Warum überhaupt Beziehung?

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Pitt
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Beitrag Mi., 22.04.2009, 09:28

Uff,
nun ist ja etliches an Antworten "aufgelaufen" und ich werde antworten.

@Gothika
Zu Deinen, - wie immer -, hochinteressanten Ausführungen fällt mir adhoc gar nichts ein. Was ist überhaupt Beziehung? Was ist überhaupt Bindung?
Irgendwie scheint mir eine Beziehung eine win-win-Situation auf Zeit zu sein.
Leichter wirtschaften, leichter arbeitsteilen, unkomplizierte Befriedigung beiderseitiger erotischer Bedürfnisse. Sobald es da eine Dysbalance gibt, wird die Beziehung "gelöst". Fertig.
Mir fällt allerdings auf, dass in meinem Ausgangsposting das Wort "Liebe" nicht vorkommt...

@Laura
Liebe sei der Sinn des Lebens, eine interessante Hypothese.
Ich würde eher "Fortpflanzung" als den Sinn des Lebens sehen.
Und ggf. ein "Arbeiten" an der "Verbesserung" der Welt.

@Clara
Ich glaube nicht, dass man "im Alter füreinander da ist, weil mal viel miteinander erlebt und gemeistert hat". Jedenfalls ist meine jahrzehntelange Gattin nicht mehr für mich da...
Soll nun alles falsch gewesen sein?
Soll sich nach 25 Jahren herausgestellt haben, dass es doch die Falsche war?
So einfach möchte ich es mir nicht machen.

@Selene
Du hast die Begriffe Nutzen und Kalkül eingeführt.
Wer ist denn der Kalkulierende? Doch wohl derjenige, der die Beziehung auflöst. Welchen Sinn hat die Auflösung einer Beziehung?
Warum trennen sich Paare????

@Sandy P.
Eine Prostituierte hat für mich keinerlei Reiz, denn sie bietet nur Illusion gegen Geld. Natürlich liebkost sie, - wenn sie professionell ist -, liebevoll Sexualorgane. Aber ich möchte ein guter Liebhaber sein, ist möchte Lust verschaffen. Mir macht das Freude, Lust zu bereiten. Ich empfinde mich im Rahmen des Sexulität als gebend. Ich möchte nicht befriedigt werden, ich möchte befriedigen. Ich möchte das Objekt der Begierde sein.
Ich möchte um meiner selbst Willen begehrt werden, - und nicht wegen meines Geldes...

@Lingaroni
Interessantes Statement.
Für Dich ist eine erotische Beziehung also eine Beziehung.
Und was ist dann für Dich der von Frauen oft genannte "Bindungswunsch"?
Was fehlt diesen vielen Frauen, die immer an männlicher Nichtbindungsbereitschaft verzweifeln?

@Angela
Auch bei Dir kommt dieses Wort "Bindung" gehäuft vor.
Weswegen soll ich mich binden, wenn "Bindung" gelöst werden kann?.
Wozu "Verträge", wenn Verträge gebrochen werden können?
Weswegen Treue, wenn Treue nicht vergolten wird?
Ich habe die Erfahrung des Vertragsbruch gemacht.
Ich ich denke, dass mein "Verlassenwerden" ganz massiv meine "Beziehungsfähigkeit" zerüttet hat.
Wozu Vertrauen?
Auf was?
Ist doch alles Nonsens...

Happy posting
Pitt

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Angela
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Beitrag Mi., 22.04.2009, 10:04

Hallo Pitt,

ja, du hast sicherlich durch die Trennung mit deiner Ehefrau keine guten Erfahrungen gemacht.
Es ist deine Entscheidung, wie weit du dir dein Leben noch weiterhin durch diese Erfahrung diktieren lassen möchtest.
Wenn du dich tatsächlich schon damit abgefunden hast, dass Beziehungen nur Schmerzen und Enttäuschungen bereiten, dann ist deine Haltung berechtigt. Aber so ganz glücklich zu sein scheinst du ja selbst nicht damit.

Gruß
Angela

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lingaroni
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Beitrag Mi., 22.04.2009, 10:10

@Pitt
stimmt, für manche ist die erotische beziehung DIE beziehung.
wenn in einer ehemals erotischen beziehung die sexuelle komponente verschwindet, dann verwandeln manche diese beziehung in eine freundschaft und suchen sich eine neue erotische beziehung (oder sie suchen nicht und verzichten auf eine erotische beziehung, weil sie zum suchen zu faul sind)
gründe für den bindungswunsch ergeben sich bei manchen aus gründen wie:
- manche teilen nicht gerne
- manche wollen die totale liebe, dies impliziert, dass der partner gar keine augen mehr für andere hat
- manche denken, wenn es frauen gibt, die ausschließlich geliebt werden, dann bin ich es auch wert ausschließlich geliebt zu werden
usw
LG

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w_s_
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Beitrag Mi., 22.04.2009, 12:49

Ich sehe Beziehungen unverändert aus 3 Komponenten bestehend - und für mich gehört das zusammen. Ich halte es für unbefriedingend, wenn eine Komponente fehlt oder wegbricht:

- die emotionale Komponente: da sitzt das Gefühl von Nähe, von Vertrautheit, von Sympathie, auch von Liebe, gemeinsames Erleben von emotional berührenden Elementen.
- die intellektuele Komponente: es soll ja auch einen Austausch über die Welt geben, wie wir Dinge sehen, wie wir sie verstehen. Ich will ja mit meiner Partnerin mich auch unterhalten können.
- die erotisch-sexuelle Komponente: ich will ja auch guten Sex haben, ich will ja gemeinsam unsere Lust ausleben können. Sexualität ist für mich nicht die Beziehung, sondern ein wesentlicher Bestandteil einer guten Beziehung.

Egal wo die Schwerpunkte sitzen, aber ich glaube dass alle 3 Element für eine Beziehung wesentlich sind. Ich gehe weiters davon aus, dass diese 3 Element von uns deshalb immer gesucht werden, weil wir soziale Wesen sind. Weil wir uns nach Austausch sehnen. Weil wir uns auch über das Universum im Anderen reflektieren und spiegeln wollen. Auch wenn wir unser ICH in einer Beziehung beibehalten, wollen wir doch ein gewisses WIR erleben und auskosten.

Die Frage, warum überhaupt Beziehung? Na um das zu ermöglichen. Und natürlich gebe ich Laura recht, wenn sie die Liebe sehr zentral sieht - und damit einen Schwerpunkt auf das emotionale Eck legt. Und Pitt hat recht, es geht auch um Arterhaltung und Vermehrung. Aber das empfinden wir offenbar alleine als zu fad - also hat sich die Natur noch andere Dinge einfallen lassen....

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Selene
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Beitrag Mi., 22.04.2009, 15:05

@ Pitt: Du hast gefragt, warum trennen sich Paare? Ich würde nicht sagen, weil einer keinen Nutzen mehr aus der Beziehung zieht. Er hat Bilanz gezogen und unterm Strich stand ein Minus und dann trennt er sich?! Klar, man spricht von TrennungGRUND, aber warum trennen sich die einen, wenn einer fremdgegangen ist und die anderen nicht? Es ist doch mehr so, dass man sich trennt, wenn man FÜHLT: Das hat keinen Sinn mehr. Ich finde, das ist etwas anderes als ein kalkulierbarer Grund. Man ist diesem Sinnverlust sozusagen ausgeliefert. Man verliebt sich und liebt ohne dass man das bewusst einleiten oder stoppen könnte und man verliert den Sinn der Beziehung ebenfalls ohne das das ganz meinem freiem Willen unterworfen wäre.

Sehr aufschlussreich fand ich folgendes:
Pitt hat geschrieben:Eine Prostituierte hat für mich keinerlei Reiz, denn sie bietet nur Illusion gegen Geld. Natürlich liebkost sie, - wenn sie professionell ist -, liebevoll Sexualorgane. Aber ich möchte ein guter Liebhaber sein, ist möchte Lust verschaffen. Mir macht das Freude, Lust zu bereiten. Ich empfinde mich im Rahmen des Sexulität als gebend. Ich möchte nicht befriedigt werden, ich möchte befriedigen. Ich möchte das Objekt der Begierde sein.
Ich möchte um meiner selbst Willen begehrt werden, - und nicht wegen meines Geldes...
Das ist der Wunsch nach Liebe, die sich hinter Sex versteckt. Ob man Lust bereiten will oder Liebe, ob man begehrt werden will oder geliebt, wo ist da bei Dir der Unterschied, vor allem wenn Du sagst: ich will UM MEINER SELBST WILLEN begehrt werden. Ginge es nur um Sex, hättest Du schreiben müssen: Ich will nicht des Geldes wegen, sondern um meiner Männlichkeit willen begehrt werden, aber Du schreibst "um meiner selbst willen" - und ich glaube das ist kein Versehen.
Vielleicht ist Fortpflanzung der objektive Sinn des Lebens, Liebe ist der subjektive. Vielleicht ist guten Sex zu haben für Deinen Verstand der einzige Grund einer Beziehung, ganzheitlich gehts aber doch ums Gefühl, finde ich.

VG Selene
Es gibt kein Übermaß an Liebe,
kein Übermaß an Wissen,
und kein Übermaß an Schönheit
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Clara11
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Beitrag Mi., 22.04.2009, 18:21

Hallo Pitt,

also läßt Du verbittert zu, dass eine Frau die Dich verlassen hat, Dir den Glauben an eine erfüllende Beziehung nimmt und versuchst Dich auf eine rein sexuelle Beziehung zu reduzieren? Ich weiß nicht, ob ich so offen sein darf und ob das angemessen ist, aber Du hälst Dich da auch in der Opferrolle gefangen. Glaubst Du wirklich, dass es in einer rein sexuellen Beziehung wirklich Zärtlichkeit gibt, den das ist ja mehr als Vorspiel? Und was machst Du, wenn Du eine Frau findest die das mitmacht, weil sie vielleicht verheiratet ist und dann verliebst Du Dich?

LG Clara
Das Leben ist wie Salzwasser, je mehr man davon trinkt, je durstiger wird man.
Dagestanisches Sprichwort

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Pitt
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Beitrag Do., 23.04.2009, 08:34

w_s_ hat geschrieben:Ich sehe Beziehungen unverändert aus 3 Komponenten bestehend - und für mich gehört das zusammen. Ich halte es für unbefriedingend, wenn eine Komponente fehlt oder wegbricht:
- die emotionale Komponente: da sitzt das Gefühl von Nähe, von Vertrautheit, von Sympathie, auch von Liebe, gemeinsames Erleben von emotional berührenden Elementen.
- die intellektuele Komponente: es soll ja auch einen Austausch über die Welt geben, wie wir Dinge sehen, wie wir sie verstehen. Ich will ja mit meiner Partnerin mich auch unterhalten können.
- die erotisch-sexuelle Komponente: ich will ja auch guten Sex haben, ich will ja gemeinsam unsere Lust ausleben können. Sexualität ist für mich nicht die Beziehung, sondern ein wesentlicher Bestandteil einer guten Beziehung.
Wenn ich mir Deine Antwort so durch den Kopf gehen lasse, merke ich, dass mir da eine vierte Komponente fehlt.
Und zwar die, die eine Beziehung zu einer Partnerschaft macht.
Die gegenseitige Unterstützung, das Widmen von Zeit, Arbeit, Geld, usw.
Vielleicht war meine Ausgangsfrage insofern falsch gestellt.
Vielleicht ist meine Frage: Muss man für eine Beziehung, bei der die drei obigen Komponenten "erfüllt" sind, eine Partnerschaft eingehen?
Sind beispielsweise Beziehungen, bei denen man nicht zusammen wohnt, nicht gemeinsam wirtschaftet, nicht im Alltag kooperiert, eigentlich "richtige", vollwertige Beziehungen?
Ich bin davon überzeugt, dass man im Rahmen der Familiengründung, sprich Kindererziehung, eine vollwertige Partnerschaft "braucht".
Aber inwiefern braucht man dieses "Füreinander einstehen" nach der "Familienphase"?
Ist es diese vierte Komponente, die immer als "Bindung" bezeichnet wird?
Und um die es bei der "Bindungsangstdiskussion" geht?
fragt sich
Pitt

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Pitt
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Beitrag Do., 23.04.2009, 08:53

Selene hat geschrieben:@ Pitt: Du hast gefragt, warum trennen sich Paare? Ich würde nicht sagen, weil einer keinen Nutzen mehr aus der Beziehung zieht. Er hat Bilanz gezogen und unterm Strich stand ein Minus und dann trennt er sich?! Klar, man spricht von TrennungGRUND, aber warum trennen sich die einen, wenn einer fremdgegangen ist und die anderen nicht? Es ist doch mehr so, dass man sich trennt, wenn man FÜHLT: Das hat keinen Sinn mehr. Ich finde, das ist etwas anderes als ein kalkulierbarer Grund. Man ist diesem Sinnverlust sozusagen ausgeliefert. Man verliebt sich und liebt ohne dass man das bewusst einleiten oder stoppen könnte und man verliert den Sinn der Beziehung ebenfalls ohne das das ganz meinem freiem Willen unterworfen wäre.
Hi Selene,
Du hast eine "Schlüsselfrage" von mir, die mich immer noch bewegt, und der ich schon einen ganzen Thread widmen wollte, wunderbar aus der Vielfalt meiner Gedanken herausgefischt.
Ich bin überzeugt davon, dass bei der Frage "Trennung oder nicht" immer - auch - ein Kalkül vorhanden ist. Ich gehe schon davon aus, dass alle Menschen auch bei der "Trennungsfrage" unterbewusst Benefit, Risiko und Verlust "abwägen". Auch in der Beziehungfrage ein Mensch ein "homo oeconomicus" http://de.wikipedia.org/wiki/Homo_oeconomicus ist.
Auch da eben "Geben und Bekommen", - und dessen Balance -, eine Rolle spielen. Und da eben auch Wertschätzung und "Liebe" mit auf die Balkenwaage kommen.
Lg
Pitt

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Nurse_with_wound
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Beitrag Do., 23.04.2009, 09:36

ich verstehe das nicht wie man so leben könnte. Also alles andere klingt plausibel. Aber Intimität , jemanden an sich so nah heranzulassen ist sehr persönlich.
Wie soll man sich das vorstellen? Ich will sex, gehe zu meinem Partner verbringe eine Nacht gehe dann nach hause, zur Arbeit und das Leben geht weiter "Tschö wenn ich wieder mit dir ins Bett will rufe ich dich an" ?
Ist das nicht wirklich etwas unterkühlt?
Und überhaupt, du brauchtest deine Ex Partnerin als Versorgerin , Bügel und Kochhilfe?
(Kurz ot: Ein Beispiel dafür dass auch in einer Frage eine vermeintliche Wertung stecken kann. Aber:
Ich weiss dass ich dir solche Fragen stellen kann weil du zu dir und anderen sehr ehrlich bist)
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Selene
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Beitrag Do., 23.04.2009, 10:15

Hi Pitt
Pitt hat geschrieben:Ich gehe schon davon aus, dass alle Menschen auch bei der "Trennungsfrage" unterbewusst Benefit, Risiko und Verlust "abwägen". Auch in der Beziehungfrage ein Mensch ein "homo oeconomicus" http://de.wikipedia.org/wiki/Homo_oeconomicus ist.
Oh nein, da bin ich ganz und gar anderer Meinung! Der Mensch ist nicht AUCH in Beziehungsfragen ein homo oeconomicus, er ist es NIE, noch nicht einmal in Wirtschaftsfragen. Das wissen die Wirtschaftswissenschaftler auch. Es ist nur ein Modell, das (wie es eben Aufgabe eines Modells ist), bestimmte Aspekte vereinfacht, weglässt, um ganz bestimmte Verhaltensweisen in wirtschaftlichen Zusammenhängen mehr schlecht als recht zu erklären. Selbst in diesem weitgehend tatsächlich auf Rationalität basierenden System der Wirtschaft beschreibt das Modell nicht die Wirklichkeit. Selbst wenn es im Geldbeutel wehtut, verhält sich der Mensch nicht rational. Und ganz bestimmt ist der homo oeconomicus kein geeignetes Modell für die Paarpsychologie.
Wenn man natürlich mit der "der-Mensch-ist-ein-Nutzenmaximierer"-Brille auf Beziehungen und Trennungen guckt, wird man einzelne Aspekte finden, die diese Auffassung bestätigen. Aber mehr auch nicht. Und was soll das auch bringen? Willst Du die Weltformel mit der man berechnen kann, was richtig, falsch, gut und schlecht ist? Wenn Du eine Symphonie auf ein Wellendiagramm reduzierst, das die Frequenzen zeigt, dann hast Du zwar die Musik völlig objektiv, berechenbar und korrekt dargestellt, aber das, was der Hörer empfindet kann damit nicht erklärt, ja noch nicht einmal erfasst werden. Und so ist es mit Beziehungen auch, klar kann man da analytische Unterscheidungen von Motiven, Gründen usw. einführen, aber es bleibt blutleer.

Viele Grüße
Selene
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Beitrag Do., 23.04.2009, 12:23

Selene, ein wundervolles Plädoyer für die Unvernunft der Gefühle.

Es ist nicht ironisch gemeint, bringt mich aber auch wenig (liebevoll) zum Schmunzeln. Du scheinst also auch so ein "anachronistischer" oder "nicht zeitgemäßer" Mensch zu sein. Meines Erachtens sympathisch. Aber eben... nicht zeitgemäß, passt nicht in unsere Gesellschaft.

Gefühle kann man nicht messen. Ja,meisten nicht mal ansatzweise einheitlich beschrieben oder darüber für jeden objektiv verständlich kommunzieren. Und da unsere Welt, in der wir hier leben, nun mal anders tickt, ist das nun mal ein Problem. Die "Irrationalität" von Gefühlen (also die nicht Berechenbarkeit und Meßbarkeit) wird nur in Ausnahmenfällen geduldet, welche wiederum keine wirkliche Logik erkennen lassen, sondern eher willkür ist.

Verlieben ist zum Beispiel "geduldet", jener temporärer, hormonellbedingter Kontrollverlust. Aber zum Partner halten, trotz Schwierigkeiten? Uuh... pass ja auf, nicht gleich als co-abhängig eingeliefert zu werden. Ist ja irrational aus Liebe bei jemanden zu bleiben, wenn's mal nicht gut läuft. *Ironie*

Im Ernst, es gehört schon viel Mut dazu, diesen diffusen, nicht wirklich greifbaren Empfindungen im Leben ihren Platz einzuräumen, und das mit einem Selbstbewusstsein, wie ihn dein Beitrag vermuten lässt. Nur leider eckt man genau dadurch nur allzu oft an und nicht selten wird man dadurch zum Außenseiter. So ist das Leben nun mal dieser Tage.

Zum Leistungsdenken und der Nutzenmaximierung: Es ist wirklich schön und sehe ich genauso, wenn man gerade in der Liebe darauf verzichten möchte. Nur leider ist dies kein alltaugliches Ideal. Das Leben hier und jetzt stellt nun mal seine Grenzen und Ansprüche auf, und auch diese müssen betrachtet werden. Die größte Liebe nützt nichts, wenn es an allen anderen Dingen ohne Unterlaß mangelt. Was ist dann blutleer? Was nützt die Liebe in Gedanken, wenn sie nicht lebbar ist?

Auch dies ist frei von Ironie. Ich gehöre ja selbst zu der Fraktion, die viele Jahre lang glaubte, die Welt sei in Ordnung, wenn man nur liebe. Wenn man nur wirklich liebe, sich gegenseitig liebe, könne man gemeinsam jede Hürde meistern. Und ja, vermutlich glaubte ich auch mal, man könne von Luft und Liebe alleine leben.Hundermal lieber wäre ich mit GEMEINSAM mit meinem Ex unter einer Brücke gelandet, hauptsache bei ihm, statt ohne ihn zu sein.
Nun ja, was soll ich sagen? Ich hab sehr schmerzhaft die Grenzen dieses Ideals erkennen müssen.

Das Leben ist und bleibt eine Multiplikationsrechnung: Wenn ein Faktor gering ist, kann man es ausgleichen. Wenn aber ein Faktor NULL ist oder gar in den MINUS-Bereich geht, dann wird das Gesamtergebnis null oder negativ.
So hat man an der Liebe beispielsweise keine Freude mehr, wenn ein Partner vor Langzeitarbeitslosigkeit schwer depressiv ist...Was bringt es? Am Ende muss man doch wieder Kosten und Nutzen abwägen.

Übrigens hat auch in der Psychologie längst das Kosten/Nutzen-Denken Einzug gehalten. Dabei denke ich an alle jene Beziehungsmodelle mit Stichworten wie Beziehungskonten etc. Man hat festgestellt, ja, da gibt es wohl so etwas wie eine Beziehungsglücksformel, dass man 5 mal so viel positives einzahlen muss um negatives abzugelten. Pie mal daumen.

Ganz ehrlich: Wenn eine Liebe mehr Kummer und Schaden bringt als Freude, dann ist die natürliche Tendenz zu gehen, vorhanden. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Man muss schon ein wenig mit Vernunft lieben. Sich für jemanden kaputt zu machen und aufzuopfern, weil man per se jedes "Nutzdenken" ablehnt, führt zu nichts.

Oder noch viel besser formuliert: Man muss die weltlichen und rationalen Bedürfnisse mit den emotionalen Bedürfnissen abwägen. Ja, muss man. Beide Seiten erfordern ihren Tribut, und sind leider alles andere als selten sehr widersprüchlich.

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Selene
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Beitrag Do., 23.04.2009, 13:46

Hallo Gothika,

ja ich gebe schon zu, dass meine Darstellung etwas einseitig war und viele Deiner Einwände sind ganz treffend.
Und ich gebe vor allem zu, dass Liebe und Beziehung nicht dasselbe sind, sondern dass man in letzterer auch etwas zu essen braucht. Vor allem richtig ist, dass es Trennungen trotz Liebe gibt und ich würde immer jemandem raten, der an einem anderen Menschen zu Grunde zu gehen droht, sich zu trennen. Aber ich bin doch auch sehr der Meinung, dass man nicht nur schmerzvermeidend durchs Leben gehen sollte. Wenn eine Beziehung zerbricht, waren die Jahre, die Gefühle, alles was man hineingesteckt hat aus der Nutzensicht eine Fehlinvestition, höchstens, dass man vielleicht etwas gelernt hat, aber aus der Sicht des Lebens war es doch tiefes Glück und tiefes Leid und selbst wenn das Leid überwiegt, man hat geliebt - würde man darauf verzichten wollen?
Die größte Liebe nützt nichts, wenn es an allen anderen Dingen ohne Unterlaß mangelt. Was ist dann blutleer? Was nützt die Liebe in Gedanken, wenn sie nicht lebbar ist?
Ja, sie NUTZT nichts. Viel schilmmer noch, sie macht mich kreuzunglücklich. Aber ist sie deshalb sinnlos? Sollte man sie deshalb besser gar nicht fühlen? Ich meine, woraus besteht das Leben denn? Das ist doch kein Hürdenlauf, bei dem der gewonnen hat, der am schnellsten und ohne eine Hürde zu reißen beim Lebensende ankommt. Gerade im Leben gilt doch, der Weg ist das Ziel, sonst könnte man sich ja gleich umbringen. Für mich muss da schon Gefühl dabei sein und ein Gefühl, das immer nur schön ist, ist zwangsläufig nicht tief. Es ist nicht schlimm, (auch mal) traurig zu sein, schlimm ist, gar nichts mehr zu fühlen. Und ich sehe auch kein Problem darin, etwas zu "verschwenden", egal ob Gefühle, Zeit oder sogar Geld. Zur Verschwendung wird es doch erst durch das ewige Berechnen. Aber man kann auch einfach mal geben. Vielleicht ist diese Sichtweise wirklich anachronistisch, wo alles durchökonomisiert wird, auch der Partnermarkt, es soziales Kapital gibt und Beziehungskonten, wie Du schreibst. Aber ich glaube doch, dass viele Menschen, die so optimiert durchs Leben wandeln, früher oder später doch mit ihren emotionalen und Lebensdefiziten konfrontiert und in eine Krise geraten, oder sich außerhalb der Beziehung verlieben oder was auch immer. Denn alle sehen sich doch danach "intensiv" zu leben. Nur wenn ich mich eben selbst bis zum gehtnichtmehr diszipliniere und nur meiner vorher durchkalkulierten optimalen Strategie folge, wie soll das dann gehen?
Also, ich bleibe dabei, man muss vielleicht Zugeständnisse an die Vernunft und an die profanen, weltlichen Dinge machen, aber das "Eigentliche" ist doch - ich habe meine Signatur nicht umsonst gewählt - die Liebe, die Schönheit und mit offenen Augen durch die Welt zu gehen

Viele Grüße
Selene
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Nurse_with_wound
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Beitrag Do., 23.04.2009, 16:09

Liebe zw den Ehepartnern , Heiraten aus Liebe ist aber eine Erfindung der Neuzeit. Bereits in vorchristlichen Zeit wurden die Toechtern zwangsverheiratet, mit Maennern die Geld ins Haus bringen. Es gab nur Wirtschaftsehen fast jeder aus gutem Hause ging fremd.
Doch die Dichtung spricht eigene Sprache, es gibt so viele Folk lieder (faellt mir ein schwedisches Folk Lied ein, das von ungluecklichen Liebe und zwangsheirat handelt, weiss nicht wie alt der Text ist) die von Liebe handeln, ob sie neuzeit beeinflusst sind weiss ich nicht.
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Beitrag Do., 23.04.2009, 20:08

Hallo Selene,
Aber ich bin doch auch sehr der Meinung, dass man nicht nur schmerzvermeidend durchs Leben gehen sollte.
Dem kann ich mich nur anschließen. Allerdings unterscheide ich zwischen sinnvollen und sinnlosem Leid.
... aber aus der Sicht des Lebens war es doch tiefes Glück und tiefes Leid und selbst wenn das Leid überwiegt, man hat geliebt - würde man darauf verzichten wollen?
Wenn man es NIE erlebt hat, wird man immer das Gefühl haben, es würde einem fehlen, und man ersehnt sich das, wessen sich anderer überdrüssig sind. Aber wenn man die Liebe wirklich gelebt hat, in dieser Tiefe, und das vielleicht sogar über Jahre...? Dann würde ich ganz persönlich sagen: Einmal reicht!

Ob ich verzichten würde wollen? Ich sag mal so: Alles, was es mir gegeben und mich gelehrt hat, hätte auch nach der Hälfte der Zeit abgegolten werden können. Die anderen lange Elendsjahre hätte ich mir schenken können, war wie im Fernsehen: Immer nur Wiederholung, immer auf der Stelle treten.
Kurz vor Ende erlebte ich eine extrem tiefe Phase des Glücks, dann ein krasser Schnitt. Diese letzte Hochphase macht mir mehr zu schaffen als alles andere, ohne sie wäre das Verarbeiten leichter. Kurz gesagt: Ja, auf diese letzte, sehr tiefe Glück hätte ich liebendgerne verzichtet! Es war vollkommen sinnfrei.
Sollte man sie deshalb besser gar nicht fühlen? Ich meine, woraus besteht das Leben denn?
Oh, man sollte viel fühlen und vor allem intensiv. Von allem etwas. Aber es am besten von niemanden anderen außer sich selbst abhängig machen. Man darf auch lieben so viel man will, solange man nicht in diese irdische Abhängigkeit (= Beziehung) gerät und keine Gegenliebe erwartet oder sich darüber identifiziert.
Aber man kann auch einfach mal geben.
Allgemein scheint mir, dass du hier auf das rechte Gleichgewicht anspielen möchtest. Wenn ja, kann ich mich dem nur anschließen. Der Mensch lebt eben nicht nur von Luft und Liebe allein, aber eben auch. Diejenigen, welche recht einseitig NUR die Liebe und emotionale Seite hervorheben gelten in der Verkehrsauffassung als "naiv". Möglicherweise zu Recht. Man muss eben, wie du selbst ebenfalls sagtest, beiden Seiten gerecht werden. Und genau hier habe ich ein Verständnisproblem: Denn um beiden Seiten gerecht zu werden, bedarf es nun mal per se einem Abwägen. Immer wieder neu, in jeder Situation. Und was ist Abwägen anderes als Berechnung?
Nur wenn ich mich eben selbst bis zum gehtnichtmehr diszipliniere und nur meiner vorher durchkalkulierten optimalen Strategie folge, wie soll das dann gehen?
Wer nur nach dem Verstand geht, ja, demjenigen prophezeie auch ich eine notwendige Krise. Zumindest meist. Allerdings verfolge auch ich eine Strategie, nämlich (s.o.) beiden Seiten gerecht zu werden. Das würde ich für eine optimale stabile Strategie bezeichnen. Bleibt aber ebenfalls eine Strategie und somit eine Kalkulation und Berechnung. "Ich will beiden Seiten gerecht werden, weil sonst irgendwann ein Zusammenbruch garantiert erscheint". Das enthält doch eine Kosten/Nutzen-Berechnung in sich per se!
Man erwägt ab, dass man den Preis ("Kosten") für eine einseitige Verschiebung zugunsten entweder NUR Emotion oder NUR Kalkül nicht zahlen müsste, und macht sich - so wie du geschildert hast - bewusst, welchen Nutzen man dafür erhält.

GLG,
Gothika

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Beitrag Fr., 24.04.2009, 22:13

Ich habe gerade so gegruebelt, heute kam ein Film auf Arte ueber Scheidungen.
Pitt was willst du eigentlich mit dem Thread erreichen? Ob es Gesellschaftskonform ist, du willst von Frauen nicht negativ beurteilt werden?
Also meinen Segen hast du, wenn deine Sexpartnerin damit einverstanden ist.
Ich denke in deinem Alter sind die Menschen meist sehr gefestigt, Kinder sind gross, leben seit Jahren in einer Wohnung, stehen mit beiden Beinen im Leben, ich denke dass es viele Frauen mitte ende Vierzig gibt, die ihr Leben auch so geniessen, und auch keine Lust haetten ihr leben wegen eines Partners aufzugeben zusammen zu ziehen und einen auf ewig machen.
Das was du schreibst hoert sich so materialistisch so kuehl an, wo bleibt eigentlich die Romantik ? Wuerde mich wirklich stark interessieren.
Ich meine es gibt ja so viel anders das man teilt, nicht nur Versorgung und Sex.
Jetzt lassen wir mal Liebe weg, aber was zaehlt ist doch die ganze Persoenlichkeit, der Mensch, die kleinen Macken, die kleinen Intimitaeten, das Wohlbefinden in der Naehe des Partners.
Fuer mich war der Index dafuer, ganz einfach dass ich im Beisein besonders Umarmung meines Partners einschlafen und gut schlafen konnte, das konnte ich naemlich noch nie in der Naehe eines Mannes. Ich fuehlte Umarmungen bei jedem Mann als erstickend und unangenehm.
Vielleicht hast du noch keine getroffen, die solche Gefuehle in dir ausloest, und vergessen wie es damals war als du deine Exfrau kennenlerntest und davor.
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