Suizid

Hier können Sie sich über Belastungen durch eigene oder fremde schwere Erkrankungen, aber auch den Umgang mit Tod und Trauer austauschen.
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Broken Wing
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Beitrag Fr., 10.10.2014, 09:55

Ein Abschiedsbrief ist so überflüssig wie ein Kropf. Es dient letztendlich dazu, jmd. eine Faust zu versetzen. Blöderweise trifft es die falschen. Die tatsächlich verantwortlichen erreicht man so nicht. Da wäre es besser, die richtigen Leutchen ins Jenseits zu schicken.
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]

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authentisch
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Beitrag Fr., 10.10.2014, 11:23

Crash-Kurs hat geschrieben:Hallo,
nachdem ich grade im ORF eine Reportage über Suizid und wie Angehörige damit umgehen, gesehen habe, stelle ich ohne langes Rumgerede folgende (vielleicht auch provokante) Frage in den Raum:
Würdet ihr euch von einem Menschen, der sich umgebracht hat, erwarten, dass er für sein Tun wenigstens eine Erklärung hinterlässt??
Nach dieser Reportage können Angehörige nach einer langen und schweren Trauerzeit zwar die Entscheidung akzeptieren, aber wenn kein Abschiedsschreiben hinterlassen wurde, dann quälen sie sich wirklich mit der Frage nach dem "Warum?".
Ich denke, wenn jemand den Schritt zur Selbsttötung tätigt, dann sollte er so viel sein, seine Angehörigen nicht in Schuldgefühlen zurück zu lassen, sondern definitiv darlegen, dass es sein/ihr eigener Wille war und niemand anderer daran Schuld hatte.
Was meint ihr? Ist das ein letzter Dienst an den Menschen, die man lieb hatte?
Dankeschön für das Thema.
Aus eigener Erfahrung heraus schliesse ich mich dem an.
Selbst wenn man theoretisch gelernt hat mit dem Tod umzugehen bleiben so viele Fragen offen, die nun nie mehr beantwortet werden können.
Eine kurze Erklärung und ein Dankeschön wären super, gleichzeitig ist ein suizidaler Mensch wohl auch damit überfordert an andere zu denken, wenn er nocht nicht einmal sein eigenes Leben in den Griff bekommt.

LG


pandas
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Beitrag Fr., 10.10.2014, 11:28

authentisch hat geschrieben: Eine kurze Erklärung und ein Dankeschön wären super, gleichzeitig ist ein suizidaler Mensch wohl auch damit überfordert an andere zu denken, wenn er nocht nicht einmal sein eigenes Leben in den Griff bekommt.
Aber wieso gehst Du davon aus, dass er sich bedanken möchte?
Vielleicht hat er eher das Gefühl, von seinen Angehörigen nur ausgenutzt und "über den Tisch gezogen" worden zu sein?
Und woher willst Du wissen, dass ein suizidaler Mensch überfordert ist, an andere zu denken? Oft sind es ja Menschen, die altruistisch angelegt sind, aber dafür ausgenutzt worden sind, sich zu wenig gewehrt haben gegen die egoistischen Bedürfnisse der Angehörigen?
Und wieso nicht einem Angehörigen mal helfen, das Leben in den Griff zu bekommen? Wieso sollte er sich bedanken, wenn ihm nicht geholfen wurde? Wofür soll er sich denn dann eigentlich bedanken?
Abgesehen davon, vielleicht steht ja dann auch in dem Abschiedsbrief genau das: "X,Y ist schuld, da sie mich schlecht behandelt haben." Was dann?
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard


pandas
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Beitrag Fr., 10.10.2014, 11:30

authentisch hat geschrieben: Aus eigener Erfahrung heraus schliesse ich mich dem an.
Beschreibst Du mal Deine eigene Erfahrung?
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pandas
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Beitrag Fr., 10.10.2014, 11:41

authentisch hat geschrieben: Selbst wenn man theoretisch gelernt hat mit dem Tod umzugehen bleiben so viele Fragen offen, die nun nie mehr beantwortet werden können.
Naja, aber dass sollte man schon allein in den Griff bekommen, oder? wenn nicht, gibt´s ja auch Optionen ...
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Broken Wing
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Beitrag Fr., 10.10.2014, 11:56

@ Pandas: Volle Zustimmung. Diejenigen, die für einen Brief sind, hegen den Anspruch, entlastet zu werden. Ist die Frage gestattet, welche Ansprüche sie zu Lebzeiten des Toten hegten und mangels Alternative eben den schwachen Selbstmörder nehmen mussten?

Selbst wenn man als Hinterbliebener unschuldig war, Dankeschöns muss man sich verdienen. Von daher würde ich in einem Abschiedsbrief nur Personen erwähnen, die es Betrifft. Also die, mit denen ich fürs Leben gekämpft habe oder solche, die mich zur Tat getrieben haben.
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Sinarellas
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Beitrag Fr., 10.10.2014, 12:21

Würdet ihr euch von einem Menschen, der sich umgebracht hat, erwarten, dass er für sein Tun wenigstens eine Erklärung hinterlässt??
Sang und klanglos sich aus der Welt zu verabschieden, so dass das Umfeld nur raten kann ist einfach antisozial. Aber manchmal ist man eben auch in dem Gefühl direkt drinnen und da interessiert es einen auch nicht mehr was der Rest dazu denkt oder wie der umgang damit ist.
Wenn man es -sauber- machen will, finde ich es durchaus hilfreich die Gründe zu benennen, vll schafft man mit seinem Suizid dann ein kleines Umdenken des Umfeldes. Man würde also noch etwas positives bewirken.
Also ja, ich unterstütze Abschiedsbriefe, aber erwarte es nicht.
Ich denke, wenn jemand den Schritt zur Selbsttötung tätigt, dann sollte er so viel sein, seine Angehörigen nicht in Schuldgefühlen zurück zu lassen, sondern definitiv darlegen, dass es sein/ihr eigener Wille war und niemand anderer daran Schuld hatte.
Sehe ich anders, schuld hat durchaus das Umfeld und ganz ehrlich sollen sie doch damit leben. Das umfeld hat sich nicht genug gekümmert (ausnahmen bestätigen die regel).
Was meint ihr? Ist das ein letzter Dienst an den Menschen, die man lieb hatte?
Vor/Nach meinen versuche hatte ich niemanden mehr "lieb". Denn wäre dem so gewesen, also, dass ich jemanden tatsächlich aus vollem herzen lieb hatte, dann hätte ich ich nicht umbringen wollen.
..:..

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authentisch
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Beitrag Fr., 10.10.2014, 15:19

Ich habe aktuell einen Fall im Bekanntenkreis erlebt, wo jede nur mögliche Unterstüzung über Jahre da war...keine Schuldzuweisung an Freunde oder Familie möglich...und die fühlen sich dann ziemlich hängen gelassen.
Ob eine Erklärung Erleichterung verschafft hätte kann man nur vermuten.
Grundsätzlich kann ich viele Gründe nachvollziehen warum man nicht mehr kann oder will.
Ist es wirklich zuviel verlangt sich zu verabschieden ?

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Nico
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Beitrag Fr., 10.10.2014, 15:55

Wenn ich mir die Postings so durchlese

Abschiedsbrief JASUPER aber nur wenn drin steht " danke für alles ihr wart nicht schuld tralala".

Und wenn nicht alles paletti war ( was wohl kaum der Fall sein dürfte bei Suizid ) dann bitte schön für sich behalten, oder ?

Suizid ist die ureigenste Entscheidung die ein Mensch treffen kann, sie ist zu a k z e p t i e r e n und da ist kein Erklärungs- bzw. Reinwaschungsbrieferl nötig.
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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Marzipanschnute
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Beitrag Fr., 10.10.2014, 16:00

authentisch hat geschrieben: Ist es wirklich zuviel verlangt sich zu verabschieden ?
Manchmal definitiv ja.

Ich habe zwei Selbstmordversuche hinter mir, bei beiden hatte ich keine Abschiedsbriefe geschrieben, beim ersten Mal eine kurze Notiz, dass es mir leid tut, sonst nichts, bei beiden war es mehr eine Impulshandlung, ein Moment in dem ich nicht mehr anders konnte und dem drängenden Gefühl, dass mich schon über Monate im Griff behielt und mir kaum eine Atempause gönnte, nachgab.
Ich wollte einfach nur, dass es endlich aufhörte, endlich Ruhe und Frieden, vor mir selbst, vor meinem Leben, vor alldem was mich in der Zeit quälte. Ja, in solchen Situationen ist es zu viel verlangt, einen Abschiedsbrief zu schreiben und dass dann auch noch nachvollziehbar zu begründen.
Ja, es wäre zu viel verlangt gewesen darüber nachzudenken, was ich anderen damit antue. Ja, das wäre es. Das wäre noch mehr Qual gewesen und davon hatte ich in dem Moment doch eh schon viel zu viel, sonst wäre es gar nicht dazu gekommen.
Ja, es ist verdammt noch mal in manchen Fällen zu viel verlangt sich zu verabschieden, dass das nicht fair ist, bestreite ich nicht. Aber es ist manchmal einfach zu viel. Und für den Menschen der sich da das Leben nimmt sind in dem Moment wohl andere Sachen von Bedeutung.
“Das Schöne an der Zeit ist, das sie ohne Hilfestellung vergeht und sich nicht an dem stört, was in ihr geschieht.” Juli Zeh

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authentisch
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Beitrag So., 12.10.2014, 09:42

Klar ist das schwierig bis unmöglich eine objektive, emotionsfreie Diskussion darüber zu führen.
War jahrelang suizidal, hab auch nicht daran gedacht einen Abschiedsbrief zu schreiben weil ich eigentlich nicht mal wusste was genau mir fehlt und warum, hatte keinen wirklichen Zugang zu mir, war wie eingefroren, betäubt und absolut down, energielos, klar, man möchte nur seinen Frieden, das ist alles.

Im Nachhinein und wenn man beide Positionen bedenkt, dann ist das alles nicht mehr so einfach.
Allein die Schuldfrage ist ziemlich schwierig klärbar.
Wer stark depressiv ist, der sieht die Realität schwärzer als sie ist und es gäbe auch Auswege, wenn die richtige Art von Hilfe rechtzeitig da wäre, was sie eben oft nicht ist.

Auf den Bekannten, der gestorben ist habe ich eine grosse Wut, denn es war seine Entscheidung alle Hilfe in den Wind zu schlagen. Es macht keinen Sinn wütend zu sein, das ist mir klar, aber dieses Gefühl ist nun einmal da. Er hat nicht für sich und sein Leben gekämpft, hat leichtfertig aufgegeben.
Nach ihm die Sintflut. Es war ihm egal wie alle anderen damit leben können.
Für die Toten ist es vorbei. Für die Überlebenden ist viel Qual damit verbunden.

Nochmal, ich glaube jeder hat das Recht selber zu entscheiden ob er gehen will und wann.
Gleichzeitig ist niemand eine Insel. Da sind Ehepartner, Kinder, Eltern, Freunde, Nachbarn, viele Menschen mitbetroffen und man darf nicht sagen dass deren Leid egal ist.

LG

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Beitrag So., 12.10.2014, 09:53

Ich kannte mal eine junge Frau, deren Vater war unheilbar schwer krebskrank und hätte sowieso nicht mehr lang gelebt.
Eines Tages kam sie von der Schule nach Hause und er hatte sich umgebracht.
Von allen Erwachsenen hatte er sich wohl verabschiedet, nur von der achtzehnjährigen Tochter nicht und daran ist sie innerlich zerbrochen.

Und es gibt so viele dieser Fälle.
Teenager bringen sich um weil sie den ersten Liebeskummer nicht verkraften zum Beispiel.
Man hätte helfen können.
Männer bringen sich um nach dem sie arbeitslos sind oder nach schwieriger Scheidung und weil sie kein Recht auf ihre Kinder mehr haben.
Manches sind nur vorübergehende Situation und haben nichts mit echt unlösbaren Problemen zu tun.
Es gibt heute viele verschiedene Medikamente, die zumindest vorübergehend Erleichterung bringen.
Für Depressionen muss man sich heutzutage wenigstens nicht mehr schämen, kann darüber reden, da sie längst zur Volkskrankeit geworden sind.

Sich umzubringen ist also nicht die einzige Lösung, in vielen Fallen hat man seine Optionen noch nicht ausgeschöpft, kann Veränderungen in sein Leben bringen.

Wer sich aber weigert sich mit seinen Problemen auseinanderzusetzen, und das habe ich auch lange, der kann sich später nicht nur als Opfer hinstellen das Mitleid verdient (Mitgefühl ja).

Jeder sollte in der Lage sein für sich und andere Verantwortung zu übernehmen, selbst wenn es situationsbedingt nur wenig ist.

LG

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Beitrag So., 12.10.2014, 10:08

Sagt mal, habt ihr Kinder ?
Und wenn die sich nun einfach abschiedslos aus dem Staub machen, ist das dann okay ?
Wenn es die Menschen tun, mit denen ihr viele Jahre eures Lebens, Höhen und Tiefen miteinander geteilt habt ?
Ein Teil der zwischenmenschlichen Probleme entsteht durch zu enge Wahrnehmungs- und Beurteilungsmuster.
Wer über seinen eigenen Tellerrand öfter mal hinausschauen kann, der weiss auch dass in Notfallsituationen andere für ihn da sind.

Ich hatte suizidale Gedanken als ich schon Kinder hatte und ich weiss dass ich die Verantwortung trage bis sie erwachsen sind. Wenn ich danach nicht mehr leben will, dann ist das meine Entscheidung, aber ich würde wohl versuchen einfach am Ende der Welt verschollen zu sein oder einen Unfall zu inszenieren, damit nicht meinetwegen ihr Leben kaputt geht.

Auch macht mir Sorgen, dass sie vielleicht eine erbliche Vorbelastung für Depressionen habe und dass ich vielleicht nicht in der Lage bin sie rechtzeitig zu unterstützen weil sie möglicherweise nicht rechtzeitig sagen wo der Schuh drückt.
Deshalb gehe ich von mir aus sehr ehrlich und offen mit dem Thema um.
Nix Tabu, nix unter den Teppich kehren.

LG

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Nico
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Beitrag So., 12.10.2014, 10:23

Jessas du steigerst dich ganz schön in dieses Thema rein.
Und du fabrizierst in deinen Postings einen Widerspruch nach dem anderen.
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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Schneerose
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Beitrag Mo., 10.11.2014, 07:33

Ein Abschiedsbrief wird NIE die Wirkung haben, die sich der Hinterbliene erhofft,
da der Tod - egal in welcher Form für uns "Lebende" immer ein offenes Geheimnis bleiben wird, bis zu dem Tage, wo wir selber vor dem Übergang stehen...

durfte diese Tage einen Angehörigen im Sterben begleiten, was ich als große Ehre empfinde.

Ich betrachte es so,
wenn sich Jemand das Leben nimmt, dann hinterlässt er eine "Aufgabe", die jeder für sich selber lösen lernen muss,
ob mit oder ohne Brief.

Gruß Schneerose
"Der Einzige, der sich wirklich vernünftig benimmt ist mein Schneider, er nimmt jedesmal neu Maß, wenn er mich sieht" :->

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