MBSR / Meditation / Achtsamkeit - ggf gemeinsam?

Fragen und Gedanken rund um Spiritualität und Religionen, alternative Behandlungsmethoden, den üppigen Garten sonstiger "Therapie"-Formen, Esoterik ... und ihre Berührungspunkte mit Psychotherapie bzw. psychologischen Problemen.
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MBSR / Meditation / Achtsamkeit - ggf gemeinsam?

Beitrag Mo., 27.02.2012, 13:58

http://de.wikipedia.org/wiki/Achtsamkei ... sreduktion

Was habt ihr für Erfahrungen gemacht mit Achtsamkeitsmeditation?
Oder mit anderen Meditationspraktiken?

Wie habt ihr den Einstieg gefunden?
Wie gelingt es dran zu bleiben?

Was mir schwer fällt - man sagt ja es braucht 30 Tage bis zur Einstudierung einer neuen Gewohnheit. Ich neige leider dazu schnell die Geduld zu verlieren, wenn ich nicht schnell eine Veränderung spüre. Ich würde mir wünschen, es einfach mal 30 Tage zu tun. Geld für ein Seminar hab ich keins.
CDs dazu mehrere. U.a. die von Job Kabat-Zinn.

Eine davon die Metta-Meditation, von der ich ahne, dass sie ganz großartig sein könnte.

Wenn.
Konjunktive beim Hören. Abwehr beim (ganz wunderbar gesprochenen) Einstieg: "Stellen Sie sich jemanden vor, der Sie ganz bedingungslos liebt." (Autsch ... äh - wen?) - "Oder in der Vergangenheit so geliebt hat (Äh - ja, schon - ABER ... und wusch sind die Gedanken weg und ich find erst gar nicht den Einstieg). Jetzt sagt man ja, alle Gedanken und Gefühle sind okay. Beobachten wie Wolken, die vorüberziehen. Soweit so gut - nur: was wenn nahezu ALLE schönen, guten, stärken sollenden (grmpf) Bilder mit 'ja, aber's verdunkelt werden? ('Ja, aber Mensch X ist ja nicht mehr in meinem Leben', 'Ja, aber damals ging es mir ja noch halbwegs GUT, aber heute ...?', 'Ja, aber wenn ich da gewusst hätte, dass Gesundheitsproblem A, B oder C damals nicht besser werden würde' etc. die ganze Palette ...) Und wenn ich mich dann auf die positiven Aspekte zu konzentrieren versuche, werde ich traurig. Und wenn ich dann die Traurigkeit zulasse - passiert - NIX. Außer: ich bin traurig. Da geht nix weg. Da geh ich nicht 'durch' wie man so oft liest.

Was habt ihr für Erfahrungen? Wie, wann, wie oft meditiert ihr/macht ihr Übungen? Was hat sich verändert?

Um dem ganzen nochmal eine Chance zu geben werde ich im März mit dem Einstieg ins Heilfasten mir jetzt mal ganz fest vornehmen es täglich zu prakizieren. Und ggf hierdrüber berichten. Macht jemand mit?

Oder unabhängig davon: wer teilt hier seine Erfahrungen damit?

Neugieriger Gruß, die Miss
ch-ch-ch-chaaaaaaange

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montagne
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Beitrag Mo., 27.02.2012, 14:47

Hi Miss.
Meine Erfahrung ist, ganz klein anfangen und immer wieder zum ball zurück finden.
Ich kann das schon verstehen, dass bei solchen Bildern, wenn man in so einer Phase ist super schnell ein "ja, aber" aufkommt. Ich bin voll ein ja, aber-Typ. Und auch jemand der Dinge bis ganz zuEnde denken muss und da sind mir Bilder manchmal eher ein weiterer Anknüpfungspunkt zum Grübeln.

Daher hat sich bei mir die Strategie beährt sowzusagen was da ist temporär runterzufahren und nicht mit neuen Bilder zudecken zu wollen. Einfach durch autogene Entspannung, die ich in einem Yoga-Kurs gelernt habe. Achtsamkeit gehört ja mit dazu, bzw. ist letzlich die Entspannung. Ich war so 2 Jahre in dem Kurs, habe mich bemüht hinzugehen und irgendwann hat sich das selbst bei mir gesetzt, verinnerlicht.

Inszwischen bin ich schon lange nicht mehr in dem Kurs, aber die Übung mache ich noch genau so, meist Abends vor dem zu Bett gehen. Anfangs hat es allein weniger gut gewirkt, als im Kurs, aber inszwischen würde ich sagen wirkt es oft ebenso gut.

Hab das jetzt eben lange im Liegen erfolgreich gemacht, da klappt es sicher. Nun erst ist es so weit, dass ich es auch aufs Sitzen oder Stehen übertragen werde. Am Tage kann ich mich ja nicht irgendwo hinlegen, da müsste ich ja unauffällig sitzen oder stehen, in Pausen.

Also will sagen das war ein Prozess von vllt. 4-5 Jahren bis hier her. Winzige Schritte. Das finde ich für mich persönlich hilfreich. Denn die großen Würfe sind mir eh nie gelungen.
Manchmal habe ich lange Phasen da mache ich es nicht, na ja gut und dann merke ich, ich brauche es und fange wieder an. Find ich auch okay, weil man fängt ja nicht bei Null an, wenn man einmal eine gewisse Zeit durchgehalten hat. Das ist bei mir schon denke ich ein wichtiger Faktor meine Schlafqualität stabil und hoch zu halten.

Was ich erst in letzter Zeit für mich entdecke sind Meditationen der Art, einmal die Tresorübung, die ich aus der Therapie kenne und dann Meditation, die ich aus meiner Kampfkunst- und Taiji Quan-Vergangenheit (und hoffentlich Zukunft) wieder ausgegraben habe.
Dabei geht es auch nur darum sich vorzustellen, wie man die komplexen Übungen mache, aus der Ich-Perspektive und auch als 3. Person aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Es müssen nicht diese Übungen sein, denke ich.
Das entspannende ist, es erfordert schon ziemliche Konzentration (die man dann eben mal vom Grübeln, Sorgen mache usw, abziehen muss). Und es bringt einen dazu mit der Aufmerksamkeit in den ganzen (gedachten) Körper zu gehen. Und ganz in dieser einen Situation zu sein und nur dort, nur im hier und jetzt.

Ich glaube man könnte damit im geiste genauso gut Yoga, Rishikesh-Reihe, Sonnengruß oder so durchgehen. Oder rigendwas anderes für einen erfreuliches. Ich fühle mich dadurch situativ erstmal ausgeglichener und hoffe dass es mit zunehmender Übung nachhaltiger wird.
amor fati

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Beitrag Mo., 27.02.2012, 16:42

Vielen Dank für deinen Bericht. Andermal mehr. Browser hängt.
ch-ch-ch-chaaaaaaange

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Stöpsel
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Beitrag Mo., 27.02.2012, 19:24

Hallo Miss,

ich habs auch immer wieder versucht. Nicht nur meditieren, auch AT. AT ist nix für mich, weil ich mir nach der Schwere die anderen Sachen nicht mehr vorstellen kann. Progressive Muskelentspannung hab ich auch mal versucht, das war aber in einer Gruppe in einer Klinik und das ging ganz gut, weil das halt immer angeleitet war. Allein kann ich das irgendwie auch nicht.
Meditieren hab ich auch mal versucht, weil das (und AT) das Steckenpferd meiner Therapeutin sind. Aber man müsste es ja wirklich regelmässig machen, damit man einen Effekt merkt und ich tue mich einfach schwer, es regelmässig zu machen, weil mir ganz banal die Zeit dafür fehlt (sehe auch nicht den Sinn darin, mich da reinzustressen, mir die Zeit dafür freizuschaufeln, wenn ich in der Zeit auch was anderes machen kann (einige meiner Probleme sind eher pragmatischer Natur und die kann ich mit mehr Zeit eben auch angehen)).
Ich hab mir aber trotzdem mal eine CD mit Achtsamkeitsmeditationen gekauft (auch von Jon Kabat-Zinn). Ich hab da immer die einfache probiert, wo es darum geht, den Atem zu spüren. Das ging manchmal ganz gut. Wenn ich aber grad ziemlich angespannt bin, nutzt das fast nichts. Wie gesagt, ich denke, man müsste es dann schon häufiger machen, habe auch mal überlegt, einen MBSR-Kurs zu machen, aber eine Therapeutin, die ich diesbezüglich mal gefragt hab, meinte, da müßte man jeden Tag eine Stunde investieren. Kann ich halt einfach nicht.
Ich hab den Effekt von vollständiger Entspannung und fast schon Trance aber mal gehabt, als ich früher im Yoga Atemübungen gemacht habe (das war noch vor der Therapie). Das war auf jeden Fall ein tolles Erlebnis. Da hatte ich aber auch nicht soviel Stress. Und ich denke, je größer der Stress, umso schwerer kommt man rein und umso mehr Geduld muss man haben.
Grundsätzlich finde ich den Ansatz mit Meditation o.ä. schon gut, aber für mich persönlich passt es jetzt einfach nicht. Später werde ich das aber sicher wieder versuchen.

Wenn Du mit dieser einen Meditation solche Probleme hast, wieso versuchst Du dann nicht eine andere? Diese eine mit dem Atem ist ja quasi neutral. Da geht es nur darum, den Körper zu spüren. Die erste Meditation auf der Cd ist mit einer Rosine. Da gehts drum, alle möglichen Sinne im Zusammenhang mit einer Rosine wahrzunehmen (die anderen Sachen auf der CD hab ich noch nicht ausprobiert)

Viele Grüße

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shouqici
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Beitrag Di., 28.02.2012, 03:55

Hallo Miss,

irgendwie fühle ich mich angesprochen - zumindest wenn's um 'andere Meditationspraktiken' geht - ich bin 'Uralt-Zennie', mache ZaZen seit ca. 40 Jahren...
'Achtsamkeitsmeditation' - Vipassana - ist eine gute Sache, schätze ich sehr - aber wenn die Ziele und die Wege dorthin schon vorgegeben sind, ist dann nicht die Achtsamkeit doch schon sehr kanalisiert, und eine 'Ja-aber-Haltung' vorprogrammiert? Wenn ich einem 'Ziel' entgegenstrebe, dann kann ich - bestenfalls - dieses erreichen, bewege mich dann aber nach wie vor innerhalb meiner bereits vorhandenen Vorstellungswelt. 'Um-zu-Zen', therapeutische Meditation zu einem vorgegebenen Zweck, kann in einem bestimmten Setting recht hilfreich sein. Wenn ich achtsam bin, bin ich dann aber nicht für Alles offen, "abseits wählerischer Wahl", wie's in einem alten Ch'an-Text heißt? Ich kannte mal eine chinesische Zen-Lehrerin, die von sich sagte sie sei noch nie nach dem 'Lehrplan' gesessen, sie mache ihr Zen beim Kochen und Putzen - eine Methode, die ihr hier in Europa keine große Anhängerschaft bescherte. Ihr war das allerdings auch kein Problem... Terence Gray, bekannter als Wei Wu Wei, hat einmal gesagt "Die Praxis der Meditation wird durch die berühmten drei Affen dargestellt, die Augen, Ohren und Mund bedecken, um der Erscheinungswelt zu entfliehen. Die Praxis der Nicht-Meditation besteht darin, aufzuhören, Seher, Hörer oder Sprecher zu sein, während Augen, Ohren und Mund ihre Funktionen im täglichen Leben erfüllen." Vielleicht sollten wir darüber meditieren...

() shouqici
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Beitrag Mi., 29.02.2012, 13:23

Danke für eure Beiträge - erst mal zu dir, shouqici - du wirfst einen für mich extrem interessanten Aspekt auf. Genau - dieses 'zielorientierte' - darüber stolpere ich immer. Nicht zuletzt weil das in meinem Leben ein - äh - großes Ziel ist - ein neues solches zu finden. Und ja, für mich wäre es wichtig, ich trete sonst auf der Stelle und as erschöpft mich. Oder bringt mich zur Verzweiflung. Ich gehe bzw. ging ja zwischendurch wieder, 'der Weg' der ja (angeblich?) beim gehen entstünde - führt .. ja wohin? Ok, MUSS er überhaupt irgendwo hin führen? Ja, ich denke schon. Denn 'nur' Gehen ist mir zu wenig etc. etc. etc. ALL diese Gedanken. Über Weg und Sinn(haftigkeit) und Bodenhaftung und und und. Was ich bei dir so lese scheint ja schon eher eine nächste Stufe zu sein, weniger eine Nicht-MEHR-Meditationshaltung, sondern eine integrierte. (Ist DAS wohl Zen?)

Tja, was WILL ich? DARF ich überhaupt wollen? WAS genau? Aber das sind ja schon wieder bloß Gedanken, die eben IN der Meditation wie Gedanken vorüberziehen gelassen werden sollten, da sie sich mit der Zukunft beschäftigen. Wahlweise der Vergangenheit.

Ja, das In-der-Gegenwart-sein von Meditation - das tut mir gut, das gefällt mir.

Heute erzählte ich meiner Therapeutin von dem Metta-Meditations-Problem. Sie zuckte nur mit den Schultern. 'Ja, und?' - und es war ein freundliches, kein herablassendes. Das kann sie gut. Ja - es einfach SO-LASSEN. DAS finde ich schwer. Mit am schwersten. Geht das mal weg? Oder ist diese Frage schon wieder zuviel. An Erwartung an meine Meditationspraxis. Aber wozu sollte ich sonst ... ?

Zu den anderen später. Danke euch bis jetzt.

Was mich jenseits dieser Gedanken dahinter auch interessiert - wie (und überhaupt) gelingt es euch und wann ist eurer bester Zeotpunkt oder gibt es den überhaupt und wie lange meditiert ihr - jetzt zeitlich und seit wann?

Neugieriger Gruß, die Miss
ch-ch-ch-chaaaaaaange

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shouqici
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Beitrag Mi., 29.02.2012, 18:00

Hallo Miss,

leider habe ich nicht immer eine fertige Antwort schon parat, aber hier konnte ich
auf einen fertigen Text zugreifen - zum recht weitgehend gleichen Thema habe ich
vor ein paar Monaten in einem anderen Forum schon eine Antwort geschrieben
und kopiere die jetzt einfach...
Ganz genau passt es natürlich nicht - wenn's Dich interessiert, versuche ich auf
die eine oder andere Frage konkreter einzugehen - kann aber etwas dauern,
ich bin ein eher langsamer Denker

Letzte Woche war ich einmal mit dem Satz konfrontiert "Wenn man das Ziel nicht
kennt, ist kein Weg der Richtige!"
Das möchte ich nun im Allgemeinen gar nicht
bestreiten - aber es will mir doch scheinen, dass dieser Spruch nicht in allen Fällen
anwendbar ist, z.B. bei spirituellen Wegen - da führt das Wissen um ein Ziel eben
bestenfalls bis zu diesem, aber nicht weiter - man kann also nur erreichen, was man
sich vorher auch schon vorstellen konnte... In diesem Fall würde ich eher sagen
"Wenn man das Ziel schon zu kennen meint, führt kein Weg mehr darüber hinaus" -
Ich denke dass ein (konkretes) Ziel eher die Dinge verdeckt, die dahinter noch
verborgen sein mögen, so dass man sich selbst damit begrenzt - ungefähr so wie
in der indischen Legende vom Schatzwald... [s.u.]

Der bekannte Satz 'Der Weg ist das Ziel' hilft hier auch nicht weiter - ich habe lange
gerätselt, woher dieser Spruch kommt, der abwechselnd Lao-tse, Konfuzius, Gandhi...
(hab' ich noch jemand vergessen? ) zugeschrieben wird. Heute habe ich endlich
eine vernünftige Quellenangabe gefunden - das berühmte 'Zitat' ist einfach die
(missverstandene) Übersetzung einer Zeile aus den 'Gesprächen' des Konfuzius.
Dort (Lun Yü VII,6) wird der 'vierfache Weg der Bildung' so beschrieben:

志於道 Den Weg zum Ziel machen,
據於德 an der Tugend festhalten,
依於仁 der Menschenliebe folgen,
游於藝 sich beschränken auf [sein] Können.

- wobei 'Weg' und 'Tugend' die Begriffe Tao und wie bei Lao-tse sind, also mit
'Weg' nicht der Weg zu einem Ziel gemeint ist, sondern dass man das Tao zum
Ziel nehmen soll...
Was mich jenseits dieser Gedanken dahinter auch interessiert - wie (und überhaupt) gelingt es euch und wann ist eurer bester Zeotpunkt oder gibt es den überhaupt und wie lange meditiert ihr - jetzt zeitlich und seit wann?
Der beste Zeitpunkt ist völlig unterschiedlich - für mich ist es der frühe Morgen,
weil ich nachher schlecht einschlafe; meine Frau könnte da gar nicht, sie würde
gleich wieder einschlafen... Auch wie lange ist ganz verschieden - ich habe lange
gebraucht, bis ich von kurzen Sitzperioden (< 30 min) überhaupt profitieren konnte,
für Andere ist eine halbe Stunde schon eine Quälerei.

() shouqici
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shouqici
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Beitrag Mi., 29.02.2012, 18:02

Die Geschichte vom Schatzwald
Eine indische Legende, aus dem Gedächtnis nacherzählt.

In einem Dorf am Rande des großen Dschungels lebte ein Mann, der seine Familie mühselig damit ernährte, dass er die Stümpfe der gefällten Bäume ausgrub, sie kleinhackte und als Brennholz verkaufte. Als er wieder einmal auf dem Weg zum Wald war, begegnete er einem Sadhu, einem Weisen, der der Welt abgeschworen hatte, und der fragte ihn nach seinem Woher und Wohin. Der Mann erzählte von seiner schweren Arbeit und seinem Leben, und der Asket sagte zu ihm "Warum gehst Du nicht einmal weiter in den Wald hinein?". Der Mann dachte bei sich "Was weiß denn dieser Nichtstuer schon von der Wirklichkeit und harter Arbeit?" - aber irgendwie hatte er doch Respekt und wanderte noch ein größeres Stück in den Dschungel hinein. Gerade als er entmutigt umkehren wollte, fiel ihm eine Gruppe prachtvoller Teakbäume auf. Er überlegte eine Zeitlang, dann ging er eilig nach Hause, lieh sich etwas Geld, fällte die Bäume und verkaufte das Holz teuer.
Er war wieder einmal auf dem Weg zu seinen Bäumen, als ihm nochmals der alte Sadhu begegnete. Er bedankte sich überschwänglich für den guten Rat und wollte ihn am Gewinn beteiligen, aber der lächelte nur und sagte wieder "Warum gehst Du nicht einmal weiter in den Wald hinein?". Natürlich wurde der Mann neugierig und suchte tiefer im Dschungel nach. Dabei stieß er auf ein ganz verfallenes und völlig überwuchertes Haus aus groben Steinblöcken. Er hackte sich den Weg frei und sah sich darin um - dabei entdeckte er eine Truhe voll mit uralten Silbermünzen. Er schaffte sie nach Hause und kaufte sich dafür ein schönes Haus.
Eines Tages sah er den Sadhu vorbeigehen, lief hinaus, erzählte von seinem Fund und bedankte sich nochmals - der antwortete aber wieder nur mit "Warum gehst Du nicht einmal weiter in den Wald hinein?". Der Mann schüttelte den Kopf, aber er folgte dem Rat und entdeckte einen reißenden Fluss, der an einer Biegung eine Goldader freigelegt hatte...
Bei der nächsten Begegnung sagte der inzwischen schon steinalte Wanderer wieder nur "Warum gehst Du nicht einmal weiter in den Wald hinein?" - und diesmal stieß der Mann auf eine Diamantenmine. Wer weiß was er noch gefunden hätte, wäre der Sadhu nicht inzwischen den Weg alles Irdischen gegangen - vielleicht die Erkenntnis, dass hinter einem erreichten Ziel evtl. auch noch mehr zu finden sein kann - wenn man sich nur auf den Weg macht...
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Phönixia
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Beitrag Mi., 29.02.2012, 19:01

Hallo souquici,
"Wenn man das Ziel nicht
kennt, ist kein Weg der Richtige!"
Man könnte vielleicht ebenso sagen:
"Wenn man das Ziel nicht kennt, ist jeder Weg der Richtige"

Schöne Geschichte!

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(V)
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Beitrag Mi., 29.02.2012, 19:52

Das glaube ich nicht. Erst die Tage habe ich für mich wieder einmal feststellen müssen, dass sich ALLES an meinem "ziellosen Weg" falsch anfühlt.

Wie viele andere auch habe ich mich in meiner Not an den Glauben geklammert, ein neues Ziel fände sich schon während dem Gehen, hauptsache loslaufen. Nach mittlerweile 4 Jahren vergeblicher Zielsuche, halte ich das Ziel für verfehlt. Und wenn man etwas Falsches immer stoisch weiterbetreibt, z.B. einen Weg folgen ohne einen Bezug dazu zu haben, dann wird es nicht richtiger.

Ich glaube, wenn man dem EIGENEN Weg folgt, dann kann man nichts falsch machen. Aber wenn man IRGENDEINEM Weg folgt, hauptsache dass... so wird man sich nur weiter von sich entfernen als zu sich selbst zurückfinden.


Ich glaube mittlerweile, dass man - sofern man auf dem eigenem, für einen selbst richtigen Weg ist - sogar vom Stillstand mehr profitieren kann als von dem (sinnfreien), orientierungslosen Herumgelaufe.


Was zielführende Mediationen angeht ("um zu...") angeht, so halte ich es so, dass ich darauf verzichte, solange die JA,ABER's noch zu groß sind. Man kann und soll es nicht erzwingen, das geht nach hinten los. Vor allem, wenn man auf DISZIPLIN setzt und hofft, dass durch stoisches Wiederholen das "JA ABER" schon verschwände...

Hat das jemals bei jemanden funktioniert? Aus stoischen Wiederholung etwas, was sich falsch anfühlt, zu einem Gefühl der inneren Richtigkeit zu führen? Würde man dergleichen nicht Gehirnwäsche nennen? Und für die Leute, die behaupten, dass es mit blößer Disziplin gelänge, man müsse nur oft und regelmässig genug üben... ich glaube, hierbei handelt es sich um selektive Wahrnehmung. Vermutlich waren ganz andere Faktoren daran beteiligt, dass etwas, das die ersten 10 mal nicht funktionierte beim 30igsten Mal klappt...

Was ich wichtig finde: Trotzdem immer wieder mal antesten. Ich meine damit nicht, sich zu zwingen eine komplette, geführte Meditation durchzuhalten. Aber sich die Fragestellung(das Thema des inneren Widerstandes) immer mal wieder in Erinnerung rufen und in sich reinzulauschen, ob sich was geändert hat. Denn DAS könnte ich mir nun doch vorstellen: Dass die Fragestellung per se etwas im Inneren verändert, solange bis man bereit für die Antworten ist und sie nicht mit JA,ABER zudecken muss.In diesem Sinne würde ich es immer wieder versuchen. Doch das hat nichts damit zu tun, vorhandene Blockaden zu ignorieren um mit Gewalt ein Mediationsziel zu erreichen...

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Phönixia
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Beitrag Mi., 29.02.2012, 19:59

Ich glaube, wenn man dem EIGENEN Weg folgt, dann kann man nichts falsch machen. Aber wenn man IRGENDEINEM Weg folgt, hauptsache dass... so wird man sich nur weiter von sich entfernen als zu sich selbst zurückfinden.
Das war oben nur in Bezug auf Meditation gemeint. Nicht auf praktische Lebensbewältigung, dafür braucht man natürlich Pläne und Ziele.

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shouqici
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Beitrag Mi., 29.02.2012, 20:53

Hallo Gothika,
wenn man etwas Falsches immer stoisch weiterbetreibt, z.B. einen Weg folgen ohne einen Bezug dazu zu haben, dann wird es nicht richtiger.

Ich glaube, wenn man dem EIGENEN Weg folgt, dann kann man nichts falsch machen.
Da gebe ich Dir völlig recht - nicht nur was die praktische Lebensbewältigung anlangt, auch in der Meditation - nur muss man diesen eigenen Weg erst mal finden... Sinnfreies orientierungsloses Herumgelaufe bringt niemandem etwas, und Disziplin ist eine gute Sache - aber erst dann wenn man den Weg mal gefunden hat...
Vorhandene Blockaden zu ignorieren, um mit Gewalt ein Meditationsziel zu erreichen - das ist eben das was man vermeiden sollte - genau darum geht’s ja.

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Phönixia
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Beitrag Mi., 29.02.2012, 21:07

Hallo,
Da gebe ich Dir völlig recht - nicht nur was die praktische Lebensbewältigung anlangt, auch in der Meditation
ich denke ich bin Missverstanden worden.
Im Idealfall übernimmt die Meditation die Führung, und nicht das Denken oder eine Zielsetzung.
Die Meditation gibt den "Weg" vor. Das heißt alles was in der Meditation geschieht, ist richtig, hier wird die Meditation nicht willentlich gelenkt.
So ist kein Weg der Richtige (Gedachter Weg)
oder man kann auch sagen, jeder Weg ist der Richtige (die Meditation führt ).

Natürlich könnte man auch ein Lebenskonzept haben, ohne Planung, ohne Weg, nur sich vom Leben führen lassen, von Augenblick zu Augenblick. Aber ich glaube die Wenigsten würden so ein Leben ganz ohne Weg und Planung führen wollen.

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(V)
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Beitrag Do., 01.03.2012, 15:12

Phönixia hat geschrieben: Natürlich könnte man auch ein Lebenskonzept haben, ohne Planung, ohne Weg, nur sich vom Leben führen lassen, von Augenblick zu Augenblick. Aber ich glaube die Wenigsten würden so ein Leben ganz ohne Weg und Planung führen wollen.
Komischerweise wird es aber ganz oft empfohlen. Auch hier im Forum. in Therapiepraxen und auch sonst überall. Erst mal losgehen, das Ziel fände sich schon irgendwie unterwegs. Man müsse es nur zulassen, das Alte loslassen.Etc.pp. Falls es wider Erwarten nicht gelänge, wird es so hingestellt, als habe man was falsch gemacht, z.B. war nicht offen genug für Neues, hat es nicht hartnäckig genug versucht, folglich müsse man es eben nochmal und nochmal probieren...

Ich finde es immer wieder erschreckend, wie weit Theorie und Praxix auseinander klaffen. Theoretisch weiß jeder, dass man den Leuten IHREN EIGENEN WEG zugestehen muss, doch sobald es zum Dialog kommt, einer direkten Interaktion, wird dann doch wieder auf alle möglichen direkten und indirekten Arten dagegen gewettert.

Wie dem auch sei, aus Mangel an Alternativen habe ich mir den Schuh anziehen lassen, dass es MEIN persönliches Versagen sei, keine neuen Lebensziele zu finden. Ich versuche, die Gehirnwäsche rückgängig zu machen, aber ich fürchte, es ist zu weit fortgeschritten...

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ENA
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Beitrag Do., 01.03.2012, 15:16

Ich finde das Thema hier ziemlich interessant. Geht es denn jetzt nur um MBSR oder um Meditation und Achtsamkeit insgesamt?

...und:
Phönixia hat geschrieben:Im Idealfall übernimmt die Meditation die Führung, und nicht das Denken oder eine Zielsetzung.
Die Meditation gibt den "Weg" vor. Das heißt alles was in der Meditation geschieht, ist richtig, hier wird die Meditation nicht willentlich gelenkt.
Wie macht sie das denn, den Weg vorgeben und wieso ist alles richtig?

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