Psychotherapeut Zusagen?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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lapaloma
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Psychotherapeut Zusagen?

Beitrag Mi., 01.09.2021, 15:45

Liebe Forum-Mitglieder,

zu meinem Hintergrund: Ich bin in schweren Familiären Verhältnissen aufgewachsen. Ich hatte soweit ich zurückdenken kann nie eine Vertrauensperson und habe deswegen alle Probleme immer runtergeschluckt. Nun mit ca. 30 merke ich, es mir extrem schwer fällt Vertrauen aufzubauen und ich viele soziale Ängste habe. Freunde habe keine engen und meine Beziehung ist gerade nach langer Zeit zerbrochen.
Ich habe mir das Ziel gesetzt alles aus meiner Kindheit über eine Psychotherapie aufzuarbeiten und suche seit Monaten nach einen Therapeuten. Ich habe bis jetzt neben viele Absagen nur eine Zusage bekommen. Jetzt stellt sich mir die Frage, ob ich den Therapeuten einfach so zusagen soll oder ich erst weitere Gespräche suchen soll.
Ich habe ein ungutes Gefühl, da der Therapeut in der 3.ten Probe-Stunde eine Menge Regeln aufgestellt hat. So soll der Urlaub generell nur in den Urlaubszeiten des Therapeuten erfolgen und wenn ein fester Termin nicht wahrgenommen wird, muss ich diesen zahlen (auch wenn ich kurz vorher einen Unfall habe etc.) Daneben sagt dieser von Anfang an, dass ich mehrere Anträge stellen muss, wir erst einmal mit 12 Stunden starten, dieses dann aber auf das maximale von 300 erweitern. Die 300 Stunden werden nach der Meinung des Therapeuten bei allen Patienten auch komplett benötigt und generell bis zum Ende aufgebraucht. Daneben soll ich angeben keinen Hausarzt zu haben, damit keine Berichte erstellt werden müssen.

Generell bin ich mir unklar, wie ein guter Therapeut ist und möchte mich ungern vorschnell an eine 300 Stunden Therapie binden. Die Atmosphäre war von Anfang an eher kühl und 100 Prozent wohl habe ich mich nicht gefühlt. Dies fällt mir aber generell schwer und ich bin eher eine Person die anderen schwer vertraut.

Sind die Regeln normal in einer Psychotherapie und wie habt ihr einen passenden Therapeuten gefunden?

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kaja
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Beitrag Mi., 01.09.2021, 15:50

Ich würde da meinem Gefühl trauen und von diesem Therapeuten Abstand nehmen.

Die Bedingungen klingen nach einem "klassischen" Psychoanalytiker. Diese Art der Reglementierung wird dann zwar oft als "therapeutisch" verkauft, in Wahrheit geht es aber nur darum das ein Selbstständiger seinen finanziellen Einkünfte konstant sichern möchte.

Er will es für ihn selbst möglichst bequem und ohne Kontrollinstanzen abwickeln. Da würde ich mich schon fragen was er zu verbergen hat. Pauschal zu sagen alle Kunden brauchen 300 Stunden, zeugt nicht von einer individuellen Behandlung, sondern eher von einer finanziellen Melkkuh die der Klient für ihn ist.

Wenn man ein solches Verfahren wählen möchte, dann gibt es auch genug andere die seriöser arbeiten.
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wind of change
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Beitrag Mi., 01.09.2021, 16:07

Wenn die Atmosphäre von Anfang an kühl war ..... mein erster Impuls nachdem ich das gelesen hatte: nur weg! Und lass dich nicht "einwickeln", das ist vielleicht für dich besonders schwer mit sozialen Ängsten.
Jedenfalls ging es mir ähnlich, ich HABE mich (wenn auch nur durch ihre indirekte Reaktion, sie ist nicht kühl) einwickeln lassen und jetzt sitz ich wie auf heissen Kohlen weil mir immer noch nicht das Geld von der einen Stelle überwiesen wurde. Und wegen dem Geld und der "Melkkuh" hatte ich von Anfang an ähnliche Gefühle, auch wenn ich ihr da vielleicht erwas Unrecht tue. Aber sie sprach auch ziemlich schnell von "300 Stunden" und ich bin da aber eher reserviert aus insbesondere rein "praktischen Gründen" (Geld usw)
Gehe so weit, wie du sehen kannst. Wenn du dort ankommst, wirst du sehen, wie es weitergeht.
(Autor unbekannt)
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alatan
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Beitrag Mi., 01.09.2021, 18:39

Geht mir auch so wie den Vorpostern. Hände weg von solchen Analytikern. Urlaub, wenn er Urlaub hat? Ich glaub, es hakt. Die Gefahr einer destruktiven Abhängigkeit ist extrem groß. Für den Therapeuten wäre es ein fetter Fang, hat er für 300 h ausgesorgt.

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chrysokoll
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Beitrag Mi., 01.09.2021, 19:05

lapaloma hat geschrieben: Mi., 01.09.2021, 15:45
Sind die Regeln normal in einer Psychotherapie und wie habt ihr einen passenden Therapeuten gefunden?
möchtest du wirklich deine Vertrauens- und Bindungsstörungen mit jemand bearbeiten, der schon in der ersten Stunde kühl ist?
Möchtest du überhaupt eine klassische Analyse machen? Denn 300 Stunden sind klassische Psychoanalyse.

Informier dich über die Therapiemethoden die es gibt und triff eine Entscheidung was für dich passend sein könnte.

Es ist durchaus üblich dass man Stunden die man kurzfristig absagt zahlen muss, egal aus welchem Grund man absagt.
Normalerweise sind aber Therapeuten da schon flexibel, wenn man sonst verlässlich ist und motiviert und einmal krank wird haben die da Spielraum.
Wenn man mehrfach kurzfristig absagt oder generell bei Problemen "kneift" dann zahlt man schon mal.
Das ist auch verständlich, der Therapeut reserviert die ganze Stunde für dich, da sitzt niemand im Wartezimmer der dann dran genommen werden könnte.

Kann es sein dass du da mit dem Hausarzt was falsch verstanden hast?
Denn einen Hausarzt bzw. einen Konsiliarbericht von einem Arzt brauchst du sowieso.
Vielleicht war gemeint du sollst ankreuzen dass keine Berichte an den Hausarzt weiter gegeben werden?
Das hab ich auch, denn ich mag und vertraue zwar meinen Hausarzt, die Psychotherapie Berichte möchte ich trotzdem nicht bei ihm haben.
Aber das entscheidest du, es ist mehr als merkwürdig wenn der Therapeut da gleich mal Vorgaben macht.f

Was hast du denn schon unternommen um einen Therapeuten zu finden?

Tipp ist immer auch: Ausbildungsinstitute anfragen
Und sich auf Wartelisten bei verschiedenen Therapeuten setzen lassen, oft wird da doch mal was frei

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wind of change
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Beitrag Mi., 01.09.2021, 19:20

Ich hab fast das Bedürfnis, dich anzuflehen dich nicht drauf einzulassen wenn du jetzt schon ein schlechtes Gefühl hast. Aber natürlich ist das letztlich ganz allein deine eigene Entscheidung.
Manchmal "muss" man auch schlechte Erfahrungen machen, bevor man den Mut hat, sich den guten Erfahrungen zuzuwenden. Ich hoffe, dass dir Jahre mit schlechten Erfahrungen mit Abhängigkeit und immer neuen Enttäuschungen und Schmerzen erspart bleiben sondern du jetzt schon den Mut hast, dir da wirklich das beste zu geben und zu gönnen was möglich ist.
Nochwas, du schreibst dass du dir vorgenommen hast, alles aus deiner Kindheit über eine Psychotherapie aufzuarbeiten. Das klingt nach sehr viel was du dir vorgenommen hast (wenn auch verständlich) und ich weiss nicht ob das jemals möglich sein wird oder sein kann. Vielleicht kannst du auch jetzt schon nach "Lichtpunkten" suchen, die dir auch jetzt schon Kraft geben können. Alles Gute
Gehe so weit, wie du sehen kannst. Wenn du dort ankommst, wirst du sehen, wie es weitergeht.
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No Twist
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Beitrag Do., 02.09.2021, 07:06

Ausfallhonorare sind tatsächlich normal - wobei es da natürlich Spielraum gibt. Ich hab in krassen Phasen Termine verpasst, und musste letztlich nicht zahlen. Was ich schwierig finde: Den Urlaub so planen, wie der Therapeut? Spinnt der? Du hast dich ihm anzupassen? Was deinen Urlaub angeht? Wie wird denn da die Therapie, frag ich mich? Musst du dann auch jeder seiner Deutung zustimmen, alles wo du dich nicht richtig gesehen oder verstanden fühlst, wird zu Widerstand? Weil er ist ja der absolute Boss... irgendwie könnte ich damit gar nicht umgehen, weil mir die Therapie nicht so sehr in mein Leben eingreifen dürfte und ich selbstständig bleiben möchte. Ich bringe da sicherlich zwei verschiedene Sachen zusammen, aber irgendwie hätte ich diese Befürchtungen...
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Und für einen Augenblick leb ich im Jetzt

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metropolis
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Beitrag Do., 02.09.2021, 07:52

Hallo Lapaloma,

Ich würde dir auch von diesem Therapeuten abraten, es sei denn er lässt sich auf eine Anpassung der Regeln ein.

Mein Ex-Therapeut, den ich mehr als schätze, hatte ähnliche Regeln, die anfangs akzeptierte, weil ich es nicht besser wusste. Später hatten wir aufgrund dieser Regeln immer wieder Konflikte, weil ich sie unfair empfand.

Mein Ex-Therapeut hat zwar nicht erwartet, dass ich meinen Urlaub an seinen Urlaub anpasse, aber ich hatte nur zwei Wochen pro Jahr (was 4-6 effektiven Sitzungen entsprach je nach bestehender Stundenfrequenz), die absagen durfte für Urlaub und sonstiges. Ist meistens aufgegangen die Rechnung bis auf ein Jahr, da hätte ich dann Ausfallhonorar zahlen müssen, egal wie früh ich abgesagt hätte. Wir haben das regelrecht ausgefochten, ich wollte nicht zahlen. Weiß nicht mehr, ob ich mich durchgesetzt habe. Ich war Studentin und hatte zusätzlich eine Familie zu versorgen. Ausfallhonorare wären für mich kaum zu leisten gewesen.

Im Grunde finde ich ein Ausfallhonorar richtig für Therapeuten, aber es sollte eine vernünftige Absagefrist geben.

Ich glaube, das sind noch verstaubte Analytiker-Regelungen, die mal verhindern sollten, dass der Patient aus einer negativen Übertragung oder eines Widerstands heraus Stunden kurzfristig absagt oder einfach nicht wahrnimmt. Total veraltet.

Bei mir würden die Alarmglocken läuten, wenn ich nochmals solche Regelungen für eine Therapie vorgelegt bekomme, auch wenn das nicht heißen muss, dass der Therapeut schlechte Therapiearbeit leistet.

LG

metropolis
"Ja und dann? Weißt du nicht mehr? Wenn ich und du nicht gekommen wären und den kleinen Häwelmann in unser Boot genommen hätten, so hätte er doch leicht ertrinken können!"

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Montana
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Beitrag Do., 02.09.2021, 11:58

Die Urlaubsregelung ist schlicht lebensfremd und funktioniert höchstens, wenn man alleine lebt. Mein Mann geht z.B. arbeiten und die Firma erwartet zurecht, dass Urlaubszeiten unter den Kollegen so ausgehandelt werden, dass nie zu viele gleichzeitig weg sind. Als ich noch arbeiten ging, war das natürlich bei mir exakt genauso. Da versucht man dann schon, gleichzeitig Urlaub zu bekommen. Und dann noch die feste Vorgabe der genauen Zeiten durch den Therapeuten? Nee. Das hieße, jahrelang nicht wegfahren.
Eine Festlegung auf 300 Stunden wäre es aber natürlich nicht, denn die müssen letztlich nicht wahrgenommen werden, nur weil sie genehmigt wurden. Aufhören kann man jederzeit. Dass angeblich alle seine Patienten tatsächlich 300 Stunden kommen, halte ich für abwegig. Nicht nur, weil das bestimmt nicht jeder "braucht" oder will, sondern weil er so strenge Regeln aufstellt. Die hätte er nicht nötig, wenn er keine Angst vor einem Davonlaufen seiner Patienten hätte. Warum hat er die nur? Und hat er deswegen überhaupt einen Platz anbieten können? Das würde mich nachdenklich machen.

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Beitrag Do., 02.09.2021, 21:05

lapaloma hat geschrieben: Mi., 01.09.2021, 15:45 So soll der Urlaub generell nur in den Urlaubszeiten des Therapeuten erfolgen
Klar.

Weil es ja nicht schon schwierig genug ist mit seinen Arbeitskolleg*Innen seinen Urlaub abszusprechen, so dass alles passt.
Man kann sich ja als Arbeitnehmer*in seinen Urlaub nehmen wie man will. :kopfschuettel:
Das wichtigste ist natürlich, dass der Urlaub parallel zum Urlaub mit seinem Therapeuten liegt.
Dass andere ist normal.
Außer, dass er zu bequem ist Berichte zu schreiben. Naja.
Ich würde sagen, dein ungutes Gefühl könnte da schon brechtigt sein.

Vor allem, dass ALLE den Stundenhöchstsatz wirklich brauchen, ist ja auch Quatsch.
"You cannot find peace by avoiding life."
Virginia Woolf

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