Briefe an die Eltern schreiben

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verstummte seele
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Briefe an die Eltern schreiben

Beitrag Mi., 21.09.2011, 13:06

Hallo, ich habe von meinem Thera eine Hausaufgabe mitbekommen, das soll ich Briefe an meine Eltern schreiben, wie ich damals empfunden habe, und wie ich mich heute fühle. Das ist eine ganz schwierige Aufgabe für mich, weil mir meine Eltern nie zugehört haben wenn ich Probleme hatte oder sie mir weh getan haben. Habt ihr auch solche Briefe geschrieben und abgeschickt oder nur geschrieben?
Wie fange ich da am besten an?

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Passat
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Beitrag Mi., 21.09.2011, 13:24

Hallo verstummte Seele,

ich halte das für eine gute Idee mit dem Brief. Auch wenn dir deine Eltern früher nie zugehört haben - einen Brief werden sie lesen. Und sie können ihn immer wieder in Ruhe lesen. Der Inhalt des Briefes wird eindringlicher sein als deine damaligen "Hilferufe", die vielleicht diffus waren und vor denen sich deine Eltern aus Unfähigkeit darauf einzugehen verschlossen hatten.

Wie du anfangen solltest?!? Nicht so lange nachdenken; einfach deiner verstummten Seele eine Stimme geben.

Hast du noch Kontakt zu deinen Eltern?
"Alles entsteht durch den Konflikt" (Heraklit)

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saffiatou
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Beitrag Mi., 21.09.2011, 13:42

Liebe Verstummte Seele,

auch mich hat mein Therapeut gebeten einen Brief an meine Eltern zu schreiben. Die ersten Sätze waren sehr schwer,
aber nach und nach habe ich mich getraut zu schreiben, was ich damals wirklich empfunden habe, ihnen zu schreiben
wie sehr ich gelitten habe. Es tat mir sehr gut und ich habe den Brief in der Therapiestunde vorgelesen.

Später habe ich wieder einen geschrieben und diesen auch abgeschickt, da ging es darum, daß sie einfach unangemeldet
vor der Wohnungstür standen und sich mit Gewalt hineingedrängt haben. Ich habe ihnen klar gemacht, daß ich nicht mehr
bereit bin ihre Übergriffe zu ertragen, daß ich mich wehre. Den anderen Brief, den ich als erstes schrieb habe ich dann
ein paar Wochen später geschickt. Mein Therapeut hat mich nie gedrängt die Briefe auch abzuschicken, aber es tat mir gut,
als ich sie in den Briefkasten fallen ließ.

Gerade wenn Dir Deine Eltern nie zugehört haben, kannst Du durch den Brief Deine Stimme erheben und ihnen sagen, was
Dir schon lange auf der Seele brennt, und sie können nicht widersprechen, Dich nicht unterbrechen. Ich habe mich hin-
gesetzt und einfach losgeschrieben, es kommt ja nicht auf einen besonders gut und ausgefeilten Stil an, es soll ja nicht
veröffentlicht werden. Dann hatte ich den Brief immer offen auf dem Tisch liegen und immer wieder etwas dazu geschrieben,
geändert....

Inzwischen mache ich es immer so, wenn mich etwas belastet, schreibe ich der/demjenigen einen Brief, egal, ob er abgeschickt
wird oder nicht.

Liebe Grüße, Saffia
never know better than the natives. Kofi Annan

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verstummte seele
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Beitrag Mi., 21.09.2011, 18:45

Danke für eure Antworten,
ich werde versuchen einen bzw. zwei Briefe zu schreiben. Es ist nur so, das ich das was ich damals empfunden habe und jetzt empfinde, darüber habe ich noch nie geredet oder geschrieben, daher mache ich ja auch die Therapie. Ich denke mal das es wirklich befreiend ist, wenn man einfach drauflosschreibt.
Hat noch einer Erfahrung damit???

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münchnerkindl
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Beitrag Mi., 21.09.2011, 18:52

Willst du im Moment überhaupt eine emotionale Annäherung an deine Eltern?

Und ja, wenn dir das auf der Seele brennt, dann schreib einfach drauf los was du schon immer mal loswerden wolltest und was dir so in den Sinn kommt. Kotz dich so richtig aus über alles was du ihnen schon immer mal an den Kopf knallen wolltest.

Schau einfach was kommt. Da musst du dich nicht an irgendwelche Vorgaben halten.

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Rezna
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Beitrag Mi., 21.09.2011, 21:06

Ich habe mal einen Brief geschrieben. Da ließ ich zu, in die Kinderrole zu fallen. Ich schrieb grammatikalisch und inhaltlich wie ein fünfjähirges Kind. Ich ließ dabei nur zu, was Kinder dieses Alters fordern und verstehen. Keine Erwachsenenrechtfertigungen. Nur einfache logische Schlüsse.

Ich habe diesen Text Jahre später wieder gefunden. Erst war ich entsetzt, so naiv, so "gestört" geschrieben zu haben. Andererseits war es frei von all diesen Konstrukten der Zivilisation. Einfach das, was ein Kind fordert und nicht versteht, unschuldig und unverbrämt.

Später ließ ich mich mal auf einen Emai-Austausch mit meinem Vater ein. Sinnlos.

Solche Briefe würde ich nie real mir Eltern austauschen, da Eltern sich richtig fühlen müsse und sich rechtfertigen. Sie werden einen hineinziehen in die uninteressantesten Innenschauen überforderter "NichtIcher" - also Menschen die sich selber nicht kennen, funktionieren wie programmiert, und das dann rechtfertigen und verteidigen aus Prinzip der Selbstbeweihräucherung.

Es geht nur darum, das eigene, innere, verletzte Kind zu finden und ihm zuzuhören. Darin zu erkennen, wie eigennützlich und ignorant die Eltern waren und sich daraus die Pflicht ergibt, sich selber ernst zu nehmen, für voll, wertvoll.. ernsthafter und resüektvoller als Eltern es jemals tun würden.

Biologische Verwandtschaft ist kein Privileg. Die Zuneigung der Kinder zu ihren Eltern nicht mehr als biologischer Zwang. EHRLICH ist sie erst, wenn Kinder erwachsen, selbständig, abgenabelt ihre Eltern als enge Freunde entdeckten. Der Rest ist tierliches Programm, keine "unschuldige" und daher "echte" Liebe. Aber Menschen beschumnmeln sich gerne selber. Erhöht das Ich.
»Nimm niemals Böswilligkeit an, wenn Dummheit hinreichend ist.« [Hanlon's Razor]
»Wir sind lieber die Bösen als die Dummen.« [Richard David Precht]

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Justus
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Beitrag Mi., 21.09.2011, 23:45

@ verstummte seele

Wenn du psychisch stabil werden willst, dann musst du auf die zu späte Elternliebe verzichten!
Sonst bleibst du ein abhängiges Kind und verhinderst Entwicklung...

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Innere_Freiheit
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Beitrag Fr., 23.09.2011, 00:01

Meiner Ansicht nach ist es nicht der Job der Eltern, uns im Erwachsenenalter die idealen Freunde zu werden.

Der Job der Eltern ist es, uns zu zeugen, uns auszutragen, uns zu gebären, ....
idealerweise uns durchzubringen und großzuziehen.... und idealerweise dies auch noch mit großer Liebe und Achtung!

Doch wer ist schon ideal?
Ich bin's nicht! Du wahrscheinlich auch nicht?
Meine Eltern waren es nicht. Und deine wahrscheinlich auch nicht?

Wenn man mal von den Fällen absieht, in welchen jemand sexuell missbraucht oder schwer misshandelt wurde kann man sagen: Es ist ganz normales menschliches Schicksal, dass die Eltern nicht ideal waren / sind!

Und es war schwer, schmerzhaft in der Kindheit - das ist eine Tatsache! Und mein Schmerz will und darf auch gesehen werden.... von mir.....

Trotzdem:
Sowohl meine nicht-idealen Eltern als auch mein Schmerz gehören zum ganz normalen menschlichen Sein! Etwas, das jeder Mensch auf seine Weise erlebt, wie Essen und Trinken, Freude und Liebe, Krankheit und Tod.

Wenn ich Kinder hätte (ich habe keine - leider, oder zum Glück) dann wäre ich ebensowenig ideal... obwohl ich ja, wie die meisten Eltern, das Beste tun würde. Ja, ich würde das Beste tun, das mir in Rahmen meiner Denk- und Fühl-Möglichkeiten möglich wäre.....
Auch meine Kinder würden dann irgendwann Therapie machen müssen.
Und auch meine Kinder würden mir dann (trotz der Arbeit, Sorgen, Liebe.... die ich über Jahrzehnte investiert hätte) Vorwürfe machen.

Wie würde ich in dieser Elternrolle mit meinen erwachsenen Kindern umgehen?

[hr][/hr][center]Wenn du gegen etwas kämpfst, das bereits geschehen ist, dann vergeudest du unnötig deine Energie.
Das was bereits geschehen ist, bleibt von diesem Kämpfen völlig unbeeindruckt!
[/center]
[right]aus dem Blog "Das Tao der Zustimmung"[/right]

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Viking
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Beitrag Di., 08.05.2018, 09:33

Vor kurzem habe ich mich dazu entschieden, meinen Eltern jeweils einen Brief zu schreiben; nach der Methode von Susan Forward. Ich habe erkannt, dass mein bisheriger Gedanken ("Konfrontation macht die Vergangenheit nicht wieder gut") ggf. ein Resultat meiner Schockstarre ist, meines Gewissens, welches mich immer wieder davon abhält, Grenzen zu setzen und mich zu behaupten.

Ich weiß, das Thema hier ist schon ein paar Jahre alt. Mich würde dennoch interessieren, wie denn die Reaktionen eurer Eltern auf eure Briefe waren.


Boah
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Beitrag Di., 08.05.2018, 10:16

Hallo Viking,

ich verstehe gut, dass Du von Reaktionen der Eltern anderer erfahren willst. In bestimmten Phasen habe ich ebenfalls manisch das Internet nach Erfahrungen anderer zu mich betreffenden Themen durchforstet. Ich hoffe daher, dass Du die gewünschten Berichte erhältst.

Ich möchte dennoch einen kleinen Anstoß geben: Was andere erleben, wird nicht dasselbe sein, was Du erleben wirst. Es sind andere Menschen, andere Beziehungen, andere Vorerfahrungen. Möglicherweise bringt es Dich weiter, bei Dir selbst zu gucken, was Du Dir von den Briefen eigentlich erhoffst, für wie realistisch Du vor dem Hintergrund Deiner bisherigen Erfahrungen mit Deinen Eltern die Erfüllung Deiner Hoffnung hälst und wie Du ggf. mit einer Enttäuschung umgehen könntest.

Ich selbst habe einen Brief geschrieben, aber nicht abgeschickt. Mein tiefer Wunsch, endlich von den Eltern gesehen und geliebt zu werden, war unrealistisch, die Enttäuschung sicher. Mancher muss die Enttäuschung erleben. Ich wollte und konnte sie mir ersparen. Dennoch hat mir der Brief geholfen, weil ich endlich einmal alles "ausgesprochen" hatte, was ich diesen Menschen sagen wollte. Damit war es auch mir klarer und die Themen bearbeitbar.

Ich wünsche Dir für Deinen ganz eigenen Weg alles Gute.

Boah

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Montana
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Beitrag Di., 08.05.2018, 13:11

Ich habe schon oft über's Schreiben nachgedacht. Nicht, um es auch abzuschicken, sondern nur für mich. Als Kind habe ich mir gewünscht, Tagebuch schreiben zu können. Aber das wäre zu gefährlich gewesen. Wie gern würde ich solche Tagebücher heute lesen. Aber wenn ich heute schreiben würde, dann würde es ein dickes Buch werden. Wenn es mir gelingt, all das nicht geschriebene zu finden und zu Papier zu bringen. Was ich tun kann ist, es im Kleinen nachzuholen. Wenn der Druck nach einer Therapiestunde sehr groß ist, dann schreibe ich über die Stunde. Nur für mich.


Flowfalls
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Beitrag Di., 08.05.2018, 13:58

Habe ich auch oft gemacht. Aber es hat mir nicht geholfen. (nicht abgeschickte) :dunno:

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Samupijo
neu an Bo(a)rd!
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Beitrag Di., 08.05.2018, 14:09

Solch eine Aufgabe hatte ich auch.
Möchte dir nur raten, die Briefe so zu schreiben, als würdest du sie nicht abschicken - mit dem Gedanken, dass du sie ihnen dann vielleicht schickst, hältst du dich vielleicht auch mehr zurück. Also schreib dir einfach alles von der Seele, egal ob gut oder schlecht (obwohl man ja grad in der Therapie immer hört: es gibt kein Gut oder Schlecht).
Ich wusste damals auch nicht recht, was ich schreiben sollte - hab mich dann von dem Gedanken gelöst, dass sie diese Briefe jemals zu Gesicht bekommen und dann lief es wie von selbst, obwohl ich selbst jetzt auch noch viel mehr und anders schreiben würde als damals ;-) (ich hab das irgendwie wirklich wie eine Hausübung/Aufgabe behandelt und hab mich da nicht wirklich hineinversetzen können - aus jetziger Sicht gesehen).
Meine Briefe musste ich nicht abschicken - hab sie in der Therapie vorgelesen (auch nicht alle beide und auch nicht alles) und danach verbrannt ;-)
Alles Gute für dich
Samupijo

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Montana
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Beitrag Di., 08.05.2018, 15:04

Als Aufgabe würde ich sowas nicht akzeptieren und vorlesen würde ich sie auch nicht. Etwas so intimes kann man nicht als Hausaufgabe aufgeben und die Preisgabe verlangen. Mich wundert, dass manche Therapeuten das tun. Als Vorschlag und Anregung, ja. Aber bitte mit der Option, das auch ablehnen zu dürfen.


Flowfalls
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Beitrag Di., 08.05.2018, 17:25

Das finde ich auch. (Montana)

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