Welche Therapie bei (komplexen) Traumatisierungen?

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Jesusechse
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Welche Therapie bei (komplexen) Traumatisierungen?

Beitrag Sa., 03.04.2010, 16:41

Habe hier einen neuen Thread als Ableger zu dem Thread "Abgeschlossene Psychoanalyse?" aufgemacht, um den Ursprungsthread zu entlasten.

@ Aditi:

Ja, das ist ja logo, dass es das auch gibt als Traumafolge. Viele sind ganz oder zeitweise von ihren Emotionen abgeschnitten. Das ist ja gerade die Dissoziation. Es gibt auf alle Fälle mindestens zwei Traumatypen:

- Hyperarousaltyp

und

- dissoziativer Typ.

Für den Hyperarousaltyp ist es wichtig, Trigger zu vermeiden, weil er dann in die ganzen Gefühle aus dem Trauma reinrutscht, da werden vermehrt Fight & Fligt-Reaktionen ausgelöst. Häufig sind eben auch Unruhe, übernervös sein.

Beim dissoziativen Typ führt ein Trigger dazu, dass der Patient in dissoziative Zustände reinrutscht. Diese Leute haben natürlich ein Riesenproblem, da an sich ran zu kommen. Hier hat man es mit dem Todstell-Reflex zu tun. Nennt sich auch Erstarrung, Freeze.

Was Aditi beschreibt, dieses an die Gefühle nicht rankommen, dürfte unter numbing zu fassen sein (Rate ich mal so. Wäre mein Gefühl dafür.), da ist die ANP von sich entfremdet und betäubt. Di EPs sind von ihr abgetrennt und kommen nur durch Trigger durch.

Trotzdem gilt immer das Gleiche:

Egal, wie und an welche Gefühle Traumapatienten ran kommen. Es muss KONTROLLIERT ABLAUFEN und eben nicht in einem völlig frei laufenden offenen Therapieprozess.

Das Traumatische am Trauma ist der Kontrollverlust, das Ausgeliefertsein. Und genau das darf in Therapie dann nicht wieder passieren. Hierfür trägt der Thera dann auch die Verantwortung, dh keine zu frühe Aufarbeitung, erst bei genug Stabilität und in der Aufarbeitung dann so vorgehen, dass es zu keiner Retraumatisierung kommt.

Das merkt man auch an den Therapiegesprächen.

Z.B. sagt mein Thera manchmal zu mir:

"Wie alt ist das jetzt? 13, 12? .....Nee, noch jünger!!" Gespräch läuft weiter. Verfassung wird schlechter:
Thera:"Ok, Sie sind voll drin. Das macht jetzt keinen Sinn mehr, wir brechen das hier ab. Das bringt so nichts mehr. Ihr Gehirn versteht nicht mehr, was ich sage und es kann das auch nicht mehr verarbeiten.".

Sowas hab' ich in meinem ganzen Leben noch nicht von einem allgemein ausgebildeten Thera gehört. Und für Traumatherapeuten ist es normal.

Und es geht eben darum, dass Theras die individuellen Bedürfnisse des Patienten und die Belastbarkeit kennen und händeln können müssen.

Das sind aber auch ganz verschiedene Therapieabschnitte, über die wir jetzt reden. Das ist halt alles sehr komplex. Man kann Stabi nicht mit Aufarbeitung vergleichen. Traumaintegration ist auch wieder völlig anders. Und dann überschneidet sich wieder alles.

Ich fühl' mich ehrlich gesagt außerstande, hier mein gesamtes Wissen und meine Erfahrung nieder zu schreiben.

Wo soll man denn anfangen?

Da gibt's einfach zu viel, aber mich wundert, dass so viele nicht oder schlecht informiert sind.

LG

ausgefuchst

PS Ich denke, hier ist nun ein schöner Thread, wo Traumapatienten sich austauschen können über ihre Therapie, egal, welcher Therapieschule sie angehört.

Transaktionsanalyse ist, wenn ich's noch richtig weiß, aus der Systemischen Therapie. Spielt letztlich nicht so'ne Rolle, was der Thera allgemein für eine Therapieausbildung genossen hat. Traumatherapieausbildung ist mehrdimensional und integrativ, vereinigt Therapieansätze aus verschiedenen Schulen.

Es läuft immer so:
1. Stabi
2. TraumaArbeit = Aufarbeitung
3. TraumaIntegration/Trauerarbeit auch
Zuletzt geändert von Jesusechse am Sa., 03.04.2010, 17:02, insgesamt 1-mal geändert.

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metropolis
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Beitrag Sa., 03.04.2010, 16:44

Hallo ausgefuchst,

hast du vielleicht schon mal Kunsttherapie ausprobiert? Wenn ja, wie geeignet findest du sie in deinem Fall?

LG

metropolis
"Ja und dann? Weißt du nicht mehr? Wenn ich und du nicht gekommen wären und den kleinen Häwelmann in unser Boot genommen hätten, so hätte er doch leicht ertrinken können!"

Theodor Storm

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Dakota
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Beitrag Sa., 03.04.2010, 16:57

Hallo ausgefuchst,

ich habe auch mehrere Traumata erlitten, mache eine kognitive Verhaltenstherapie und komme damit ganz gut zurecht. Ich habe die Dinge zwar noch nicht ganz ver-arbeitet, aber be-arbeitet und das hat mir enorm geholfen darüber zu reden. Werde die Themen aber wohl nochmal durchkauen müssen um damit endgültig abzuschliessen

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Jesusechse
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Beitrag Sa., 03.04.2010, 17:12

@ metropolis:

Ja, hatte ich in der Klinik. Hat mir nichts gebracht, lag aber an anderen Dingen wie bspw. der Therapeutin und daran, dass es Gruppentherapie war. Später hatte ich Einzel-Kunsttherapie, aber da durfte ich über Traumata nicht reden. Durfte auch keine KBT machen. War alles verboten, das therapeutische Team hatte Angst, was hoch kommt und das man das nicht mehr unter Kontrolle bringen könnte.

Bei mir war eh 'ne Menge anders als bei anderen Patienten. Ich durfte vieles nicht, man schickte mich zu den Suizid-Spezialisten, hatte auch nie Symptombegleitung als einzige von der ganzen Station. Zum Schluss hat die Klinik dann auch gesagt, dass stationäre Therapie kontraindiziert ist, weil ich das nicht mehr verkraften könnte. Wegen der ganzen misslungenen Therapien haben sie auch gesagt, ich soll mal gar nichts mehr machen, vielleicht packen es die Selbstheilungskräfte doch noch. Ein Thera hat gesagt: Noch eine Enttäuschung überleben Sie nicht. Danach hab' ich noch zwei Therapien versucht, ging schief. Hab's überlebt. Aber hab' ja jetzt eh einen superguten Thera. Der kann das. Und meine kleineren Anteile mögen ihn. Ich bin gut aufgehoben, wo ich bin.

@ Dakota:

Ich mach' auch kognitive-behaviorale VT traumaadaptiert. Leider 10 Jahre zu spät. Mir hat es enorm geholfen. Steigerung der Lebensqualität auf einer Skala von - 1000 bis + 1000 von - 9050 auf + 100. Außerdem will ich mich nicht mehr umbringen und mein ganzes Leben wendet sich zum Guten, ich komme immer mehr auf die Erfolgsbahn. Es geht - mit Rückschlägen - aufwärts ohne Ende. Endlich Lebensqualität.

Aber ist auch immer eine Frage des Theras. Ich kenne auch andere Traumatherapeuten, die hatten leider nichts drauf. Meiner ist echt sehr gut. Er ist öfter im Fernsehen als Trauma-Experte zu sehen. Ich sage mal: Die laden den Richtigen ein.

Glg

ausgefuchst

PS Und ich fänd's gut, wenn ihr untereinander diskutiert. Es ist nett, dass Ihr Interesse an mir zeigt, aber so komm' ich ja nicht hier weg. Ich mag nicht wieder im Forum kleben bleiben. Und alles, was ich weiß, findet man im Internet, in Büchern oder bei Fachleuten.

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dornentochter
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Beitrag Sa., 03.04.2010, 17:21

hallo ausgefuchst!

ich mache eine traumatherapie mit EMDR u.a.
vieles, was du schriebst kam mir sehr bekannt vor.
die einzelnen phasen beziehen sich auf jedes einzelne trauma, denke ich. bzw. schwanke ich oft hin und her.
ich habe zur zeit "neue" erinnerungen, so dass ich zur zeit stabilisierung brauche.
vor allem das Abbrechen praktiziert meine thera auch häufig.
"Stopp! Sie sind nicht mehr hier!" oder "hierbleiben!".
Ich dissoziiere nämlich oft, wenns mir zu brenzlig wird.

metropolis: mir hilft malen ganz oft. manchmal nehme ich diese bilder dann zur thera mit.

Gruß Dornentochter
[hr][/hr]

-.- Ich fordere die Freiheit mit Gebrüll! nach Camille Claudel

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münchnerkindl
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Beitrag Sa., 03.04.2010, 18:14

ausgefuchst hat geschrieben:
Beim dissoziativen Typ führt ein Trigger dazu, dass der Patient in dissoziative Zustände reinrutscht. Diese Leute haben natürlich ein Riesenproblem, da an sich ran zu kommen. Hier hat man es mit dem Todstell-Reflex zu tun. Nennt sich auch Erstarrung, Freeze.
Nö, Dissoziation ist kein Todstellmechanismus. Es ist wenn die Datenverarbeitung im Gehirn aufgrund des Stresslevels abstürzt. Sehr unangenehm, ist zumindest bei mir ein bischen verwandt mit dem Schock wie er bei Unfällen vorkommt, da steht man auch ziemlich neben sich.

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TimpeTe
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Beitrag Sa., 03.04.2010, 18:22

Guten abend zu euch

Ich hatte das grosse Glück zwei in Traumaarbeit erfahrene Therapeuten an meiner Seite zu haben. Mein Analytiker und meine Körper-psychotherapeutin. Auch ich hatte schwere dissoziative Störungen und diss. Stupor.. Ganz besonders hilfreich war zu Anfang die Körpertherapeutin. In der Klinik war die Mal- und Ergo-Therapie eines der hilfreichsten Mittel um meiner Seele Linderung zu verschaffen.
Das kreative Arbeiten ist heute noch meine Antwort auf innere Spannungszustände. Ohne diese Möglichkeit hätte ich vielleicht nicht überlebt.
medusa
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neko
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Beitrag Sa., 03.04.2010, 19:02

liebe ausgefuchst,
danke für die thread-eröffnung. das gibt mir noch einmal die gelegenheit, auf die fragen zückzukommen, die ich schon im psychoanalys-thread aufgeworfen hab. ich versteh aber auch, wenn du darauf nicht anzworten magst. für mich wird das hier im forum manchmal auch zu viel. aber vielleicht fühlen sich ja auch andere angesprochen.

also - meine frage ist, ob es möglichkeiten der aufarbeitung und integration von traumata gibt, die ohne z.T. fürchterliche krisen auskommen.

wie ich anderswo schon gesagt hab, ich mache eine pa, die aber, wie meine therapeutin immer mal wieder hat fallen lassen, an einigen punkten modifiziert und meinen bedürfnissen angepasst ist. u.a. lässt sie mich nie zu lange in schweigelöcher fallen - auch wenn mir das manchmal genau so vorkam. trotzdem hatte ich manchmal ganz gewaltige filmrisse, kleine psychotische schübe in denen ich mich von ihr gedemütigt und ausgelacht gefühlt habe. ich hab auch ganz oft abbrechen wollen - allerdings war da immer so ein gefühl, dass sie mir vielleicht doch helfen kann - zumal sie sich in solchen situationen immer sehr um mich bemüht hat. mittlerweile pasiert mir das viel seltener und wenn es passiert, kann ich es sofort ansprechen und in der regel so etwas wie eine beobachterposition einnehmen, aus der heraus ich "verstehe"/merke, dass sich da vergangenheit und gegenwart verknoten. das hat aber monate gedauert.

mit den von ausgefuchst ganz am anfang gesprochenen typen von traumatisierten hab ich ein bisschen probleme. am anfang entsprach in ganz eindeutig eher dem dissoziativen typ. ich hab ganz wenig gefühlt, war sehr kontrolliert, sehr versiert im rationalisieren und runterspielen. im nachhinein hab ich den eindruck, dass das erste jahr meiner therapie v.a. darauf zielte, wieder fühlen zu lernen. in dem maße, wie das funktioniert hat, wurde ich dann auch erst einmal regelmüßig überschwemmt, hab tausende von somatischen störungen entwickelt, wurde hypervigilant und schreckhaft. meine therapeutin hat dann immer versucht, auf die bremse zu treten. auch wenn ich das als ausdruck von sorge verstanden hab, konnte ich das manchmal nicht hinnehmen. mein erwachsenen-ich wollte einfach schnell weiter und durch die scheiße durch. in der zeit bin ich oft völlig gerädert aus der therapie raus. gleichzeitig hab ich da aber auch ganz viel gelernt - gefühle aushalten, ohne sie abzuspalten, nicht mehr zu kotzen oder mich zu verletzen, sondern stundenlang zu heulen. das war alles unendlich anstrengend, aber ich hatte trotzdem das diffuse gefühl, es tut sich was und es wird mit jedem mal besser aushaltbar.

ohne dass wir da in der therapie drüber sprechen - ich versuch da möglichts wenig technisch ranzugehen und lese mittlerweile auch keine fachliteratur mehr - bin ich jezt wohl inter der phase der integration. und das ist stellenweise auch wieder ganz schön happig: ich falle hin und wieder immer noch in die haltung zurück, dass es mir unendlich wichtig ist, mich in meinem opferstatus von meiner theapeutin anerkennen zu lassen. das macht sie aber immer weniger mit - manchmal verweigert sie mir das mit dem lapidarn satz, dass wissen sie doch schon ganz lange, dass das schlimm war. ich könnte dann manchmal aufschreien (mittlerweile tue ich das gott sei dank auch, g.), weil die schuldvorwürfe, die ich an mich selber richte, manchmal so übermächtig zu werden drohen, dass ich gegen mich selber schutz suche. langsam verstehe ich nicht nur vom kopf, sondern auch vom gefühl her, dass ich mir diesen schutz nur selber geben kann. meine therapeutin fragt mich in solchen situationen jetzt immer, wie lange das wohl anhalten würde, wenn sie mir jetzt einfach bestätigung geben würde. ihr geht es darum, dass die anteile von mir, die mich selber schuldig sprechen, sichtbar werden und dass ich sie nicht einfach nur abspalte. ich hab grad das gefühl, dass das langsam gelingt. nichtsdestotrotz - das tut manchmal unendlich weh. aber wie gesagt - ich kann mir nicht vorstellen, wie das ohne diesen schmerz gehen sollte. außerdem geht es mir totz all dem schmerz so gut wie nie zuvor.

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TimpeTe
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Beitrag Sa., 03.04.2010, 19:17

Guten abend neko
außerdem geht es mir totz all dem schmerz so gut wie nie zuvor
Weil der Schmerz auch in einem drinn ist, wenn er nicht erreichbar ist? Und weil es einem bessser geht, wenn man ihn erkennen kann, --wenn er ein Gesicht erhält?

Sorry...wenn ich mich da einmische....bin gleich wieder weg........

medusa
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Jesusechse
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Beitrag Sa., 03.04.2010, 19:29

@ mpnchnerkindl:

Ich weiß, was Dissoziation ist.

Diese Selbst-Anteile sind für dissoziative Spaltung typisch:

- Flucht (Angst, Panik, Vermeidungsverhalten...)
- Kampf (Streiten, sich verteidigen, Wutausbrüche....)
- Bindungsschrei (Notrufe z.B. beim Thera, jammern, Klammerverhalten)
- Freeze (Erstarung, Todstellreflex)
- Submit (mir ist alles egal)
- "system shut down" (totaler Kollaps, Schwäche)
- Hpyperviglianze (überdreht, übernervös, hinter jedem Strauch ein Indianer..)
- Retreat and Recovery (Rückzug und Erholung)

Mit Todstellreflex habe ich damit dissoziative Zustände gemeint, die tranceähnlich sind. Natürlich gibt's viele verschiedene Ego states, aber eben immer wieder auch typische, die so bei allen Patienten mit frühen Traumatisierungen zu finden sind:

Manche teilen auch so ein:

- Das verlassene/verwundete Kinder-Selbst (z.B. deprimiert, geängstigt ..)
- Das wütende/impulsive Kinder-Selbst (impulsiv, entwertend, suizidal))
- Das strafende Elternintrojekt (Selbsthass, -kritik...))
- Das distanzierte Beschützerintrojekt (Depersonalisation, Leere, SVV..)

So sehen die typischen Anteile auf inneren Landkarten aus.

Und natürlich kann man das alles noch viel genauer und perfekter aufdröseln, aber ich bin ja nur eine kleine Userin in einem Forum und Betroffene und doch keine Traumatherapeutin.

Weil ich heute diese Dinge weiß, kann ich verhindern, dass es mir richtig schlecht geht und wenn's doch passiert ist, weiß ich, wie man wieder raus kommt und zwar schnell.

@ neko:

Ich antworte noch in nächster Zeit, aber nicht mehr heute.


GLG

ausgefuchst

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stern
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Beitrag Sa., 03.04.2010, 19:30

neko hat geschrieben:also - meine frage ist, ob es möglichkeiten der aufarbeitung und integration von traumata gibt, die ohne z.T. fürchterliche krisen auskommen.
IMO gibt es keine Garantie, dass es nicht zu einer Krise kommen kann. Man kann durch hinreichende Stabilisation versuchen, das Risiko zu mimimieren, aber man kann nicht zwingend jeden Faktor auschalten, der eine Krise auszulösen vermag.
mit den von ausgefuchst ganz am anfang gesprochenen typen von traumatisierten hab ich ein bisschen probleme.
Ich auch... aber in etwas anderer Hinsicht als du... und zwar weil ich diese Kategorisierung als recht pathologisierend finde. Ach, wie oft ging (amb. VT, Klinik) und geht es (in meiner jetziger Thera) um diese Hyperarousals... und auch kürzlich erlebte ich im RL wieder 2 dementsprechende Situationen, die mir immer noch etwas nachgehen. Und doch liegt es mir fern mich als Hyperarousal-Typ zu bezeichnen, denn in erster Linie bin ich ein Mensch. Und ich bin froh mich (wieder) so begreifen zu können... und nicht als wandelnde Symptomstreuung. Jedenfalls weiß ich noch zu gut, was es mit einem machen kann, wenn man sich zu sehr von der Symptomseite aus betrachtet bzw. betrachten lässt. Das aber nur am Rande. Wichtig ist (für mich), dass man damit umgehen lernt bzw. solche Symptome ablindern kann, bis im Optimalfall nicht mehr mit solchen Sypmtomen reagieren muss. Und btw. das eine (Hyperarousel) schließt das andere (Diss.) ja nicht ganz aus, also ein zwingendes entweder-oder muss das nicht sein.
dass das erste jahr meiner therapie v.a. darauf zielte, wieder fühlen zu lernen. in dem maße, wie das funktioniert hat, wurde ich dann auch erst einmal regelmüßig überschwemmt, hab tausende von somatischen störungen entwickelt, wurde hypervigilant und schreckhaft.
hm, wenn ich das lese frage ich mich eher, ob die Stabilität ausreichte, denn Überschwemmung kann ja nicht Sinn und Zweck der Übung sein.
mein erwachsenen-ich wollte einfach schnell weiter und durch die sch*** durch. in der zeit bin ich oft völlig gerädert aus der therapie raus.
Verständlich... und trotzdem ist es IMO angezeigt, wenn der Thera weiter auf die Bremse tritt.
gleichzeitig hab ich da aber auch ganz viel gelernt - gefühle aushalten, ohne sie abzuspalten, nicht mehr zu kotzen oder mich zu verletzen, sondern stundenlang zu heulen. das war alles unendlich anstrengend, aber ich hatte trotzdem das diffuse gefühl, es tut sich was und es wird mit jedem mal besser aushaltbar.
Klingt gut... nur sehe ich es nicht als mein Ziel an, Überschwemmungen auszuhalten. Gefühle auszuhalten ja, auch wenn es noch so anstrengend ist. Aber nicht Überschwemmungen... da ist ein Stopp angezeigt solange sich jemand nicht gut stabilisieren kann. Und Überschwemmungen sind an sich ein Zeichen unzureichender Stabilsiation, meine Meinung dazu.
Zuletzt geändert von stern am Sa., 03.04.2010, 19:58, insgesamt 2-mal geändert.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
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(alte Weisheit)

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neko
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Beitrag Sa., 03.04.2010, 19:45

liebe medusa,
weil das ausblenden des schmerzes so unendlich viel energie efordert, die einem an allen ecken und enden fehlt, weil sie einen, mich gezwungen hat, ALLE gefühle, auch schöne abzutöten, weil ich mich dauernd kontrollieren musste. ach, das klingt nach kitschiger metapher, aber ich fühl mich so in bewegung geraten, so viel lebendiger, fließender, ich bin mein hochstapler gefühl los, hab immer weniger angst, mich auf wirklich tiefe begegnungen mit leuten einzulassen. ne, nee - mag sein, dass ich grad ein bisschen zu euphorisch bin. aber ich will nicht mehr zurück - dafür würde ich glaub ich all das kotzen, wüten, zusammenbrechen noch einmal durchmachen...

stern: ja ich geb dir recht - es kann nicht darum gehen überschwemmungen auszuhalten. aber ich glaub, manchmal verläuft da ein ganzer schmaler grad. ich hab viel gegen meine therapetin gewütet, weil ich meinte, sie hätte mich davor bewahren müssen. hat sie aber nicht. und mittlerweile weiß ich, dass es unrealistisch war, dass von ihr zu erwarten. ich hab in den jahrzehnte des abspaltens unendlich gut gelernt, zu verbergen, was in mir abgeht. sie hat mir mmer wieder zurück gemeldet, dass sie manches nicht vorher gesehen hat, mich dann aber wieder und wieder dazu gebracht, besser in mich hineinzuhorchen und v.a. die scham zu überwinden, ihr zu sagen, wann es zu viel für mich wird. mittlerweile denke ich, das war ein gemeinsamer lernprozess, in dem sie meine reaktionen auch duch meine starre aus kleinigkeiten besser lesen konnte und ich gelernt, habe mich besser mitzuteilen. das hat auch bedeutet, dss ich mich von der kindlichen sehsucht verabschiedet habe, sie könne in mir lesen wie in einem offenen buch. das war am anfang schwer. ich hab mir das irgendwo immer so gewünscht, dass einfach mal jemand weiß, was mit mir los ist. aber irgendwann fand ich es dann auch schön, mich besser mittelen zu können. da entsteht etwas gemeinsames, das mir viel wert ist.

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Jesusechse
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Beitrag Sa., 03.04.2010, 19:53

@ stern:

Ja, kann ich zustimmen. Mit der Pathologisierung hab' ich kein Problem. Es ist ja nur, dass man sich so besser kennenlernt und besser steuern kann, wenn man diese Hintergründe kennt. Ich bin nicht mehr und nicht weniger krank, ob ich das nun weiß oder nicht. Ich bin nicht mehr und nicht weniger Mensch, wenn ich Selbstanteile von mir im Vorfeld kenne und verhindern kann, dass ich da reinrutsche.

Man kann nicht alle und jede Krise abwenden. Aber es ist Aufgabe des Theras sie nach Möglichkeit zu verhindern oder zu minimieren. Das gerade passiert bei allgemeinen Therapieverfahren nicht, denn die wollen eher, dass diese Abwehrsysteme zunächst mal zerschlagen werden. Stimmt so nicht ganz, aber ich weiß nicht, wie ich das besser formulieren sollte?!

@ neko:

Kurze Antwort vorab:

Keine Aufarbeitung wird ohne Belastung, ohne Schmerzen, auch ohne Krisen abgehen.

Aber was das Entscheidende ist, ist, in welchem Ausmaß diese Dinge vorhanden sein werden?! Und entscheidend ist, ob die Belastungen so schlimm sein werden, dass man die Therapie nicht schafft. Dh dann, krank bleiben, obwohl man alles gegeben hat, neue Krise, irgendwann total ausgebrannt sein und im Schnitt erfolgt nach 15 Jahren dann der Suizid, wenn Menschen trotz viel Therapie nicht aus der chronischen Suizidalität rauskommen konnten.

Man kann alles an Therapie machen, was man will. Die Frage ist, was ist sinnvoll, was ist erträglich, was ist machbar?

Klassische Analyse vergleiche ich immer mit einer "großen Bauchschnitt-Op". Man schneidet alles auf, kuckt rein, sieht alles genau, will das dann neu zusammenflicken, das Ganze dann ohne Narkose.

Und traumaadaptiere VT ist für mich dagegen eine "Schlüsselloch-Op", wo der Therapeut systematisch reingeht, wo was zu reparieren ist. Und das dann unter Narkose, behutsam und schonend, mit für's alltägliche Leben noch erträglichen Opfern.

Ich habe fast ein Jahrzehnt Therapie nur als Horror erlebt. Jetzt hab' ich eine Therapie, die mir nicht mal mehr 20 % dieser Belastungen abverlangt. Und die kann ich nicht nur durchhalten, sie tut sogar gut. Inzwischen freu' ich mich auf Therapiegespräche die meiste Zeit, und hab' keine Angst mehr davor, weil ich da immer wusste, der macht wieder Psycho-Hackfleisch aus Mir.

Die Frage bleibt: Warum soll ich mich einer quälenden Therapie aussetzen, wenn ich eine sanfte haben kann, die mich noch dazu weiterbringt (weil sie halt kräftesparend ist)?

Rest später.

Tschö

ausgefuchst

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Pfötchen
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Beiträge: 86

Beitrag Sa., 03.04.2010, 21:11

ich habe vor etwa einer Woche meine Therapie (tiefenpsychologisch fundiert)
abgeschlossen -am ende war es eine Kathastrophe- komplette Trauma-Reaktivierung durch Konflikte, meine Therapheutin entließ mich mit der Deutung, dass Thraumatisierte ihre Traumen so wiederholen, dass sie andere zu einem bestimmten Verhalten (hier der Verlust ihrer Kontrolle) zwingen.Ich knappse gerade ziemlich an dieser Aussage...
Die Trauma Reaktivierung war möglich, weil sie insbesondere für mein traumatisiertes Innnenkind sehr wichtig geworden ist- in dieser Abhänigkeit konnte (kann) ich nicht mehr erkennen was richtig und was falsch ist.... ...ach sorry-bin jetzt schon am Thema vorbei...also, nach allem würde ich heute viel gezielter nach einem Traumatherapheuten suchen, dabei meine ich nicht jene, die nach kürzeren Fortbildungen( EMDR) ein Werbeschild TRAUMAINSTITUT aushängen, Jahre voher aber in ganz anderen Bereichen angesiedelt waren.Lange Berufserfahrung in der Arbeit mit Traumatisieren wäre vielleicht ein Indikator.

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Jesusechse
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Beiträge: 702

Beitrag Sa., 03.04.2010, 21:40

Hi Pfötchen!

Das ist ein schlimmes Posting, dass Du da geschickt hast. Das tut mir wirklich sehr, sehr leid, ich weiß leider, wie es einem dann geht. Davor will ich eigentlich die Leute bewahren, wenn ich hier schreibe. Leider denken dann immer ganz viele, ich wäre fanatisch, aber ich weiß halt, wie das ist.

Du wirst mit einer Therapie, die in einer Retraumatisierung und somit als Ultra-Flop geendet hat, sicherlich knabbern. Wichtig ist, jetzt deshalb nicht die Hoffnung aufzugeben.

Es gibt gute Therapeuten, sie sind nicht leicht zu finden. Allerdings steigen auch die Chancen, je schlechter es einem geht, dass sich doch endlich einer erbarmt, der was drauf hat.

Je schneller Du jemanden findest, der Dir wirklich helfen kann, desto schneller wirst Du diese Therapiepleite und ihre Folgen überwinden können.

Ich drück' Dir ganz fest Daumen, dass Du Glück hast und jemand sich findet.

Bei mir wollte mein damaliger Psychoanalytiker sogar der Kasse mitteilen, dass ich nicht therapierbar wäre. Heute habe ich einen der Top-Traumatherapeuten Deutschlands hinter mir. Der würde es wohl merken, wenn ich nicht therapierbar wäre. Mein Ex-Analytiker hat eine Traumatherapieausbildung gemacht.

Es kann trotzdem noch alles in eine gute Richtung gehen. Am Wichtigsten ist in so einem Fall einfach, dass man weiß, dass sich die Szene langsam ändert und wirklich die meisten Patienten, wenn sie geduldig suchen, irgendwann ihren guten Geist in Therapeutenform finden.

Gib' nicht auf und schreib' Dich und Dein Leben nicht ab. Es ist nicht aller Tage Abend, auch wenn's Dir im Moment sicher richtig dreckig geht.

DANKE jedenfalls für Deinen Beitrag. Mir glauben hier ja viele nicht, obwohl ich schon zum x-ten Mal geschrieben habe, dass einen retraumatisierende Therapien locker ruinieren können; vielleicht glauben sie Dir mehr?! Ich hoffe es.

Und aus diesem Thread hier siehst Du ja, dass es berechtigte Hoffnung auf hilfreiche Therapie gibt.

Also, gib bloß nicht auf, auch wenn das jetzt echt ein Keulenschlag ist.

Ich drück' Dir echt die Daumen!

Gaaanz liebe Grüße

ausgefuchst

PS Versuch' so wenig, wie's geht, an diese Therapie, an diese Therapeutin und an alle traumatischen Dinge zu denken, die in Gang gekommen sind. Wenn Du jetzt viel ausblenden kannst und Dich im Gegenzug versuchst, stabil zu halten, Dich da nicht reinfallen lässt und für viel Erholung und Ablenkung sorgen kannst, dann kommst Du besser mit den Folgen zurecht. Vielleicht beruhigt sich die Lage wieder etwas, wenn Dein Gehirn ausreichend Schonung kriegt. Für diese Schonung musst Du aktiv selber sorgen, indem Du alle Gedanken und Gefühle möglichst zu stoppen versuchst, die belasten, weh tun, runterziehen.

Mensch, tut mir das leid!!!

Und ich muss jetzt auch hier weg, weil mir das alles so hoch kommt von früher, als ich an Deiner Stelle war.

Und vergiss, was diese Therapeutin gesagt hat. Die will sich nur rausreden, weil sie es versaut hat. Der Therapeut ist dafür verantwortlich, dass es nicht zu Retraumatisierungen kommt. Und als "reine TP (nehme an, das war sie), hat sie ja nicht gewusst, wie man therapiert, ohne zu retraumatisieren.

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