Bin ich dem Therapeuten egal?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Nebell
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Bin ich dem Therapeuten egal?

Beitrag Di., 13.07.2021, 20:06

Hallo,

das ist mein erster Beitrag hier und es geht um meinen Therapeuten. Ich bin seit November 2020 bei ihm in einer Verhaltenstherapie (1-2 mal die Woche). Ich brauchte ein bisschen, um ihm richtig vertrauen zu können aber jetzt klappt es ziemlich gut. Ich kann mit ihm über alles sprechen und schaffe es auch, meine Scham zu überwinden.
Ich habe ihm bereits gestanden, dass ich oft an ihn denken muss und auch Gefühle für ihn entwickelt habe. Er ist damit sehr professionell umgegangen und die Therapie hat auch nie darunter gelitten.
ich habe aber immer wieder das Gefühl, dass ich ihm eigentlich ziemlich egal bin, bin mir aber nicht sicher, ob er durch sein Verhalten nur eine Grenze zieht und Distanz wahrt.
Er beendet die Sitzungen immer sehr pünktlich (was ja eigentlich gut ist) allerdings fühlt sich das Ende immer sehr abruppt und manchmal auch unpassend an- Bspw in Momenten, in denen ich weine oder ihm gerade schildere, wie verzweifelt ich mich fühle. Ist das dann trotzdem normal?
Letzten Donnerstag hatte ich eine Sitzung abgesagt, weil ich krank war und nicht in den Zug steigen konnte. Ich hatte ihn dann gefragt, ob wir abends 10 Minuten telefonieren könnten, weil wir ja an diesem Tag eh eine Sitzung gehabt hätten und ich ihn sonst auch nie anrufe. Das hat er verneint, weil er noch weitere Termine hatte (wofür ich auch Verständnis habe aber es hat mich trotzdem getroffen, weil er sonst immer sagt, dass er sich um mich sorgen würde)

Er hat mir heute auch wie aus dem Nichts eröffnet, dass er nächste Woche nicht in der Praxis und ab dem 11.08-30.08 im Urlaub sein wird. Er behauptet, er hätte mir das bereits gesagt, was einfach nicht stimmt. Ich habe momentan nur ihn (ich isoliere mich selbst von meinen Freunden und bin dadurch recht einsam) und hätte es mir definitiv gemerkt, weil er der einzige Termin ist, den ich habe und mir dieser auch sehr wichtig ist. Er hat mich sicherlich mit anderen Patienten verwechselt, denen er Bescheid gesagt hat. Ich habe ihm dann erklärt, dass ich das heute zum ersten Mal höre und mir sowas auch gemerkt hätte. Er wollte das nicht glauben.
Ich frage mich, warum er vergisst, mir das zu sagen, wenn ich ihm angeblich wichtig bin (so sagt er) und dann auch noch darauf besteht, dass er Recht hat. Das hat mich echt wütend gemacht. Manchmal vertauscht er auch Dinge mit anderen Patienten und spricht Dinge an, die ich ihm aber nicht erzählt habe.
Jeder Mensch macht mal Fehler und er ist trotzdem ein guter Therapeut, den ich sehr schätze! Aber denkt ihr, dass ich ihm egal bin oder dass er einfach nur strikt eine Grenze ziehen möchte, weil ich ihm ja gestanden habe, dass ich etwas mehr für ihn empfinde?
Liebe Grüße
Nebell

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candle.
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Beitrag Di., 13.07.2021, 21:23

Was macht dich denn so wütend? Der Urlaub ist ja noch ein paar Wochen hin.

Die Frage, die du stellst, kann ich gar nicht negativ beantworten und denke, dass du ihm so wichtig bist wie es für einen Therapeuten sein kann/ darf.

LG candle
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kaputt
Helferlein
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Beitrag Di., 13.07.2021, 21:38

Auch wenn es jetzt hart klingt die Beziehung zum Therapeuten ist rein geschäftlicher Natur. Er ist nicht verpflichtet mehr als die wöchentliche Sitzungen anzubieten. Es gibt Therapeuten die in Krisen Telefonate anbieten das ist aber auch von Thera zu Thera unterschiedlich.

Du bist nun mal nicht seine einzige Patientin. Da kann es mal zu Verwechslung kommen, wem er was oder was welcher Patient erzählt hat. Die wichtigen Dinge sollte er schon behalten, aber wrm er nun von seinem Urlaub erzählt hat finde ich nicht so weltbewegend.

Ich denke schon dass du seinem Thera wichtig bist und er dich mag, sonst würde er nicht mit dir arbeiten. Aber rein auf geschäftlicher Basis

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Sydney-b
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Beitrag Di., 13.07.2021, 21:53

Vielleicht wollte er dir letzten Donnerstag mitteilen, dass er nächste Woche nicht in der Praxis ist? Weil er es in der letzten Woche allen anderen Patienten auch gesagt hat?
Dann hätte er es einfach nicht mehr auf dem Schirm gehabt.
Eine Woche vorher Bescheid geben wäre für mich völlig in Ordnung.
Er ist ja nur eine Woche nicht da.
Den längeren Urlaub (In einem Monat!) hat er dir ja rechtzeitig mitgeteilt, so dass du dich gut darauf einstellen kannst.

Ja, er scheint seine Grenzen sehr klar zu setzen.
Er möchte bestimmt nicht, dass du ihn zu deinem einzigen "Mittelpunkt" machst.
Am Ende würde dich das sehr unglücklich machen.

Vielleicht kannst du ja versuchen, dich nicht mehr zu sehr zu isolieren und ab und zu was mit Freunden unternehmen?

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Solage
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Beitrag Di., 13.07.2021, 21:58

Hallo Nebell,
du bist deinem Therapeuten bestimmt nicht egal. Weil, dann wäre er nicht mehr dein Therapeut. Könnte dir gar nicht mehr therapeutisch hilfreich sein.
Er wirkt ein bisschen verpeilt auf mich. Vielleicht ist das einfach sein Charakter

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Solage
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Beitrag Di., 13.07.2021, 22:01

Tiefenpsychologisch sind deine Befürchtungen oder Übertragungen schon Arbeitsmaterial. Das tatsächliche Verhalten des Therapeuten löst in der Übertragung solche Ängste in dir aus.

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lisbeth
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Beitrag Mi., 14.07.2021, 07:15

Hallo Nebell,

es ist seine Aufgabe und seine Verantwortung als Therapeut, auf den Rahmen und die Grenzen zu achten, dass die eingehalten werden. Denn ansonsten würde die Therapie dir womöglich mehr Schaden zufügen als dass sie dir Nutzen bringt. Insofern zeigt sich seine (Für-)Sorge gerade darin, dass er diese Grenzen einhält. Ist ein wenig paradox, ich weiß.

Dass diese Gefühle dann bei dir auftauchen, dass du nicht wichtig bist, ist das Echo der Vergangenheit. Das sind die alten Gefühle, die du vermutlich seit deiner Kindheit kennst und die in dieser Situation (weil sie dir "bekannt" vorkommt) dann reaktiviert werden. Dass solche Gefühle auftauchen ist daher völlig normal und zu erwarten. Ob dein Therapeut damit dann arbeitet, kann dir hier keiner sagen. Als Verhaltenstherapeut ist seine Ausbildung weniger auf die zwischenmenschlichen Prozesse und Dynamiken ausgerichtet. Es gibt trotzdem VT-Therapeuten, die sowas aufgreifen.
Ansprechen würde ich es an deiner Stelle trotzdem.
Und vielleicht könntest du auch den einen oder anderen Wunsch äußern solange der therapeutische Rahmen nicht verlassen wird. Z.B. dass du dir mit dem abrupten Ende sehr schwer tust und dich vor die Türe gesetzt fühlst. Er könnte ja 5-10 min vorher ankündigen, dass ihr euch dem Ende der Stunde nähert. Dann kommt das für dich nicht ganz so plötzlich, auch wenn es am Ende der Stunde an sich nichts ändert.

Das mit den Verwechslungen hört sich einfach verpeilt an, ich glaube nciht, dass er das macht um dir etwas zu signalisieren. Kann auch einfach sein, dass er urlaubsreif ist und etwas überarbeitet. Geht ja nach diesem Corona-Jahr vielen so.

Dass du dich nur noch auf den Therapeuten fokussierst, finde ich auch etwas schwierig. Dadurch bekommt er als Therapeut automatisch ein noch größeres Gewicht in deinem Leben. Den Impuls, sich von Freunden zurückzuziehen, kennen hier sicherlich viele, vor allem wenn es einem nicht gut geht. Aber statt sich komplett aus allem rauszunehmen, wäre es besser, da für dich ein Gleichgewicht zu finden, das dir weiter Kontakt mit deiner Umwelt ermöglicht ohne dich zu überfordern. Wenn dich große Gruppen stressen, dann lieber Treffen zu zweit oder zu dritt. Lieber an ruhigen Orten wenn du keine Lust auf "Party" hast. Zusammen etwas unternehmen, wenn du das Gefühl hast, du hast grad nicht viel zu erzählen, dann ergibt sich der Gesprächsstoff ganz automatisch aus der Unternehmung heraus.
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott

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münchnerkindl
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Beitrag Mi., 14.07.2021, 10:55

Solage hat geschrieben: Di., 13.07.2021, 22:01 Tiefenpsychologisch sind deine Befürchtungen oder Übertragungen schon Arbeitsmaterial. Das tatsächliche Verhalten des Therapeuten löst in der Übertragung solche Ängste in dir aus.


Sehe ich auch so. Das wäre ein Thema das in einer guten tiefenpsychologischen Therapie seinen Platz hat und bearbeitet werden kann.
Ich würde es genau wie du es hier gemacht hast ansprechen und dann kannst du schauen, ob es eine Mögllichkeit gibt, das mit ihm zu bearbeiten.

Dass eine Therapiestunde pünktlich endet ist klar, der nächste Klient will ja auch pünktlich anfangen. Dass der Therapeut die Stunden so laufen lässt dass du gegen Ende noch total aufgewühlt bist und dann so gehen musst ist ungut von ihm. Das solltest du ansprechen, das läuft nicht gut.

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diesoderdas
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Beitrag Mi., 14.07.2021, 11:00

Das mit dem Urlaub empfinde ich als rechtzeitig angesagt.

Allerdings kann ich nachvollziehen, dass du wütend wirst, wenn er drauf besteht Recht zu haben, es dir bereits gesagt zu haben - und wenn das eben nicht stimmt. Kann mir nicht vorstellen, dass du sowas vergessen oder überhört hättest.

Da bin ich aber selbst gebranntmarkt aus der letzten Therapie, weil es da des öfteren zu so Situationen kam, wo "wer hat Recht" im Raum stand. Ich meine, ich weiß, wer Recht hatte und es nervt einfach grandios, wenn ein anderer da verdreht ist (es ging da wirklich nur um handfeste Fakten).

Dass Sachen mal verwechselt werden, finde ich verständlich. Das kann eben passieren, wenn er viele Leute betreut. Irritieren würde es mich dennoch - zumindest wenn es öfter passieren würde.
Ich habe aber auch schon die Erfahrung gemacht, dass eine Person, die vor vielen Jahren ihren Job an mir machte, kein einziges Mal etwas verwechselt hat und sogar heute noch (sporadischer privater Kontakt) z.B. Namen von Freundinnen noch kennt, von denen ich mal erzählt hatte....

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Fairness
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Beitrag Do., 15.07.2021, 09:58

Liebe Nebell,

das könntest du deinen Therapeuten so fragen. Weil wie er über dich denkt, oder fühlt, das kann nur er dir sagen... Und es ist dann an dir, ihm zu glauben, wenn er für dich vertrauenswürdig ist.

Du sprichst an, was er sagte, oder nicht, jedoch was dich wirklich interessiert, ist ob du ihm egal bist.... Du sagst ihm das aber so nicht und auf mich macht es den Eindruck, dass du dadurch testest, ob er selbst im Bezug auf dich drauf kommt.

Es ist okay, zu sagen, was man braucht... und welche Unsicherheiten man hat. Es macht auch die Beziehung ehrlicher und ermöglicht, einander besser entgegen zu kommen, im Rahmen der Möglichkeiten und des Willens.

Lieben Gruß,
Fairness
Man sieht, was man am besten aus sich sehen kann. (C.G.Jung)

Grief is just love with no place to go. (Jamie Anderson)

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