Meine Freundin ist depressiv

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Thomas111
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Meine Freundin ist depressiv

Beitrag Sa., 04.05.2019, 13:13

Hallo zusammen!

Ich weiß nicht ob ich die richtige Kategorie erwischt habe, aber ich schildere euch einfach mal mein Problem.

Meine Freundin hat sich im letzten halbe Jahr verändert und sich immer mehr zurückgezogen, zu fast allem keine eigene Meinung mehr und auch mir gegenüber sich immer mehr gefühllos gezeigt.

An einem Abend vor ca. 2 Monaten hat sie mir einen Brief überreicht wo drin stand, dass sie derzeit komplett gefühllos ist, sie vor allem Angst hat und mir bzw. unsere Beziehung so nicht weiterführen kann. In dem Brief stand auch dass sie Angst vor der Zukunft hat und nicht weiß was sie tun soll. In ihrer Arbeit als Krankenschwester hat sie in den letzten Monaten auch immer mehr 24h Dienste übernehmen müssen, die ihr sehr zu schaffen machten. Seit den Diensten ging es mit unserer Beziehung immer mehr bergab. Sie kam total erschöpft nach Hause, hatte keine Lust mehr irgendwas zu unternehmen und zog sich immer mehr zurück. Sie schrieb in dem Brief auch dass sie mit dem Unterschied unserer Elternhäuser nur schwer klarkommt.
Meine Eltern sind die netten, offenen und zuvorkommenden, ihre Eltern sind sehr stark beruflich eingespannt, die nur sehr selten für ihre Kinder da waren. Das war für sie sehr schwierig, mit dem umzugehen.

In dem Brief gab es auch überhaupt keine Vorwürfe das irgendwas von meiner Seite falsch lief, sie nahm die ganze Schuld auf sich, dass sie selbst das Problem sei und derzeit einfach gefühlslos ist.

Ich war natürlich einerseits schwer getroffen über diesen Brief, andererseits war es für mich ein Zeichen dass es nicht nur die Beziehung sein konnte.

Ich konnte sie dazu überreden zum Arzt zu gehen, sie wollte aber dass ich mit komme und ich das Problem schildere, da sie selbst es nicht sagen und erklären konnte.
Der Arzt überwies sie gleich weiter zu einer psychologischen Beratung und einem Neurologen.
Die Diagnose war dann: Burnout mit Depressionen.
Sie ist nun regelmäßig in Therapien und hat sich dazu entschlossen nicht mehr bei mir wohnen zu wollen, da sie einfach derzeit nicht mit mir kann sagt sie. Sie ist derzeit einfach gefühllos und möchte Zeit für sich. Derzeit ist sie zu ihrer Oma gezogen, hat die wichtigsten Sachen mitgenommen. Das meiste ist aber noch in unserer gemeinsamen Wohnung.
Der Auszug ist nun knapp 2 Monate her. Wir haben uns zwischendurch immer wieder mal getroffen. Sie freut sich auch wenn wir uns sehen, zumindest wirkt es so auch wenn sie es nicht sagt. In ihr ist auch der Gedanke entstanden eine eigene Wohnunh zu nehmen, da sie auf Dauer auch nicht bei ihrer Oma bleiben will.
Für mich ist es sehr schwer diese Situation so zu ertragen. Ich vermisse sie sehr. Möchte ihr helfen, kann aber nicht.

Was würdet ihr mir an meiner Stelle raten? Ist es nur die Krankheit oder liegt es an der Beziehung? Ist die Beziehung so überhaupt noch zu retten?

Würd mich über euere Tipps freuen.

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spirit-cologne
[nicht mehr wegzudenken]
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Beitrag Sa., 04.05.2019, 23:14

Deine Freundin scheint (wie viele Menschen) jemand zu sein, der im sog. "depressiven Verarbeitungsmodus" lebt. Das bedeutet, dass diese Menschen versuchen, es den Menschen um sie herum möglichst Recht zu machen und im Gegenzug erwarten, dafür dann ebenfalls gut behandelt und mit Zuwendung und Lob dafür belohnt zu werden. Die dazu gehörige Grundüberzeugung wäre: "Wenn ich alles tue, um die Menschen um mich herum zufrieden und glücklich zu machen und ihre Erwartungen zu erfüllen, dann werden diese Menschen mich gut behandeln und mir Lob und Aufmerksamkeit schenken." Viele Menschen leben über lange Strecken gut mit dieser Strategie, vor allem wenn die Menschen um sie herum eine ähnliche Persönlichkeitsstruktur haben, dann versucht jeder, die Bedürfnisse des anderen zu erraten und zu erfüllen.

Das Problem daran ist nur, dass man in diesem depressiven Modus mit seinem Wohlbefinden vollkommen davon abhängig ist, dass die Umwelt auch wie gewünscht reagiert. Bleiben Lob, Bestätigung und gute Behandlung aus, nutzt z.B. der Arbeitgeber die Neigung, alles richtig und gut machen zu wollen, für seine Zwecke aus, ohne ausreichend etwas zurück zu geben, dann wirkt sich das schnell negativ auf das Wohlbefinden und den Selbstwert aus und die Menschen rutschen in einen Burnout bzw. eine Depression.

Daher ist der Behandlungsansatz, die Selbstfürsorge und Selbstverantwortung der Betroffenen zu stärken. Die Grundüberzeugung soll sich verändern hin zu: "Ich muss erst mal selbst für mich und die Erfüllung meiner wichtigsten Bedürfnisse sorgen und was dann noch an Energie übrig bleibt, kann ich für andere Menschen aufwenden. Wenn ich für mich selbst nicht für mich sorge, werde ich krank und kann dann auch nicht mehr für Andere da sein." Dies bedeutet eine grundlegende Veränderung im Denken, Fühlen und Handeln und Im Rahmen dieser neuen Denkweise werden meist nach und nach alle wichtigen Beziehungen (vor allem natürlich auch die Partnerschaft) auf den Prüfstand gestellt, nicht nur der ursprüngliche Problembereich (z.B. Arbeit). Dazu brauchen viele Betroffene erst mal Abstand - emotional und oft auch physisch - von den Bezugspersonen, um wirklich die eigenen Wünsche, Bedürfnisse und Erwartungen an diese Person entdecken und erforschen zu können.

Von daher finde ich das Verhalten deiner Freundin durchaus verständlich und nicht ungewöhnlich. Was du für Sie tun kannst? Unterstütze Sie in ihrem Wunsch nach Unabhängigkeit und lasse ihr ihren Freiraum. Versuche nicht, ihre Probleme zu lösen, sondern überlasse das ihrer Verantwortung und kümmere dich statt dessen darum, ebenfalls unabhängiger von ihr zu werden. Schau was dir gut tut und zeige ihr, dass du auch ohne Sie klarkommst, dich selbst um deine Bedürfnisse kümmern kannst und dein eigenes Leben mit eigenen Interessen hast. Dadurch wirst du auch für sie wieder interessanter werden. Es ist wichtig, dass ihr beide lernt, unabhängiger von einander zu werden, damit ihr euch hinterher als Erwachsene auf Augenhöhe begegnen und eine ausgeglichene Beziehung führen könnt. Ob es eine Garantie gibt, dass ihr wieder zu einander findet? Nein. Das hängt davon ab, wie sie eure Beziehung sieht und bewertet, und was sie sich für ihre Zukunft wünscht. Aber es ist trotzdem die einzige Möglichkeit, wie ihr eine Chance habt. Wenn du versuchst zu klammern und sie zu halten, wird sie den Respekt vor dir verlieren und dann hast du erst Recht keine Chance auf eine Zukunft mit ihr. Versuche nicht die Uhr zurück zu drehen, das funktioniert nicht. Versuche sie statt dessen anzunehmen, so wie sie ist: hier und jetzt.
It is better to have tried in vain, than never tried at all...

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Valeria_M
Helferlein
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Beiträge: 63

Beitrag So., 05.05.2019, 04:57

Thomas111 hat geschrieben: Sa., 04.05.2019, 13:13 In ihrer Arbeit als Krankenschwester hat sie in den letzten Monaten auch immer mehr 24h Dienste übernehmen müssen, die ihr sehr zu schaffen machten. Seit den Diensten ging es mit unserer Beziehung immer mehr bergab. Sie kam total erschöpft nach Hause, hatte keine Lust mehr irgendwas zu unternehmen und zog sich immer mehr zurück.

Würd mich über euere Tipps freuen.
Mein Tipp: Unterstütze sie bzgl. Arbeitsplatzsituation, eventuell anderen Job als Krankenschwester suchen, ohne 24-Stunden-Dienste.

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