Dauer von Psychoanalysen

Hier können Sie Ihre Fragen rund um die Rahmenbedingungen von Psychotherapie (Methoden, Ablauf usw.) anbringen.

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Dauer von Psychoanalysen

Beitrag So., 16.08.2020, 20:58

Hallo alle zusammen
Ich bin neu hier und stehe kurz vor dem Ende einer 5 Jahre langen PA (300 Stunden).

Ich habe hier viel mitgelesen und festgestellt, dass 300 Stunden selten? benötigt werden.
Ist das so? Wer hat noch so viele Stunden Therapie gemacht oder wird sie noch so lang machen?

Etwas zu mir; ich bin durch Zufall, ahnungslos bei einer PA gelandet. Es fing mit 20 Stunden an, dann sollten es 80 sein. Als 80 bewilligt wurden, ich aber erst dann anfing zu reden, änderte die Therapeutin den Antrag auf 160 mit dem Hinweis, diesen verlängern zu können. Damals konnte ich mir gar nicht vorstellen, so lange diese „Torturen“ auf sich zu nehmen. Aber wenn man mitten drin ist, kann man gar nicht mehr weg. Nach 240 ging’s mir erst gut. Nach 270 richtig gut. Die Regression - Phase dauerte sehr lange bei mir und ich bin sehr froh, dass ich so viele Stunden begleitet wurde.

Ist das eine totale Ausnahme? Ich dachte eine PA dauert meist sooo lang.

Ich freue mich auf eure Antworten.
Zuletzt geändert von Tristezza am Mo., 17.08.2020, 07:10, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Betreffzeile "Fragen zu Psychoanalyse" präzisiert.

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Montana
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Beitrag So., 16.08.2020, 22:02

Frag doch mal deine Therapeutin nach ihrer persönlichen Statistik. Ich habe auch 300 Stunden gemacht. Und mein Therapeut hat mir ganz am Ende gesagt, dass ich bei ihm die erste war. Er war schon Mitte oder Ende 50, also nicht jung und unerfahren. Er hatte vorher noch nie über die 160 Stunden hinaus verlängert. Das lag aber unter anderem auch daran, dass viele Patienten aufhören, wenn es zu unangenehm wird. Ich war da hartnäckiger und es schien ihn zu interessieren, warum eigentlich. Das hatte tatsächlich einen bestimmten Grund, und kurz vorm Weglaufen war ich wirklich auch sehr oft.
Ich habe zum Glück während der gesamten Therapie nicht gewusst, dass so eine lange Therapie für ihn Neuland war. Ich dachte wie du, das ist der Normalfall.


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Beitrag So., 16.08.2020, 23:19

Hallo Montana,
Ich habe nie ernsthaft ans Aufhören gedacht.
Gefragt habe ich schon und die Antwort bekommen, dass PA oft 300 Stunden dauert.
Ich hatte so viele Themen und musste erst sprechen lernen, so dass weniger Stunden nix gebracht hätten.
Interessant aber was du sagst...
wenn das so wäre, dann würde es heißen, dass alle anderen von ihm abgehauen sind. Das ist kein gutes Zeugnis ...

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Anna-Luisa
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Beitrag Mo., 17.08.2020, 06:16

Bilderbuch hat geschrieben: So., 16.08.2020, 23:19 Interessant aber was du sagst...
wenn das so wäre, dann würde es heißen, dass alle anderen von ihm abgehauen sind. Das ist kein gutes Zeugnis ...
Es kann auch sein, dass Patienten von ihm in weiteren hundert(en) Stunden keinen Nutzen mehr für sich gesehen haben.
Fordere viel von dir selbst und erwarte wenig von den anderen. So wird dir Ärger erspart bleiben.
(Konfuzius)

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ziegenkind
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Beitrag Mo., 17.08.2020, 09:06

Meine PA hat ca. 800 Stunden gedauert. Ja, ist viel. Aber das war es wert. Sie ist seit 6 Jahren beendet und mir geht es immer noch so unbeschreiblich viel besser als zuvor - in der Beziehung zu mir selber, in der Beziehung zu anderen Menschen. Da ist viel mehr Freiheit, viel mehr Sicherheit. Ich habe gelernt mich selber wirklich ganz tief anzunehmen und mir in Stunden der Not flugs einen Zwischenboden zu zimmern, der verhindert, dass ich so tief und so schmerzhaft falle, wie das früher regelmäßig getan habe.

Ich brauchte diese vielen Stunden, ich brauchte 7 Jahre. Schließlich habe meine Täter auch viele Jahre gehabt, um mich zu verbeulen und zu vernarben, mich zu demütige, körperlich zu verletzen und mir einflößen, ich sei nichts wert, mit mir könne man das machen. Nee, in der Rückschau wundert mich gar nicht, dass das gedauert hat solange wie es gedauert hat.

Und jetzt ist wirklich gut. Anders als viele reflexartig unterstellen, bin ich nicht in Abhängigkeit einbetoniert worden. Davor habe ich selber Angst gehabt. Aber am Ende war alles ganz einfach, weil ich irgendwann wirklich wusste, jetzt ist gut.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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Montana
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Beitrag Mo., 17.08.2020, 09:30

Das war bei mir leider anders. Das Ende war das Ende, weil es keine Stunden mehr gab. Zwar gibt es theoretisch weitere Möglichkeiten, man KANN ja versuchen, bei der KK Stunden außerhalb des Regelfalls zu bekommen und dann gibt es noch den Fonds, bei dem ich gern einen Antrag gestellt hätte. Aber der Therapeut wollte das nicht. Ich hätte weiterhin kommen dürfen, aber ausschließlich als Selbstzahler. Er sagte, ich hätte genug Hilfe erhalten und es sei nicht gut, wenn ich weitere Hilfe erhielte. Meine Psychiaterin war ebenfalls der Ansicht, es sollte zu Ende sein mit der Therapie und ich solle arbeiten gehen. Ich bin in unbefristeter Erwerbsminderungsrente, was ich zu dem Zeitpunkt noch nicht gewagt hatte zu erzählen. Also, dass ich Rente erhielt war bekannt, aber die Aufhebung der Befristung war neu.
Ich habe mich an eine Beratungsstelle gewendet und von dort wurde der Kontakt zu einem Traumatherapeuten hergestellt. Der wiederum erklärte meiner Psychiaterin, was eine dissoziative Störung eigentlich bedeutet und dass die bisherige Therapie eigentlich gar nicht zählt, weil ja die Dissoziation immer ausgeklammert wurde. Er schlug mir von sich aus vor, später einen Antrag beim Fonds zu stellen. Denn er wusste ja nicht, dass ich den bereits kannte.
Die aktuelle Therapie ist sehr anders und ich bin froh, dass es keine Themen gibt, die von vornherein Tabu sind. Weil das so abstrakt klingt ein Beispiel aus der letzten Therapie: ich versuchte, über meine DIS-Diagnose zu sprechen, die ich schon vorher hatte. Darauf kam: "Warum WOLLEN Sie denn unbedingt diese Diagnose haben?" Na ja, wollte ich eigentlich gar nicht, aber drüber sprechen wäre gut gewesen. Ich habe es dann gelassen, um zu zeigen, dass ich die Diagnose eben gerade nicht "unbedingt wollte". Während der fünf Jahre habe ich mehrfach versucht, ob sich etwas geändert hat und wir doch drüber sprechen könnten, aber das war nicht der Fall. Dadurch blieb ein riesiges Thema unberührt und was die Arbeitsfähigkeit angeht, bin ich während der Therapie abgeschmiert von vollzeit berufstätig bis Rente. Eine totale Erfolgsgeschichte war es also eigentlich nicht.


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Beitrag Mo., 17.08.2020, 21:41

Hallo Ziegenkind
Hast du die Stunden allein finanziert?
Ich verstehe, dass auch 800 Stunden notwendig sein können. Wie war dein Abschied so? Hast du viel getrauert?


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Beitrag Mo., 17.08.2020, 21:46

Montana, meinst du wegen der 5 Jahre PA bist du arbeitsunfähig geworden? Ich hoffe nicht....
Das wird man bestimmt nicht an einer Sache festmachen aber wenn ich nachdenke....
Ich hätte meinen Job verloren, wenn ich in freier Wirtschaft gearbeitet hätte: Wegen Krankmeldungen, die durch die PA vonnöten waren.
Eine PA ist sehr gefährlich, finde ich.
Sie treibt einen in eine Sackgasse, aus der man nicht allein rauskommt

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Montana
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Beitrag Mo., 17.08.2020, 21:58

Nein, ich bin doch nicht deswegen arbeitsunfähig geworden, auf keinen Fall. Die Therapie hat es aber auch nicht verhindert, und das ist doch zumindest sehr schade. Ich habe mich nie krank gemeldet wegen der Therapiestunden. Dank Gleitzeit und sehr flexibler Urlaubsregelung hab ich das hingekriegt. Mir war es sogar irgendwann sehr recht, die Therapie als Grund für unbezahlten Urlaub zu haben, denn sonst hätte ich mir den niemals "gegönnt", obwohl ich auf dem Zahnfleisch ging. Ich hätte damals auch offiziell die Arbeitszeit reduzieren wollen, aber mein Arbeitgeber hat vorgeschlagen, das über unbezahlten Urlaub jeweils tageweise oder sogar nur halbe Tage zu machen.

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Montana
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Beitrag Mo., 17.08.2020, 22:09

Ich habe den Job (in der freien Wirtschaft) übrigens nicht verloren. Ich bin nach wie vor dort angestellt und habe auch uneingeschränkt Zugang zu den Gebäuden. Wenn ich wieder arbeitsfähig werde, dann habe ich sofort den Job wieder. Ich finde das irgendwie skurril, denn obwohl ich auf der Arbeit irgendwann heillos überfordert war und extrem viel Zeit sinnlos vergeudet habe, weil ich gar nicht geradeaus denken konnte: das fiel kaum auf. Am Ende war ich immer noch produktiver als manch anderer, in einem Bruchteil der Zeit. Aber mit massivem Abbau meiner Ressourcen.

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Mondmann
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Beitrag Mi., 26.08.2020, 20:08

Ich habe hier viel mitgelesen und festgestellt, dass 300 Stunden selten? benötigt werden
Um das festzustellen, müsste man Statistiken lesen. Wenn du hier fragst, bekommst du nur einen Ausschnitt. Tatsächlich hängt die Dauer einer Analyse von vielen Faktoren ab, die mit dir selbst wiederum nichts zu tun haben werden:

- Es gibt Therapeuten, die lange Therapien bevorzugen und für die es "normal" ist, so lange mit ihren Patienten zu arbeiten. Und es gibt Therapeuten, die davon nichts halten und annehmen: "Was nach drei Jahren nicht geheilt ist, heilt nach sechs Jahren auch nicht mehr". Das ist eine Grundeinstellung zum Leben überhaupt, sozusagen, und es gibt hier kein "richtig" oder "falsch", sondern nur eine möglichst günstige Passung. Deshalb redet man am besten zu Beginn der Therapie über den groben Rahmen dessen, was erwartet wird oder (un)möglich erscheint - das kann sich natürlich immer noch ändern...

- Es gibt Patienten, die im Laufe einer Therapie neue problematische Lebenserfahrungen machen, wodurch diese Patienten zurückgeworfen werden.

- Es gibt Patienten, die schwer Zugang zu ihren Gefühlen bekommen.

- Es gibt Patienten, die mit früheren Therapeuten schlechte / missbräuchliche Erfahrungen gemacht haben, wodurch es schwierig ist, neu Vertrauen zu fassen.

- Es gibt Konstellationen im Setting (Frequenz), die eher dazu führen, dass die Therapie nach dem Muster "zwei Schritte vor, einer oder zwei oder drei zurück" abläuft.

- Es gibt neurotische Patienten mit einigermaßen stabilen Ich-Funktionen, und es gibt Patienten, die leicht aus der Bahn geworfen werden, weil da nichts hält. Mit anderen Worten: Es gibt Patienten, die "offiziell" nicht unbedingt analyse"geeignet" wären, auf die sich ein Therapeut aber trotzdem einlassen mag.

- Es gibt "herausfordernde" Patienten; es gibt "unproblematische" (manche würden sagen: langweilige) Patienten.

- Es gibt - auch das - fruchtbare Therapien, die irgendwie Freude bereiten und die deshalb gerne länger laufen, weil "immer was passiert".

- Es gibt lähmende Therapien, die frühzeitig aufgegeben werden, weil keiner der beiden (oder einer von beiden) sich nicht mehr lähmen lassen kann.

- Es gibt fruchtbare Therapien, in denen es "flutscht" und die daher früh beendet werden können.

- Es gibt Patienten, die Angst vor Bindungen haben und die, wenn das nicht erkannt wird, meinen, "es" sei gut, obwohl die Angst noch gar nicht bearbeitet wurde.

- Es gibt Patienten, die Abhängigkeiten entwickeln und die behutsam begleitet werden müssen, damit sie sich nicht rausgeworfen fühlen.

- Es gibt Patienten, die das Glück haben, mehr als 300 Stunden finanziert zu bekommen.

- Es gibt Patienten, die ihre Analyse ganz oder teilweise selbst zahlen wollen oder müssen.

- ...

Ich weiß nicht, ob die Frage: "Wie lange laufen die Analysen denn so?" dir da mehr nützt als das Bewusstsein darüber, dass im Leben vieles, allzu viel, von Faktoren abhängt, die außerhalb unserer selbst liegen.

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Mondmann
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Beitrag Mi., 26.08.2020, 20:11

Ich habe bisher ca. - auf zwei Analysen, die sich unmittelbar aneinander anschlossen, verteilt - 540 Stunden gehabt. Und ich gehe weiter hin, keine Ahnung, wie lange.

Mich wirst du aber in einem Haufen der von mir genannten Stichpunkte wiederfinden, sodass "doch so lange" hier eben auch nicht greift.


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Beitrag Mi., 26.08.2020, 21:53

Mondmann, danke Dir!
540 Stunden sind eine ganze Menge... wow...
Aber für mich gibt es keinen Unterschied zwischen z.B. Krankengymnastik für chronisch kranke Patienten und Psychotherapie für chronisch kranke Patienten.
Ich finde es gut, dass es die Möglichkeit gibt.
Vermutlich macht meine Therapeutin gerne lange Therapien wenn sie sagt, das wäre nichts Besonderes; 300 Stunden PA.


ziegenkind
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Beitrag Mi., 26.08.2020, 23:01

Bilderbuch, hab Deine Frage an mich jetzt erst gesehen. Ich hab 2 x 300 Stunden bewilligt bekommen und den Rest zu einem ermäßigten preis selber gezahlt. Für den Abschied haben wir uns 9 Monate Zeit gelassen und dann war es ganz einfach zu gehen, weil alles gesagt war. Getrauert habe ich in den letzten Monaten in der Therapie. Danach nicht mehr.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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Philosophia
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Beitrag Do., 27.08.2020, 12:36

Spannend, ziegenkind, ich habe auch eher in der Analyse getrauert und nicht so sehr hinterher.
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer

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