Berufsverbot / Entzug der Approbation

Hier können Sie Fragen zu Begriffen, Diagnosen und sonstigen Fachworten stellen, die einem gelegentlich im Zusammenhang mit Psychologie und Psychotherapie begegnen oder die Bedeutung von Begriffen diskutieren.

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kaja
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Beitrag Do., 22.01.2015, 17:31

Danke Solagne. Genau nach sowas hatte ich gesucht.
Berufsunwürdigkeit passt ja perfekt.
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Solage
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Beitrag Do., 22.01.2015, 17:46

Ich hatte das immer noch im Hinterkopf, wusste die Quelle aber nicht mehr...
Freut mich, dass ich Dir helfen konnte.


pandas
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Beitrag Do., 22.01.2015, 22:50

Es bleibt aber dabei, dass die Berufsunwürdigkeit dem Berufsverbot gleichkommt und die Kammer hierzu ein Gerichtsverfahren einleiten muss. Sie kann institutionell nicht die Befugnis haben, dieses ohne richterliches Urteil zu verhängen - wenn sie dies täte und der Betroffene klagt daraufhin, dass es zu Unrecht verhängt wurde (ob es so ist, muss dann ebenfalls das Gericht feststellen), dann könnte die Kammer ganz schön wegen Schadenersatzes zur Kasse gezogen werden, falls das Gericht feststellt, dass ein Tatbestand nicht ausreichend nachgewiesen werden kann.

Ich würde da schon mehr den aktuellen Aussagen auf der Website der Kammer trauen als einem Buch (welches Erscheinungsjahr?), dass dies mitunter verkürzt darstellt.

In dem Buch "Goldmine und Minenfeld" ist auch nachzulesen, dass es bisher kein einziges Berufsverbot wegen sexuellen Missbrauches gegeben hat. Er hat selbst als Gutachter in einem Gerichtsprozess mitgewirkt, wo eine Analytikerin von ihrem ehemaligen Patienten verklagt wurde und das Gutachten in dem Buch veröffentlicht.

http://www.psychosozial-verlag.de/2221
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Matzero
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Beitrag Do., 22.01.2015, 23:03

kaja hat geschrieben:Das hatte ich zumindest in einem Paper der Landesärztekammer Brandenburg gelesen. Eine Sucht ist ja erstmal auch kein Verbrechen im juristischen Sinn.

Konkret ging es mir jetzt um einen Fall in dem ein Psychotherapeut über Jahre ein Mädchen sexuell Missbraucht hat und dafür zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde (u.a. auch weil er keinerlei Reue zeigte). Ich hätte erwartet das man so jemandem ein Berufsverbot erteilt/ ihm die Approbation entzieht. Dies ist aber trotz Urteil nicht geschehen und ich frage mich ob die Kammer da nicht hätte reagieren müssen.
Er hat ganz sicher spätestens nach dem rechtskräftigen Urteil seinen Beruf nicht ausüben dürfen. Wenn die Haftstrafe verbüßt ist, gehe ich erstmal von einer erfolgreichen Rehabilitation und Resozialisierung aus. Daher würde ich erwarten, dass der Beruf auch wieder ausgeübt werden darf, sicherlich mit Auflagen.

Die Hürden für einen endgültiegen Entzug der Approbation (egal ob als Arzt oder Psychologischer Psychotherapeut) sind hoch - zum Glück. Zunächst soll einem Betroffenen geholfen werden (z.B. bei der zitierten Suchterkrankung durch Hilfen bei einer Entwühnungsmaßnahme und anschließender beruflicher Rehabilitation). Erst wenn dies gescheitert ist, wird ein dauerhafter Entzug der Approbation verhandelt.

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kaja
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Beitrag Do., 22.01.2015, 23:18

Wer im Knast sitzt kann natürlich seinen Beruf nicht ausüben.
Das er, der im Urteil explizit als schulduneinsichtig und ohne Reue beschrieben wird, nach der Haft nochmal Patienten nahe kommen darf ist ein Skandal.
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Solage
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Beitrag Do., 22.01.2015, 23:44

Das Buch ist von Monika Becker-Fischer und Gottfried Fischer. Unter Mitarbeit von Christiane Eichenberg. Neuauflage 2008. Die sind da bei dem Thema echt federführend.
Die kennen sich da schon gut aus.

Hier Urteil aus 2009:

Mit Bescheid vom 19.01.2009 widerrief das Landesgesundheitsamt im Regierungspräsidium Stuttgart die dem Kläger am 04.01.1999 durch das Regierungspräsidium Stuttgart erteilte Approbation als Psychologischer Psychotherapeut (Ziffer 1 der Verfügung) und ordnete an, dass die Approbationsurkunde dem Regierungspräsidium Stuttgart nach Rechtskraft dieses Bescheides in Verwahrung zu geben sei (Ziffer 2). Zur Begründung führte es aus, nach § 3 Abs. 2 PsychThG sei die Approbation zu widerrufen, wenn nachträglich die Voraussetzung nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 wegfalle. Somit dürfe sich ein Psychologischer Psychotherapeut nicht eines Verhaltens schuldig gemacht haben, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufes ergebe. Nach ständiger Rechtsprechung sei ein Arzt - und damit auch ein Psychologischer Psychotherapeut als Angehöriger eines anderen akademischen Heilberufs - unwürdig, der wegen seines Verhaltens in der Vergangenheit nicht mehr das zur Ausübung seines Berufes unabdingbar erforderliche Ansehen und Vertrauen genieße und dadurch seinen Berufsstand schwer belastet habe (vgl. BVerwG, NJW 1999, 3425). .....

http://openjur.de/u/351789.html


pandas
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Beitrag Do., 22.01.2015, 23:56

Solage, ja, aber in ihrem Text wird nicht klar, dass im Zuge des Ermittlungsweges (wenn es um hochgradige Vorwürfe geht) ein Gerichtsverfahren notwendig ist. Ohne der Feststellung des Tatbestandes kann die Kammer nicht empfehlen, Berufsunwürdigkeit zu verhängen.
Da hat der Betroffene ein Anrecht drauf, weil es für ihn um seine berufliche Existenz geht und deswegen muss da die "neutrale" Gerichtsbarkeit einbezogen werden. Insofern, für den genauen Weg finde ich die Website der Kammer selbst aussagekräftiger. Die können das ja nicht ihrem Buch anders bestimmen. Wobei es nicht heisst, das es nicht so ist, der Hinweis auf den Einbezugs des Gerichts fehlt an dieser Stelle schlicht. und bei dem Fall auch, am Ende wird nur durch BVerwG erwähnt, dass das Ganze als Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ausgetragen wurde. Das könnte für die Leser deutlicher herausgestellt werden, zur Klarheit.
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Solage
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Beitrag Fr., 23.01.2015, 00:16

Mir wurde mitgeteilt, dass die Kammern ein berufsgerichtliches/ehrengerichtliches Verfahren einleiten, wenn ethische Verletzungen in Psychotherapie im Raum stehen. Bei sexuellem Missbrauch sind auch die ordentliche Gerichte zuständig.

https://www.uni-marburg.de/fb01/lehrstu ... keiten.pdf

Berufsgericht

https://www.ptk-nrw.de/de/mitglieder/pu ... ammer.html

Sonstige Anlässe für Verfahren
Ein berufsaufsichtsrechtliches Verfahren gegen einen Psychotherapeuten muss aber nicht immer auf die Beschwerde eines Patienten zurückzuführen sein. Beispielsweise informieren die Staatsanwaltschaften die Kammer über Straftaten von Kammerangehörigen. Die Kammer muss dann aufgrund ihrer Kenntnis des strafrechtlichen Verfahrens ebenfalls berufsrechtlich tätig werden. Auch ist es möglich, dass unbeteiligte Dritte die Kammer darauf hinweisen, dass ein Kammermitglied sich in der Öffentlichkeit – beispielsweise in einem TV-Bericht – nicht berufsrechtskonform verhalten hat. Auch in diesen Fällen muss die Kammer tätig werden
Die erstinstanzlichen Verfahren erfolgen bei zwei Berufsgerichten, die bei den Verwaltungsgerichten in Köln und Münster angesiedelt sind. In diesen gerichtlichen Verfahren kann auf Warnung, Verweis, Entziehung des passiven Berufswahlrechtes, Geldbuße bis zu 50.000 Euro oder Feststellung der Unwürdigkeit zur Ausübung des Berufs erkannt werden. Das Berufsgericht verhandelt und entscheidet mit einem Berufsrichter als Vorsitzendem und zwei Psychotherapeuten als Beisitzern.

Die Psychotherapeutenkammer NRW ist in diesen Verfahren als Antragstellerin beteiligt. Auch die zuständige Approbationsbehörde wird über das Verfahren unterrichtet. Ende Januar 2012 gab es sechs laufende berufsgerichtliche Verfahren gegen Psychotherapeuten in NRW, die auf Anträgen der Kammer beruhen.

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