Validität psychiatrischer Diagnosen

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Nikolas
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Validität psychiatrischer Diagnosen

Beitrag Sa., 25.01.2014, 00:14

Ob ICD 10 oder DSM 4, beiden Diagnosemanualen mangelt es an objektiv, wissenschaftlicher Validität. Die Entwicklung von DSM 3 und 4 unter der Leitung von Dr. Spitzer sind auf Konsens (verschiedener Psychiater) gründende Werke mit fiktiven Störungen und äusserst subjektiven Interpretationen menschlichen Verhaltens. Die zugrundelegende Prämisse, dass chemisches Ungleichgewicht im Gehirn Ursache diverser psychiatrischer Erscheinungsbilder ist, ist keinesfalls wissenschaftlich validiert. Es ist und bleibt eine These welche skrupellos von der Pharmaindustrie instrumentalisiert wird um Absätze zu erzielen. Völlig natürliches, menschliches Verhalten wird in äusserst besorgniserregendem Maasse von der modernen Psychiatrie pathologisiert.

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ichbins(nur)
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Beitrag Sa., 25.01.2014, 05:57

Völlig natürliches, menschliches Verhalten wird in äusserst besorgniserregendem Maasse von der modernen Psychiatrie pathologisiert.
Aus eigener Erfahrung muss ich dem leider zustimmen. Krass formuliert: Man geht mit einem Problem in die Psychiatrie und kommt mit vielen wieder raus. Muss man später nochmal dahin, werden die alten Probleme (Diagnosen) nicht etwa revidiert, sondern es werden munter immer nochmal welche draufgesetzt, selbst solche, die sich "gegenseitig widersprechen". Wenn man Glück hat, findet man dann später jemanden, der das mit einem zusammen aufräumt. Aber meistens ist es ja so, dass sich die Psychiater ungern gegenseitig am Zeug flicken und dass keiner eine (Fehl)Diagnose eines Kollegen "anzugreifen" wagt.

Ich glaube, es ist letztlich egal, welche Fassung von ICD oder DSM dabei Anwendung findet: die Diagnosen werden immer großzügiger verteilt, und natürlich gibt es dann für alle auch "zufällig" sehr schnell die passenden Medikamente auf dem Markt...
[center]Wie können wir wissen, wer wir sind,
wenn wir nicht wagen,
was in uns steckt?
(Paulo Coelho)[/center]

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Madja
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Beitrag Sa., 25.01.2014, 09:15

Der Psychiater in der TK, in der ich gestern war sagte: "Wie viele Psychiater, so viele Lösungen für das gleiche Problem. Psychiatrie ist eine Wissenschaft, die sehr bewegliche Rahmen hat".
Freiheit heißt Verantwortung. Deshalb wird sie von den meisten Menschen gefürchtet. - George Bernard Shaw

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Broken Wing
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Beitrag Sa., 25.01.2014, 13:30

Grundsätzlich ist jedes Verhalten natürlich. Geht gar nicht anders. Ob es verständlich, angemessen ist oder dem entspricht, wie die meisten Menschen in vergleichbarenSituationen handelt, ist eine ganz andere Frage.
Ansonsten bin ich auch der Meinung, dass die Psychiatrie keine Wissenschaft ist, da Wissenschaften was mit Wissen zu tun haben.
Dass man nichts messen kann, hat auch seine Vorteile. Ich zB nehme keine Tabletten, will aber de Psychiater nicht verlieren. Hatte eine zeit lang welche genommen, doch alles blieb beim Alten, evtl. kam noch Appetitverlust und Schwindel dazu. Ich habe sie abgesetzt und behaupte nun, dass ich sie weiternehme. So kann ich eine Art Kurztherapie in Anspruch nehmen, die mich wirklich weiterbringt.
Habe zwar auch eine Therapeutin, aber die ist mir nicht so wichtig.
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]

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sandrin
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Beitrag Sa., 25.01.2014, 13:34

Also ich halte von Diagnosen gar nichts. Zumindest nichts von sehr speziellen, wie z. B. Borderline oder Persönlichkeitstörungen. Ich hab's ja glaub ich schonmal geschrieben. Mir hat man in einer Klinik mal eine Persönlichkeitsstörung nachsagen wollen, was ich erst Jahre später erfahren hatte, als mein neuer Psychiater die Gutachten anforderte. Der meinte dann, es fände das völligen Quatsch, weil alle Argumente, die sie dafür anführten, genauso auch auf stinknormale Depressionen zutreffen.

Schlimm finde ich persönlich immer, dass es ja gravierende Auswirkungen auf das Leben eines Menschen haben kann, wenn leichtfertig irgendwelche Diagnosen über einen selbst aktenkundig sind (Sorgerechtsstreitigkeiten, Versicherungsangelegenheiten, berufliche Eignungen usw.). Es hat halt auch Auswirkungen, die nicht mehr reversibel sein könnten.

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Broken Wing
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Beitrag Sa., 25.01.2014, 15:15

Borderline eine spezielle Diagnose? Ich würde sagen, die kannst dir bei jedem Dorfpsychiater holen. Je bekannter eine psychische Krankheit, desto klüger war das Marketing.
Ebenso wie Persönlichkeitsstörungen, die nicht näher spezifiziert sind.
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sandrin
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Beitrag Sa., 25.01.2014, 16:15

Naja, mit Allerweltsdiagnose meine ich z. B. Depression oder Angststörung. Oder dieses berühmte Depression und Angst gemischt.

Bei mir war es schon näher bezeichnet: Abhängige Persönlichkeitsstörung. Passte insofern gar nicht, weil das Thema in meiner ambulanten Therapie immer war, dass ich keine Nähe zulassen könnte und zu sehr auf meine Autonomie bedacht wäre.

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Broken Wing
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Beitrag Sa., 25.01.2014, 20:49

Ja. Oder Burnout bei bestimmten Fachkräften. Lächerlich. Warum gibt es eigentlich keine Pharmaka gegen Burnout? Ist ja nicht dasselbe wie eine Depression
Borderline ist leider auch ein Sammelbecken, wie Anpassungsstörung, Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen.
Die Abgrenzungen zwischen Krankheit x und y sind derart homöopathisch gering, dass der Psych. grundsätzlich ein ungewöhnlich guter beobachter sein muss und mehr Zeit erforderlich ist, als der Pat. durchschnittlich beim Psych. verbringt. Ehrlich, wie seriös ist die Diagnose Persönlichkeitsstörung nach einem 15-Min-Gespräch? Noch dazu, wenn bei einem persönlichkeitsgestörten davon auszugehen ist, dass seine Angaben mit Vorsicht zu genießen sind (natürlich unter der Voraussetzung, dass es sowas wie Persönlichkeitsungestörtheit objektiv gibt)...
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pandas
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Beitrag Sa., 25.01.2014, 21:45

Tja,

das Problem ist mindestens seit 50 Jahren bekannt und immer noch latent schwebend im Psycho-Sektor.

http://www.bonkersinstitute.org/rosenhan.html

Die Methoden sind einer gewissen (zumindest relativ gesehen) Verbesserung fähig gewesen; am Fundament rüttelt sich wenig; auch wenn die Etikette sich vermehrt haben ...
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard

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Hiob
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Beitrag So., 26.01.2014, 17:00

Man hat manchmal den Eindruck, dass es ungefähr so abläuft.

Eine Frau geht zum Therapeuten und beschreibt ihm, sie hätte starke Schmerzen im Fuß, er sei ganz rot und geschwollen, die Zehen schmerzen beim Auftreten und es sticht beim Hinsetzen. "Klarer Fall", sagt der Fachmann mit tiefer sicherer Stimme, "Sie haben einen Schmerzfuß". Damit weiß er zwar noch immer nicht, was er machen soll, aber er hat zumindest einen Namen für das, was er sieht, am besten lateinisch. Und die Patientin geht wieder raus und ist froh...."aaaaaah...ich hab Schmerzfuß. Naja, wird schon wieder werden."

Das Schlimme ist, in der Medizin läuft das generell so ab, es merkt nur niemand, weil der Kittel so grelles Licht zurückwirft, dass man sich geblendet fühlt. Keiner traut sich zu fragen, weil er nicht der erste sein will, der einfach "zu doof ist". Den Film als Realität zu verstehen.

Liebe Grüße zum Wochenstart
Hiob


leberblümchen
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Beitrag So., 26.01.2014, 17:06

Passte insofern gar nicht, weil das Thema in meiner ambulanten Therapie immer war, dass ich keine Nähe zulassen könnte und zu sehr auf meine Autonomie bedacht wäre.
...was bedeuten könnte, dass du deshalb so abweisend bist, weil du Angst hast, dann gar nicht mehr loslassen zu können oder dich im Anderen zu verlieren und deine Unabhängigkeit in einer Beziehung nicht bewahren kannst.

Ich glaube, die Frage ist immer, was man sehen möchte bzw. wie weit in die Tiefe die Diagnose gehen soll: ob mehr beschrieben wird, was sichtbar ist (die Angst bzw. Depression), oder ob geguckt wird, was dahinter steckt (die Persönlichkeitsstörung). Oder anders gesagt: Verschiedene Diagnosen müssen einander nicht widersprechen

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viciente
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Beitrag So., 26.01.2014, 17:14

Broken Wing hat geschrieben:Ansonsten bin ich auch der Meinung, dass die Psychiatrie keine Wissenschaft ist, da Wissenschaften was mit Wissen zu tun haben.
.. ; mit gesunden menschen kann man ja ausserdem schliesslich kaum geld für z.b. pillen verdienen, weshalb wir dann alles schnell pathologisieren das als jeweils nicht "angepasst" genug bewertet wird!

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sandrin
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Beitrag So., 26.01.2014, 19:38

leberblümchen hat geschrieben:
Ich glaube, die Frage ist immer, was man sehen möchte bzw. wie weit in die Tiefe die Diagnose gehen soll: ob mehr beschrieben wird, was sichtbar ist (die Angst bzw. Depression), oder ob geguckt wird, was dahinter steckt (die Persönlichkeitsstörung). Oder anders gesagt: Verschiedene Diagnosen müssen einander nicht widersprechen
Aber ich finde auch, dass man aus so kurzen Kontakten, wie z. B. einem Arztbesuch, keine validen Aussagen treffen kann. Aber das passiert tagtäglich.
Auch glaube ich nicht, dass alle Menschen mit Depressionen automatisch auch eine Persönlichkeitsstörung haben. Ich habe beispielsweise keine. Außer dieser Klinik hat das niemals wieder jemand behauptet.

Widersprechen müssen sie sich tatsächlich nicht, sehe ich auch so. Aber Angst vor Abhängigkeit bzw. übertriebene Autonomie kann auch ein Resultat einer herkömmlichen Depression sein oder eine neurotische Disposition.

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Solage
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Beitrag So., 26.01.2014, 19:50

Ich habe mir vor etlichen Jahren das Buch: "Die Ritalin-Gesellschaft ADS: Eine Generation wird krankgeschrieben" von Richard DeGrandpre gekauft.
Dieses hat mich damals sehr beeindruckt. Mit Medikamenten wird eben sehr viel Geld verdient. Noch schnell die passende "Krankheit" zum Medikament gefunden und schon rollt der Rubel......

Erscheinungstermin: 14. März 2003
In den letzten Wochen und Monaten wurden zunehmend Warnungen und kritische Stimmen gegen das Medikament Ritalin laut, das immer häufiger gegen die Aufmerksamkeitsstörung ADHS verschrieben wird. Richard DeGrandpre zeigt in seinem Buch das erste Mal auf, wie der Beschleunigungswahn in unserer Gesellschaft und die Vergabe von Ritalin zusammenhängen. Der Autor beschreibt, wie eine "Schnellfeuer-Kultur" das Bewusstsein unserer Kinder verändert, ihre emotionale und geistige Befindlichkeit, und wie sie dafür bezahlen müssen - mit der Einnahme von Stimulanzien, die die bewusstseinsverändernde Wirkung der Geschwindigkeit simulieren und mit einer Krankheit, die genau in dieses Bild passt: ADHS. "Die Sucht nach Sinnesreizen, ob von Kindern oder Erwachsenen, bedeutet eine Störung des bewussten Erlebens, bei der die betroffene Person unfähig ist, mit Langsamkeit umzugehen. Indem eine 'Schnellfeuer-Kultur' ein entsprechendes Bewusstsein prägt - und bei Kindern die Unfähigkeit, ihr eigenes Verhalten zu kontrollieren - entwickeln sich Reizabhängigkeiten, die unser Verhalten animieren, nach noch mehr Stimuli zu suchen. Im Zentrum dieses Entwicklungsproblems befindet sich die Erfahrung der Unbehaustheit, die durch Gefühle wie innere Ruhelosigkeit, Angst und Impulsivität charakterisiert ist." Richard DeGrandpre
Kun

Pressestimmen
"Ein wichtiges Buch gegen die vorschnelle Pathologisierung kindlicher Verhaltensweisen, ein Stück Sozialkritik: Denn die Verhältnisse in unseren Schulen widerspiegeln die Verhältnisse in dieser Gesellschaft." Neue deutsche Schule "Ein anregendes Buch, das viel Widerspruch hervorrufen mag, doch auch ein Buch, das nicht nur bei betroffenen Eltern ein Bewusstsein für die verdrängten Gefahren einer viel zu schnelllebigen Kultur weckt." spielen und lernen
Über den Autor
Richard DeGrandpre ist Gastprofessor für Psychologie am St Michael's College in Vermont.

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stern
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Beiträge: 24449

Beitrag So., 26.01.2014, 20:22

Es ist und bleibt eine These welche skrupellos von der Pharmaindustrie instrumentalisiert wird um Absätze zu erzielen. Völlig natürliches, menschliches Verhalten wird in äusserst besorgniserregendem Maasse von der modernen Psychiatrie pathologisiert.
Wer geht den zum Arzt, wenn er sein Verhalten völlig natürliches menschliches Verhalten sieht? Im Regelfall gilt doch eh: Ohne Leiden keine Krankheit. Bzw. kein Arzt => keine Diagnose.

Auch werden niemand Medikamente eingeflösst. Ich mag mir nicht ausmalen, was gewesen wäre, wenn es keine Medikamente gegeben hätte. Gerne hätte ich schon viel früher welche gehabt, denn es hätte Leiden nehmen können.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
»Je größer der Haufen,
umso mehr Fliegen sitzen drauf
«

(alte Weisheit)

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