Therapie von Therapie? Allgemeine Diskussion

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stern
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Therapie von Therapie? Allgemeine Diskussion

Beitrag Di., 25.06.2019, 22:57

Ich nutze die Plauderecke, um thematisch freier zu sein als in themenspezifischen Bereichen. Wieviele fehlerhafte Therapien es gibt, weiß ich nicht. Einzelfälle sind es aber sicherlich nicht. Ich würde sagen, es fängt bereits damit an, dass eine systematische Fehlerkultur (Erfassung) bisher kaum zur Verfügung steht:
Behandlungsfehler in der Psychotherapie sind bisher kaum erforscht. Eine empirisch gestützte Kategorisierung von Behandlungsfehlern stellt einen ersten Schritt dar, sich evidenzbasierten ethischen Empfehlungen zum Umgang mit solchen Fehlern zu nähern.
https://www.springermedizin.de/behandlu ... g-/8559700

Der Faden knüpft ferner an diesen Beitrag/Thread an, beschränkt sich aber nicht darauf:
Hummi hat geschrieben: Di., 25.06.2019, 13:47 Es tut mir weh, von euren Erfahrungen zu lesen, es ist so bitter. So viele, die mit diesen Folgen, die Therapie leider so oft mit sich bringt, leben müssen. Es scheint mir fast keine Therapie ohne diese Problematik zu geben.

Wenn man daran denkt, wie viel Lebensqualität dadurch verloren ging, wie viele Jahre falscher Fokussierung auf Phantomartiges. Nicht nur als verlorene Zeit, sondern mit immer neuen Verletzungen. Wie anders hätte so manches Leben, so denke ich über mein Leben, verlaufen können, hätte ich meinen realen Beziehungen oder der Zeit an sich die Chance gegeben, manche Wunde zu schließen. (...)

Ich würde mir eine Bewegung ähnlich der MeToo Debatte wünschen!
viewtopic.php?f=40&t=42620

MeToo halte ich für optimistisch. Auch in Foren beobachte ich eher die Tendenz, dass sehr schnell nach Anteilen des Patienten gesucht wird. Behandlungsfehler sind jedoch immer dem eigenen Verantwortungsbereich des Behandlers (Arzt bzw. PT) zuzurechnen (ein Patient kann keine Behandlungsfehler begehen).

Dem Patienten dürfte es sowohl in der somatischen Medizin als auch in der PT oft unmöglich sein, fehlerhafte Behandlungen nachzuweisen.

Erschreckend fand ich auch folgenden Fall, der kürzlich durch die Presse ging: In einer Uniklinik im Saarland soll ein Arzt Kinder missbraucht haben. Es besteht der Verdacht, dass medizinisch nicht notwendige Untersuchungen am Intimbereich der Kinder durchgeführt wurden, die als Routinemaßnahmen dargestellt wurden. Obwohl die Klinik bereits 2014 eine Strafanzeige gegen den Arzt stellte, hat die Klinik erst jetzt allmählich begonnen, ein paar Eltern zu informieren. Will heißen: Da es Folgen hätte (Image, Haftung, etc.), besteht ja idR eher kein dringendes Bedürfnis, dass Klinken bzw. Ärzte/PT Behandlungsfehler oder Missbrauch öffentlich machen (beides ist nicht ganz das gleiche).

Have fun!
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Hummi
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Beitrag Mi., 26.06.2019, 10:12

Danke Stern :-)!, Du erhellst mir meine im Wald ausgestreuten Kiesel, Danke für den Artikel und Deine Worte, es hilft mir sehr.
Und ich finde das so wichtig, eine Fehlerkultur zu etablieren, evidenzbasierte Medizin, in fürs Allgemeinwohl wichtigen Berufssparten sollte es überall mindestens einen Berufsethiker geben, auch in großen Firmen. Vielleicht hätte so mancher CEO anders entschieden, nachhaltiger, nicht nur für seine eigene Karriere.
Tu mich heute ein bißchen schwer, zu schreiben, es werden 39°C! Ich packe jetzt meine Beine ins kalte Wasser, lass Dir auch gut gehen, bis bald und tausend Dank von der Erdbeere, die beim geringsten matschig wird. (Zitat Therapeut) ;)

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Sinarellas
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Beitrag Mi., 26.06.2019, 10:14

Den Fall fand ich auch erschreckend. Also, einerseits, dass der überhaupt an die Medien kam, andererseits, dass da etwas vertuscht wurde und dann nicht mal ordentlich kommuniziert wurde.
Es ist nicht auszudenken, was solche Übergriffigkeiten bei Kindern auslösen, vielleicht haben sie seitdem immer das Gefühl, dass was falsch war, etwas nicht gestimmt hat oder haben seltsame Symptome die keiner deuten kann und leben damit viele Jahre ohne mit irgendwem ordentlich darüber sprechen zu können, denn woher wissen sie, dass da was schief lief? woher wissen sie, dass das so eben nicht okay war? Als Eltern geht man eigentlich davon aus, dass die Ärzte grundlegend wissen was sie da tun und viele vertrauen da blind, also wird jede Rückfrage abgesäbelt.
Ich hoffe es kam nicht bei allenzu bleibenden Schäden, die erst jetzt ihren Grund finden.

Aber so kann man sich vorstellen, was alles im dunkeln bleibt gerade bei Krankenhäusern und ähnlichen Institutionen. Die Nicht-Kommunikation ist das Problem, dass sich keiner traut was zu sagen, Kritik nicht existiert oder Reflexion. bedauerlich.
..:..

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Noenergetik
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Beitrag Mi., 26.06.2019, 10:39

Ja, danke für die Threaderöffnung!

Ich finde es auch immer wieder erschreckend zu sehen wie schnell bei schlecht gelaufenen Therapien nach Eigenanteilen des Patienten gesucht wird, ich finde das wirklich schlimm weil es den Patienten ein weiteres mal schädigen kann.
Und der Therapeut/in ist fein raus.
Das soll keine Therapeutenhetze sein, (natürlich gibt auch andere, aber um die geht es ja jetzt nicht) ich finde es einfach wichtig dass soetwas mehr ins Bewusstsein rückt. Auch das solche Dinge nachhaltig Schäden verursachen.

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Jenny Doe
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Beitrag Mi., 26.06.2019, 10:46

Auch in Foren beobachte ich eher die Tendenz, dass sehr schnell nach Anteilen des Patienten gesucht wird.
Ich vermute, dass das mit dem "Götter in Weiß", "Therapeuten sind vollkommen; der Patient ist der Kranke", "Fehlbhandlungen sind die Ausnahme", ... zu tun hat.

Wenn man einräumt, dass Therapie auch "gefährlich" sein kann, dann kann das zur Folge haben, dass man die eigene Therapie nicht mehr so sicher erlebt.
Ich erinnere mich noch gut an einen User, der nicht mehr im Forum ist. Er griff mich damals massiv an, weil ich Kritik an Therapiemethoden, therapeutische Modellvorstellungen usw. äußerte, ... und hinterfragte, was ja in meiner Natur liegt alles zu hinterfragen und mit offenen Augen durch die Welt zu laufen. Später gab er zu, dass er bezüglich seiner eigenen Therapie blind bleiben wollte, dieses Gefühl von "Sicherheit" und "Wärme" in der eigenen Therapie nicht verlieren wollte, während er gleichzeitig spürte, dass meine Kritik nicht so ganz unberechtigt ist, auch auf ihn zutrifft.
Fehler des Therapeuten einräumen kann in der Konsequenz auch bedeuten, selber aktiv werden müssen, Therapie beenden müssen, sich selber aus der Abhängigkeit befreien müssen, skeptisch werden zu müssen, obwohl man es doch eigentlich in der Therapie sicher und kuschelig warm haben möchte, ...
Behandlungsfehler sind jedoch immer dem eigenen Verantwortungsbereich des Behandlers (Arzt bzw. PT) zuzurechnen (ein Patient kann keine Behandlungsfehler begehen).
:thumbsup:
Wir müssen das Leben loslassen, das wir geplant haben, damit wie das Leben leben können, das uns erwartet (Joseph Campbell). Manche Leute glauben, Durchhalten macht uns stark. Doch manchmal stärkt uns gerade das Loslassen (Hermann Hesse).

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Hiob
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Beitrag Mi., 26.06.2019, 17:23

Solange mit Therapie gutes Geld verdient wird, halte ich eine ehrliche Auseinandersetzung mit Chancen und Risiken, Qualität oder Erfolgsquoten für nicht möglich. Solange die Erzeugung von Lebensmitteln ausschließlich an den Steuerungsfaktor Geld gekoppelt ist, wird es schwierig sein, gute Lebensmittel zu bekommen. Manche sehen halt gut aus oder haben teuere "Zertifikate". Ein möglicher Weg wäre die regionale Verantwortung. Ein Bauer, der giftiges Getreide oder ein Müller, der gestrecktes Mehl verkaufte, wurde früher aus dem Dorf gejagd.
In unserer modernen Welt würde man anderorts dann sagen "Müller Welcome".

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stern
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Beitrag Mi., 26.06.2019, 19:23

Na ja, das halte ich für etwas utopisch, dass man Dienstleistungen ganz von finanziellen Mitteln entkoppeln kann. Niemand wird (auf Dauer) unentgeltlich arbeiten (können bzw. wollen)... und Aufwand müsste trotzdem irgendwie finanziert werden. Zunehmende Ökonomisierung (auch im Gesundheitswesen) sehe ich aber nichtsdestotrotz kritisch... und wird sich notwendigerweise früher oder später auf die Qualität auswirken.

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Aber so kann man sich vorstellen, was alles im dunkeln bleibt gerade bei Krankenhäusern und ähnlichen Institutionen.
Pädophile Ärzte liegen erstmal außerhalb meiner Vorstellung, wenn ich zum Arzt gehe... aber in der Presse finden sich immer Mal wieder Fälle, in den es zu einer Verurteilung kommt. Wieviele gar nicht erst vor Gericht landen oder öffentlich werden, kann man in der Tat nur vermuten. Im vorliegenden Fall scheint der Klinikdirektor erstmal angetaucht zu sein. Ministerien bzw. Behörden stellen sich auch unwissend und wollen zur Weitergabe von Informationen nicht befugt sein. Mein Name ist Hase. Nicht unsere Zuständigkeit. Publik wurde das ja auch nur durch Zufall. Lt. Presse würde ein Kind vermisst gemeldet... und so erfuhren die Eltern beiläufig, dass bereits vor einiger Zeit ein Missbrauchsverdacht aktenkundig ist.

Therapie der Therapie? Wurde hier jedenfalls den Betroffenen nicht zeitnah ermöglicht. Kann man als Kind oder Elternteil auch nicht ohne weiteres beurteilen, welche Untersuchungen notwendig sind. Die Eltern wurden für die Untersuchung auch mitunter weggeschickt.
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Hummi
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Beitrag Mi., 26.06.2019, 19:39

Das wird vielleicht doch ab und an im Rahmen der Tat deutlich werden, was Sache ist. Früher oder später! Nur die Betroffenen haben vielleicht eine Vorstellung davon, in welcher namenlosen Situation sie sich befinden - mit allen Konsequenzen, wenn sie sich jemandem anvertrauen. Und zusätzlich zur klassischen Opfer- und Schamproblematik. Nicht ohne Zusammenhang wurden m.E. die Missbrauchsfälle der Kirchen in einer Zeit öffentlich thematisiert und verifiziert, als die Kirchen an gesellschaftlicher Bedeutung verloren hatten.

Ich hab kurz einen Artikel dazu gelesen, festmachen konnte man in diesem Fall die Taten daran, dass gegen eine Leitlinie der Klinik verstoßen wurde und deshalb, weil es überhaupt eine gab, dokumentiert wurden. So hab ich das verstanden.
Sexueller Missbrauch an Kinder und Jugendlichen kommt quer durch die Gesellschaft in allen Schichten vor.

Aber Du hast recht, die Gelegenheit für Täter ist so wie Du es beschrieben hast immens, auch die Möglichkeit zur Vertuschung, dennoch hoffe ich, dass es nicht so ein Flächenbrand wie bei den Kirchen sein kann.

Und wenn Helfer Täter sind, gibt es auch nicht "die Retter" (gibt es ja sowieso nicht). Therapie von Therapie, schwierig. Und so schlimm deshalb auch in Psychotherapie, "Übertragungsliebe", was für eine billige Ausrede. Meine Meinung.

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stern
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Beitrag Mi., 26.06.2019, 22:12

In der Gynäkologie wird (hier insbes. auch zum Schutz des Arztes gegen Missbrauchsvorwürfe) häufiger das Vier-Augen-Prinzip angewandt. Praktisch ist dann meist eine medizinische Fachangestellte im Raum dabei. Oft gibt es keine Zeugen (auch in der PT). Von Flächenbränden würde ich jetzt auch nicht ausgehen... oder dass man davon ausgehen muss, wenn man zum Arzt geht. Aber die Nachweisbarkeit ist umso schwerer. Und auf einen Arzt kommen dann häufiger gleich mehrere Taten... was dann eher etwas von Missbrauch mit System hat als davon, dass jemand in einem schwachen Moment eine "günstige" Gelegenheit auszunutzt.

Und was MeToo angeht und Falschanschuldigung: Auch hier ist natürlich jede einzelne zu viel. Es gibt ja Möglichkeiten sich (juristisch) z.B. mit einer Gegenanzeige dagegen zu wehren... leicht kommt man jedenfalls nicht damit durch, wenn man nichts auf der Hand hat, um einen Missbrauch zu beweisen. Ich finde, das passt dazu, dass die Häufigkeit auch nicht sonderlich hoch sein soll.
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Hummi
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Beitrag Mi., 03.07.2019, 20:47

Zufällig habe ich heute in der ARD Mediathek ein sehr trauriges Beispiel für die Notwendigkeit für Therapie von Therapie entdeckt. Es geht um die sehr umstrittenen Behandlungsmethoden von Regulationsstörungen von Kindern, die 2018 sogar zu einer Petition und einer Anzeige und dem Ermittlungsbeginn der Staatsanwaltschaft führten. (wurden eingestellt)
Persönlich bin ich auch hier klar auf der Seite derjenigen, die hier eine Form der Kindesmisshandlung im Geiste einer "schwarzen Pädagogik" erkennen.
Die Doku heißt "Elternschule", noch 7 Tage abrufbar.

Und gleich noch ein Artikel dazu:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/um ... _id=432431

Traurig, dass " Therapie" manchmal so einem garstigen Menschenbild folgt.. obwohl doch alle nur "helfen" wollen, was ich den Behandlern sogar abnehme, aber vielleicht haben die ihre eigenen Traumata noch nicht reflektiert.. Natürlich sieht man nicht das ganze Therapieprogramm der Klinik, aber was ich da sehe, das geht gar nicht!

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stern
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Beitrag Do., 04.07.2019, 08:08

Interessant. Ich habe zufällig (und eher nebenbei) den Film gesehen - ohne den Hintergrund zu kennen (also dass sogar zunächst die Staatsanwaltschaft ermittelte). Ich dachte mir: Ist vllt. ganz interessant, was State of the Art bei Regulationsstörungen ist. Jetzt wird mir einiges klarer, denn ich war in der Tat stellenweise sehr irritiert. Mal einen Auszug meiner Empfindungen dazu: Na toll, es müssen Mal wieder Kinder ausbaden, was Eltern verbockt haben (wo waren btw. die Väter?!). Also z.B. wenn ein Kind nur noch Milch trinkt und Chicken Nuggets isst, sind Eltern wohl schon im Vorfeld nicht unbeteiligt gewesen... denn ein Kind kann das ja nicht selbstständig besorgen. Es wurde aber mehr oder weniger nur die Therapie (oder ist das eher Erziehung gewesen?) der Kinder dargestellt. Teilweise dachte ich mir auch, sorry, dass ist doch jetzt aber nicht automatisch unnormal, dass ein Kind unter solchen Umständen schreit... also z.B. Arztbehandlungen (bei denen die Mutter zusätzlich aufgefordert wurde, sich wegzusetzten) und die vertraute Situation auch (durch andere Räumlichkeiten) verändert wurde - während der Psychologe ganz zufrieden war, wieder eine Regulationsstörung ausfindig zu machen. Und einiges mehr... dazu aber später, da ich weg muss.
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diesoderdas
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Beitrag Mo., 05.08.2019, 13:26

Jenny Doe hat geschrieben: Mi., 26.06.2019, 10:46 Wenn man einräumt, dass Therapie auch "gefährlich" sein kann, dann kann das zur Folge haben, dass man die eigene Therapie nicht mehr so sicher erlebt.
Jenny Doe hat geschrieben: Mi., 26.06.2019, 10:46 Fehler des Therapeuten einräumen kann in der Konsequenz auch bedeuten, selber aktiv werden müssen, Therapie beenden müssen, sich selber aus der Abhängigkeit befreien müssen, skeptisch werden zu müssen, obwohl man es doch eigentlich in der Therapie sicher und kuschelig warm haben möchte, ...
Therapie von Therapie - ich würde auch sagen, das kommt bestimmt nicht so selten vor, dass sowas eigentlich nötig wäre.

Aber ich frage mich, wie da ein Patient durchsteigen soll und klar sehen soll in laufender Therapie, wenn es um eventuelle Therapeutenfehler geht.
In einer Therapie wird ja gefordert, dass man sich einlässt, dass man dran bleibt, auch wenn es schwierig wird. Vertrauen wird eingefordert (war zumindest bei mir so; wobei ich hier auch schon oft gelesen habe, dass Therapeuten das eben NICHT einfordern). Und Schwierigkeiten sind nunmal allereinfachst beim Patienten zu suchen. Wird bestimmt auch öfters so kommuniziert, sofern Probleme angesprochen werden.
Wer schaut da dann etwas objektiver drauf? Ob das der Patient wirklich kann? Und ob das der Therapeut immer so kann?
Ich glaube nicht.

Mir kam da schon öfters der Gedanke, wie es wäre, wenn es in regelmäßigen Abständen zu Dreier-Gesprächen käme mit Patient, Therapeut und einem unabhängigen Therapeuten. Mit unabhängig meine ich also auch nicht den Supervisor des Therapeuten. Vielleicht eher einen Therapeuten, den der Patient aussuchen darf.

Aber würde das klappen? Angenommen der "Kontrolltherapeut" fände es total daneben, was der Therapeut macht - ob das dann wirklich kommuniziert werden würde? Sagt dann der Kontrolltherapeut zum Patienten in Anwesenheit des anderen Therapeuten: Gehen Sie lieber, hier läuft etwas falsch. ?
Kann ich mir auch nicht vorstellen. Also bleibt wohl doch nur die Möglichkeit, dass sich zweifelnde Patienten eben selbst eine andere Meinung hören. Und dabei halt nur ihre eigene Sichtweise erzählen können.

Schön, wenn Therapie von Therapie funktioniert. Aber bestimmt auch oft sehr schwierig umzusetzen, vor allem, wenn für den Betroffenen vielleicht gar nicht so offensichtlich ist, dass etwas schadet, oder abhängig macht oder sonstiges. Wenn also vielleicht gar keine Therapie von Therapie gesucht wird.
Manchmal las ich hier auch schon, dass Patienten regelrecht betütelt werden, regelmäßig umarmt werden, dass Therapeuten privates erzählen. Ich würde schätzen, dass Patienten da unter Umständen eben erstmal sehr wohl fühlen damit und gar nicht unbedingt mitbekommen, dass es auch schaden kann. Vor allem, falls kein Vergleich besteht und angenommen wird, dass Therapie halt so läuft.


Jenny Doe
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Beitrag Mo., 05.08.2019, 17:54

Hallo diesoderdas,
Aber ich frage mich, wie da ein Patient durchsteigen soll und klar sehen soll in laufender Therapie, wenn es um eventuelle Therapeutenfehler geht.
Bei sich bleiben und gucken, ob die Therapie einem gut tut oder nicht; hinterfragen; vertrauen und einlassen, aber nicht blind sein, ... So lautet meine heutige Divise nach vielen Jahren nicht so guten Therapieerfahrungen.

Auch die Frage nach einem möglichen Therapeutenfehler ist für mich eine individuelle Frage. Ich denke da z.B. an die kürzlich hier geführte Diskussion, ob ein Therapeut sagen darf, dass er sich auf seinen Urlaub freut. Für die einen User ein absolutes No-Go und ein Therapeutenfehler, für die anderen User absolut kein Problem und hilfreich.
Wer schaut da dann etwas objektiver drauf?
Wenn es sich nicht gerade um offensichtliche Therapeutenfehler handelt, wie z.B. ein sexueller Missbrauch in der Psychotherapie, dann finde ich eine "objektive" Beurteilung von außen schwierig. Denn das was dem einen schaden kann, kann dem anderen helfen.
Deshalb bleibe ich lieber bei mir selber und spüre bei mir nach wie es mir mit meiner Therapie geht, anstatt Außenstehende über meine Therapie urteilen zu lassen.
Angenommen der "Kontrolltherapeut" fände es total daneben, was der Therapeut macht - ob das dann wirklich kommuniziert werden würde?
Es kann ja auch sein, dass der "Kontrolltherapeut" etwas total daneben findet, dir jedoch das, was dein Therapeut macht, total hilft.
Auch bei Kontrolltherapeuten müsstest du Vertrauen aufbringen und ihm glauben, dass sein Urteil richtig ist.
Würdest du dann die Therapie abbrechen, wenn der Kontrolltherapeut etwas total daneben findet? Würdest du dem Kontrolltherapeuten mehr vertrauen als dem eigenen Therapeuten, ... und vor allem dir selbst?
Also bleibt wohl doch nur die Möglichkeit, dass sich zweifelnde Patienten eben selbst eine andere Meinung hören. Und dabei halt nur ihre eigene Sichtweise erzählen können.
Den letzten Satz von dir finde ich ganz wichtig bei der Frage, ob Außenstehende die Therapie anderer beurteilen können. Sie bekommen nur eine Sichtweise zu hören, nämlich die des Klienten.
Das Problem haben wir ja auch oft hier im Forum. Da wird ein winziger Ausschnitt aus einer Therapiesitzung erzählt, z.B. "Mein Therapeut hat gesagt, ... Was haltet ihr davon?" Ohne die Person zu kennen, ohne zu wissen zu können warum der Therapeut das geasagt hat, ohne den Gesamtkontext zu kennen, ... können Außenstehende nicht objektiv urteilen.
Ich versuche so zu verfahren, dass ich bei mir selber gucke, ob das, was der Therapeut sagt, zutreffend ist und das, was er tut, hilfreich ist. Wenn nicht, dann suche ich das Gespräch mit dem Therapeuten. Je nach Verlauf des Gespräches treffe ich die Entschwidung bleiben oder gehen.
vor allem, wenn für den Betroffenen vielleicht gar nicht so offensichtlich ist, dass etwas schadet, oder abhängig macht oder sonstiges.
Ich denke, dass man sich von der Erwartung, dass Therapie nur helfen darf, verabschieden sollte. Auch Psychotherapie ist genauso wie Medikamente oder Arztbehandlungen etwas, was auf Versuch und Irrtum basiert. Ob etwas hilft oder schadet kann man erst wissen, wenn man es ausprobiert hat. Ob etwas Nebenwirkungen hat oder nicht weiß man erst, wenn man es ausprobiert hat.
Ich denke heute so: Versuch gescheitert, weiter gucken nach dem, was mir hilft, ... so lange ausprobieren und auch experimentieren, bis ich das richtige gefunden habe.
Manchmal las ich hier auch schon, dass Patienten regelrecht betütelt werden, regelmäßig umarmt werden, dass Therapeuten privates erzählen. Ich würde schätzen, dass Patienten da unter Umständen eben erstmal sehr wohl fühlen damit und gar nicht unbedingt mitbekommen, dass es auch schaden kann.
Genau das meine ich mit "Therapeutenfehler sind auch eine individuelle Frage". Es kann schaden, es kann aber auch hilfreich sein. Leider weiß man oft erst im Nachhinein, nachdem man etwas ausprobiert hat, ob es hilfreich war oder nicht.

Für mich ist Psychotherapie auf der ganzen Ebene eine Frage der Passung. Was dem einen hilft, schadet dem anderen. Wenn etwas nicht hilfreich ist, dann muss weiter gesucht werden, bis man das gefunden hat, was hilft.
Wir müssen das Leben loslassen, das wir geplant haben, damit wie das Leben leben können, das uns erwartet (Joseph Campbell). Manche Leute glauben, Durchhalten macht uns stark. Doch manchmal stärkt uns gerade das Loslassen (Hermann Hesse).

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Beitrag Di., 19.11.2019, 12:36

Heute 22:15 Uhr im ZDF: 37°: In den Fängen von Scharlatanen - Wenn aus Heilsversprechen Unheil wird.

Hier geht es mehr um alternative "Heil"methoden. Beschreibung: https://www.zdf.de/dokumentation/37-gra ... n-100.html
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Solage
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Beitrag Di., 19.11.2019, 19:41

Von einem Fall, den ich verlinke, wussten viele Psychotherapeuten, so wurde mir gesagt, aber wirklich etwas dagegen unternommen hat trotzdem sich keiner getraut:

https://www.rnz.de/nachrichten/heidelbe ... 63870.html

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