Selbstschädigende Handlungsimpulse ohne tatsächlichen Suizid dran

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
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Levit
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Selbstschädigende Handlungsimpulse ohne tatsächlichen Suizid dran

Beitrag So., 06.12.2020, 21:45

Hallo zusammen,
Mein Erster Beitrag hier.

Ich bin schon lange mit Depressionen sowie latente Suizidalität und vorsätzliche Selbstschädigung diagnostiziert. Seit einem Jahr nehme ich ein Medikament welches mich endlich stabilisiert und mir geht es damit deutlich besser.

Nun ist es seit einiger Zeit so, dass ich durch gefährliche Gegenstände wie Messer, Scheren, Klingen, Waffen usw. Oder durch gefährliche Situationen und Orte wie Bahnhöfe, Straßen, Brücken regelrecht getriggert werde. Ich bekomme handlungsimpulse und Phantasien, mich mit den Gegenständen oder durch diese Situationen zu schädigen, also beispielsweise mit dem Messer zu schneiden oder vor einen Zug zu springen. Das tritt auch auf, wenn es mir eigentlich ziemlich gut geht, und dann aus dem Nichts. Ich kann mich gut aus den Situationen rausziehen und Abstand nehmen, aber es macht mich doch ein bisschen unruhig. Ich habe Sorge, mal in die Situation zu kommen, mich nicht rausziehen zu können und dann die Kontrolle zu verlieren. Das ist aber noch nie passiert. Ich bin auch grundsätzlich von der ganzen Suizid-Thematik weitestgehend weg, klar ist es immer so ein Begleiter wenns mal kacke läuft, aber grundsätzlich Liebe ich das Leben und möchte es mir nicht nehmen. Ich bin auch von Grund auf kein aggressiver Mensch, sondern eher ruhig und zu nett.

Hat jemand einen Tipp für mich? Mein Psychiater hat nur mit den Schultern gezückt und meinte damit müsse ich klarkommen, es wäre halt ne Begleiterscheinung von den Depressionen.

Für Antworten wäre ich dankbar.
Lg

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chrysokoll
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Beitrag So., 06.12.2020, 22:02

hm, also dein Psychiater meint damit müsstest du halt klarkommen, aber weitere Ideen hat er nicht?
Das ist zu wenig, das ist echt dürftig und auch gefährlich.

Nimmst du denn nur Medikamente oder machst du auch eine Therapie?
Denn da gehört das als Thema unbedingt hin.

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Beitrag So., 06.12.2020, 23:01

Levit hat geschrieben: So., 06.12.2020, 21:45 Hat jemand einen Tipp für mich?
So einfach kann man da keinen Tipp geben. Kommt halt drauf an, aus welchen Gründen du diese Impulse hast, was konkret dahinter steckt.

Also zum Beispiel:
- Wunsch nach innerer Ruhe und Ausgegeglichenheit
- Flucht vor inneren und äußeren Schwierigkeiten, Belastungen, die dich gerade überfordern
- möchtest du, dass jemand sieht das es dir schlecht geht? Brauchst du Unterstützung, Hilfe, Zuwendung?
- oder was ist es sonst?


Meiner Meinung nach produziert das Gehirn solche Impulse nicht ohne Grund. Es steckt immer etwas dahinter.

Ich denke, wenn man herausfindet, was dahintersteckt, was man wirklich braucht und will... seine eigenen Bedürfnisse ernst und wichtig nimmt...
Ist das ein winzig kleine Schritt in eine Richtung, damit es einem besser geht.

Wenn der Psychiater dich nicht ernst nimmt, ist das natürlich kontraproduktiv, weil es dich nur behindert auf deinem Weg dich und deine Bedürfnisse ernst zu nehmen.

Such dir jemand der dich unterstützt, anstatt es dir noch schwerer zu machen.
"You cannot find peace by avoiding life."
Virginia Woolf


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Levit
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Beitrag Mo., 07.12.2020, 04:32

Hallo ihr,

Danke für eure schnellen Antworten. Ich kann mir ehrlich gesagt nicht wirklich erklären warum ich plötzlich diese Impulse habe. Also es ist so als würde mein Kopf einfach kurz so eine Fehlinterpretation haben? Also einfach so nach dem Motto „äh, das wäre ne gute Idee - Achso Nein doch nicht. "
Es ist als würde mich das einfach anziehen. Ich bin ja froh dass ich noch diese Selbstkontrolle habe. Es ist auch kein Zwnagsgedanke in dem Sinne dass ich das jetzt irgendwie unbedingt machen muss weil sonst etwas schlimmes passiert oder ich habe den Impuls so lange bis ich ihn ausführe, es ist der Bruchteil einer Sekunde und dann zack.
Es kommt halt auch vor wenn meine Mitbewohner mit dabei sind, aber die bekommen dass meistens nicht mit weil ich meistens halt einfach nur innerlich Abstand nehme oder rausgehen. Einem von denen habe ich mal davon erzählt weil er mich gefragt hat warum ich die Messer nicht aus der Spülmaschine nehme, und dem fällt manchmal vielleicht auf weil er dann fragt, aber sonst ist das auch nicht so auffällig. Also habe ich nicht das Gefühl dass das ein Ausdruck von „Aufmerksamkeitssuche" ist, aber ich weiß es nicht so genau.

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Levit
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Beitrag Mo., 07.12.2020, 04:38

Therapie an sich mache ich nicht, da ich sehr lange in Therapie war und nun eine 2-Jahres-Sperre für eine Ambulante Therapie besitze. Ich gehe ca alle drei Monate zum Psychiater zur Kontrolle meiner Medikamente, sonst bin ich professionell nirgendwo angebunden. Grundsätzlich habe ich auch nicht das Gefühl dass ich es brauchen würde, mit Ausnahme von diesen Handlungsimpulsen

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lisbeth
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Beitrag Mo., 07.12.2020, 08:41

Hallo Levit,

ich habe ein paar Gedanken dazu, die in ganz unterschiedliche Richtungen weisen, vielleicht kannst du ja mit dem einen oder anderen etwas anfangen:

- Je nachdem welches Medikament du nimmst (oder Medikamente) und seit wann, bzw wenn du die Dosis geändert hast, kann das durch aus damit zusammenhängen. Ich kenne solche Impulse auch, und ich hatte das mit Venlafaxin ganz stark, vor allem beim Einschleichen und dann noch extremer beim Absetzen. Das waren richtige bildhafte Vorstellungen, ziemlich splattermäßig, fast schon Halluzinationen. Und das war mit Venlafaxin nochmal viel stärker als "normal". Ich hatte in der Zeit auch ziemlich Angst, ein Küchenmesser in die Hand zu nehmen, weil ich mir nicht sicher war, ob diese Grenze zwischen Vorstellung und tatsächlichem Handeln stabil genug ist.
Meine Psychiaterin hat das allerdings nicht abgebügelt sondern ziemlich ernst genommen. Ich hatte Hemmungen ihr das zu erzählen weil ich nicht in die "akut suizidal" Schublade gesteckt werden wollte, was aber nicht passiert ist. Dass dein Arzt sagt "damit musst du halt leben" finde ich unterirdisch. Such dir einen anderen Arzt oder teile ihm klipp und klar mit, dass du mit solchen Vorstellungen nicht dauerhaft leben willst weil es dich einschränkt.

- Bei mir gibt es außerdem einen Zusammenhang mit meiner eigenen Wut und meinen eigenen Aggressionen. Ich bin bzw war lange Zeit mit diesen Gefühlen so überhaupt nicht in Verbindung, hab es auch noch nichtmal ansatzweise selbst gespürt, wenn ich wütend war. Wut war ein unbekanntes Gefühl für mich. Und ich glaube mittlerweile, dass diese total unterdrückten (oder abgeschnittenen) Gefühle sich einen Weg gesucht haben, um sich irgendwie mitzuteilen. Bei mir sind diese Impulse deutlich weniger geworden, in dem Maße wie ich in der Therapie mit meiner Wut und meiner Aggression in Kontakt gekommen bin. Das ist nicht besonders kuschlig gewesen und ist es immer noch nicht. Aber für mich macht es Sinn, dass diese sehr starken Gefühle sich irgendwie einen Weg an die Oberfläche suchen (zB über solche Impulse), wenn sie nicht anders gelebt werden (und mit 'gelebt' meine ich nicht, hemmungslos ausleben). Das kann man auch physikalisch betrachten, zB mit dem Energieerhaltungssatz. Die Wut- oder Aggressionsenergie sind ja trotzdem da, auch wenn diese Gefühle komplett abgespalten sind. Und dass diese Energie sich irgendwann Bahn bricht, und einen Weg sucht, das finde ich nicht verwunderlich.

- Die 2-Jahres-Sperre ist so nicht korrekt. Wenn du eine behandlungsbedürftige Störung hast, dann kriegst du trotzdem Therapie bewilligt. Allerdings muss ein Therapeut dann von Anfang an ein Gutachten schreiben, und diesen Aufwand scheuen viele. Die Chancen, dass ein Antrag bewilligt wird steigen, wenn du in ein anderes Verfahren als bisher wechselst.
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott

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Scars
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Beitrag Mo., 07.12.2020, 11:25

Hallo Levit! Ich würde mich dem vorherig geschriebenen anschließen und dir empfehlen, am besten mit jemandem gemeinsam, auf die Suche nach den ursächlichen Gefühlen gehen. Das können schon Dinge sein, denen du dir gerade noch gar nicht bewusst bist oder gegen du die aktuell noch einen (unbewussten) Widerstand hast wie z.B. ein Bedürfnis nach Aufmerksamkeit oder körperlicher Zuwendung oder unterdrückte Aggressionen o.ä. Hast du ansonsten irgendwie Stress oder Ärger mit Arbeit, Uni, Menschen, Corona? Ist es vielleicht auch Langeweile?

Levit hat geschrieben: So., 06.12.2020, 21:45 Hat jemand einen Tipp für mich? Mein Psychiater hat nur mit den Schultern gezückt und meinte damit müsse ich klarkommen, es wäre halt ne Begleiterscheinung von den Depressionen.
Wenn du ansonsten mit deinem Psychiater zufrieden bist, würde ich ihm mitteilen, dass du mit 22 nicht gewillt bist, dich einfach so mit den dich belastenden Begleiterscheinungen deiner Depression abzufinden. ^^

Vielleicht könnte es dir auch helfen, eine Zeit lang ein Tagebuch zu führen um die Situation zu analysieren? Bei mir ist es oft so, dass sich Symptome zeitversetzt zeigen und ich habe eine Weile gebraucht um zu verstehen, dass Impuls A, der scheinbar aus dem Nichts kommt, mit Situation B zusammenhängt, die am Morgen oder auch drei Tage vorher stattgefunden hat oder Frühstück ausgefallen ist etc. Das ist manchmal gar nichts Großes, weshalb es im Alltag untergeht aber trotzdem Auswirkungen hat. Ansonsten versuche ich verquere Gedanken umzubauen, wenn ich mich nicht näher damit beschäftigen möchte und denen keine Aufmerksamkeit zu schenken: Danke für die Info liebes Gehirn, aber Buttermesser sind für Nutella da.
Remember to leave pawprints on hearts.

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