibt natürlich Dir überlassen es zu kontrollieren und/oder anzusprechen. Aber so ganz kalt lässt es Dich ja auch nicht, bzw. ganz sicher, dass sie nicht während Deiner Stunde tweeted bist Du dir nicht, denn sonst hättest Du ja sicher diesen Post nicht erstellt, oder?
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Beitrag Mi., 17.03.2021, 09:36

Ja klar, das hatte ich ja geschrieben ;)

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Montana
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Beitrag Mi., 17.03.2021, 09:40

Stört dich das mitschreiben nicht? Wenn ich jemanden schreiben sehe, dann weiß ich, dass er nicht gleichzeitig zuhören kann. Ich spreche dann nicht weiter. Und wenn derjenige mit Schreiben beginnt, wenn ich mitten im Satz bin, dann unterbricht er damit meinen Gedankengang. Genauso gut könnte er einen Anruf entgegennehmen oder sich plötzlich von mir wegdrehen und mit jemand anderem sprechen. Der Kontakt ist in dem Moment schlagartig unterbrochen. Schreiben kann man aber auch in den Pausen, so dass das Gespräch nicht unterbrochen wird. Dann aber höchstens Stichpunkte. Kein "mitschreiben".

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Beitrag Mi., 17.03.2021, 10:10

Ja, daran habe ich auch gedacht. Es gibt ja zum Thema Mitschreiben in der Psychotherapie sehr gegensätzliche Lager. Mich stört es nicht, wenn es nicht die ganze Stunde über ist, und das ist es nicht. Aber es ist natürlich nicht von der Hand zu weisen: Kann man wirklich 100 Prozent Aufmerksamkeit geben, wenn man mitschreibt? Oder wenn man gar in social media oder sonstwie im Internet unterwegs ist?
Aufhören zu sprechen: Das habe ich auch schon gemacht. Das funktioniert tatsächlich.

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lisbeth
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Beitrag Mi., 17.03.2021, 10:36

Das eine ist ja deine Befürchtung, dass sie während der Stunde (konkret: während deiner Stunde) twittert. Das kannst du überprüfen. Wenn es sich herausstellen sollte, dass es so ist, dann wirst du das auch ansprechen müssen. So zu tun, als wäre das nicht in der Welt, das geht nicht. Und da wird über kurz oder lang auch deine Therapie drunter leiden.

Was sie mit dem Rest ihrer Zeit macht, und wann sie weshalb auf Twitter ist, geht dich genaugenommen nichts an. Da wirst du auch von ihr nicht Rechenschaft einfordern können, ob das ihre Arbeitszeit oder ob das Freizeit war. Selbst wenn das um 10.00 Uhr vormittags war: Du weißt ja nicht, ob da ein Patient kurzfristig abgesagt hat und sie einfach keinen Nerv hatte, Berichte zu schreiben und sich dann auf Twitter "vergnügt".

Das andere ist dein Unbehagen damit, dass sie bei Twitter grundsätzlich sehr aktiv ist. Kann ich gut verstehen, dass das komisch ist. Meine Therapeutin ist auch bei Twitter, das hat sie mir gegenüber mal in der Stunde erwähnt als wir so ein Thema streiften, sie agiert da aber sehr zurückhaltend und das was ich da sehen kann, steht auch nicht im Widerspruch zu dem, wie ich sie in der Stunde erlebe. Wenn das anders wäre (zB sie ist Twitterjunkie - also dass das suchthafte Züge hat, oder dass sie da sehr um Aufmerksamkeit bemüht ist, oder sie fängt an, andere Nutzer anzupöbeln, oder steigt regelmäßig in 'Twitterwars' mit anderen Nutzern ein usw.) dann fände ich das schwierig und dann würde ich das glaube ich auch ansprechen. Ja, man fühlt sich wie ein Stalker, aber sie kann ihr Profil ja auch "privat" setzen, dass es öffentlich nicht sichtbar ist. Und es ist nicht unwahrscheinlich, dass das auch andere Patienten irritiert, die zufällig auf ihr Profil gestoßen sind.

Tablet in der Stunde: Hat sie eine Tastatur dran, oder wie macht sie ihre Notizen? Wenn das über Wischen auf der Displaytastatur geht, dann kann ich mir nicht vorstellen, wie das parallel zum Gespräch möglich sein soll. Also auf beides (Gespräch und Notizen) gleichermaßen fokussiert zu bleiben. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass diese Notizen dann wirklich ergiebig und später noch nachvollziehbar sind. Auch hier: Wenn es dich irritiert, dann sprich es an. Das heißt nicht unbedingt, dass sie damit aufhören wird/muss, aber ich denke, das ist auch für sie eine wichtige Rückmeldung dazu, wie sie die Stunden gestaltet. Lässt sich ja auch mit einer Sprechpause verbinden:
Therapeutin ist mit dem Tablet beschäftigt.
Du machst Pause beim Erzählen.
Therapeutin ist irgendwann mit dem Tablet fertig, schaut dich erwartungsvoll (?) an.
Du sagst, dass dich ihr Hantieren mit dem Tablet irritiert, stört, dass du das Gefühl hast, sie sei abgelenkt/wasauchimmer.
Wichtig wäre, dass du das alles von dir aus betrachtest. Also: Was macht das mit DIR? Nicht: Wo sind Sie gerade mit Ihrer Aufmerksamkeit, Frau Therapeutin...
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott

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Montana
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Beitrag Mi., 17.03.2021, 10:48

nosweets hat geschrieben: Mi., 17.03.2021, 10:10 Aufhören zu sprechen: Das habe ich auch schon gemacht. Das funktioniert tatsächlich.
So war es gar nicht gemeint. Sie auf die Art dazu zu bringen, mit der Aufmerksamkeit zurückzukommen. Aber fein, wenn es so machbar ist.
Ich höre eigentlich einfach deshalb auf zu sprechen, weil der Schreiber das Gespräch einseitig beendet hat und mir ganz offensichtlich nicht mehr zuhört. Dann warte ich darauf, dass das Gespräch weitergeht. Passiert das nicht innerhalb sehr kurzer Zeit, dann höre ich auf zu warten. Meine Aufmerksamkeit kann ich nur begrenzte Zeit "anhalten". Die Gedanken, die so wichtig erschienen, sind dann irgendwann weg.
Mein aktueller Therapeut schreibt niemals mit. Und zwar ausdrücklich deshalb nicht, weil es nicht gut funktioniert. Sein Ziel in einer Therapiestunde ist nicht das Produzieren eines schriftlichen Berichts.

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chrysokoll
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Beitrag Mi., 17.03.2021, 10:52

das sehe ich wie lisbeth!
Was sie sonst macht und wann ist ihre Sache, da kann auch niemand nachvollziehen ob das nun während der Stunden war.

Aber während der eigenen Stunde - ja, das würde ich mal prüfen. Das wäre frech, das würde mich sehr stören.

Therapeuten müssen damit rechnen dass Patienten mal nachschauen ob und wo die online zu finden sind.
Und ja klar, es wird auch Therapeuten geben die da in eine Form von Suchtverhalten gleiten.
Meine Therapeutin hat offenbar Vorkehrungen getroffen, sie ist so gut wie nicht zu finden.

Ich habe in allen Therapien erlebt dass Therapeuten mitschreiben, das hat mich auch nie gestört.
Aber das war immer so ganz klassisch-altmodisch auf Papier.

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lisbeth
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Beitrag Mi., 17.03.2021, 11:00

Wegen der Häufigkeit:
Es gibt auch Tools, mit denen man die Beiträge vorproduzieren kann und die werden dann zu vorher festgelegten Zeiten freigeschaltet. Also dass während deiner Stunde was online gestellt wurde, ist allein auch noch kein "Beweis", dass sie während deiner Stunde wirklich auf Twitter ist. Vor allem wenn es ein neuer Beitrag von ihr ist, der nicht auf andere Beiträge von anderen Nutzern reagiert (und selbst da kann man bei manchen Tools automatisierte Reaktionen über Bots absetzen, um mehr "Interaktion" vorzugaukeln).

Gesprächsbedarf hätte ich aber auch in diesem Fall trotzdem.
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― Anne Lamott

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Sinarellas
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Beitrag Mi., 17.03.2021, 11:00

Immer das gleiche: Das Problem lä#sst sich nur in direkter Kommunikation lösen.
Tweets können auch und problemlos zeitversetzt gestartet werden, das heißt wenn ein Tweet um 11:00 veröffentlicht wurde, heißtd as nicht, dass er um 11 Uhr auch geschrieben wurde.
Du hast ein vertrauensproblem mit der Therapeuten, das bedeutet: Du musst das Problem mit ihr besprechen. Ausschließlich SO wirst du wissen was Phase ist.
Das aufschreiben ist elementar, sonst weiß der Therapeut nicht, was letzte stunde war. Jeder Therapeut der das nicht tut ist mir suspekt, kein Mensch kann sich alle Patienten und deren Geschichten merken. Wenn es damit ein Problem gibt, ebenfalls: ANSPRECHEN.

Wieso glauben immer alle, dass man Probleme der Kommunikation ohne den Kommunikationspartner lösen könnte?
Es geht nicht du gegen sie, sondern ihr gemeinsam gegen das Problem :)
..:..

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