Widersprüchliche Gefühle in Missbrauchssituation

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.

ziegenkind
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Beitrag So., 02.12.2012, 20:27

ich habe nichts gegen löschen und nichts gegen stehen lassen. ich würde mir vielleicht sehr, sehr wünschen, dass niemand sich schämen muss. (davon war schon so viel, genug für immer) mich hat der austausch, die ehrlichkeit, der mut hier sehr berührt. ich habe von euch allen gelernt.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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**AufdemWeg**
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Beitrag So., 02.12.2012, 20:30

Mein spontanes Gefühl: löschen lassen
mein anderes Gefühl: genau DAS muss stehen bleiben, so fühlt es sich an, so war es, so ist es, nicht weg laufen, dazu stehen, auch mit der Angst und der Scham leben andere Menschen könnten auf mich herabschauen, angeekelt sein, abgestossen sein, mich bemitleiden und auch mit dem Defizit zu leben und vielleicht einen noch besseren Umgang damit zu finden: wie gehe ich mit mir und meinen Grenzen um?

Wirr -aber ich hoffe, ihr versteht was ich sagen will.
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Catinka
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Beitrag So., 02.12.2012, 20:41

Ich möchte mich auch kurz zu Wort melden. Ich verfolge eure Beiträge schon seit Beginn, immer kurz davor auch etwas zu schreiben. Ich finde mich in euren Worten so wieder und ich bin sooooo traurig, dass das so ist. Das es euch so geht wie es euch geht, dass es uns so geht wie es uns geht und das die Scham an dieser Stelle so groß ist.

Was ich eigentlich sagen möchte, die Eröffnung dieses Threads hat mich über das Wochenende gerettet, hat mir Mut gemacht, die dunklen Seiten dessen, was ich erlebt habe, was wir erlebt haben, und die damit verbundenen Gefühle, wahrzunehmen. Ich hatte dieses Wochenende das erste Mal in meinem Leben das Gefühl, dass ich "normal" bin. Und nur, weil ihr alle hier so offen seid. Dafür möchte ich mich bedanken. Es wäre schade, wenn DAS hier gelöscht wird aber ich kann euch auch verstehen. Die Grenzen sind manchmal zu schwach um sie zu erkennen.

Danke ... wirklich!
Catinka

Es war so, als wenn die Sonne schlafen geht - unten am Fluss. Es waren...es waren millionen Glitzerlichter auf dem Wasser.

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Flügellos
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Beitrag So., 02.12.2012, 20:56

Ja, AdW. So ist es auch für mich. Genau so. Nur mit dem Unterschied: ich habe den Faden eröffnet und ich habe mir schon vorher überlegt, was ich mir damit eventuell zumute.

Kenneth hat passende Worte gefunden, denen gibt es nichts mehr hinzuzufügen. Ich würde es gerne stehen lassen, auch weil das hier Gesagte vielleicht noch anderen helfen kann. Aber nicht um jeden Preis!

@Catinka: Danke für Deine Worte!

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**AufdemWeg**
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Beitrag So., 02.12.2012, 21:27

Schon als ich den Titel gelesen habe "widersprüchliche Gefühle" war mir klar
JETZT kommt die andere Seite zur Sprache.
Diese andere Seite ist so schwer auszuhalten.
Das Gefühl geht soweit selbst zu spüren der Täter zu sein.
Ich habe z.B. heute Nacht nicht neben meinem Mann schlafen können.
Aber: es ist in einem selbst es sind ja nicht die Anderen
man ist es selbst
sich selbst der größte Verfolger und Peiniger und Richter.
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Flügellos
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Beitrag So., 02.12.2012, 21:32

Ja, AdW, einfach nur ja.

Ich setze mich für einen Moment still neben Dich, wenn ich darf.


Widow
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Beiträge: 2240

Beitrag So., 02.12.2012, 22:40

Ihr Lieben, Ihr Gepeinigten, Ihr Mutigen, Ihr Zerrissenen,

Ihr seid so voller Zärtlichkeit für die Menschen (ich kenne Euch nur aus diesem Forum, doch eine jede von Euch ist so voller Zärtlichkeit für die Menschen).
Ich glaube (und das ist irrelevant), dass Ihr das nur sein könnt, weil Ihr damals imstande wart, in all diesem Schrecken, all diesem Grauen, all diesem Falschen doch noch den Menschen zu sehen: In ihm und in Euch.

Mit klammen Fingern und schwerem Herzen geschrieben,
doch in einem Ausmaß ohne Wort dankbar für Euren Mut, Eure Zweifel und Eure Menschen-Zärtlichkeit (allen voran für Deine, liebe Flügellos)
w


montagne
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Beitrag Mo., 03.12.2012, 20:50

mein anderes Gefühl: genau DAS muss stehen bleiben,
Ja.

Danke euch. Es ist unsagbar mutig, was ihr Preis gegeben habt. Mir hat der Atem gestockt. Jeder weiß es, oder? Und doch.. das Schweigen.. das darf nicht sein.

Diese Macht dürfen Täter nicht haben, sie hatten sowieso schon zu viel Macht. Und zukünftige Täter erhalten macht durch unwissenheit potentieller Opfer und auch... ja.. das Schweigen von Müttern und Vätern, die Opfer waren und die Schweigen und die Augen verschließen, wenn ihre Töchter und Söhne Opfer werden.

Niemand kann seinen eigenen Missbrauch, der schon geschehen ist verhindern oder auslöschen. Aber zukünftige Übergriffe können verhindert werden, wnen man nicht mehr schweigt, nicht mehr wegsieht von sich. Denn wnen man sich nicht sieht, kann man andere auch nicht gut sehen.

Und ein bisschen heilt das vielleicht (mich zumindest). Zu wissen das richtige zu tun.
amor fati

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Inside
sporadischer Gast
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Beiträge: 21

Beitrag So., 09.12.2012, 22:23

Ich möchte, wenn ich darf hier auch etwas dazu schreiben.

Ich bin falsch verkabelt - in meinem Kopf.
Irgendwann war ich vielleicht einmal anders und wenn es das Leben zulässt, dann kann ich vielleicht den Kabelsalt in meinem Gehirn neu ordnen.

Ich kenne den Kick, die Lust am Missbrauch auch. Es war mein Weg zu überleben. Kommt mir jemand zu nahe, dann switche ich mich raus und zurück bleibt das Einzige, was ich dann noch fühlen kann. Liebe.
Es ist so, als wäre ich er. Vielleicht bin ich das in diesem Moment. Es gibt kein ich mehr - nur mehr das, was in allen Menschen wohnt, wenn sie ihrer Identität abgeben, das woraus Menschen gemacht sind: aus Liebe.

Ich kann seine Einsamkeit fühlen, seine Verzweiflung, seinen Selbsthass und in mir entsteht Mitleid.
Damm!

Ich bin dann immer noch. Irgendwo. Ich bin im Himmel und in der Hölle gleichzeitig. Ein seltsamer Ort.

Viele Jahre danach kam mein Mann.
Ich habe es gemacht, wie ich es immer machte - löste mich auf und gab ihm alles. Er sagte immer, es sei der Himmel auf Erden. Aber es war ein vergiftetes Geschenk, denke ich, weil es auch seine Grenzen gesprengt hat.

Inside

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**AufdemWeg**
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Beitrag Mo., 10.12.2012, 15:08

Lust am Missbrauch
genau so, genau SO formulierte es auch einmal meine Therapeutin.
Ich war so entsetzt, habe mich so nackt gefühlt, so ertappt, so schuldig, so schmutzig, schädigend...
"Woher wissen Sie das?"
habe ich sie gefragt
"Ich habs gespürt,"war die Antwort.

Alleine hätte ich es nie eingestehen können
vermutlich nicht einmal vor mir selbst.
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Flügellos
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Beitrag Mo., 10.12.2012, 17:02

Liebe Inside!

Mein Therapeut hat mich im Zuge dieses, meines Geständnisses auch gefragt, ob ich manchmal das Gefühl habe ER zu sein (der Missbraucher). Mir geht es wie Dir, konnte es nur nicht wirklich beschreiben. Lust am Missbrauch und auch wieder nicht - da ist irgendwie beides, je nachdem in welcher "Rolle" ich mich gerade gedanklich befinde.

Du hast es eigentlich sehr gut beschrieben. Danke dafür!

Flügellos

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Erdbeermütze
Forums-Insider
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Beitrag Mo., 10.12.2012, 18:39

Hallo Flügellos,

jetzt schreibe ich doch noch etwas dazu.

Im Buch "Sexual Healing Ein sexuelles Traume überwinden" von Wendy Maltz ist auch das beschrieben. Ein sehr gutes Buch, das mir sehr in allen Bereichen geholfen hat. Auch das ich überhaupt in der Lage war meine "Geständisse" in der Therapie zu machen, das ich/es unter diesen Umständen normal ist.

Ich weis nicht ob es hier schon mal genannt wurde oder du es weis: Das Gefühl er zu sein heißt Täterintrojekte.

LG
Erdbeermütze

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Flügellos
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Beiträge: 83

Beitrag Mo., 10.12.2012, 20:42

Hallo liebe Erdbeermütze!

Vielen Dank für den Buchtipp!

Und noch viel, viel mehr "Danke" für Dein Schreiben hier!

Flügellos

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