Ärztliche 'Untersuchung'

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
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Margit
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Ärztliche "Untersuchung"

Beitrag So., 23.09.2018, 18:22

Schon seit über einem Jahr lese ich die Berichte auf dieser Seite. Jetzt finde ich endlich den Mut, mich zu Wort zu melden.

Einmal geht es mir so wie wohl den meisten, dass es einfach nicht leicht ist, das Thema MB anzupacken. Aber was mich auch immer noch abgehalten hat zu schreiben ist dies: Mir ist es regelrecht peinlich, mich hier zu Wort zu melden. Denn so viele Schreiberinnen berichten von schwersten Erlebnissen in der Kindheit, oft von unsäglicher Gewalt, die sie zu Hause erdulden mussten. Ich geniere mich zu sagen, dass ich mit meiner Zwillingschwester Erika und mit unserem fünf Jahre älteren Bruder recht harmonisch aufgewachsen bin und dass wir alle eine sehr behütete Kindheit hatten.Dass ich hier nun schreibe liegt daran, dass ich einmal missbraucht wurde und bis heute damit nicht zurecht komme. Es war bei mir kein Verwandter, keine nahestehende Person, es war ein Arzt, der seine Stellung dazu ausgenützt hat.

Mit zwölf Jahren musste ich zu einer Blinddarmoperation ins Krankenhaus. Am Abend vor der Operation hat mich der Narkosearzt untersucht, aber eben nicht nur untersucht. Ein Krankenpfleger brachte mich mit Schlafanzug und Bademantel bekleidet zu ihm ins Untersuchungszimmer. Ich war mit ihm allein in seinem Dienstzimmer, es war also keine Krankenschwester dabei und ich musste mich gleich komplett ausziehen. Als dreizehnjähriges Mädchen am Beginn der Pubertät hätte ich vor Scham in den Boden versinken können. Zuerst wurde ich im stehen untersucht mit Stethoskop auf Herz und Lunge usw. Ich musst vor ihm Kniebeugen machen, mich bücken wobei er die Wirbelsäule abtastete und noch mehr derartige Verrenkungen. Auf der Untersuchungsliege wurde ich dann abgetastet, auch meine Brüste, die gerade im Aufkeimen waren, und über den ganzen Körper gingen die Hände des Arztes bis in die Genitalregion hinein. Ich musste meine Beine weit spreizen und er fummelte und manipulierte an mir so lange herum bis ich irgendwann einen Orgasmus bekam. Zu guter letzt musste ich mich auch noch vor ihm hinknien und er führte zuerst seinen Finger in meinen Anus ein um mich abzutasten und dann ein Fieberthermometer. Ich bin tausend Tode gestorben bei dieser so genannten "Untersuchung".

Wenn ich gesagt habe, dass wir Kinder sehr behütet aufgewachsen sind, dann muss ich jetzt noch hinzufügen, wir sind wohl auch zu autoritätsgläubig erzogen worden. So sehr diese "Untersuchung" für mich die reinste Folter war, habe ich mir damals nur den einen Reim machen können, nämlich dass das wohl so sein muss, wenn der Arzt das so macht, denn sonst würde er es doch nicht so machen. Anders konnte ich damals mit meinen dreizehn Jahren nicht denken.

Als ich dann wieder ins Krankenzimmer zurückkam, war ich in Tränen aufgelöst. Die Krankenschwester meinte, es wäre die Angst vor der Operation am kommenden Tag. Ich bekam das Beruhigungsmittel, das alle am Abend vor der Operation bekamen, dann eben etwas früher und bin so eingeschlafen.

Als ich dann nach ein paar Tagen wieder zu Hause war, habe ich abends im Bett Erika davon erzählt. Wir beiden Mädchen hatten ein gemeinsames Zimmer und vor dem Einschlafen war immer die Zeit, in der wir uns alles anvertraut haben. Auch heute noch ist meine Schwester für mich die allererste Vertraute und Freundin. Erika konnte damals auch noch nicht erfassen, was mit mir geschehen war. Sie hat genauso reagiert wie ich: "Wenn der Arzt das mit dir so gemacht hat, dann musste das wohl so sein". Mein Erlebnis im Krankenhaus hat uns immer wieder abends vor dem Einschlafen beschäftigt. Als wir dann 15 waren, war Erika es gewesen, die zu mir gesagt hat: "Was du damals erlebt hast, das war keine normale Untersuchung, der Arzt hat dich missbraucht." Da habe ich das dann auch so gesehen. Ja, ich musste erst 15 werden, bis ich verstanden hatte, was geschehen war.

Ich habe bis heute einen furchtbaren Horror vor Ärzten, obwohl ich doch genau weiß, warum das so ist und woher diese Angst kommt. Nun habe ich hier in der Stadt zum Glück die Möglichkeit, ausschließlich Ärztinnen in Anspruch zu nehmen, wenn ich einmal jemanden brauche. Aber was noch schlimmer ist: Ich habe einfach Angst vor körperlichem Kontakt mit Männern. Erikaistt drei Jahren verheiratet und hat eine Tochter, mein Bruder Michael ist ebenfalls verheiratet und nun erwarten sie das zweite Kind. Mein sehnlichster Wunsch ist, auch eine eigene Familie zu haben. Und immer wieder fürchte ich die Nähe von Männern.


Das ist nun auch schon wieder sieben Jahre her. Wenn ich nun hier schreibe, dann ist das ein neuer Anlauf, wenigstens einen Schritt weiter zu kommen.

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Malia
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Beitrag So., 23.09.2018, 19:00

Es tut mir sehr leid, was dir angetan wurde, Margit.
Gibt es für dich Menschen, mit denen du darüber reden könntest (Ärztin, Therapeutin, Wildwasser o.ä.) ?
Sie könnten dich auch dabei unterstützen, den Mann anzuzeigen, wenn du soweit kommst, dass du das für richtig hältst.
Sicher bist du nicht die Einzige, die er missbraucht hat.
Sich sorgen macht die Zukunft nicht leichter, die Gegenwart aber schwerer.
(unbekannt)


montagne
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Beitrag Mo., 24.09.2018, 08:10

Tut mir auch Leid. Macht mich immer wieder wütend, wie Autoritätspersonen ihre Position missbrauchen.

Du konntest nichts dafür. In dem Alter und wnen man nicht so genau mit dir drüber sprach, ist es schwer zu wissen, was ein Arzt darf, was wirkliche Untersuchung ist und was nicht. In der Situation ist es schwer zu erfassen und für ein kleines Mädchen schwer sich zu wehren.

Du hast hier den ersten Schritt getan, vielleicht wäre der 2. eine Therapie zu beginnen, diese Sache und deine Angst vor Männern aufzuarbeiten. Nicht alle Männer so sind, gewiss nicht.

Manchen hilft es den Täter anzuzeigen, sei es bei der Polizei, bei der Ärztekammer. Manche belastet es aber auch zu sehr.
amor fati

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