Warum bin ich so ein schlechter Mensch?

Nicht jedem fällt es leicht, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, "einfach" mal jemanden kennenzulernen oder sich in Gruppen selbstsicher zu verhalten. Hier können Sie Erfahrungen dazu (sowie auch allgemein zum Thema "Selbstsicherheit") austauschen.

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Elyn80
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Warum bin ich so ein schlechter Mensch?

Beitrag So., 16.02.2020, 21:42

Ich bin Autistin und werde dieses Jahr 40 Jahre alt, und mein ganzes Leben lang war ich von anderen Menschen durch meine Behinderung isoliert(Autisten tun sich im Smalltalk sehr schwer und können zu anderen Menschen keinen Kontakt aufnehmen, oft haben sie auch eine soziale Phobie, bei mir ist das der Fall)
Während meiner gesamten Schulzeit wurde ich gemobbt, die anderen haben mich sogar mit Steinen beworfen, angespuckt und gerufen die Welt bräuchte so ein Stück Dreck wie mich nicht und ich sollte doch von einer Brücke springen.
Nach der Schule habe ich eine außerbetriebliche Ausbildung bei der Caritas gemacht, seitdem bin ich arbeitslos(2002) und wurde später auch in den Maßnahmen der Arge gemobbt
Seit 2015 beziehe ich Frührente, nachdem bei mir Autismus und eine soziale Phobie festgestellt wurde. Außerdem habe ich Depressionen und eine Eßstörung. Ich habe durch das Mobbing ein schweres Trauma erlitten, das es mir unmöglich macht, Kontakt zu anderen Menschen aufzunehmen.
Die einzigen Menschen zu denen ich Kontakt habe sind meine Therapeutin, meine Eltern und Verwandten, Freunde habe ich noch nie gehabt.
Ich wäre gerne Schriftstellerin geworden, aber nachdem zwei Verlage mir abgesagt haben, habe ich vor 10 Jahren aufgegeben.
ES tut mir weh zu sehen, wie andere Menschen ihr Leben haben, während ich keine Freunde, kein Geld und auch sonst nichts habe

Ich lebe alleine in einer kleinen Wohnung und mein einziger Trost ist das Lesen von Büchern und das schauen von Filmen. Seit 2002 bin ich Megafan einer bestimmten Schauspielerin, ja, ich vergöttere sie regelrecht(nein, nicht auf eine erotische Art und Weise, bin nicht verknallt in sie) und ich male mir in Tagträumen immer aus, sie mal treffen zu können und dann ihre Freundin zu werden.
Mittlerweile wird meine Sehnsucht nach einem Treffen so groß, dass ich sogar darüber nachgedacht habe, mal einen Fanbrief an ihre Autogrammadresse zu schreiben und zu behaupten, ich hätte Krebs und müsste sterben, nur damit ich sie mal treffen kann.
Ich schäme mich dafür, denn das zeigt, dass ich ein schlechter Mensch bin, ist doch total krank und abartig sowas zu machen.
Aber mein Wunsch sie zu treffen ist einfach zu groß, obwohl ich weiß dass ein Treffen mit ihr keines meiner Probleme lösen würde.
Aber trotzdem will ich es irgendwie, ist das nicht krank?
Wieso kann ich diesen Gedanken an ein Treffen nicht loswerden?
Ist es die Unzufriedenheit mit meinem Leben, die Einsamkeit, die Depression unter der ich seit Jahren leide, die mich dazu treiben, so einen erlogenen rührseligen Fanbrief zu verschicken?

Und was würde geschehen, wenn ich wirklich eine Antwort kriegen würde und ein Treffen möglich wäre? Würde ich dann auffliegen, wollen die in so einem Fall ein ärztliches Attest sehen?

Irgendwie ist mein Fanbrief ja auch ein stummer HIlfeschrei nach dem Motto "Uns Autisten, unser Leid, unser Ausgestoßensein aus der Gesellschaft, das will keiner sehen, darüber redet keiner.
Will ich diese Frau treffen, weil sie der einzige Grund dafür ist, dass ich, die ständig Gemobbte, noch an das Gute im Menschen glauben kann? Ich kenne diese Schauspielerin nicht persönlich, aber sie setzt sich mit ganzem Herzen für Flüchtlinge ein und engagiert sich auch sonst in vielen sozialen Belangen. Ich glaube, sie würde nie ein böses Wort zu autistischen Menschen sagen, oder diese mobben, sie nimmt vermutlich jeden Menschen so wie er ist.
Ich schäme mich dafür, dass ich so dreist bin und sowas versuche, aber ich kann nichts dagegen tun, weil keiner hören will, wie schlecht es mir als isolierter Autistin geht.
Wir Autisten sind in den meisten Fällen die Ausgestoßenen der Gesellschafft.

Meine Mutter hat mir gesagt, ich sollte doch lieber einen ehrlichen Brief schicken, der meine wirkliche Situation schildert, aber ich glaube nicht, dass so ein Brief überhaupt bei ihr ankommen würde.
Diese Frau bekommt so viele Briefe, und für Autisten interessiert sich niemand, da würde der Brief doch nur vom Management in den Müll geworfen werden.
Zuletzt geändert von Elyn80 am So., 16.02.2020, 21:45, insgesamt 1-mal geändert.

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_Leo_
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Beitrag So., 16.02.2020, 21:45

Ich habe jetzt nichts gelesen was dich zu einem schlechten Menschen mag. Ich lese da große Sehnsucht nach einem normalen Leben und menschlichen Beziehungen heraus von jemandem der viel Leid erfahren hat.

Warum schreibst du nicht einen Fanbrief mit der Wahrheit? Ist Autismus für dich eine weniger wiegende Diagnose als Krebs?


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Elyn80
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Beitrag So., 16.02.2020, 21:46

@Leo

Meine Mutter hat auch gesagt, ich soll einen Brief mit der Wahrheit schreiben.
Aber ich glaube eben nicht, dass der überhaupt bei ihr ankommen würde, weil das Management ihr gar nicht alle Fanbriefe gibt, auf ihrem Schreibtisch landen wahrscheinlich nur die besonders traurigen Briefe von Leuten, die bald sterben müssen

Ich denke aber schon, dass ich ein schlechter Mensch bin, weil ich bereit bin zu lügen, nur um diese Person die ich so verehre mal treffen zu können. .

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_Leo_
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Beitrag So., 16.02.2020, 21:51

Viele Menschen lügen. Dann wären das alle schlechte Menschen. Und für mich scheint deine "Lüge" auch aus der Not heraus.

ob sie den Brief erhält... Manche lesen die Post von ihren Fans, andere nicht. Kommt wohl darauf an wie viel Post sie erhält. Wenn sie bei GZSZ mitspielt erhält sie vielleicht so viel Post das sie das gar nicht alles lesen kann.

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Elyn80
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Beitrag So., 16.02.2020, 21:54

@Leo

Nein, es ist eine amerikanische Schauspielerin, hat in Herr der Ringe die Galadriel gespielt also schon sehr bekannt. .
Ich glaube, da hat man nur Chancen den Brief zu ihr zu kriegen, wenn man schreibt, dass man sehr krank ist und bald sterben muss.
Ja, vielleicht ist es wirklich eine Notlüge, irgendwie mache ich das ja auch aus Verzweiflung weil ich mich oft fühle, als würde ich alleine im Dunkeln stehen und schreien aber keiner will mich hören.
Mir ist schon klar, dass ein Treffen mit dieser Person keines meiner Probleme lösen würde, aber es würde einfach mal so verdammt guttun, wenn jemand so nett zu einem ist, und man mal ein Lächeln und ein paar freundliche Worte und nicht immer nur Hass und Häme bekommt.

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Candykills
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Beitrag So., 16.02.2020, 22:31

Ich finde es eher schwierig, dass Kinder mit Krebs anders behandelt werden, als zum Beispiel Kinder, die schwer vernachlässigt oder missbraucht wurden. Als sei deren Leid kleiner.
Aber Krebs ist für viele greifbarer. Trotzdem hast du ja viel Leid erfahren.
Es ist eher unwahrscheinlich, dass du eine Schauspielerin aus den USA triffst, so viel Realität sollte dir bewusst sein. Ob Krebs oder Autismus ist da wohl völlig egal.

Vielleicht kannst du dir eine Selbsthilfegruppe suchen und dadurch Kontakte knüpfen. Das wäre realistischer, als einer US-Schauspielerin hinterher zu rennen. Autismus lässt sich sicher schwer behandeln, aber gegen die soziale Phobie kann man therapeutisch viel ausrichten. Aber du musst halt die Initiative ergreifen. Keiner kann für dich eine Therapie machen oder in eine Selbsthilfegruppe gehen, um Kontakte zu knüpfen.
Wegträumen ist halt einfacher...
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Beitrag So., 16.02.2020, 22:34

@Candykills

Das mit den Tagträumen mache ich schon seit frühester Kindheit, weil ich das Leben sonst gar nicht ertragen hätte. In eine SElbsthilfegruppe zu gehen ist gar nicht so einfach, ich hab immer Angst, dass andere mich auslachen könnten, und verlasse deswegen meine Wohnung nur um zum Einkaufen oder in den Wald zu gehen, wo man fast nie auf andere Menschen trifft.
Aber mit den Tagträumen ist es eben wie mit Menschen die hungrig sind und ans Essen denken....es macht nicht wirklich satt.
Mir fehlt halt der Mut, in eine solche Gruppe zu gehen, ich wünschte echt ich hätte diesen Mut.

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Candykills
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Beitrag So., 16.02.2020, 22:38

Ich weiß nicht, ob es viel Sinn macht, sich mir dir auseinanderzusetzen, weil wahrscheinlich immer kommt "kann ich nicht, schaff ich nicht".
Du könntest dich erstmal um therapeutische Hilfe bemühen, um deine soziale Phobie in den Griff zu bekommen. Aber DU musst auch was dafür tun.
Wenn dir die Tagträume lieber sind, dann ist das so. Aber SO wird sich dann ganz bestimmt nichts ändern. Du wirst eder Cate Blanchett treffen, noch ein erfüllteres Leben bekommen.
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Beitrag So., 16.02.2020, 22:40

@Candykills

Für einen Hund, der immer nur getreten worden ist, ist das gar nicht so leicht. Du hast natürlich Recht mit dem was du schreibst, aber so einfach ist das alles nicht. Wenn man wirklich keine Kraft mehr hat und schwer Depri ist, ist es schwierig den Mut aufzubringen sich eine Selbsthilfegruppe zu suchen.

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Candykills
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Beitrag So., 16.02.2020, 22:45

Ach weißt du, auch ich habe sehr schlimme Dinge erlebt, habe viele Diagnosen (darunter auch Depressionen). Und trotzdem kämpfe ich und verstecke mich nicht hinter Tagträumen. Es liegt eben an dir etwas zu ändern und dich nicht immer mit deinen Diagnosen und Symptomen rauszureden. Wie gesagt...probiers mit Therapie.
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Beitrag So., 16.02.2020, 22:47

Ich bin seit fünf Jahren in einer Autismustherapie, aber meine Ängste und Minderwertigkeitsgefühle gehen nicht weg, die Therapie hilft leider nicht.
Wie hast du das denn geschafft, trotz all der schlimmen Dinge die du erlebt hast, weiterzukämpfen? Bei mir klappt das nicht, ich fühle mich oft so elend, dass ich einfach nur heulen und am liebsten den ganzen Tag im Bett bleiben würde

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Candykills
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Beitrag So., 16.02.2020, 22:51

Naja, Therapie, Medikamente. Das sind die zwei wichtigsten Säulen, um zum Beispiel aus der Antriebslosigkeit zu kommen.

Wenn die Therapie nichts bringt, dann würde ich mir vielleicht einen anderen Therapeuten suchen.

Wie auch immer, schwere Depressionen sollten auch medikamentös behandelt werden und nicht nur psychotherapeutisch.
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Beitrag So., 16.02.2020, 22:53

Medikamente hatte ich schon, habe die aber wieder abgesetzt, weil die dazu geführt haben, dass ich mich wie ein Zombie fühlte, aus meinem eigenen Gehirn ausgesperrt...ich hatte das Gefühl, diese Medikamente sedieren nur, bessern aber nicht die psychische Lage, sie machen einen nur emotional wie tot...als wäre man unter Drogen....das ist also leider in meinem Fall keine Lösung gewesen.
Das mit dem Therapeutenwechsel wäre aber vielleicht eine Lösung, damit ich herausfinden kann, ob es an mir oder an der Therapeutin liegt, dass sich noch gar keine Fortschritte eingestellt haben.


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Elyn80
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Beitrag Mo., 17.02.2020, 01:48

Übrigens, nur noch mal so am Rande:

Ich kenne im Internet eine Person, die der Schauspielerin meinen Brief geben könnte, die gibt der jedes Jahr Fanbriefe, ich hab sogar ein Video gesehen, wie sie ihr die überreicht, als sie in London Theater gespielt hat, also weiß ich dass die junge Frau die die Briefe weitergibt keine Lügnerin ist. . Und das sind immer so vierzig Briefe oder so....also so unrealistisch ist das gar nicht, dass sie meinen Brief zumindest persönlich erhalten würde.
Naja..dass sie alle vierzig Briefe liest, die sie da jedes Jahr kriegt ist aber auch nicht so wahrscheinlich aber es würde meine Chancen vergrößern, sicherlich ist es unwahrscheinlich dass sie alle Briefe liest, aber versuchen kann man es ja mal.

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nulla
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Beitrag Mo., 17.02.2020, 02:15

Hallo Elyn,
es tut mir leid, dass du es so schwer hast und ich glaube nicht, dass du ein schlechter Mensch bist.

Zu deiner Frage:
Wenn du einen Brief an die Schauspielerin schreiben willst, dann tu das eben. Du solltest dir nur vorher überlegen, wie du mit einer möglichen Reaktion oder Nicht-Reaktion zurecht kommst. Niemand kann dir versprechen, dass sie den Brief liest. Niemand weiß, ob oder was sie antwortet.
Wenn du ihr vorlügst, du hast Krebs, und sie trifft dich wirklich und findet das heraus, wird sie vermutlich nicht besonders von dir angetan sein. Niemand wird gerne angelogen, du auch nicht, wie ich deinen Worten entnehme.
Und sollte es WIRKLICH dazu kommen, dass du sie triffst, könnte es sein, dass sie ganz anders ist, als du sie dir vorstellst, und du bist wieder enttäuscht. Das solltest du dir überlegen.
Und mit Autismus und Sozialphobie stelle ich es mir nicht so einfach vor, diese Reise in die USA zu unternehmen, würde das bei dir klappen?

Generell denke ich, dass Autismus gar nicht so unpopulär ist, auch wenn man leider eher Genies mit Inselbegabung in den Medien propagiert, was ja nicht unbedingt dem Durchschnitt entspricht. Ich würde also - sofern du über Mitgefühl ihre Aufmerksamkeit auf dich ziehen willst - nicht sagen, dass es unbedingt Krebs sein muss.

Allerdings denke ich, dass ein Treffen mit dieser Schauspielerin dein Leben nicht nachhaltig verbessern würde. Candykills ist zwar recht resolut in seiner Ausdrucksweise, aber im Grunde hat er recht. Die Dinge, die du ändern kannst, die musst selbst ändern. Und mit den Dingen, die du nicht ändern kannst (ich schätze, dass sind viele), musst du leider irgendwie leben lernen.

Dass du in Therapie bist, ist doch grundsätzlich toll. Schade, dass es dich bisher nicht wirklich weitergebracht hat.
Du schreibst, du gehst gerne in den Wald. Das finde ich super, dass du dich nicht nur zuhause einsperrst. Vielleicht könntest du mehr Zeit in der Natur verbringen? Könnte dir das gut tun?

LG nulla
"Wege entstehen dadurch, dass man sie geht."
(Kafka)

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