Suizid

Hier können Sie sich über Belastungen durch eigene oder fremde schwere Erkrankungen, aber auch den Umgang mit Tod und Trauer austauschen.
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Suizid

Beitrag Do., 09.10.2014, 21:34

Hallo,
nachdem ich grade im ORF eine Reportage über Suizid und wie Angehörige damit umgehen, gesehen habe, stelle ich ohne langes Rumgerede folgende (vielleicht auch provokante) Frage in den Raum:
Würdet ihr euch von einem Menschen, der sich umgebracht hat, erwarten, dass er für sein Tun wenigstens eine Erklärung hinterlässt??
Nach dieser Reportage können Angehörige nach einer langen und schweren Trauerzeit zwar die Entscheidung akzeptieren, aber wenn kein Abschiedsschreiben hinterlassen wurde, dann quälen sie sich wirklich mit der Frage nach dem "Warum?".
Ich denke, wenn jemand den Schritt zur Selbsttötung tätigt, dann sollte er so viel sein, seine Angehörigen nicht in Schuldgefühlen zurück zu lassen, sondern definitiv darlegen, dass es sein/ihr eigener Wille war und niemand anderer daran Schuld hatte.
Was meint ihr? Ist das ein letzter Dienst an den Menschen, die man lieb hatte?

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pandas
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Beitrag Do., 09.10.2014, 21:40

Nun, ich denke, das ändert nicht viel an der Tatsache Suizid.
Wenn man einen Abschiedsbrief erhält, so kann dieser doch auch angezweifelt werden, z.b. es wird geschrieben "ihr habt keine Schuld", so kann es ja sein, dass der Hinterbliebene das dennoch anders wahrnimmt und sich gerade wegen dieser "Selbstlosigkeit" noch mehr Vorwürfe macht.
Ausserdem kann es auch sein, dass der Suizierende durchaus sich durch etwas so verletzt fühlt, was andere ihm antuen oder ihm in seinen Augen antuen, dass es zu seinem Entschluß führt. Dann wird er kaum zuvor schreiben, dass es anders der Fall ist.
Gerade auch wenn er aufgrund einer psychischen Krankheit eine verzerrte Wahrnehmung hat.

Ich finde also, Angehörige etc. dürfen das nicht erwarten; im Gegenteil, sagt jemand: "ist okay, aber bitte mit Abschiedsbrief", so sehe ich bereits da eine Schuld.
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard


Hamna
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Beitrag Do., 09.10.2014, 21:46

Ich glaube auch nicht, dass ein Abschiedsbrief irgendwas besser macht. Im Gegenteil, er kann auch falsch verstanden werden oder Fragen aufwerfen, die nicht mehr geklärt werden können. Letzte Worte ohne die Möglichkeit, darauf zu antworten, finde ich so endgültig wie den Suizid selbst, das macht nichts einfacher oder besser.

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Crash-Kurs
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Beitrag Do., 09.10.2014, 21:57

Oh,
ich dachte echt, dass jetzt Antworten kämen, in der Art von: "Ja, eine Begründung würde alles leichter machen!".

Wenn ich jetzt an mich denke: ich würde x-A4-Seiten schreiben , dass sich meine Lieben nur ja nicht schuldig fühlen!!!

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pandas
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Beitrag Do., 09.10.2014, 22:00

mh, CK, es wäre nett, wenn Du so auf die Antworten eingehst, wie sie kommen. Oder eben einen Monolog darüber führst, dazu gibt es hier die Userblogs.

Wie gesagt, dass sich die Lieben nicht schuldig fühlen, weil Du kurz zuvor "x-A4-Seiten" geschrieben hast, kannst Du ja auch nicht wissen. Vielleicht sehen Deine Lieben alles anders als Du.
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Hamna
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Beitrag Do., 09.10.2014, 22:07

Vielleicht eine Frage des Blickwinkels? Ich habe zwei Suizidversuche ohne Abschiedsbriefe hinter mir, denn was hätte ich noch sagen sollen, nachdem jahrelange schwere Depressionen mein Leben kaputt gemacht haben? Die Taten haben sich jeweils von selbst erklärt und geschahen im Affekt, waren also nicht von langer Hand geplant. Wer weiß, wenn man sowas plant, ist vielleicht auch Zeit und Gedanke für Abschiedsworte.
Wenn ich jetzt an mich denke: ich würde x-A4-Seiten schreiben
Hast du denn Suizidgedanken?

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Crash-Kurs
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Beitrag Do., 09.10.2014, 22:19

Hallo Rilke!
Akut nicht.
Aber mir geht es hier wirklich einfach nur darum, ob sich Angehörige eine Erklärung wünschen, ob es ihr Leben vereinfachen würde, wenn die Frage nach dem "Warum" geklärt wäre, ganz allgemein. Sodaß sie nicht jahrelang grübeln, was haben wir übersehen, waren wir wirklich so blind? Deshalb wäre eine schriftliche Erklärung des sich Umbringenden für mich persönlich ein allerletzter Dienst an den Menschen, die er /sie lieb hatte. Auch wenn ich mich wiederhole, aber ich denke, das wäre Pflicht...kann mich nicht besser ausdrücken.


pandas
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Beitrag Do., 09.10.2014, 22:23

Crash-Kurs hat geschrieben: Auch wenn ich mich wiederhole, aber ich denke, das wäre Pflicht...kann mich nicht besser ausdrücken.
Für mich würde das in der Hinsicht keinen Unterschied machen, wenn sich ein nahestehender Mensch suizidiert, was meine Gefühle anbetrifft, ob er zuvor etwas dazu geschrieben hat oder nicht, ob er resp. sie in einem Abschiedsbrief schreibt - wie Du wohl sagen möchtest - "das niemand Schuld hat". Wenn eine Schuld vorliegt, so ist sie ja dadurch nicht aufgehoben. Ebenso denke ich auch, dass Schuldgefühle, die da sind, dadurch nicht verschwinden.

Ich denke, man solle keine Pflichten an Suizidenten erheben, das klingt für mich merkwürdig. So nach dem Motto eben "tu´s, aber sag vorher, dass es nichts mit mir zu tuen hat" - tja, hm. Ich finde, da liegt eventuell schon eine Schuld, eine unterlassene Hilfeleistung.
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Crash-Kurs
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Beitrag Do., 09.10.2014, 22:36

Unterlassene Hilfeleistung, das ist ein Stichwort, Panda.
Wer vermag schon in einen Menschen hineinzusehen? Man kann stationär behandelt werden und die Therapeuten fragen einen: "Sind Sie Suizid gefährdet?" Wer sagt da denn wirklich "Ja"? Weil das würde inkludieren, dass man vom Suizid abgehalten werden will und es eh nicht wirklich will, sondern nur einen Hilfeschrei aussendet.
Aber nochmal, um auf meine Frage zurückzukommen: würde es EUCH helfen, wenn der Angehörige schriftlich darlegen würde, so und so, und deshalb habe ich mich umgebracht, es war mein eigenes Problem, es hat nichts mit euch zu tun,...wäre es eine Erleichterung? Nur darum geht es in meiner Fragestellung!


Hamna
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Beitrag Do., 09.10.2014, 22:43

Naja, wenn wir schon von "Pflicht" sprechen, könnte man auch sagen, es wäre Pflicht, sowas erst gar nicht seinen Nächsten anzutun sondern gefälligst mal weiterzuleben. Wie schon gesagt, ich glaube nicht, dass ein Abschiedsbrief irgendwas besser oder einfacher macht, weil man eh nicht mehr darauf reagieren kann. Das ultimativ letzte Wort haben zu wollen, kann auch ein sehr egoistischer Akt sein, so wie viele den Suizid an sich ja auch als egoistisch einstufen.

Ich denke halt, die meisten Suizide erklären sich von selbst, da sollen sich die Angehörigen mal nicht so doof stellen. Klingt jetzt vielleicht (zu) hart. Wie erkläre ich das ohne viele Worte? Also, wenn jemand krank ist, an einer Trennung zerbricht oder einen sonstigen Schicksalsschlag erlitten hat und damit nicht zurechtkommt, dann bleiben doch für die Angehörigen kaum Fragen offen, oder?

Gibt's denn auch Suizide aus scheinbar "heiterem" (haha!) Himmel?

Ich kann mich da schlecht reindenken - mir fällt niemand ein, dessen Suizid mich wirklich überraschen würde, die Antworten auf meine Fragen würde ich da schon selbst finden, auch ohne Abschiedsbrief.

Für mich ist das eine Ausrede aus der Hilflosigkeit und aus dem Schmerz heraus: "Hätte er/sie doch nur eine Erklärung hinterlassen, DANN käme ich besser damit zurecht!" Nein, glaube ich nicht!, dass das so wäre.


pandas
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Beitrag Do., 09.10.2014, 22:46

Crash-Kurs hat geschrieben:Unterlassene Hilfeleistung, das ist ein Stichwort, Panda.
Huch, wofür ein Stichwort? Ich habe es doch in einem Kontext gestellt, d.h. wenn erwartet wird, jemand solle einen Abschiedsbrief schreiben, in dem steht, man seie nicht Schuld, so ist doch wohl etwas vorgefallen ... also, da gibt´s keine Pflicht. Vielleicht suizierdt er sich ja auch wegen etwas was der Andere ihm angetan hat - das ist natürlich möglicherweise nicht besonnen und eventuell rational gar nicht so, aber es ist so. Insofern, schräg, zu erwarten, dass aber vorher geschrieben werde, man sei nicht schuld.
Crash-Kurs hat geschrieben:Wer vermag schon in einen Menschen hineinzusehen?
Empathische Angehörige und Bekannte zum Beispiel, die nicht schuld sind.
Crash-Kurs hat geschrieben:Man kann stationär behandelt werden und die Therapeuten fragen einen: "Sind Sie Suizid gefährdet?"
Ich dachte es geht um Angehörige und Bekannte.
Crash-Kurs hat geschrieben: Wer sagt da denn wirklich "Ja"? Weil das würde inkludieren, dass man vom Suizid abgehalten werden will und es eh nicht wirklich will, sondern nur einen Hilfeschrei aussendet.
Ist ja auch vielleicht so. Aber was hat das damit zu tun, dass wenn man das Gefühl hat, es geht jemand wegen etwas schlecht, für diesen nicht da zu sein, aber zu erwarten, falls er sich suizidiert, solle er vorher einen Abschiedsbrief schreiben?
Crash-Kurs hat geschrieben:Aber nochmal, um auf meine Frage zurückzukommen: würde es EUCH helfen, wenn der Angehörige schriftlich darlegen würde, so und so, und deshalb habe ich mich umgebracht, es war mein eigenes Problem, es hat nichts mit euch zu tun,...wäre es eine Erleichterung? Nur darum geht es in meiner Fragestellung!
Naja, aber Du musst halt auch Meinungen stehen lassen, die schreiben: "Nein, würde es nicht."
Wenn Du diese Meinungen kommentierst, gibt es natürlich erneut Gegenkommentare.
Ansonsten, es gibt hier auch eine Rubrik "Umfragen".
Vielleicht wäre Dein Thread da etwas besser aufgehoben.
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Hamna
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Beitrag Do., 09.10.2014, 22:52

Aber nochmal, um auf meine Frage zurückzukommen: würde es EUCH helfen, wenn der Angehörige schriftlich darlegen würde, so und so, und deshalb habe ich mich umgebracht, es war mein eigenes Problem, es hat nichts mit euch zu tun,...wäre es eine Erleichterung? Nur darum geht es in meiner Fragestellung!
Ob ich da eine Mitschuld trage oder nicht, das weiß ich doch auch so, oder? Ohne, dass mich jemand freispricht. Nein, für mich wäre es keine Erleichterung, wenn mir das jemand final bescheinigen würde, ich würde mich immer fragen, wo und wie ich mich hätte besser und intensiver kümmern können/müssen.

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splitterhaftes
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Beitrag Do., 09.10.2014, 23:29

Ich glaub den Bericht hab ich aufgenommen, bin schon gespannt

Vielleicht ändert sich ja meine Meinung wenn ich mir den angesehen habe, aber ich denke auch dass ein Abschiedsbrief nichts bringt. Wenn sich ein mir wichtiger Mensch umbringt und mir dann einen Brief hinterlässt in dem steht "Das hatte nichts mit dir zu tun, dich trifft keine Schuld! Ich hatte schon jahrelang große Probleme mit mir!" fühle ich mich mindestens genauso mies, wie wenn ich den Brief nicht bekommen hätte. Auch wenn der Mensch mir keine Schuld an dem Unglück gegeben hat, er hatte Probleme und ich habe es nicht gemerkt, nicht gehandelt, es nicht verhindert.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Person vor ihrem Suizid irgendwelche Instanzen setzen kann um es seinen Angehörigen zu erleichtern.

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viciente
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Beitrag Do., 09.10.2014, 23:31

Crash-Kurs hat geschrieben:Aber nochmal, um auf meine Frage zurückzukommen: würde es EUCH helfen, wenn der Angehörige schriftlich darlegen würde, so und so, und deshalb habe ich mich umgebracht, es war mein eigenes Problem, es hat nichts mit euch zu tun,...wäre es eine Erleichterung?
.. ich denke nicht, denn wenn ich die problematik im vorfeld nicht mitbekommen haben sollt um es zu verstehen, dann wird ein brief eher wenig hilfreich sein; führt er mich doch in dem fall aus der überraschung augenblicklich auf meine blindheit zurück und damit zur verzweiflung über die eigene ignoranz. lehrreich mag das sein, aber ungeheuerlich schmerzlich auch, zumal suizid ja nicht reversibel ist und man da dann nix mehr "gutmachen" kann.

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Verocasa
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Beitrag Fr., 10.10.2014, 08:36

Hilfreich insofern, dass man noch einen letzten Kontakt als Hinterbliebener hat. Der einem allerdings genauso zum dran Festhalten dienen kann wie zum Grübeln und darüber Verzweifeln. Denn kaum je löst er wohl ein "Ach ja, ich verstehe" aus.

Hilfreich geht natürlich auch anders: Da m beobachteten Fall der Brief sofort gefunden wurde und somit die notwendige Aufmerksamkeit zur Suche brachte, konnte derjenige dadurch noch gerettet werden.

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