Ich kann mir keine Therapie leisten

Spezielle Fragen zur Lage in Österreich
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Paprika
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Ich kann mir keine Therapie leisten

Beitrag Sa., 21.12.2013, 22:39

Guten Abend!

Sagt mal, habt ihr alle Modellplätze (in Ö)?
Ich hatte schon mal eine Psychotherapie gemacht, und dabei sehr viele meiner damaligen Ersparnisse aufgebraucht.
Nun, das ist einige Zeit her, letztes Jahr habe ich mich schon entschieden gehabt, wieder eine zu machen und dann.... fing es mich so zu stressen an, monatlich ca. 240.- Euro zu zahlen (Therapiestunde 80.- minus ca. 21.- Zuschuß in Ö 'kleiner Antrag') dass ich wieder abbrach.
Wir verdienen nicht schlecht, haben aber hohe Schulden wegen Wohnraumbeschaffung und kleine Kinder - also das Geld rinnt nur so weg, Ersparnisse gibt es keine mehr, das Konto laufend im Minus. Einsparpotential? Kaum... kaufe schon gebrauchte Kleidung für die Kinder und für mich kaum etwas.
Ich habe eine Therapeutin, zu der ich sooooo gerne hingehen würde und die mir glaube ich auch gut helfen könnte... doch de facto kann ich es mir nicht leisten.
(Sollte es wichtig sein: ich würde gerne einiges meiner Familiengeschichte aufarbeiten, bin dauer-pessimistisch, habe wenig Lebensfreude und krebse immer so am Rande eines klassischen Mütter-Burnouts herum)

Modellplatz mag ich nicht beantragen, (bin da unsicher wegen der Anonymität und schwere Störung habe ich nun auch wieder nicht) und würde ich wohl auch nicht bekommen.
Blöde Situation, wie erging oder ergeht es euch da so?

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Silencia
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Beitrag Sa., 21.12.2013, 23:19

Hallo Paprika!

Meine Erfahrungen zum Thema Therapiefinanzierung:

Ich bin bei Hilfsorganisationen sehr vorsichtig (IFS, pro mente), da ich einige schlechte Erfahrungen gemacht habe.

Ich habe daher bei meinem Psychiater einen Reha-Schein abgeholt und so hat meine Krankenkasse alles übernommen. Also ich weiss ehrlich gesagt nicht, ob das bei jedem Thera so geht (vermutlich nicht).

Ich war auch mal bei einer Thera, welche ich zahlen musste, irgendwann ging das nicht mehr. Und ich denke es ist nicht der Sinn und Zweck eine Therapie finanzielle Probleme zu bekommen.

Ich würde dir raten dir einen Reha-Schein zu besorgen (versuche es einfach mal), schlimmer als Nein können sie eh nicht sagen. Und was die Anonymität betrifft: ganz ehrlich was ist heute zu Tage schon anonym? Es gibt in der heutigen Zeit schon eine solche ausgeklügelte Technik und Netzwerke, wenn bestimmte Leute/Institutionen etwas über dich erfahren wollen, dann werden sie das wohl auch können. Das ist meine Meinung, ein Anderer kann das ruhig anders sehen

LG
Wie knüpft man an, an ein früheres Leben? Wie macht man weiter, wenn man tief im Herzen zu verstehen beginnt, dass man nicht mehr zurück kann? Manche Dinge kann auch die Zeit nicht heilen, manchen Schmerz der zu tief sitzt und einen fest umklammert.

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raue See
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Beitrag Sa., 01.02.2014, 08:31

Davor hab ich auch etwas Angst...ich hoffe nicht, dass meine Therapie irgendwann an finanziellem scheitern muss...das wäre das Schlimmste überhaupt find ich...

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Fundevogel
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Beitrag Sa., 01.02.2014, 10:04

Liebe Paprika,

danke für deinen Thread und deine Frage hier.

Ich halte das nämlich für einen der größten Skandale überhaupt, dass es in unseren reichen Ländern der europäischen Union vom Einkommen der Hilfesuchenden abhängt, ob sie therapeutische Hilfestellung erfahren oder nicht. Ebenso, dass Menschen, die bereits in therapeutischer Betreuung sind, im Ungewissen sind, ob und wie lange ihre Therapie verlängert wird oder dauert.

In anderen Threads beflegeln wir uns über Diagnosen und Pharmaindustrie und Therapeuten, was ich im Vergleich zu der Frage, wer überhaupt Zugang zur therapeutischen Versorgung erhält, für vergleichsweise irrelevant halte. Denn die allererste Frage ist nicht die Schwere der Diagnose und die Qualität der Massnahmen, sondern alleine die finanzielle Situation.

Wenn wir ein körperliches Problem haben, gehen wir auch zum Arzt und lassen das abklären - und dann allenfalls behandeln. Dass wir auch im somatischen Bereich längst eine Zweiklassenmedizin haben und arme Menschen länger warten und ein höheres Risiko zu schlechter oder gar keiner Behandlung haben, wissen wir auch; aber da ist wenigstens der Zugang zu medizinischer Versorgung gesetzlich geregelt.

Entschuldige meine Tirade hier, das hilft dir jetzt wenig weiter. Mich beschäftigt dieses Thema schon länger und finde das richtig arg, dass Hilfesuchende sich solche Gedanken machen müssen.
Silencias Tip finde ich super, davon habe ich selbst noch gar nichts gehört. Persönlich bin ich in der glücklichen Lage, mir die Therapie leisten zu können, bin also Selbstzahler. Am Anfang hatte ich Angst vor Anonymitätsgründen, seit ich weniger Einkommen habe, habe ich begonnen, die Kosten bei der Krankenkasse einzureichen (das ist bei meinem Therapeuten möglich), die Kasse ersetzt 21,80 pro Stunde. Kann man übrigens auch hier im Forum nachlesen, wie die Finanzierungsmöglichkeiten in Österreich sind.

Ich finde das beschämend für unser Land, ehrlich.
Wir sollten uns nicht schämen, dass wir Therapie brauchen oder glauben, sie zu brauchen.
Ich fange im Gegenteil langsam an, mich für meine Scham und mein Schweigen zu schämen und dafür, dass mir Anonymität wichtiger war. Auch Anonymität ist in diesem Fall ein Luxus, den sich Wohlhabende besser leisten können.

Last not least: Es bleibt für jeden von uns die Frage, was einem im Leben wichtig ist.
Meine Therapie kostet mich mehr als die Hälfte meines Nettoeinkommens.
Ich kann mir das nur leisten, weil ich einen Partner habe, der ein gutes Einkommen hat.
Andernfalls könnte ich mir auch keine Therapie leisten.
Andernfalls würde ich wahrscheinlich gar nicht mehr leben.
Nicht, dass das am Schicksal der Menschheit irgendwas ändern würde;
aber an meinem Schicksal schon und auch an dem der Menschen in meinem Umfeld.

Paprika, hast du neben einer Einzeltherapie auch Alternativen in Betracht gezogen,
Selbsthilfegruppen zum Beispiel?


Edit: Ich sehe gerade, dass der Thread schon von Dezember ist, also vielleicht hat Paprika schon eine Entscheidung getroffen? Also danke an dich, raue See, dass du den Thread raufgeholt hast, wie du an der Länge meines Postings lesen kannst, beschäftigt mich das grade sehr.
Fundevogel

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pandas
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Beitrag Sa., 01.02.2014, 14:05

Fundevogel hat geschrieben: In anderen Threads beflegeln wir uns über Diagnosen und Pharmaindustrie und Therapeuten, was ich im Vergleich zu der Frage, wer überhaupt Zugang zur therapeutischen Versorgung erhält, für vergleichsweise irrelevant halte. Denn die allererste Frage ist nicht die Schwere der Diagnose und die Qualität der Massnahmen, sondern alleine die finanzielle Situation.
Das trifft auf die Länder, wo dies besonders schlimm ist (und deshalb auch entsprechend thematisiert wird), nur bedingt zu.
Im Gegenteil, es gibt hier eine riesige Psychoindustrie, und das bedeutet keinesfalls nur ambulante Therapie.
Ob man Zugang zu letzterer hat, entscheidet nicht der einzelne Hilfesuchende, sondern gesamtgesellschaftliche Mechanismen, und dies hängt auch mit von der erstellten Diagnose ab, die wiederum von vielen, auch psychosozialen Faktoren abhängt.
Gerade Menschen in prekären finanziellen Situationen geraten dabei leicht in den Drehtüreffekt der Psychiatrie.
Zudem bleibt es dabei, dass, auch aufgrund von "positiven" Threads hier, Hilfsvorstellungen von Therapie vermittelt werden, die sich keinesfalls immer erfüllen, sondern es treten auch Symptomverstärkungen und ähnliches auf. Zudem werden in D und auch in anderen Ländern wie den US Diagnosen und Massnahmen zur gesellschaftlichen Aussortierung genutzt. Der Wiedereinstieg ins gute Leben, auch nach Massnahmen wie Reha etc., gelingt, wenn wegen der psychischen Krankheit gekündigt und temporär berentet wurde, selten. Stattdessen wird der Verweis auf die psychische Krankheit oft, v.a. bei Menschen über 50, dazu genutzt, um behördlich u.ä. einen dauerhaften Verbleib "draussen" nahezulegen.
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard


Eremit
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Beitrag Sa., 01.02.2014, 20:32

Psychotherapie ist ein Luxusgut, das sollte man nicht vergessen. Es gibt meines Wissens nach keinen gesetzlichen Anspruch auf Psychotherapie.

Wenn man sich keine Therapie leisten kann (was auch auf mich zutrifft), dann muß man sich eben selbst therapieren. Wer das nicht schafft, dem würde eine normale Psychotherapie onehin nichts bringen. Es ist nur etwas mühsamer und langwieriger, das ist alles, aber es geht durchaus.

Wer es allein nicht schafft, schafft es auch nicht mit Begleitung.

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Fundevogel
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Beitrag So., 02.02.2014, 00:01

Eremit hat geschrieben:Wer es allein nicht schafft, schafft es auch nicht mit Begleitung.
Blödsinn, Eremit.
Aber wenigstens hätten wir auf die Art eine tolle soziale Auslese - survival of the fittest!
Alle anderen können ja ruhig draufgehen. Der Natur ihr Recht, jawoll.
pandas hat geschrieben:Ob man Zugang zu letzterer hat, entscheidet nicht der einzelne Hilfesuchende,
Genau das habe ich geschrieben.
pandas hat geschrieben:sondern gesamtgesellschaftliche Mechanismen,
Wie gut dass du diese Mechanismen durchschaust und uns jetzt erklären kannst.
pandas hat geschrieben: "positiven" Threads hier, Hilfsvorstellungen von Therapie vermittelt werden, die sich keinesfalls immer erfüllen, sondern es treten auch Symptomverstärkungen und ähnliches auf.
Oh, jetzt ist das pöse Forum schuld, dass so viel Leute in Therapie rennen und sich der pösen Psychoindustrie ausliefern?
pandas hat geschrieben:Zudem werden in D und auch in anderen Ländern wie den US Diagnosen und Massnahmen zur gesellschaftlichen Aussortierung genutzt.
Okay, da sitzt dann Psychiater XY und denkt sich, die Frau pandas sortiere ich jetzt mal aus? Oder wie stellst du dir das vor.

Die Psychoindustrie stelle ich auch gar nicht in Abrede; aber es geht meiner Meinung nach auch um Verteilung des Wohlstands und um Zugang zu Gesundheit, Bildung, sozialem Leben und Arbeit für alle.
pandas hat geschrieben: Der Wiedereinstieg ins gute Leben,
Das Blöde dabei ist - das Leben war vor den psychischen Problemen meist alles andere als gut. Das ist nämlich meist die Ursache derselben.
pandas hat geschrieben: behördlich u.ä. einen dauerhaften Verbleib "draussen" nahezulegen.
Meine Erfahrungen zeigen das Gegenteil, kranke Menschen haben es zunehmend schwer und trauen sich zunehmend weniger auch krankgeschrieben zu werden. Die Menschen sollen zurück ins Arbeitsleben und dann gibt es keine Jobs, oft auch für Gesunde nicht oder es sind Jobs, wo es vorne und hinten nicht zum Leben reicht.

P.S.: In diesem Thread und in diesem Forum gibt es Menschen, die Angst haben, sich die Therapie nicht leisten zu können. Die Angst haben, dass die Krankenkasse ihre Therapie nicht verlängert. Oder die genau diese Erfahrung gemacht haben. Was sagt Ihr denen?

Schaffe es gefälligst alleine?
Glaub nicht, wenn dir hier wer etwas Positives über Psychotherapie erzählt?
Psychotherapeuten und Behörden sind nur darauf aus, Euch sozial auszulesen?
Fundevogel

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Fundevogel
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Beitrag So., 02.02.2014, 13:58

@Eremit und @pandas
Ich wollte mich für den unfreundlichen Ton entschuldigen,
in dem ich gestern an Euch geschrieben habe.
Tut mir leid.
Fundevogel


pandas
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Beitrag So., 02.02.2014, 14:05

Fundevogel hat geschrieben:
pandas hat geschrieben:sondern gesamtgesellschaftliche Mechanismen,
Wie gut dass du diese Mechanismen durchschaust und uns jetzt erklären kannst.
Nein, das werde ich hier natürlich nicht tuen, genausowenig wie Du Deine Meinungen hier so erklärst, dass ich Dir zustimmen könnte?
Fundevogel hat geschrieben:
pandas hat geschrieben: "positiven" Threads hier, Hilfsvorstellungen von Therapie vermittelt werden, die sich keinesfalls immer erfüllen, sondern es treten auch Symptomverstärkungen und ähnliches auf.
Oh, jetzt ist das pöse Forum schuld, dass so viel Leute in Therapie rennen und sich der pösen Psychoindustrie ausliefern?
Kann es sein, dass Du selbst sehr in Gut und Böse - Extremen denkst? Denn Du hast doch die Polarität "User beflegeln sich hier über negative Seiten der Psychotherapie, Psychatrie und der Pharmaindustrie und "es ist so böse, dass in den reichen Ländern nicht jedem Hilfesuchenden eine ambulante Psychotherapie nach Wunsch durch staatliche Organisation finanziert wird; das ist das einzige Übel" aufgemacht?
Ich habe obiges als Teilaspekt genannt, der auch dazu beitragen kann in einer Gesamtsituation, dass Psychotherapie schädlich wirkt. Welchen Prozentanteil das einnimmt, dürfte natürlich vom Einzelfall abhängig sein, genau wie es auch bei positiven verlaufenden Therapien ist. Mir ging es darum, dass, wenn das eine als "Beflegeln" abgewertet wird, das Andere genauso antastbar und fragwürdig wäre - was aber jeweils nur passiert, wenn man ausser acht lässt, dass jede Interaktion in ein Gesamtfeld unterschiedlichster Faktoren eingebettet ist, die aber alle ihre Abbildung verdienen, und nicht durch "pro Therapie rein - contra Therapie raus" zensiert werden sollten
Fundevogel hat geschrieben:
pandas hat geschrieben:Zudem werden in D und auch in anderen Ländern wie den US Diagnosen und Massnahmen zur gesellschaftlichen Aussortierung genutzt.
Okay, da sitzt dann Psychiater XY und denkt sich, die Frau pandas sortiere ich jetzt mal aus? Oder wie stellst du dir das vor.
Auch dies ist komplexer und ich habe es verkürzt gefasst, genau wie Du das in Deinen Ausführungen mit Deinen Argumenten tust, bzw. es ist offenkundig, dass Du Dir dies nicht vorstellen kannst, weil es nicht in Deinen Erfahrungsbereich vorgekommen ist - aber allein deshalb kannst Du doch nicht behaupten, sowas spiele keine Rolle, Psychotherapie muss einfach immer nur staatlicherseits finanziert werden, aber nicht kontrolliert und wenn jemand behauptet, dass er durch Psychotherapie und Psychiatrie geschädigt wurde, lag es v.a. an ihn/ihr selbst.
Und die Antwort auf obige Frage ist: Ja, in Kliniken hierzulande geschieht das sogar so. Die Zugänge dort werden nach Arbeitsfähig/Arbeitsunfähig sortiert, mit Prognosen. Und diese stehen in Relation zur Situation am Arbeitsmarkt. D.h. aufgrund der hohen allgemeinen Arbeitslosigkeit wird verstärkt aufgrund psychischer Diagnosen aussortiert, damit die Arbeitslosenzahl (die nur Gesunde umfasst) nicht so hoch ist. Da wird durchaus auch Druck auf einzelne Personen gemacht, sich als dauerhaft psychisch krank zu sehen, auch wenn von dem Einzelnen eine Intergration in den Arbeitsmarkt vorgezogen werden würde. Das hat leider auch mit Alter zu tuen und das geht bei Ende 30 los.
Ich bin davon übrigens nicht betroffen, aber ich gehe nicht nur von meinen Einzelfall auch, sondern es geht mir um die Gesamtsituation, die ja auch Dein Ausgangspunkt in Deinen Verallgemeinerungen war.
Fundevogel hat geschrieben:Die Psychoindustrie stelle ich auch gar nicht in Abrede; aber es geht meiner Meinung nach auch um Verteilung des Wohlstands und um Zugang zu Gesundheit, Bildung, sozialem Leben und Arbeit für alle.
Ja, eben, aber genau dies wird durch Aussortierungsprozesse unter den Deckmantel psychischer Diagnosen mitunter verhindert. D.h. eventuell könnte man dann sagen, hier gab es einen Zugang zu "Gesundheit" (Therapie und ähnliches), aber der Zugang zu Bildung, sozialem Leben und Arbeit für alle wurde dadurch verschlechtert. Hier spreche ich wiederum von der Realität.
Das es in einer Utopie anders aussehen könnte, bezweifelt sicher keiner. Aber wir sollten uns doch im Forum mit der Realität auseinandersetzen als Utopien aufzustellen - an der Realität ändert das aber nichts.
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard


pandas
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Beitrag So., 02.02.2014, 14:11

Fundevogel hat geschrieben:
pandas hat geschrieben: Der Wiedereinstieg ins gute Leben,
Das Blöde dabei ist - das Leben war vor den psychischen Problemen meist alles andere als gut. Das ist nämlich meist die Ursache derselben.
Mit "guten Leben" meinte ich hier die Teilhabe an einem normalen gesellschaftlichen Leben, welche durch Aussortierungsmechanismen verhindert wird. Teilberentung wird nahegelegt, ohne dass gewahr ist, dass es realistisch nach einer mehrjährigen Berentung für viele Menschen keinen Einstieg in den Arbeitsmarkt gibt.
Fundevogel hat geschrieben: P.S.: In diesem Thread und in diesem Forum gibt es Menschen, die Angst haben, sich die Therapie nicht leisten zu können. Die Angst haben, dass die Krankenkasse ihre Therapie nicht verlängert. Oder die genau diese Erfahrung gemacht haben. Was sagt Ihr denen?
Schaffe es gefälligst alleine?
Glaub nicht, wenn dir hier wer etwas Positives über Psychotherapie erzählt?
Psychotherapeuten und Behörden sind nur darauf aus, Euch sozial auszulesen?
Fundevogel, dass ist allein Dein Gut und Böse - Denken. Mir ging es darum, dass in der Art, wie Du diese beiden verschiedenen Kritikfelder zusammengebracht hast, keinen Sinn macht und wiederum andere Menschen in ihrer Problematik nicht ernst nimmt - nämlich die, die zwar Psychotherapie bekommen, die aber aus dieser nicht positiv gestärkt hervorgehen. Was sagst Du denen? Doch nicht etwa "sie hätten nichts daraus gemacht, der TE hätte aber doch so gerne welche gehabt, der würde bestimmt mehr daraus machen".
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard

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Tristezza
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Beitrag So., 02.02.2014, 15:12

pandas hat geschrieben:Die Zugänge dort werden nach Arbeitsfähig/Arbeitsunfähig sortiert, mit Prognosen. Und diese stehen in Relation zur Situation am Arbeitsmarkt. D.h. aufgrund der hohen allgemeinen Arbeitslosigkeit wird verstärkt aufgrund psychischer Diagnosen aussortiert, damit die Arbeitslosenzahl (die nur Gesunde umfasst) nicht so hoch ist.
Das ist ja ne kühne These, für die ich dann doch mal gerne einen Beleg hätte ... Die Psychiater als Handlanger der bösen Regierung, die die schlechte Arbeitsmarktsituation verschleiern will. Na, dann dürfte sich das angesichts der demographischen Lage ja bald ändern.
Von einer solchen Selektion habe ich auch persönlich noch nichts gemerkt, und ich war schon öfter in Psycho-Kliniken. Als ich in Reha war, hat man uns gleich am Anfang gesagt, wir sollten die bloß nicht mit der Hoffnung auf Frühberentung machen, da hätte man inzwischen sehr schlechte Chancen ...

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Fundevogel
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Beitrag So., 02.02.2014, 15:27

pandas hat geschrieben: Mir ging es darum, dass in der Art, wie Du diese beiden verschiedenen Kritikfelder zusammengebracht hast, keinen Sinn macht und wiederum andere Menschen in ihrer Problematik nicht ernst nimmt - nämlich die, die zwar Psychotherapie bekommen, die aber aus dieser nicht positiv gestärkt hervorgehen.
Hallo pandas,

das war nicht meine Absicht, ich habe ja auch geschrieben, dass ich die Psychoindustrie nicht in Abrede stellen will. Damit wollte ich eigentlich ausdrücken, dass ich all Kritikpunkte zum Thema Diagnosen, Psychotherapie und Pharmaindustrie, die vorgebracht wurden, durchaus teile.
Vielleicht bin ich zu wenig darauf eingegangen, nochmal sorry.

Ich glaube eben gerade nicht an Gut-Böse und Schwarz-Weiß, ich glaube, das ist oft zu vereinfachend. Zu kompliziert Denken kann aber auch dazu führen, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Kenne ich zumindest von mir so.

Es ist nicht alles gut im Bereich Psychotherapie,
aber auch nicht alles schlecht.
pandas hat geschrieben:Was sagst Du denen? Doch nicht etwa "sie hätten nichts daraus gemacht, der TE hätte aber doch so gerne welche gehabt, der würde bestimmt mehr daraus machen".
Auf gar keinen Fall!
Ich bin für Psychotherapie für alle, die sie wollen und brauchen -
ohne Ansehen der Person und vor allem ! ihrer finanziellen Möglichkeiten.
Unabhängig davon, dass IRGENDJEMAND - seien das Behörden, Krankenkassen, Ärzte, Allgemeinheit, Therapeuten, Patienten, wer auch immer - dass irgendjemand anderer darüber entscheiden kann.

Das heißt nicht, dass ich Psychotherapie für ein oder das alleinige (All-)Heilmittel halte.
Im Gegenteil, gerade in der Psychotherapie muss es Kritik geben, muss es Kontrollen und mehr Qualität geben, um die zu schützen, die ihr Innerstes in die Hände anderer geben.
Wir leben in Ländern, die reich genug sind, dass wir uns das leisten können sollten.

Wenn sich jemand das Bein bricht, soll er zum Arzt gehen können.
Wenn sich jemand die Seele bricht, soll er zu einem Therapeuten gehen können.

Wenn jemandem das Knie weh tut, soll er zum Arzt gehen können.
Wenn jemandem das Herz weh tut, soll er zu einem Therapeuten gehen können.

Wenn er oder sie es möchte.


Ich möchte NICHT, dass Menschen wie die TE, die eine Therapie machen möchten,
es nicht tun können, weil sie es nicht leisten können und weil irgendwer befindet, sie seien nicht krank genug für eine Therapie (da hätten wir wieder das Diagnosenproblem) oder sie seien zwar krank genug, aber sie mögen sich bitte hinten anstellen und in ein paar Monaten wäre dann - vielleicht - ein Therapieplatz frei.

Und ich möchte NICHT, dass Menschen, die bereits eine Therapie machen, immer wieder darum bangen müssen, ob die Krankenkasse eine Verlängerung der Therapie bewilligt. Das ist quälend.

(Dass Zeitdruck auch einen therapeutischen Effekt haben kann, sagte schon Herr Freud
[von dem ich, wie vielleicht bekannt, kein glühender Fan bin].
Aber in dieser hier diskutierten Frage geht es ganz sicher nicht um das Wohl des Patienten,
sondern schlicht um Geld.)

Vielleicht würde der TE die Therapie nicht helfen oder diese/r Therapeut/in nicht.
Aber das wäre eine andere Frage. Da kämen wir dann in Richtung Therapiekritik - die unbedingt sein muss und zwar viel offener und breiter als derzeit üblich.

Psychotherapie im individuellen Bereich soll und muss geschützt bleiben,
aber Psychotherapie im instutionellen Bereich muss offen diskutiert und validiert werden.
Und dazu gehört meiner Meinung nach AUCH, dass in Foren wie hier offen diskutiert werden kann
über positive und negative Erfahrungen.

Ich selbst habe mich lange geschämt dafür, eine Therapie zu machen.
Und heute schäme ich mich dafür, dass sie schon so lange dauert.

Manchmal denke ich mir, warum eigentlich?
Dann bin ich halt uncool und schwach und eine Versagerin.
And.so.what.

Und weißt du was? Seit ich begonnen habe, langsam und manchmal, darüber zu sprechen, habe ich nur Akzeptanz erfahren. Und oft habe ich Erleichterung gespürt und Vertrauen und wehe Geschichten gehört von Leid, die mich stumm gemacht haben und respektvoll vor so viel ungesehenem Leid in meiner unmittelbaren Umgebung.
Manchmal denke ich mir, Psychotherapie ist genauso stigmatisiert wie Armut.
Und je länger sich alle nur schämen und schweigen, umso länger wird sich nichts ändern.
Ich für meinen Teil jedenfalls habe mir vorgenommen,
mehr und mehr dazu zu stehen,
dazu, wie ich nun mal bin und
dass dazu - auch und derzeit - Psychotherapie gehört.

Und ich habe mir vorgenommen, mich mehr mit dem Thema Armut in meinem Heimatland auseinanderzusetzen:
Gesundheit und Zugang zu ärztlicher Versorgung steht da an oberster Stelle und auch,
dass Armut krank macht und
dass Krankheit und die Wechselfälle des Lebens arm machen (können).

Mitten unter uns im reichen Europa.
http://www.armutskonferenz.at/
Fundevogel

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Susi87
sporadischer Gast
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weiblich/female, 27
Beiträge: 17

Beitrag So., 04.05.2014, 21:31

Warum bekommst du eigentlich keine Psychotherapie bezahlt? Ich bin bei einer Privattherapeutin in Behandlung, weil ich keinen anderen Therapeuten gefunden habe und sogar dort bezahlt mir die Kasse 80% der Kosten. Daher verstehe ich nicht so ganz, warum du keine Therapie bezahlt bekommst?
Ganz liebe Grüße


Eremit
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anderes/other, 80
Beiträge: 8876

Beitrag So., 04.05.2014, 22:16

In Österreich bekommt man auch nur pro Stunde 21,80 von der Kassa zurückerstattet, und bis das durchgeht, muß man häufig erst lange mit der Kassa streiten. Bei Beträgen, die auch schnell mal über hundert Euro pro Stunde gehen, ist das ein schlechter Witz. Ich kenne persönlich einen Haufen Leute, die eine Therapie bräuchten und diese auch sofort machen würden, es sich aber nicht leisten können. Ist also ein sehr weit verbreitetes Problem. Oft genug stellen sich die Kassen aber quer, sodaß man nicht einmal seine 21,80 pro Stunde bekommt. Die Situation wird auch nicht besser, sondern schlimmer...

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Susi87
sporadischer Gast
sporadischer Gast
weiblich/female, 27
Beiträge: 17

Beitrag So., 04.05.2014, 22:46

Oh man, das hört sich wirklich übel an! Das tut mir echt leid, dass das bei euch so läuft!

Liebe Grüße

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