Dysmorphophobie - wie als Partnerin verhalten?

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Jade-Fee
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Dysmorphophobie - wie als Partnerin verhalten?

Beitrag Do., 15.10.2020, 10:11

Hallo liebes Forum!

Ich (w, 48) habe ich mich hier registriert, weil ich mich gerne mit anderen darüber austauschen würde, die sich mit Dysmorphophobie auskennen.

Konkret: Mein zweiter Mann (54), mit dem ich seit 5 Jahren zusammen bin (davon 3 Jahre verheiratet), leidet seit seiner Kindheit unter der Zwangsvorstellung, sein Gesicht wäre entstellt. Zusätzlich ist er seit 30 Jahren Schmerzpatient und dadurch auch an einer veritablen Depression erkrankt. Das Schmerzsyndrom ist nach zwei verpatzten Operationen vor 2 Jahren leider noch stärker geworden, weshalb er auch nicht mehr arbeiten kann.
Die Wahrnehmung, sein Gesicht wäre entstellt, kommt in Schüben und verursacht fürchterliche depressive Schübe, die mehrere Tage andauern.

Nach mehreren gescheiterten Therapieversuchen hat er nun einen Psychiater und Psychotherapeuten gefunden, dem er scheinbar vertraut, was schon ein großer Vorteil ist und mich entlastet. Bisher (ich habe eine psychotheraoeutische Vorbildung) war nämlich ich die einzige Ansprechperson für ihn (durch seine Erkrankung hat er logischerweise auch kaum soziale Kontakte bzw. leidet zusätzlich an einer starken Sozialphobie).

Ich selbst befinde mich im typischen Spannungsfeld zwischen "Verständnis haben" und "eigene Bedürfnisse nicht erfüllt bekommen". Oft empfinde ich meinem Mann gegenüber auch Aggressionen, weil er "schon wieder" glaubt, hässlich und entstellt zu sein (paradoxerweise ist er sogar ein auffallend gutaussehender Mann!).

Meine Frage ist nun: Hat jemand von euch Erfahrungen mit einem Partner/einer Partnerin, die unter einer körperdysmorphen Störung leidet? Ich weiß nicht so recht, wie ich mich verhalten soll, wenn er wieder einmal mit seiner Stimmung im Keller ist wegen seines (eingebildeten entstellten) Aussehens. Ich habe schon immer Angst davor, wenn er ins Badezimmer duschen geht, weil er dann wie ausgewechselt herauskommt, nicht mehr ansprechbar ist, teilweise Suizidgedanken äußert und mich einfach so mit runterzieht, dass ich selbst oft schon depressiv werde.
Die Ironie an der Sache ist, dass ich erst nach 2 Jahren darufgekommen bin, dass er diese Störung hat. Zuvor hat er es geschafft, diese Seite vor mir zu verbergen. Aber nun, und vor allem seit seinen zwei verpatzten Operationen, wird es immer schlimmer.

Ich versuche immer, ihn dazu zu ermuntern, mir zu sagen, was er in dieser Situation braucht, wenn es ihm wegen seines Gesichts so schlecht geht: reden, nicht reden, in Ruhe lassen oder lieber einfach nur da sein? Er sagt, er weiß es nicht, was er dann will. Na toll! Wie soll ich mich dann verhalten?

Früher habe ich versucht, einfach ganz normal weiterzuleben. Aber das hat mir nur Magengeschwüre verursacht, wenn ich alles runterschlucke. Spreche ich an, wie sehr mich sein Verhalten oft belastet, wenn er dauernd nur mies drauf ist, keine SIlbe redet, nicht ansprechbar ist, sondern nur im Selbsthass versinkt, so fühlt er sich persönlich angegriffen. Ich schwanke mittlerweile zwischen Wut, Verständnis, Bemuttern, Aggressionen, Verzweiflung, Hoffnung, stundenlange Gespräche mit ihm über ihn und seine Probleme usw.

Mittlerweile fühle ich aber, wie meine Kraft immer mehr nachlässt. Deshalb würde ich mich gerne mit Gleichgesinnten austauschen. Wie geht es euch mit euren depressiven Partnern? Hat jemand hier auch einen Partner oder eine Partnerin, der/die an Dysmo leidet?

Ich würde mich freuen, wenn jemand seine/ihre Erfahrungen mit mir teilt.
Zuletzt geändert von Tristezza am Do., 15.10.2020, 14:03, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Zusätzliche Absätze zur besseren Lesbarkeit eingefügt.

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Kaonashi
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Beitrag Do., 15.10.2020, 17:22

Vielleicht findest du in Eric Bernes Buch "Spiele der Erwachsenen" etwas Hilfreiches?
Das Buch ist steinalt, aber ich weiß nicht, welche moderne Lektüre empfehlenswert ist.

Ich meine, wenn sich solche Dinge immer wiederholen, dann ist es etwas, das mit Absicht aufrechterhalten wird, weil es irgendeinen Nutzen hat. Würde es ihn ausschließlich nur belasten, dann könnte eine Therapie etwas bewirken.

Aber vielleicht bin ich auch nur zu verständnislos, weil ich generell nicht verstehe, wieso Leute glauben, hässlich zu sein, wenn sie es nicht sind, oder dick zu sein, wenn sie es nicht sind. Für diese Art Störung fehlt mir einfach das Verständnis.

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Fairness
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Beitrag Do., 15.10.2020, 17:46

Habe gelesen, dass manche Menschen, welche darunter leiden, in der Kindheit oft wegen ihres Aussehens gehänselt wurden. Und, könnte mir vorstellen, dass bei manchen Betroffenen, welche über längere Zeit so behandelt wurden, solche Wahrnehmungsstörung ziemlich hartnäckig belastend werden kann.. :neutral:
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Jade-Fee
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Beitrag Fr., 16.10.2020, 04:35

Hallo, danke für eure Antworten. Ja, bei meinem Mann gibt es natürlich eine lange Vorgeschichte dazu, die aus der Kindheit stammt und die nun hoffentlich mithilfe des Therapeuten angegangen werden kann. Leider ist so eine Dysmo ja sehr schwierig bis gar nicht zu behandeln. Das ist mir eh klar. Ich frage mich halt immer nur, wie ich mit ihm umgehen soll, wenn er wieder einmal seine "Krisen" hat und in der Depression ist. Die Stimmung ist dann oft unerträglich. Ich glaube, da unterscheiden sich Dysmo-Patienten nicht wesentlich von "normalen" Depressiven. Sie sind einfach nur negativ, schwanken zwischen passiv-aggressiv und agitiert und man wird als Angehöriger einfach irgendwann mitgerissen und derartig runtergezogen, dass man selbst oft Hilfe brauchen könnte. :-(

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Fairness
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Beitrag Fr., 16.10.2020, 05:21

Liebe Jade-Fee,

mit Dysmorphophobie habe ich bisher keine Erfahrung. Was mir dazu spontan einfällt, so für den Umgang, wäre - deine und seine Wahrnehmung vor ihm deutlich zu trennen. Damit meine ich, wenn er zum Beispiel sagt, dass er sich hässlich fühlt und du ihn schön findest, könntest du ihm vielleicht antworten "Mir gefällst du, du bist ein schöner Mann, unabhängig davon, wie du dich nun siehst.." Und dann bei solcher Trennung 'meine Wahrnehmung - deine Wahrnehmung' konsequent bleiben, um es deutlich zu machen, dass die Phantasien der entstellten Körperteile seine sind. Und die Gespräche an das Thema 'Aussehen' eher kurz und auf einer möglichst sachlichen Ebene halten..

Jade-Fee hat geschrieben: Do., 15.10.2020, 10:11 Ich schwanke mittlerweile zwischen Wut, Verständnis, Bemuttern, Aggressionen, Verzweiflung, Hoffnung, stundenlange Gespräche mit ihm über ihn und seine Probleme usw.
Das hier würde ich mit der Sachlichkeit versuchen zu vermeiden. Im Bezug auf eine Wahrnehmungsstörung finde ich so ein emotionales Engagement, vor allem über längere Zeit, auf solche Art und Weise etwas sinnlos.. denn es ändert nichts an der Situation und so gibst du deine Kräfte ziellos aus. Eventuell könnte er sich in seiner Wahrnehmung dadurch noch bestätigt fühlen..

Könntest du dir für euch vorstellen, zum Beispiel Paartherapie zu probieren?

Lieben Gruß,
Fairness
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Jade-Fee
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Beitrag Fr., 16.10.2020, 07:15

Fairness hat geschrieben: Fr., 16.10.2020, 05:21 Das hier würde ich mit der Sachlichkeit versuchen zu vermeiden. Im Bezug auf eine Wahrnehmungsstörung finde ich so ein emotionales Engagement, vor allem über längere Zeit, auf solche Art und Weise etwas sinnlos
Hallo Fairness,
danke für deine Antwort. Du meinst also, wenn ich es richtig verstehe, ich sollte, wenn er wieder eine seiner "Krisen" hat, es einfach irgnorieren? Das habe ich schon sehr oft versucht, ich halte dann aber diese wahnsinnige Spannung, die durch seine schlechte Laune entsteht, fast nicht aus.

Seine und meine Wahrnehmnung zu trenne, praktiziere ich ohenhin schon lange, genau in der von dir beschriebenen Weise. Leider nutzt es bei einem dysmorphophobischen Menschen nichts, ihm immer wieder rückzumelden, dass er ganz normal, ja sogar besonders gut aussieht. Er glaubt es nicht, obwohl es ihm schmeichelt. Er denkt immer, die Leute würden das nur sagen, um ihn "zu beruhigen". Da sieht man schon, dass das Problem sehr gravierend ist, denn da spricht ja das pure Misstrauen, das er schon seit seiner Kindheit entwickelt hat (er wurde als Kind leider massivst mnissbraucht, gedemütigt und abgewertet. Tja, und das tut er halt heute mit sich selbst ... es ist zum Heulen, das mit ansehen zu müssen und zu wissen, dass man nicht helfen kann).

Ja, Paartherapie ist sicher eine gute Idee. Er hat aber erst vor Kurzem mit einer Psychotherapie angefangen, da halte ich es nicht für sinnvoll, ihn jetzt schon mit einer zusätzlichen Paartherapie zu überfordern. Ich bin ja schon froh, dass er überhaupt endlich einen Therapeuten gefunden hat, mit dem er nun arbeitet. Immerhin eine Entlastung für mich, damit ich nicht ALLEs von ihm auffangen muss. Aber zu einem späteren Zeitpunkt werde ich das wohl sicherlich mal vorschlagen.

Liebe Grüße,
Jadefee

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Fairness
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Beitrag Fr., 16.10.2020, 10:02

Jade-Fee hat geschrieben: Fr., 16.10.2020, 07:15 Du meinst also, wenn ich es richtig verstehe, ich sollte, wenn er wieder eine seiner "Krisen" hat, es einfach irgnorieren? Das habe ich schon sehr oft versucht, ich halte dann aber diese wahnsinnige Spannung, die durch seine schlechte Laune entsteht, fast nicht aus.
Ich meinte eher, die Gespräche darüber kurz zu halten und auf mögliches daraus entwickelndes Klagen nicht einsteigen. Das ist Ohnmacht, was du da durchlebst, und egal was du sagst, in ihm läuft das in den Momenten unbeirrt weiter. Das glaube ich dir, dass es weh tut, mit anzusehen und in sich zu erleben. :neutral:

Schön und gut für ihn, euch beide, dass er nun in der Therapie ist, ich wünsche euch, dass sich das mit der Zeit stets mildert. 🌷

PS: In eine Paartherapie könntest du vorerst auch allein gehen, dich im Bezug auf die Beziehung und den Umgang mit seinen schwierigen Phasen beraten lassen. Alles Liebe dir.
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Jade-Fee
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Beitrag Fr., 16.10.2020, 10:40

Danke, Fairness! Das werde ich versuchen. Ich muss wohl einfach auch lernen, nicht ZU stark mit ihm in Resonanz zu gehen. Schwierig, weil ich ein sehr empathischer Mensch mit einem Hand zum Helfersyndrom bin. Aber wahrscheinlich ist genau das meine Challenge. Und wenn er halt aggressiv oder nicht ansprechbar ist, muss ich es diese Stimmung wohl einfach aushalten und mir woanders meine Lebensfreue herholen.
Aber danke für den Input. Tut auch einfach gut, sich mal austauschen zu können und Verständnis für die eigene Situation als Angehörige zu erhalten. Dadurch, dass mein Mann ja auch Schmerzpatient ist, drehen sich ja auch alle Fragen der Familie und von Freunden eigentlich immer nur um sein Befinden (wie geht es ihm denn? Geht es besser? usw.). Nach dem Befinden des Angehörigen, der mit dem Depressiven leben muss, fragt eigentlich kaum wer. ;-)

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chrysokoll
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Beitrag Fr., 16.10.2020, 20:08

ein Schritt für DICH wäre ja vielleicht, auch den Freunden, Angehörigen zu sagen:
Warum fragt ihr nicht wie es mir geht?
Oder auch gleich ganz klar zu sagen "ihm geht es xy, und MIR geht es damit schlecht. Ich brauche euch jetzt"

Also auch nach aussen gehen, klar stellen was das mit dir macht. Hilfe einfordern bzw. darum bitten.
Also auch bewusst den Fokus von ihm weg nehmen.
Es wird leider oft vergessen wie es Angehörigen, Partner geht.

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Jade-Fee
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Beitrag Fr., 16.10.2020, 20:57

Ja, das ist eine gute Idee. Ich bin es einfach schon zu lange gewohnt, alles allein schaffen zu wollen. Das werde ich sicherlich nun ändern, sonst gehe ich auch noch vor die Hunde.

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