Fremde Welt... Autismus

Nicht jedem fällt es leicht, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, "einfach" mal jemanden kennenzulernen oder sich in Gruppen selbstsicher zu verhalten. Hier können Sie Erfahrungen dazu (sowie auch allgemein zum Thema "Selbstsicherheit") austauschen.
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lebaplabsis
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Beitrag Di., 01.05.2018, 19:30

Hallo Amber! Ich kann mich mit deinem Beitrag teilweise sehr gut identifizieren.

Ich bin ebenfalls Asperger-Autistin, und wurde als Kind stark gemobbt. Als Kind mit einer solchen Störung versteht man die Welt noch weniger, als es ein "neurotypisches" Kind würde - wieso behandeln einen die anderen Kinder so?! Zumindest war das bei mir so. Ich hatte bis vor einem Jahr oder so aktiv Angst vor Kindern - das hat sich glücklicherweise gelegt. Jetzt ist mir nur noch unwohl in ihrer Gegenwart. Außer, sie schreien *schaudert*

Ebenso nachtaktive Eule hier - Licht ist einfach zu viel für mich, ich muß meistens Spezial-Sonnenbrillen tragen, was natürlich dazu führt, daß man teilweise nicht für voll genommen wird. Wenn ich sie nicht trage, taumle ich durch den Tag bzw. die grell-erleuchtete Ubahn und halte mich überall fest, um nicht umzufallen. Macht immer einen guten Eindruck.

Ich habe lange Zeit nur schwarz getragen, da es meine Stimmung abbildete und außerdem eine hervorragend abschreckende Funktion hat. Verbunden mit meinem Standard-Gesichtsausdruck (im Englischen als "resting bitch face" bezeichnet ;-) ) und meiner tiefsitzenden Angst vor der mir absolut unverständlichen Welt wurde ich recht schnell zu einem rebellischen Düster-Ding, dem alles mögliche nachgesagt wurde - Katzenopfer, Vergiften von Tieren, daß ich einfach "böse" und "falsch" wäre...
War natürlich alles Blödsinn, aber ich übernahm diese Außenwahrnehmung - schließlich müssen "die Leute" doch Recht haben, wenn sie sagen, ich sei "böse" und "falsch" (...warum würden sie es sonst sagen, wenn es nicht so wäre?). Die Aspekte des Autismus wurden von mir und anderen als Symptome von Psychosen etc. interpretiert. Ich hatte mich gewissermaßen mit der Hilfe der Leute, die mich mobbten und mißbrauchten als "DAS ANDERE" konstruiert.

Seit meiner Asperger-Diagnose allerdings sehe ich das anders. Ich habe akzeptiert, daß ich - so anders ich auch bin - dafür nicht "schlechter" bin als neurotypische Menschen. Es hat mir einen gewaltigen Schub Selbstwertgefühl gegeben, um ganz ehrlich zu sein. Ja, es ist ein echt mieses Gefühl, wenn man sich von der Welt komplett isoliert fühlt - aber die Welt wird sich nicht ändern. Leider.

@Kaonashi
Ich wäre an den Links sehr interessiert, falls das möglich ist.

@collateral
Ich kann mich hier rainman33 nur voll anschließen!
collateral hat geschrieben: Mo., 19.03.2018, 22:32 Und hier kommt das "asoziale": Dieses nirgends-dazugehören hat sich so dermassen zementiert, dass ich extrem aggressiv werde, wenn ich unter Menschen bin. Da ich zu wohlerzogen bin und die Aggression natürlich nie ausleben würde, leide ich lediglich unter den Auswirkungen dieser Machtlosigkeit. Menschen stressen mich ohne Ende. Ich fühle mich immer beobachtet, bewertet, taxiert. Meistens glotzen Leute auch wirklich dämlich. Auch wenn ich mir Mühe gebe, neutral, das heisst, nicht unfreundlich, auszusehen. Was widerum dazu führt, dass mich die Leute noch mehr nerven.
...wow, das könnte von mir stammen. Danke dir dafür, das gibt mir Mut (auch wenn das eigenartig klingt).

Auch die von dir angesprochenen "Techniken" um soziale Interaktion zu starten kenne ich gut... ich bewundere deinen Mut, zu dem Reitstall gegangen zu sein! Ich hätte das nicht geschafft. Seit 5 Semestern versuche ich, auf die Uni-Bibliothek zu gehen, um Material für meine Arbeit zu kopieren, aber ich kriege es einfach nicht hin.

Vielen Dank an euch alle, die ihr hier eure Erfahrungen teilt. Es hilft, sich mehr als Teil der Menschheit zu fühlen, wenn ich lese, daß es auch anderen so geht.

Liebe Grüße,
lebaplabsis

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rainman33
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Beitrag Di., 01.05.2018, 21:08

lebaplabsis hat geschrieben: Di., 01.05.2018, 19:30
Ich habe lange Zeit nur schwarz getragen, da es meine Stimmung abbildete und außerdem eine hervorragend abschreckende Funktion hat.
Das kenn ich gut ;-) Ich hab früher immer das gemacht, was eigentlich das Schlimmste für einen selbst ist..als sei es nicht genug, dass man in einer "feindseligen Welt" leben muss (nur im Sinne unserer Ängste und ureigenen Konzepte zu verstehen). Nein, man unterstützt das auch noch emsig, indem man sich nach außen hin entsprechend "proaktiv" abgrenzt, nicht nur durch Kleidung, vielleicht auch noch durch asoziales Verhalten, und dazu hört man dann noch regelmäßig (wie ich damals zumindest) extrem melancholische bzw. tiefgründige Musik (bei mir hauptsächlich Black und Symphonic Metal..). Und dann wundert man sich, dass das Leben (selbst in seinem eigenen geschützten Komfortzonen-Kämmerlein) einfach so unerträglich schmerzhaft und öde ist.. ,-)

Heute hab ich zumindest schon begriffen, dass sich das Leben immer nur im Hier und Jetzt abspielt (egal, ob man das umsetzt oder nicht..), und das wir Menschlein eigentlich in höchstem Maße das unaufthaltsame und zweifelhafte Talent besitzen, uns die Welt, die Realität (und alles was dazugehört) so schlecht zu machen, wie es nur geht..frei nach dem Motto: Wenn ich schon hilflos und unnütz bin, so kann ich zumindest meine ganze Weltsicht und meine gesamte (illusorische) Vorstellung einer objektiven Realität an meine persönlichen Dämonen und Ängste anpassen..ist ja irgendwie auch eine Art von Kontrolle (die wir uns alle so sehnlichst wünschen..)

Daher bin ich jetzt auch dabei, regelmäßig zu meditieren und werd wohl auch dabei bleiben..solange ich noch diesen (an sich eigentlich) wundervollen Planeten bevölkere..

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lebaplabsis
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Beitrag Di., 01.05.2018, 22:37

@rainman33
Ich war auch in der subkulturellen Ecke unterwegs (*trägt gerade ihr Lieblingsshirt von Dissection*) - freut mich sehr, hier jemand anderen aus dem Eck kennenzulernen :-D Ja, wenn man zu den Klängen von Limbonic Art und Mortiis versucht, sich und die Menschheit schriftlich zu begreifen, kommt glaube ich nicht mal beim heitersten Temperament eine sonderlich positive Stimmung bzw. Sicht auf die Welt auf... :)

Deinem zweiten Absatz muß ich ganz klar zustimmen, ich sehe das ähnlich; wir bauen uns alle unseren eigenen Realitätstunnel. Ich arbeite auch daran, mehr Kontrolle über meine Sicht der Welt bzw. Version der Realität, die ich wahrnehme (ich tendiere philosophisch zum Konstruktivismus) zu erlangen... samt Meditation etc. Allerdings passiert es mir unter Stress oft, daß ich all das "vergesse" und wieder in die (vermeintlich) schützenden Verhaltensmuster von früher falle.

Da du Meditation ansprichst - darf ich fragen, was für Erfahrungen du damit gemacht hast? Häufig bereitet es mir extreme Schwierigkeiten, die unermüdliche Denkmaschine im Kopf abzuschalten oder auch nur auf ein niedrigeres Level hinunterzuschalten. Ich habe mich schon ein paar Mal gefragt, ob das eventuell was mit Asperger-Autismus oder Hochsensibilität zu tun haben könnte, oder einfach nur ein persönliches Problem ist. (Ich hoffe, das ist keine zu aufdringliche oder blöde Frage)

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rainman33
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Beitrag Mi., 02.05.2018, 08:14

lebaplabsis hat geschrieben: Di., 01.05.2018, 22:37 @rainman33
Ich war auch in der subkulturellen Ecke unterwegs (*trägt gerade ihr Lieblingsshirt von Dissection*) - freut mich sehr, hier jemand anderen aus dem Eck kennenzulernen :-D
Ja, find ich auch spannend :-)

lebaplabsis hat geschrieben: Di., 01.05.2018, 22:37
Da du Meditation ansprichst - darf ich fragen, was für Erfahrungen du damit gemacht hast? Häufig bereitet es mir extreme Schwierigkeiten, die unermüdliche Denkmaschine im Kopf abzuschalten oder auch nur auf ein niedrigeres Level hinunterzuschalten. Ich habe mich schon ein paar Mal gefragt, ob das eventuell was mit Asperger-Autismus oder Hochsensibilität zu tun haben könnte, oder einfach nur ein persönliches Problem ist. (Ich hoffe, das ist keine zu aufdringliche oder blöde Frage)
Ich kann dir aus eigener Erfahrung (und den Berichten von so vielen anderen Leuten) sagen, dass es völlig normal und natürlich ist, dass die meisten Menschen (völlig unabhängig von ihrer Persönlichkeitsstruktur oder ihren "speziellen" Leidensmustern) immer wieder mal von solchen aufdringlichen Gedankenmustern geplagt werden, die man auch so gut wie nie 100%ig vermeiden kann. Ich bin gerade speziell mit MBSR beschäftigt, also Meditation im Kontext von Achtsamkeit, und grad da lernt man u.a. besonders, wie wichtig es ist, sich im Rahmen einer tatsächlich praktizierten Achtsamkeit als ganzheitlicher Mensch (mit allen Sonnen- und Schattenseiten) in liebe- und verständnisvoller Art bewusster anzunehmen..und dazu gehört natürlich auch die Tatsache, dass die meisten Menschen es schwer bis gar nicht schaffen, ihre Gedanken zu kontrollieren (oder gar auszuschalten), aber darum gehts letztlich auch nicht. Achtsamkeit bedeutet ja u.a, dass man lernt, das anzunehmen und aufmerksam zu beobachten (im Sinne einer wertfreien Reflektion), was einen persönlich im Hier und Jetzt halt ausmacht. Indem man sich Ängsten und Gedanken direkt stellt, transferiert man sich selbst (den Kern unseres Seins) sozusagen in die Gegenwart, und gelebte Gegenwärtigkeit ist ja bekanntlich die Grundlage von Achtsamkeit. Ich persönlich hab erst durch solche Konzepte in jüngster Zeit gelernt, wie sehr ich in meinem bisherigen Leben fast ausschließlich in der Vergangenheit und Zukunft gelebt hab.

Und Meditation soll (zumindest in der Theorie) langfristig dabei helfen, diese ständigen inneren Bilder und Konzepte nach und nach durch sogenannte "Pausen" (oder Gaps im Englischen) zu ersetzen, diese Pausen sind nämlich eigentlich das, was reines Bewusstsein und wahre Realität tatsächlich ausmacht, und was u.a. auch die Quelle für all die schöpferische Kraft, Zuversicht und Anerkennung unser tatsächlichen wunderbaren Natur darstellt..

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sourcream
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Beitrag Mi., 16.05.2018, 20:36

ich kenne das aber auch. Wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, oder einkaufen bin, stören mich einfach die ganzen Geräusche, die Hektik, die vielen Menschen. Wenn ich Urlaub habe stehe ich extra zeitig auf, um zeitig einkaufen zu gehen. Aber ich gehe nur in den einen Supermarkt, weil ich mich da am besten auskenne. Alles andere überfordert mich nur. Wenn ich in einen neuen Laden komme, dann weiß ich nicht wo ich suchen muss, und ich habe das Gefühl ich finde nie etwas. Ich bin auch schon öfters frustriert aus dem Laden gegangen weil ich überfordert war, ich habe Reizüberflutung gehabt. Deswegen ist es wichtig mir den Einkaufszettel so zu schreiben wo ich lang gehe .

das mir der Dunkelheit fürchtet mich etwas, denn ich habe genau vor Dunkelheit Angst besonders draußen ;) schon damals mussten meine Eltern immer einen Türspalt auflassen, damit ich Licht sah, damit ich wusste da ist jemand da.

ich kannte mal eine die hatte auch Autismus gehabt, und man hat schon gemerkt wenn man mit ihr zu tun hatte das sie anders war. sie konnte manchmal nicht so reagieren,bzw wusste sie nicht was ich wollte und ich war dann auch unsicher weil ich nicht wusste was ich tun sollte, aber wir hatten ein gemeinsames Hobby die Musik ;)

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Kaonashi
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Beitrag Fr., 25.05.2018, 12:40


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lebaplabsis
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Beitrag Do., 08.11.2018, 20:41

Sorry für die halbe Ewigkeit, die vergangen ist - es kam wieder mal alles gleichzeitig zusammen (erster Vortrag, Deadline, Umzug, Trennung... yay!), und ich fiel wieder mal in alte Muster (Rückzug von jeglicher Kommunikation) zurück.

@Kaonashi: Genial, vielen Dank! Freu mich schon aufs Lesen.


@sourcecream: Das mit dem Einkaufszettel nach Arealen ist eine tolle Idee, das muss ich auch mal probieren! Das mit der Reizüberflutung kenne ich gut. Leider ist es mir oft zu peinlich, die Sonnenbrille in Läden aufzusetzen, weil ich dämliche Kommentare darüber echt nicht mehr hören kann. Ich versuche in der letzten Zeit öfter, einfach dieses Gefühl zu überwinden und voll 'gewappnet' (mit Stimming-Tool fest in der Rechten, Sonnenbrille und Kopfhörern) einkaufen zu gehen, weil ich dann einerseits weniger 'Fehler' beim Einkaufen mache (bin oft so gestresst, dass ich einfach an einem Regal vorbeirenne, in dem etwas ist, das ich brauche, und dann nicht mehr zurückgehen will), und andererseits auch viel weniger gestresst bin. Da hilft die richtige Musik echt sehr :)


@rainman33: Mhm, danke, das ist gut zu wissen. Ich habe von MBSR noch nie gehört resp. gelesen und gerade erst gegoogelt (...gegoogled? gegooglet? AAAAAAAAHHHHHHHH!) - das Wenige, was ich bis jetzt gefunden habe, klingt absolut faszinierend! Und du sprichst da mehrere Dinge an, mit denen ich sehr kämpfe (das sich selbst "als ganzheitlicher Mensch (mit allen Sonnen- und Schattenseiten) in liebe- und verständnisvoller Art bewusster anzunehmen" ist derzeit ein RIESENTHEMA, mit dem ich echt nicht wirklich umgehen kann). Mit Achtsamkeit habe ich mich offensichtlich bislang viel zu wenig beschäftigt. Fällt mir schwer, mir das richtig vorzustellen.
Ich habe die letzten Monate (zusammenfallend mit meiner Abwesenheit hier) nichts mehr gemacht, und gerade erst wieder mit Meditationspraxis begonnen, aber auf andere Art, als ich es sonst gemacht habe, mehr im Augenblick als auf irgendwas fokussiert. Sind erst wieder drei Tage, aber es hilft schon das wenige wieder sehr. Falls du irgendwelche Tips resp. Vorschläge in dieser Hinsicht hast, würde ich mich sehr freuen :)


...weil in einem der Artikel, die Kaonashi gelinkt hat, die 'Theory of Mind' angesprochen wird - ich habe vor kurzem einen sehr interessanten Artikel gefunden:
Froese et al. 2013, "Is it normal to be a principal mindreader? Revising theories of social cognition on the basis of schizophrenia and high functioning autism-spectrum disorders", Research in Developmental Disabilities 34 (online auf https://www.academia.edu/2952357/Is_it_ ... _disorders erhältlich). Ich fand die Grundaussage davon eigentlich ziemlich gut - würde mich interessieren, wie ihr anderen das so seht!



LG
lebaplabsis

_______
Edit: Link & letzter Absatz.

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Kaonashi
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Beitrag Fr., 09.11.2018, 09:31

Leider ist das ein sehr langer Text und alles auf englisch. Mein englisch ist nicht so gut, da komme ich leider nicht mit.
Was sind denn so die Kernaussagen, falls man das kurz zusammenfassen kann?

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