Frühen Missbrauch(?) besser einordnen können

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.

mio
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Beitrag Mi., 02.01.2019, 20:06

Schlendrian hat geschrieben: Mi., 02.01.2019, 19:55 EMRD ist halt bei einer traumatischen Erfahrung zum Beispiel indiziert. Das weist Uschi auf mit ihrem Beispiel.
Hätte ich theoretisch auch aufgewiesen damals Schlendrian (also meiner Meinung nach), es war halt nur auch recht deutlich, dass es nicht nur DAS sein kann. Wir kamen im Verlauf der Therapie mal an einen Punkt, wo sie dann von sich aus meinte, dass wir es da mit EMDR versuchen könnten, zu dem Zeitpunkt wusste ich aber irgendwie bereits selbst, dass das nicht mehr der Punkt ist wo ich es brauche. Vorher war für sie EMDR nur in einem klinischen Zusammenhang denkbar bei mir.

Also es ist nicht so dass man einfach so zu einem Therapeuten gehen kann und sagen: So, einmal EMDR bitte... So einfach funktioniert das nicht, wäre auch grob fahrlässig meiner Meinung nach.

Diese eine Situation würde sich meiner Meinung nach auch gut damit bearbeiten lassen so sie so "klar definiert" wäre. Ich bezweifle nur, dass es wirklich so klar definiert ist und dass momentan die ausreichende Stabilität dafür vorliegt. Aber ich bin da kein Fachmann, mir ging es mehr darum, dass sie nicht automatisch annehmen sollte das jemand das dann auch mit ihr macht nur weil sie das möchte und derjenige entsprechend ausgebildet ist.

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spirit-cologne
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Beitrag Mi., 02.01.2019, 20:30

Ich finde hier werden mal wieder - passiert übrigens fast immer beim Thema sexueller Missbrauch - ganz verschiedene Dinge wild durcheinandergeworfen und aneinander vorbei geschrieben. Ich finde es sinnvoll das zu trennen:
1. Der Vorfall und seine Einordnung, 2. die Frage nach der richtigen Diagnose, 3. die Reaktion der Umwelt und 4. die Frage der passenden therapeutischen Interventionen.

So lange man das in einen Topf wirft, halte ich es für unmöglich, sich konstruktiv darüber auszutauschen.

Ich würde das wie folgt sehen:
zu 1: Der Vorfall ist auf jeden Fall ernst zu nehmen und dürfte in einem kleinen Mädchen zwangsläufig große Verunsicherung und auch Schamgefühle auslösen. Wenn man von einem Trauma spricht, sollte man sich aber darüber einig sein, was man darunter versteht. In der "offiziellen" Definition muss bei einem Trauma eine umittelbare Bedrohung von Leib und Leben (bei sich selbst oder anderen anwesenden Personen) vorliegen. Demnach wäre dieser Vorfall also nicht als Trauma zu bezeichnen, was aber im Umkehrschluss nicht heißt, dass es sich nicht um ein verstörendes, prägendes Erlebnis gehandelt hat. Das ist Irrtum Nummer 1: Nicht nur Traumata können sich destruktiv auf die Psyche auswirken, auch andere Erlebnisse, aber was ein Trauma ist, dazu gibt es nun mal Definitionen und darunter fällt dieses Erlebnis nun mal nicht.

zu 2: Ähnliches gilt für die Diagnose PTBS, auch hier gibt es konkrete Kriterien bzgl. der Symptome und des zeitlichen Zusammenhangs zwischen Ereignis und Symptomen, die hier ganz offensichtlich nicht vorliegen, was aber nicht bedeutet, dass das Ereignis keine Bedeutung für die Symptomatik hat oder deshalb weniger schlimm ist. Die meisten Depressiven oder Angstpatienten haben auch stark prägende negative Erfahrungen gemacht, die für die Entstehung der Krankheit zumindest mitbedingend waren. Ich habe manchmal das Gefühl, bei manchen Menschen besteht unbewusst so eine Vorstellung, nur wenn man eine PTBS habe, habe man auch einen "Grund", warum es einem schlecht gehe, so als wäre man bei einer PTBS quasi "unverschuldet" krank, während man z.B. an einer Depression eine Art "Mitverantwortung" trägt. Das ist natürlich totaler Quatsch, weder ist man an einer Depression oder Persönlichkeitsstörung "Schuld", noch ist eine PTBS unabhängig von der eigenen Persönlichkeit, schließlich bekommen ja 70 % aller Menschen nach einem durchlebten Trauma keine PTBS, das hat also auch was mit der eigenen Persönlichkeit und Vulnerabilität zu tun. Ich denke daher, wenn man sich nach Jahren, wo es einen wenig beschäftigt hat, auf einmal verstärkt mit einem Ereignis aus der eigenen Vergangenheit beschäftigt, hat es oft damit zu tun, dass man nach diesem "Grund" für die eigene Erkrankung sucht und damit nach einer Art "Absolution", dass man selbst nicht Schuld ist. Wenn das der Fall ist, finde ich es elementar wichtig, mal das eigene Krankheitsverständnis auf den Prüfstand zu stellen, denn wenn man sich bewusst macht, dass niemand sich seine Krankheit "aussucht", dann kann man vielleicht auch auf die Suche nach einem "Grund" im außen verzichten und damit vermeiden, negativen Erlebnissen mehr Bedeutung zu verleihen, als sie eigentlich bisher in der Lebensgeschichte gehabt haben.

zu 3: Erschwert wird diese Korrektur des eigenen Krankheitsverständnisses allerdings dadurch, dass man im außen oft genau mit so einem Krankheitsverständnis konfrontiert wird, also in eine Art "Rechtfertigungszwang" gerät, warum es einem denn bitte schön immer noch nicht besser geht... Da ist so ein "Grund" im außen natürlich hilfreich für die Argumentation, weshalb man dann auch nicht gerne darauf verzichten mag. Andererseits ist da aber auch die Tendenz der Umwelt, Erlebnisse, die sexuell missbräuchlich sind - und umso mehr, je mehr sie auch noch inzestuösen Charakter haben - zu bagatellisieren nach dem Motto: "Es kann nicht sein, was nicht sein darf." Da finde ich es vollkommen legitim, dass man da gesehen werden will, als jemand, dem etwas angetan wurde und das gerne gewürdigt wissen möchte - auch wenn es sich nicht um ein Trauma nach der klassischen Definition handelt, denn es hat einen u.U. über lange Jahre geprägt und beeinträchtigt.
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spirit-cologne
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Beitrag Mi., 02.01.2019, 20:31

zu 4: Und da sehe ich auch die Therapeuten in einer besonderen Verantwortung, sie sind ein Stück weit auch Zeugen dessen, was einem passiert ist und sollten die ersten sein, die das ausreichend würdigen. Ehe diese Erlebnisse nicht ausreichend gewürdigt wurden, kann man sie nicht loslassen. Trotzdem finde ich es auch wichtig, dass sie darauf achten, dass die Patienten einem solchen Vorfall auch nicht zu viel Raum geben, in extremer Ausprägung gibt es nämlich dann Patienten, die sie nahezu vollständig nur noch über dieses Opfer-sein definieren, was eine extrem ungünstige Auswirkung auf die Psyche haben kann, weil so viele starke, kompetente Seiten vollständig in den Hintergrund rücken. Wir alle haben mehr oder weniger negative Erlebnisse, die uns prägen, viele auch missbräuchlicher und manche auch sexuell missbräuchlicher Art erlebt. Sie prägen uns u.U. ein Leben lang - sollten also keinesfalls unterschätzt werden - aber sie machen uns als Menschen nicht vollständig aus, sie sind nur ein Teil unserer Lebensgeschichte und unserer Persönlichkeit - neben vielen anderen.
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lisbeth
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Beitrag Mi., 02.01.2019, 20:42

Hallo Uschi,

ich kann dein Suchen nach Antworten irgendwie verstehen... Ich hatte mich früher, als ich so um die 20 herum war, immer wieder gefragt, ob es in meiner Vergangenheit schwere traumatische Erlebnisse gibt, die ich verdrängt habe. Weil meine Gefühlslagen und die Ausnahmezustände, die ich erlebte, da einfach zu gut darauf passten. Und es für mich sonst keine nachvollziehbare Erklärung dafür gab. Weil in meiner Kindheit alles halbwegs ok war (meinte ich damals jedenfalls). Ich wollte einfach eine 'plausible' Erklärung haben für die nicht erklärbaren Gefühle, die mich immer wieder aus den Socken gehauen haben. Und weil soetwas dann die "naheliegendste" Erklärung gewesen wäre.

Allerdings ist es auch so, dass es wahrscheinlich nie Klarheit für dich geben wird. Und diese Fragerei "war da was?" - "war da noch mehr?" - "habe ich /habe ich nicht?" - wird deshalb irgendwann selbstquälerisch und hilft nicht weiter.

Geht es nicht eher darum, dein Erleben und deine Gefühle ernst zu nehmen, egal was da in deiner Vergangenheit war oder nicht war? Und egal, was Diagnose-Kriterien oder Fachleute dazu sagen? Das ist dein Erleben und deine Bewertung, was für dich schlimm war und was nicht. Und meine Erfahrung ist: in dem Maße, wie du dir das selbst zugestehen kannst - ich fand das schlimm, Punkt. - (ohne dich auf äußere Bewertungskriterien zu beziehen) passiert Veränderung und Heilung.

Warum ist es wichtig, was ein "Fachmann" dazu sagt? Auch Fachleute widersprechen sich gerne mal. Und sie haben auch nicht die Antwort auf die Frage, ob da noch mehr passiert ist...

Und manchmal ist es gar nicht die "Größe" des Ereignisses, sondern die Häufigkeit und ständige Wiederholung. Also kein riesengroßes T, das über allem schwebt, sondern viele kleine ts, die für sich alleine vielleicht "harmlos" wirken, aber in ihrer Summe auch Probleme machen können. zB bei emotionaler Vernachlässigung. Was ich sagen will: Anstatt dich an dem einen großen T festzuklammern und darin die "Lösung" deiner Probleme zu suchen, versuche lieber das ganze Bild zu betrachten. Und im Gesamtkontext DEINES Bildes wird es über kurz oder lang auch mehr Klarheit geben, was den Übergriff durch deinen Vater betrifft. Vielleicht nicht Klarheit in dem Sinne, dass du weißt, wie häufig oder nicht. Aber Klarheit in dem Sinne, wie das für dich einzordnen ist. Und darum geht es vor allem.
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott

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mio
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Beitrag Mi., 02.01.2019, 21:04

spirit-cologne hat geschrieben: Mi., 02.01.2019, 20:30 auch hier gibt es konkrete Kriterien bzgl. der Symptome und des zeitlichen Zusammenhangs zwischen Ereignis und Symptomen, die hier ganz offensichtlich nicht vorliegen
Sooo konkret ist der zeitliche Zusammenhang nicht unbedingt festlegbar. Das kann auch erst viele Jahre später ausbrechen, vor allem wenn es um Kindheitstraumata geht. Weil gerade kleine Kinder eben dann in erster Linie anfangen zu "spalten". Ich halte das was beschrieben wird zwar auch nicht für eine "reine" PTBS Symtomatik, aber eine PTBS kann auch zeitlich erst wesentlich später nochmal zu Tage treten, wenn "direkt im Anschluss" eben keine adäquate Hilfe da war.

Gerade plötzlich auftauchende unerklärliche Ängste haben oft einen solchen Ursprung. Da kann jemand sein Leben lang kein "sichtbares" Problem gehabt haben diesbezüglich und durch irgendeinen Auslöser wird die "Spaltung" aufgehoben und plötzlich geht das Ganze los. Wobei sich das meist dann nicht sooo klar darstellt meiner Meinung nach. Aber die Belastungsreaktion kann schon zeitlich auch sehr versetzt auftreten ohne dass da vorher ein wirklich deutlich sichtbares/wahrnehmbares Problem vorgelegen haben muss.

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Scars
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Beitrag Mi., 02.01.2019, 21:31

Hallo Wirbel-Uschi, ich habe zwar jetzt nur die Eingangsposts gelesen, aber lisbeth hat meine Gedanken dazu auch schon gut auf den Punkt gebracht. Ich glaube mittlerweile, dass ein Gesamtfamilienklima, in denen solche Grenzüberschreitungen überhaupt möglich sind, langfristig schädigender ist, als das (einmalige) Ereignis an sich. Auch wenn das dann leider nicht so konkret und greifbar ist. LG scars
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Pianolullaby
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Beitrag Mi., 02.01.2019, 22:20

Schlendrian hat geschrieben: Mi., 02.01.2019, 19:55 EMRD ist halt bei einer traumatischen Erfahrung zum Beispiel indiziert. Das weist Uschi auf mit ihrem Beispiel.
jein, eben nicht bei jeder
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Wirbel-Uschi
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Beitrag Mi., 02.01.2019, 22:56

Ich habe jetzt gerade nicht so viel Zeit.
Ich möchte nur eins klarstellen.
Es ist NICHT, dass ich auf der Suche nach einem großen „T“ bin, das alles erklärt. Oder auf der Suche nach einer (dieser einen) Diagnose. Puh, wirklich nicht. Aus Diagnosen mache ich mir eh nicht viel, da hat meine jetzige Therapeutin mich schon ganz gut „bekehrt“.
Nein, mir ist schon durch meine inzwischen 60 std Analyse einiges in Bezug auf meine Vergangenheit klar geworden. Auch Faktoren, die mir zuvor so gar nicht klar waren und die etwas brauchten, bis ich sie „sah“ und von der Therapeutin annehmen konnte. Verstehen konnte.
Ich habe eigentlich das Gefühl, dass ich das hier gut erklärt habe, was genau mit mir los ist in Bezug auf dieses Erlebnis. Was ich für mich klären will.
Trotz dessen scheint es missverstanden worden zu sein. Darüber bin ich jetzt etwas müde.
Wenn ich morgen wieder mehr Kraft habe, gehe ich noch einmal auf einiges hier ein.

@RoboCat: danke. Ich hätt dich beim Schreiben umarmen können. Danke!
Lass immer ein wenig Platz im Herzen für das Unvorstellbare


mio
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Beitrag Mi., 02.01.2019, 23:25

Wirbel-Uschi hat geschrieben: Mi., 02.01.2019, 22:56 Aus Diagnosen mache ich mir eh nicht viel, da hat meine jetzige Therapeutin mich schon ganz gut „bekehrt“.
???

So ganz bekehrt scheinst Du mir da noch nicht zu sein... ;-)
Wirbel-Uschi hat geschrieben: Di., 01.01.2019, 20:14 (ielleuyr ja ganz hilfreich wenn man eine ptbs Diagnose bekäme?!)
Und dieses "Verneinen" von was was vorher selbst so gesagt wurde ist jetzt nicht gerade ein Zeichen für eine "simple" PTBS und auch nicht für eine komplexe. Da fehlt dann schon das "Reflexionsvermögen" in Bezug auf die eigene Person.

Widersprüche können in beiden Fällen da sein meiner Meinung nach, aber sie zu leugnen ist schon eher ein Hinweis auf "was anderes".

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Thread-EröffnerIn
Wirbel-Uschi
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Beitrag Mi., 02.01.2019, 23:50

Ja was ihr hier immer so für Hinweise findet und an Deutungen stellt. Hobby Therapeuten?!
Könnte es vielleicht sein, dass...?
Hier sehe ich das...
Weil du... deshalb ist es so...
So kommt es mir grad vor und das macht mich noch müder.

Sorry, mio, das ist jetzt nicht persönlich gegen dich, ich habe auch schon viel hilfreiches und gutes von dir gelesen aber deine letzte Antwort die gefällt mir wirklich nicht.
Nur weil ich im Eingangspost schrieb, dass es VIELLEICHT hilfreich wäre, eine ptbs Diagnose zu bekommen, heißt das doch nicht, dass ich diese Diagnose unbedingt haben möchte?! Wie kommst du darauf? Ich hab doch dann auch erläutert, warum. Indizierte Therapien/Vorgehensweisen. Nicht weil ich ne Diagnose für mich selbst brauche.
Doch, ich bin da gut bekehrt. Ich denke, das kann ich schon besser beurteilen, als du über ein paar Sätze übers Internet.
Du kennst mich doch gar nicht!
Und interpretierst da was in zwei aussagen rein, die deiner Meinung nach zwangsläufig ein Widerspruch sind und weißt deshalb, ich hab „was anderes“.
Rein aus Neugier: was denn?

Also ich lass es. Das führt zu nix. Hier muss man ja echt aufpsssen, was man schreibt, wieviel hier von Internet Usern in die eigene Person gedeutet und interpretiert wird...
das haben einige getan. Sehe ich auch in anderen Threads „kann es vielleicht sein, dass du...“
Bitte, lasst eure Hobby Deutungen - oder seid ihr alle anonyme therapeuten?
Ehrlich, ich finde das dezent übergriffig.
*peace*
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mio
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Beitrag Do., 03.01.2019, 00:13

Wirbel-Uschi hat geschrieben: Mi., 02.01.2019, 23:50 Wie kommst du darauf?
Ganz einfach, Du hast es DICH/uns gefragt. Dh. für mich zwangsläufig dass es nicht so wahnsinnig weit her sein kann mit Deiner "angeblichen Unabhängigkeit" von Diagnosen. Da ist nix interpretiert oder reingelegt. Das hast Du selbst so gesagt/fragt.

Wenn es Dir wirklich egal wäre - wie Du ja später behauptet hast - dann würdest Du das so nicht fragen. Da liegt ein klarer Widerspruch vor, den DU erzeugst. Vielleicht fällt das Dir selbst nicht auf - was für mich ein Zeichen dafür ist, dass Du ihn abwehrst, denn nachlesbar ist es ja... - aber das spricht dann eben gegen eine reine posttraumatische Störung und eher für eine "Entwicklungsstörung".

Und ganz ehrlich, Du hilft Dir damit im Zweifel nicht wenn Du diesen Widerspruch wegschiebst. Sorry.

Ich glaube Du hast weit mehr Probleme mit "Dir selbst" als Du Dir eingestehen magst.

Bei einer PTBS oder auch einer komplexen PTBS hast Du nämlich weniger ein Problem mit Dir selbst als mit der "Symtomatik", dh. Widersprüche könne wenn sie vorliegen auch zugegeben und gesehen werden. Du hingegen reagierst sehr stark darauf, dass da ein Widerspruch gesehen wird der ziemlich offensichtlich ist.

Das ist so, als ob ich zitternd vor Dir stehen würde und schreien: Ich habe keine Angst! Fändest Du das glaubwürdig?


ziegenkind
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Beitrag Do., 03.01.2019, 09:18

muss man keinen gegensatz konstruieren zwischen ptbs und entwicklungsstörung, denn natürlich produziert traumatisierung in der kindheit auch entwicklungsstörungen.

und auch dies: die lust, anderen ihre widersprüchlichkeit vor augen zu führen, scheint mir auch ein sympthom und damit ein indiz für eine störung zu sein. und ewig salbadert der hobby-analytiker ....
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.


Jenny Doe
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Beitrag Do., 03.01.2019, 10:47

Hallo Wirbel-Uschi
Ich wurde als Kind einmal von meinem Vater untenrum befummelt (vorn wie hinten).
(...)
Ich wollte wissen, ob dies vielleicht ein traumatisches Erlebnis in meinem Leben war.
(...)
Ich weiß nicht, was danach war. Bin ich dann da neben ihm wieder in aller Ruhe eingeschlafen? Bin ich am nächsten morgen wach geworden und konnte mich daran erinnern? Oder hatte ich es vielleicht direkt in der Nacht verdrängt?
Wenn ich mich erinnerte: wie ging es mir dann damit als Kind mit diesem Wissen über dieses Erlebnis? War es dann vielleicht doch traumatisch? Hab ich entsprechend reagiert drauf als Kind?
Die Fragen die du dir stellst, sind Fragen aus der Erwachsenenperspektive, Fragen einer 33 Jahrigen, die heute Wissen darüber, was man darf und was nicht, was Missbrauch ist und was nicht, was ein Trauma ist und was nicht, ...
Wenn du damals 4 Jahre alt gewesen sein solltest, dann wirst du das Ereignis damals nicht so verstanden haben und eingeordnet haben wie heute. Erst heute bist du mittels Kognitionen und Wissen aus der Erwachsenenperspektive in der Lage das Ereignis als "falsch" versus "richtig" zu interpretieren. Vielleicht hast du als Kind auch gar nicht reagiert, weil du die situation damals nicht verstehen konntest und nicht wusstest, dass das falsch war. Wenn du 4 Jahre alt gewesen sein solltest, dann werden dich deine Eltern mit Sicherheit noch gewaschen haben und dich dabei auch im Intimbereich berührt haben. Im Alter von 4 Jahren wirst du noch nicht die Fähigkeit gehabt haben zu unterscheiden "Das eine war normal, da wurde ich gewaschen, deshlab wurde ich berührt, das andere war sexueller Missbrauch". Vielleicht wirst du dich nie daran erinnern, wie Du dich als 4 Jährige gefühlt hast. Wenn du 8 Jahre gewesen solltest, dann dürfte ein Grundverständnis vorhanden gewesen sein auch wenn nur in Form des Gefühls "das ist aber komisch was da passiert".
Das kann in der Konsequenz auch bedeuten, dass Du erst heute zu leiden beginnst. Denn ob etwas als Trauma erlebt wird oder nicht hat auch damit zu tun, wie man ein Ereignis bewertet. Als 4 Jährige wirst du wahrscheinlich nicht gesagt haben "ich bin traumatsiert, was Papa da gemacht hat ist Missbrauch". Erst heute bist du zur Bewertung der Situation in der Lage und deshalb können auch erst heute, wo Du das Ereignis als "Ich bin missbraucht worden!" verstehst, entsprechende Emotionen entstehen.

Das muss nicht unbedingt was mit Verdrängung zu tun haben. Wenn man "Befummeln" noch gar nicht als "traumatisch", "sexueller Missbrauch" usw. verstehen kann, gibt es auch keinen Grund das zu verdrängen. Es kann auch sein, dass die Emotionen erst heute entstehen, weil du heute das Ereignis als "übergriffig", "falsch" usw. bewerten kannst.

Ob ein Ereignis traumatisch war oder nicht kann man nicht daran festmachen, ob jemand eine PTBS entwickelt oder nicht. Es gibt auch andere Reaktionen auf traumatische Ereignisse. PTBS ist nur eine mögliche Reaktion. Andere mögliche Reaktionen sind Resilienz, Dissoziation, Abwehrmechanismen usw. Nicht jeder der traumatisiert wurde entwickelt eine PTBS.
Dementsprechend kann man auch nicht von einem zeitlichen Zusammenhang zwischen Ereignis und Symptomentwicklung ausgehen. Die Entstehung einer PTBS hängt auch von eigenen Kognitionen, Bewertung der Situation usw. ab.
Wir müssen das Leben loslassen, das wir geplant haben, damit wie das Leben leben können, das uns erwartet (Joseph Campbell). Manche Leute glauben, Durchhalten macht uns stark. Doch manchmal stärkt uns gerade das Loslassen (Hermann Hesse).

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candle.
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Beitrag Do., 03.01.2019, 11:54

ziegenkind hat geschrieben: Do., 03.01.2019, 09:18 scheint mir auch ein sympthom und damit ein indiz für eine störung zu sein.
Deswegen sind wir doch alle hier?! Und das würde ich auch immer mit einbeziehen bei allem was man liest.

candle
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ziegenkind
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Beitrag Do., 03.01.2019, 11:59

candle, mir ging es mehr um die unterminierung der angedeuten unterscheidung, derzufolge die einen eine symptomatik und die anderen eine entwicklungsstörung haben.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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