Hat jemand Gott gefunden?

Fragen und Gedanken rund um Spiritualität und Religionen, alternative Behandlungsmethoden, den üppigen Garten sonstiger "Therapie"-Formen, Esoterik ... und ihre Berührungspunkte mit Psychotherapie bzw. psychologischen Problemen.
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MinaM
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Beitrag Fr., 06.02.2009, 09:22

Hallo Eve,
ich zitiere einmal Lütz:
"An Gott glauben oder Nietzsche zu folgen, das scheint die wirkliche Alternative zu sein. Wenn man aber Nietzsche folgt, dann muss man auch bereit sein, den bitteren Kelch des Atheismus bis zur Neige zu trinken. Dann hat man keine Argumente gegen die kraftvoll skrupellose Macht eines Hitler, Stalin oder Mao Tse Tung, die Millionen von Menschen der eigenen irdischen übermenschenartigen Göttlichkeit opferten."

Der bittere Klech des Atheismus? Lütz stellt es dar als wäre Atheismus eine Quelle des Bösen (grad das er nicht vom Teufel spricht)
Gerade die Kirche hat Hitler fleißig unterstütz.
Und gerade die Kirche (und die Religion) haben ein Haufen Menschen auf dem Gewissen. Ist das Lütz entgangen? Ich finde seine Argumente sind alles andere als überzeugend.

lg
MinaM

Eve das du es nicht missverstehst, ich kritisiere Lütz nicht Dich
Nichts bereuen ist aller Weisheit Anfang.
- Ludwig Börne

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Beitrag Fr., 06.02.2009, 11:13

Ausgehend von:
"An Gott glauben oder Nietzsche zu folgen, das scheint die wirkliche Alternative zu sein."
meine ich, es gibt auch die Möglichkeit der "Indifferenz", des gewissermaßen in der Schwebe Lassens, der Unentschiedenheit. So jedenfalls würde ich meine Haltung beschreiben. Kennt jemand das auch?

Grüße
Anastasius

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Larfa60
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Beitrag Fr., 06.02.2009, 11:28

Klasse MinaM!
Anastasius hat geschrieben:meine ich, es gibt auch die Möglichkeit der "Indifferenz", des gewissermaßen in der Schwebe Lassens, der Unentschiedenheit. So jedenfalls würde ich meine Haltung beschreiben. Kennt jemand das auch?
Ich mache mir darum keine Gedanken! Ich lebe hier und jetzt. Ob es einen Gott gibt oder nicht, macht für mich keinen Unterschied wie ich mein Leben gestalte. Deswegen ist es mir - mehr oder weniger - egal.
Ich glaube schon an etwas höheres. Aber nicht daran, dass jmd. darüber entscheidet, wer in die Hölle oder den Himmel kommt, nur weil man nicht an dessen Existenz glaubt.
Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei und würd er in Ketten geboren. - Schiller

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lamedia
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Beitrag Fr., 06.02.2009, 13:04

Für mich sind die religiösen Begriffe Metaphern für Erfahrungen: Hölle und Himmel sind also keine Dinge jenseits dieser Welt, sondern Zustände, die in "diesem Leben" Bedeutung haben. Auch Gott und der "heilige Geist" sind für mich Metaphern für Erfahrungen in genau diesem Leben.
Worauf ich verzichten würde, ist diesen Begriffen ein "Ding" zuzuordnen. Ich würde mich schnell dabei ertappen, solche Vorstellung von religiösen "Dingen" oder auch "überirdischen Personen" als eine Projektion von Wünschen, Erwartungen und als ein Füllen des horror vacui zu benutzen, also als eine Phantasievorstellung mit psychohygienischem Effekt.
Leider kann ich mit dieser Überzeugung dann nicht mehr klassisch glauben. Aber religiöse Erfahrungen habe ich trotzdem.

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Eve...
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Beitrag Fr., 06.02.2009, 13:05

von Mina: Der bittere Klech des Atheismus? Lütz stellt es dar als wäre Atheismus eine Quelle des Bösen (grad das er nicht vom Teufel spricht)
Gerade die Kirche hat Hitler fleißig unterstütz.
Und gerade die Kirche (und die Religion) haben ein Haufen Menschen auf dem Gewissen. Ist das Lütz entgangen? Ich finde seine Argumente sind alles andere als überzeugend.
Ich denke, Lütz meint mit dem bitteren Kelch des Atheismus, dass viele Menschen ohne Glauben bewusst oder unbewusst nicht glücklich sind damit, dass Ihnen etwas Wichtiges, ja Elementares fehlt in ihrem Leben (bei mir war es so!). DANN IST der Kelch bitter, nämlich der, nicht glauben zu KÖNNEN!

Zu dem Argument der Verbrechen der Kirche (gähn!) hab ich schon einige Male in diesem Thread geschrieben. Ich wiederhole es gern nochmal: Die "Kirche" besteht aus Menschen. Menschen haben grundsätzlich eine böse Seite in sich, und wenn sie einer Kirche angehören und in ihrem Fall einem verzerrten Glauben anhängen, TUN sie Böses! Die Konsequenzen nimmt Ihnen kein Gott ab, die tragen sie selbst. Böses gebiert Böses.

So, und DAS wird nun von den nicht gläubigen Menschen Gott vorgeworfen?! Sorry, aber es scheint mir leicht schizophren, mit diesem Argument auf die Logik des Nicht-glauben-Könnens zu verweisen. "Die Kirche ist nicht gut, deshalb kann Gott nicht gut sein". Bitte? Welch ein seltsamer Rückschluss.

Gruß, Eve

P.S. Mir ist aber schon klar, dass ein Atheist das Lütz-Buch mit anderen Augen liest, als ein glaubender Mensch. Es ist in gewisser Weise "Hardcore" und sicher nicht als überzeugender Einstieg in den Glauben gedacht, höchstens als Einladung, manches wenigstens in Gedanken zu relativieren.

Ich möchte auch nochmal darauf hinweisen, dass ich selbst mich hier nicht berufen fühle, überzeugende Argumente für den Glauben aufzulisten; so verblendet bin ich nicht, dass ich mir das zutrauen würde. Das haben schon weisere Geister nicht geschafft.

Der Glaube oder die Vorstufe dazu ist für mich eine offene Haltung, in der ich als Geschenk empfange, was Gott mir zugedacht hat, und von dem er erhofft und erwartet, dass ich es so annehmen kann. Wie könnte ich das anderen aufs Auge drücken?

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MinaM
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Beitrag Fr., 06.02.2009, 13:32

Hallo Eve,
Zu dem Argument der Verbrechen der Kirche (gähn!)
Ich gebe dir recht, es ist weder fair noch richtig - dem Atheismus für das Böse in der Welt verantwortlich zu machen - und ebenso wenig, wie es Dawkins macht, der Religion diesen Schwarzen Peter zu zuschieben.
Tatsächlich sind es immer Menschen, die bestimmt Ideologien für ihre Machtzwecke zu missbrauchen.

@Anastasius
meine ich, es gibt auch die Möglichkeit der "Indifferenz", des gewissermaßen in der Schwebe Lassens, der Unentschiedenheit. So jedenfalls würde ich meine Haltung beschreiben. Kennt jemand das auch?
Wenn du mit "Indifferenz" Agnostizismus meinst kenne ich das tatsächlich auch.
Ohnehin denke ich mal, dass es kaum reine Atheisten gibt oder nur sehr wenige, die meisten sind wohl eher Agnostiker. Ich glaube auch nicht dass es den reinen „Gläubigen“ allzu häufig gibt, der absoluter überzeugt ist von Gottes Existenz , auch diese sind vielmehr Agnostiker mit einer Tendenz hin zu Gott, denn ich vermute, dass auch die „Gläubigen“ hin und wieder Zweifel befällt.
Wir sind letztendlich vielleicht alle Agnostiker.

lg
MinaM
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Gärtnerin
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Beitrag Fr., 06.02.2009, 20:04

mediasres hat geschrieben: Worauf ich verzichten würde, ist diesen Begriffen ein "Ding" zuzuordnen. (...)
Leider kann ich mit dieser Überzeugung dann nicht mehr klassisch glauben. Aber religiöse Erfahrungen habe ich trotzdem.
Danke mediasres. Du beschreibst genau meine Einstellung. Für mich ist die Frage nach Gott keine Frage nach einer Lehre, sondern eine Frage des persönlichen Erfahrens. Dieses Erfahren funktioniert aber umso besser, je weniger (menschengemachte, projizierende) Vorstellungen man von "Gott" hat und je mehr man sich ganz offen auf das Unbekannte einlässt.

Ich persönlich verwende den Ausdruck "Gott" gar nicht mehr gerne, weil sich damit gleich wieder bestimmte Assoziationen verbinden. ||| hat daher ganz richtig gemerkt, dass ich die Begriffe Gott, Geist, Seele (und manch andere mehr) teilweise synonym verwende.
Wer etwas will, findet Wege. Wer etwas nicht will, findet Gründe.

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Aditi
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Beitrag Fr., 06.02.2009, 20:42

Gärtnerin hat geschrieben: Ich persönlich verwende den Ausdruck "Gott" gar nicht mehr gerne, weil sich damit gleich wieder bestimmte Assoziationen verbinden.
ich schließe mich dem an. und auch da, bei der verwendung von bezeichnungen, ist ein (entwicklungs-)prozeß bei mir feststellbar. nachdem mir der (männliche) "gott" fremd geworden war, verwendete ich längere zeit den begriff der "göttin". z.b. formulierte ich: "göttin sei dank!" inzwischen hat sich diese praxis bei mir auch überholt. jetzt sage/denke/fühle ich "spirit" oder "universum". für mich ist das universeller, weiter, grenzenloser, stimmiger.

mlg
aditi

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Entwurf
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Beitrag Fr., 06.02.2009, 21:56

Gärtnerin hat geschrieben:Ich persönlich verwende den Ausdruck "Gott" gar nicht mehr gerne, weil sich damit gleich wieder bestimmte Assoziationen verbinden.
kann mich auch da anschliessen. ich verbinde mit diesem wort auch zu sehr die kolportierte vorstellung eines bärtigen alten mannes, ausserdem assoziiere ich damit sofort dieses ganze theologiegebäude und - natürlich die mir sehr sympathischen theologen. ich weiss nicht, mir wird immer ganz komisch im magen, wenn ich an theologen denken muss...

hinzu kommt, dass ich dann doch lieber in abstrakteren, nichtpersonalen termini denke. hab eine abneigung gegen anthropozentrismus.
Aditi hat geschrieben:z.b. formulierte ich: "göttin sei dank!"
das wäre dann die feministische sicht?

ernsthaft: letztes jahr hörte ich, dass man an einer bibel schreibt, in der diese ganzen männlich-patriarchalische formulierungen und bezeichnungen durch neutrale wie z.b. "gottheit" ersetzt.

gruesse
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Nurse_with_wound
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Beitrag Sa., 07.02.2009, 13:26

Danke für die Buchempfehlungen !
Entwurf, vermutlich können wir es noch gar nicht begreifen.
Ich habe mittlerweile keine Probleme mit dem Wort Gott, doch früher war das ein Problem für mich, das gottesbegriff das ich in der kindheit mitbekommen habe. Kann mich erinnern im Religionsbuch für Kinder waren Darstellungen von Gott als einen bärtigen Mann in den Wolken . Ich habe das schon seit meiner infrage gestellt, bzw versucht mich von dem herkömmlichen Gottesbegriff Distanz zu gewinnen.
Glaube Hermann Hesse hat den begriff "Gott" schön beschrieben , weiss nicht mehr wo genau,"Narziss und Goldmund" oder "Sidhartha" . Ich kann damit leben. Im unseren Sprachraum nennt man auch die fremden Götter auch "Gott" Zeus oder Wotan sind auch Götter.

@Eve, hast du ein schlechtes Gefühl wenn du Dinge hinterfragst? Zb ob Maria Magdalena eine Jüngerin war etc.. Ich finde es nicht richtig , dass diese Religion von menschen verlangt blind zu folgen, ohne zu hinterfragen. Wir sind schon so geschaffen dass wir Dinge hinterfragen, und im Informationszeitalter ist blindes Folgen denkbar die unbeliebteste Einstellung.
Practice what you preach

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Eve...
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Beitrag Sa., 07.02.2009, 15:27

@Eve, hast du ein schlechtes Gefühl wenn du Dinge hinterfragst? Zb ob Maria Magdalena eine Jüngerin war etc.. Ich finde es nicht richtig , dass diese Religion von menschen verlangt blind zu folgen, ohne zu hinterfragen. Wir sind schon so geschaffen dass wir Dinge hinterfragen, und im Informationszeitalter ist blindes Folgen denkbar die unbeliebteste Einstellung.
Schlechtes Gefühl, Antonia? Ich meine eher, es ist nicht relevant, da es nach rund 2000 Jahren auch keine definitiv richtige Antwort darauf mehr geben mag.

Z. B. hatte die Jungfräulichkeit zwei Bedeutungen, die eine ist die bekannte, die geschlechtliche "Unversehrtheit", und die andere war die Bedeutung "Junge Frau", die auch bis lange in unsere Zeit hinein galt ("Jungfer").
Welche will uns nun die Bibel nahelegen für die Jungfrau Maria? Dass es uns heute so selbstverständlich ist, die erste Bedeutung hineinzulegen, heißt noch nicht, dass es auch so war, oder?

Ob Maria Magdalena eine Jüngerin war und / oder eine ehemalige Prostituierte oder was auch immer - wer will das heute zuverlässig sagen? Es gibt so viele Auslegungen wie es Bibelleser gibt, glaube ich manchmal.

Und da kommt mein eigener Glaube ins Spiel: Ich glaube das, was mein Empfinden dazu ist. Ich brauche weder Beweise - würde den Glauben ohnehin ad absurdum führen - noch geschichtlich belegbare Daten.

Trotz- und alledem brauche ich meinen Verstand nicht an der Kirchentür zu lassen. Ich bin durchaus ein kritischer Geist, wenn es ums Wortwörtlichnehmen der Bibel geht. Für mich ist die Erde nicht in 5 Tagen nach unserer Rechnung erschaffen worden, sondern in "5 Gottestagen", die bekanntlich einem anderen Zeitmaß entsprechen und auch Zeitalter darstellen können.

Ein Thema ohne Ende ...

Gruß, Eve

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nicknamenina
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Beitrag Sa., 07.02.2009, 15:38

Hi littlebuddha,

ich bin zur Zeit in einer psychiatrischen Klinik wegen Zwangsgedanken und Angststörungen. Ich habe am Donnerstag angefangen, die Bibel zu lesen, weil meine Bettnachbarin meinte, dass es einem von ihren Bekannten auch geholfen hat und er jetzt keine Depressionen mehr hat.

Wer ausreichend glaubt, sollte sich die Bibel mal zu Gemüte führen. Schaden kann das ja nicht .

Irgendwo habe ich auch mal gelesen, dass gläubige Menschen länger leben
Lg, Nina

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lamedia
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Beitrag Sa., 07.02.2009, 18:03

Hallo Gärtnerin! Meine skeptische Einstellung finde ich manchmal ein bißchen schade. Ich würde zum Beispiel gern manchmal in die Kirche zum Gottesdienst gehen und achtsam und andachtsvoll mit anderen Menschen beisammen sein. Doch es scheitert z.B. schon am Glaubensbekenntnis: Wenn ich es mitspräche, käme ich mir vor, als würde ich sinngemäß sagen: "Ich glaube an Schneewittchen und die sieben Zwerge". Ich hätte immer das Gefühl, mir diese Metaphern übersetzen zu müssen und würde sehr viel Energie verwenden müssen, um die Gottesdienstrituale für mich annehmbar zu machen. Natürlich ist auch etwas Bedeutsames an Schneewittchen und den sieben Zwergen. Aber das fällt in meinen Augen eher in die Psychologie. Märchen und Gottes-Erzählungen sind für mich mythologische Veranschaulichungen - ebenfalls von Erfahrungen, und ich kann deshalb nun wirklich keinen Einzigartigkeitsanspruch und keine Ausschließlichkeit irgendeiner Religion unterstützen, ---was für ein weites Thema...

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Beitrag Sa., 07.02.2009, 23:58

Aditi hat geschrieben:es kommt halt auch immer auf die fragestellung an. auf die frage: "welchen sinn hat das leben?" konnte ich für mich auch noch keine zufriedenstellende antwort finden. so habe ich die frage umformuliert: "welchen sinn gebe ich meinem leben?"
ja, das ist sicher richtig. nur: warum benötigen einige eine gottheit? ist ihre angst vor einem leben, dass sie gezwungen sind, durch sinngebung selbst zu gestalten, so groß? also dass sie ohne einen sinngeber (= schöpfer) nicht auskommen? ist das so schwierig? ist es "mündigkeit", wenn man ein höheres, personales wesen nicht zum leben benötigt?
Aditi hat geschrieben:für das leben selbst, denke ich, besteht der sinn im "werden" und "vergehen", "kommen" und "gehen", "leben" und "sterben", diesem ewigen kreislauf. leben ist dynamisch. alles ist in bewegung, alles ist in berührung, alles ist in ständiger veränderung begriffen. - auch wahrheiten.
ja, lebensinn ist wohl vollzug des lebens in allen dem individuum gegebenen möglichkeiten. und erweiterung dieser jetzt vorhandenen möglichkeiten bis an die dem individuum gegebenen grenzen. entfaltung bis zum äußerst möglichen.
Aditi hat geschrieben:hat dieses ganze leiden, dieses sterben rund um uns, einen sinn? denn wenn nicht, dann hätte es letzlich auch gar keinen sinn, das lager zu überleben. denn ein leben, dessen sinn damit steht oder fällt, dass man mit ihm davonkommt oder nicht, ein leben also, dessen sinn von gnaden eines solchen zufalls abhängt, solch ein leben wäre nicht eigentlich wert, überhaupt gelebt zu werden."
viktor frankls gedanken sind allzu verständlich für jemanden, der eine der bittersten menschenerfahrungen hat machen müssen: das konzentrationslager. ich will einem solchen menschen nicht zu nahe treten, aber ich fürchte, dass es genauso ist: das leben ist abhängig von diesem zufall. und das ist sehr zynisch. zynisch gegen all die ermordeten und die, die leiden bis heute. aber dennoch: ich fürchte, es ist wahr. eine geradezu objektive wahrheit.
Aditi hat geschrieben:wir haben eine gesellschaft aufgebaut, die perfekt die wahrnehmung vermeidet, dass wir auf einem planeten des todes leben; dass es jede sekunde um den tod geht; dass einer vom tode des anderen lebt. alle ziele des lebens können uns keine sicherheit geben, denn angesichts der tatsache, dass der tod das zentrale der irdischen existenz ist, ist jedes lebensziel von sekundärer bedeutung.
ja, das ist so. der tod ist die einzige sicherheit, die wir haben - und doch nicht ganz, da wir den zeitpunkt unseres todes nicht kennen. dieser aussicht wegen fürchten wir uns alle. aber ist es so schlimm, einen endgültigen tod zu sterben, einen tod der keine aussicht auf ein jenseits bietet? ist dieser endgültige tod nicht auch erlösung? muss man soviel angst davor haben, dass man sich götter schafften muss, die einem (für gewöhnlich unter auflagen) zutritt zu einem ewigen leben verschaffen? ist die vorstellung, das die bestandteile meines körpers einmal zu einer blume werden, einem baum, einem vogel nicht ausreichend? warum bloss braucht es götter, braucht es ein jenseits? weil wir nichtexistenz nicht denken können? weil wir nicht denken können, dass das denken einmal aufhört? weil wir finden, das wir am ende unseres lebens total nullifiziert werden? welche arroganz, zu denken wir seien soviel wert, dass wir erhalten werden müssten! wir sind bloss ein versuch, jeder von uns...
Aditi hat geschrieben:das prinzip des lebens ist doch, dass wir immer wieder das jeweils alte ich sterben lassen und in einer neuen geistigen und seelischen dimension wieder erwachen.
"and as to you, life, i reckon you are the leavings of many deaths. no doubt i have died myself ten thousand times before." (whalt whitman)

gruesse
entwurf
(bei einer flasche halbtrockener scheurebe)

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Aditi
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Beitrag So., 08.02.2009, 13:13

hallo entwurf!

ich hoffe, du hast die flasche halbtrockener scheurebe genießen können

ich möchte damit anworten, dass ich versuche aufzuschreiben, wie sehr sich meine sichtweise im laufe der lebensjahre verändert hat. ich wurde streng katholisch erzogen und viele jahre lebte ich auch nach sogenannten "kirchlichen" regeln. vor einigen jahren bin ich aus der kirche ausgetreten.
meine derzeitigen überzeugungen (auch diese können sich wieder verändern) sind (und mal gelingt es mir besser, mal wieder weniger gut, mich daran zu orientieren):
alles ist eine manifestation des geistes. geist ist jener seinszustand, in dem raum, zeit, kausalität, materie und energie ihren ursprung haben.
der geist manifestiert sich derart, dass das ganze in allen teilen enthalten ist. das gesamte universum ist in jedem einzelnen punkt enthalten, so, wie auch der ozean in seiner ganzen tiefe in jedem wassertropfen enthalten ist. auch die bibel postuliert: das himmelreich befindet sich im eigenen innern.
situationen, umstände, ereignisse und beziehungen, die mir in meinem leben begegnen, sind ausdruck meines eigenen bewusstseinszusatndes.
veränderung ist die einzige konstante. alles ist unbeständig und das bedeutet, dass wir grundsätzlich im ungewissen leben. an irgendetwas festhalten zu wollen ist, als hielte man den atem an. das beste resultat erziele ich, wenn ich ich mich auf den prozess anstatt auf das ergebnis konzentriere. das gewisse ist das gefängnis vergangener konditionierungen.
alles, egal ob es sich um ein erlebnis oder um eine einstellung oder um einen gegenstand handelt, trägt sein gegenteil in sich.
alles besitzt einen rhythmus. der lebenszyklus stellt ein klassisches beispiel dar.
jedes ereignis hat eine unendliche zahl von ursachen. diese bringen eine grenzenlose zahl von wirkungen mit sich.
alles sein ist aus einer urenergie entstanden. das kind verdankt ihr seine geburt, eine blume ihr erblühen, eine frucht ihr reifen.
diese urenergie können wir durch die kraft unserer aufmerksamkeit und intention steuern. wie kommen dort hin, wohin wir schauen. worauf ich meine aufmerksamkeit richte (und damit meine energie konzentriere), das erblüht. dort, wo ich meine aufmerksamkeit abziehe, setzt ein verfallprozess ein.
ich habe begriffen, dass die äußere nicht von der inneren wirklichkeit zu trennen ist. letztendlich ist emotionale freiheit die voraussetzung für psychische und spirituelle freiheit.
und somit ergibt sich eine weitere wichtige frage bezüglich meines lebens: was geht in mir vor?

mlg
aditi

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