'Gemeinschaftsgefühl'- Alfred Adler

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Ephraim
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"Gemeinschaftsgefühl"- Alfred Adler

Beitrag Sa., 10.11.2012, 15:54

Hallo,

ich beschäftige mich im Moment etwas mit Alfred Adler, einem Zeit- und Berufsgenossen Freuds (später zerstritten) und seinen Gedanken zur menschlichen Psyche.

Beim teilweise intensiveren querlesen, kam für mich heraus, ein wesentlicher Bestandteil seiner Psychologie ist das "Gemeinschaftsgefühl" (in modernerer Sprache vielleicht "Zugehörigkeitsgefühl"?), sowas wie ein natürliches Korrektiv, etwas was verfremdet werden kann, aber richtig angenommen, auf den zu gehenden Weg führt.

Das prägnanteste Zitat von ihm dazu, die nächste Beschreibung, die ich fand, ist diese:

"Es (das Gemeinschaftsgefühl) ... bedeutet die Verwachsenheit mit unserem Leben, die Bejahung, die Versöhntheit mit demselben."

Ich kann mir darunter wenig vorstellen, bin kein Vereinsmensch, auch gern allein. Je mehr ich darüber nachdenke, desto öfter kommen mir mehr Gruppenmachtfaktoren in den Sinn, anstatt ein inniges, innewohnendes ~ Glücksgefühl.

Was würdet ihr darunter verstehen oder kennt jemand den Begriff vielleicht aus dem Studium, aus engerer Beschäftigung mit Adler?
"Sometimes we battle to protect someone, sometimes we battle to protect someones honor" Ichigo Kurosaki; Ich stelle keine rhetorischen Fragen

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Anne1997
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Beitrag Sa., 10.11.2012, 16:43

Hallo Ephraim,

eine interessante Frage! Danke!

Mögliche Antworten könnten so aussehen:

Der Begründer der Individualpsychologie Alfred Adler meinte damit etwas, was heute durch die moderne Hirnfoschung mehrfach belegt ist: der Mensch kann nur in Gemeinschaft reifen und werden; als Baby, Kleinkind ist er sogar existentiell auf Gemeinschaft angewiesen (vgl. die Entdeckung der Spiegelneurone, Literatur von Damasio, Geradl Hüther, Gerhard Roth, Manfred Spitzer).

Menschwerdung ist Beziehung, Auseinandersetzung, Bindung, Loslösung, Eingehen von neuen Bindungen. Der Mensch ist also ein soziales, auf "Rückkoppelung", Rückmeldung etc. angewiesenes Lebewesen.

Nach Untersuchungen Adlers erkranken isolierter lebende Menschen mehr oder sterben früher als Menschen, die wenige, aber tragende Kontakte haben (es geht ihm nicht um "Vereinsmeierei" - obwohl Studien belegen, dass "Vereinsmenschen" tragendere Netzwerke haben (bei allen auch vorhandenen Missbrauchsmöglichkeiten).

"Mit dem Zärtlichkeitsbedürfnis des Kindes hatte Adler lange vor John Bowlby und Harry Stack Sullivan die lebenslängliche zwischenmenschliche Bedürftigkeit des Einzelnen herausgearbeitet. Moderne Säuglingsforschung, Motivationstheorien und klinische Forschung bestätigen dies ebenso wie das folgende Zitat: „Wir alle brauchen Anerkennung von Außen. Wir messen unseren Erfolg an den Reaktionen anderer Menschen, und ohne das Gefühl, in der Gemeinschaft eine sinnvolle Aufgabe zu erfüllen, fehlt uns die Verankerung im mitmenschlichen Kreis. Unser Bedürfnis nach Anerkennung entspricht unserer Natur als Gemeinschaftswesen.“ (Quelle: Wikipedia - Gemeinschaftsgefühl).

Wo Licht ist, zeigt sich natürlich auch der von Dir aufgezeigte "Schatten": Unterdrückung des Individuums im Kollektiv, Machtmissbrauch, sich gegenüber Gemeinschaft(en), Symbolen usw. klein und unbedeutend fühlen (in D z.B. als Folgen des Dritten Reiches).
Für Adler ist deshalb zentral wichtig, dass sich Individualität und Gemeinschaft nicht gegenseitig ausschließen. Hier zeigt sich die in allen psychologischen Theorien vorhandene Polarität, Ambivalenz etc.

Vielleicht können Dir diese Links noch weiterhelfen: Gemeinschaftsgefühl und Altruismus bei Alfred Adler und heute bzw. dieser zur Persönlichkeitstheorie bei Adler.

Zur "Verwachsung", Bejahung, Versöhntheit mit dem Leben (etc.) gehören -für mich- neben Menschen auch die Umwelt, die Natur, die Zeit, das "Sein", das Universum etc. (je nach Weltanschauung) dazu. Dieses -in allen seinen Widersprüchen (z.B. Wachstum-Zerstörung, Leben-Sterben usw.)- anzunehmen ist kein leichter und ein wichtiger (Lebens-) Prozess und immer im Fluss.
Die Frage ist natürlich auch, wie Du selbst Gruppe und Gemeinschaft erlebt hast, welche Erfahrungen Dich prägten; gerne Alleinsein schließt Gemeinschaftssinn/-gefühl nicht aus (erlebe dies selbst so), bedingen sich auch gegenseitig.

Weiß jetzt nicht, ob ich Dir irgendwie weiterhelfen konnte, da Du ja wohl schon einiges gelesen hast, für mich war das Schreiben gerade hilfreich ,
herzlichen Gruß,
Anne

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Ephraim
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Beitrag Sa., 10.11.2012, 20:54

Ja, danke, mit den Links brauch ich noch eine Weile, bis ich sie bearbeitet habe.

Mir ist vorhin, beim quersuchen etwas in die Finger gerutscht:

"Adler baute sein gesamtes Gedankengebäude auf eine ebenso alte wie grundlegende Erkenntnis auf, nämlich, dass der Mensch ein soziales Wesen ist. Diese Einsicht wurde so oder so ähnlich in der Geistesgeschichte schon unzählige Male formuliert, doch erst Adler erkannte, dass die Eigenschaft des Menschen, ein soziales Wesen zu sein, nicht ein Merkmal unter vielen ist, sondern der Dreh- und Angelpunkt der menschlichen Existenz. Und dass er damit zwangsläufig auch der Dreh- und Angelpunkt der Psychologie sein muss
...
Eine zentrale Frage, ja die zentrale Frage überhaupt, ist für jeden Menschen die nach seiner Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft und nach seinem Platz in dieser Gemeinschaft. Jeder Mensch kennt das Gefühl, sich in einer Gruppe nicht akzeptiert und zugehörig zu fühlen. Und er weiß aus eigener Erfahrung, dass er in solchen Situationen nur ein Schatten seiner selbst ist. Wir sind dann gehemmt und angespannt bis zur Verkrampfung, wollen besonders gut sein und haben zugleich Angst, etwas falsch zu machen oder durch ein falsches Wort noch mehr Ablehnung auf uns zu ziehen. Selbst unser Gehirn scheint in solchen Situationen nicht mehr richtig zu funktionieren. Wie der Individualpsychologe Theo Schoenaker in umfangreichen Befragungen herausgefunden hat, sagen viele Menschen, dass sie sich in solchen Situationen nicht nur – im doppelten Sinn des Wortes – schlecht fühlen, sondern auch dumm!
Dagegen blühen wir auf, wenn wir uns zugehörig, akzeptiert und geschätzt fühlen. Dann geht es uns gut, wir sind entspannt, kommunikativ, ideenreich und klar in unseren Aussagen.
...
Dieses Gefühl der Mitverantwortung für die Gruppe, der man sich zugehörig fühlt, nennt die Individualpsychologie das "Gemeinschaftsgefühl".
...
vielmehr ist es durchaus erreichbar, dass sich alle Teammitglieder akzeptiert und zugehörig fühlen."

http://www.umsetzungsberatung

(Interessanterweise Wirtschaftspsychologen)

Ist mir eben noch durch den Kopf gegangen, auf mich wirkt die direkte Vernüpfung von "Zugehörigkeit" und "Akzeptanz" merkwürdig.

Wenn ich "Akzeptanz" mit Respekt, Wertschätzung übersetzte, dann ist es etwas, was ich jedem entgegenbringe, oder mich darum bemühe. Auch etwas, was jeder verdient und wo ich nicht in der Position wäre, das einem zu gewähren oder zu verweigern, vielmehr verpflichtet dazu bin.

Und wenn es besteht, Akzeptanz (= Wertschätzung), fühle ich mich nicht in einer festen Beziehung mit der Person, ich meine damit, ich habe keinen Anteil an deren Privatheit, was für mich irgendwie "zugehörig" ausdrückt, wir "gehören" zueinander.

Das ist für mein Verständnis, weit von kollegialem Verhalten, an einem Strang ziehen, mit mehreren an einer Sache, daraufhin arbeiten, entfernt.
Von Menschen, die mir auf der Straße begegnen, erst recht.

Teilweise sehe ich es als Emanzipation, Reife sich von "Gemeinschaft/en" entfernen zu können.

Ist die Frage wieweit Winfried Berner mit der obigen Website für die heutige Adler-Rezeption steht.


Zeit, Sein, Universum miteinzubeziehen hört sich sehr viel für mich an. "Versöhntheit" ist ein wunderschönes Wort.

So, wie du Begriffe damit verbindest, klingt es stärker nach Schicksals-Ausgeglichenheit, Akzeptanz. Ist doch mehr ein abstrakter Rahmen. "Wachstum-Zerstörung" würde ich nicht direkt mit "Gemeinschaft" assoziieren.

Das ist mglw. zu negativ konnotiert, aber mir sind kaum prägnantere Beispiele eingefallen, z.Z. suche ich das GG mehr hier http://ultras-ge.de/wordpress/wp-conten ... RBY/02.jpg

Die innige, intime Beziehung (z.B. Mutter-Kind, im Idealfall, oder auch Freundschaften) würden ja nicht dazu zählen, sind da dann das Zärtlichkeitsbedürfniß, das grenzt Adler doch dezidiert vom Gemeinschaftsgefühll ab (nicht das beides nicht aufeinander wirken würde, aber daß es zwei Dinge sind die unterschieden werden müssen).
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Beitrag Di., 07.05.2013, 13:18

Ich lese auch gerade Alfred Adler, derzeit sein Werk "Über den nervösen Charakter", und kann sagen, dass Adler darin hilfreich die Mechanismen des Zwanghaften beschreibt. Er nennt den eigentlichen Antrieb des nervösen Charakters in der Einleitung auch selbst Zwang, mit dem Zweck der Kontrolle, dem Willen zur Macht, um sich nicht ohnmächtig zu fühlen. Ich erkenne mich wirklich wieder und bin begeistert von Alfred Adler. Ich las schon früher etwas zu ihm und konnte mich erinnern, dass er im Prinzip das Thema des Zwanghaften besonders gut auf den Punkt bringt. Deshalb bestellte ich gleich sein Hauptwerk.
Lieben Gruß
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Beitrag Mi., 08.05.2013, 01:21

Ein besonders gut herausgearbeiteter Satz aus Alfred Adler/Über den nervösen Charakter S.7:

Das Gefühl des schwachen Punktes beherrscht den Nervösen so sehr, dass er, ohne es zu merken, den schützenden Überbau mit Anspannung aller Kräfte bewerkstelligt. Dabei schärft sich seine Empfindlichkeit, er lernt auf Zusammenhänge achten, die anderen noch entgehen, er übertreibt seine Vorsicht, fängt am Beginne einer Tat oder eines Erleidens alle möglichen Folgen vorauszuahnen an, er versucht weiter zu hören, weiter zu sehen, wird kleinlich, unersättlich, sparsam, sucht die Grenzen seines Einflusses und seiner Macht immer weiter über Zeit und Raum zu spannen, - und verliert dabei die Unbefangenheit und Gemütsruhe, die erst die psychische Gesundheit und Tatkraft verbürgen.
Lieben Gruß
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Beitrag Mi., 08.05.2013, 04:17

Ephraim hat geschrieben:Ist mir eben noch durch den Kopf gegangen, auf mich wirkt die direkte Vernüpfung von "Zugehörigkeit" und "Akzeptanz" merkwürdig.
Auf mich auch.
Akzeptanz ist passiv besetzt - leben und leben lassen - was Isolierung nicht ausschließt.

Gemeinschaftsgefühl hat eine starke aktive Facette, die auch mit der selbstverständlichen und freiwilligen Übernahme von Verantwortung und Pflichten zu tun hat.

Es gibt übrigens eine Anekdote über Adler, die für mich das Wesen der Therapie zusammenfasst.
Zu Adler kam ein unglücklicher junger Mann, der sehr darunter litt, keine Partnerin zu finden. Das Problem beherrschte ihn und trieb ihn zur Verzweiflung. Er schilderte es so: "Die Frauen, die ich will, wollen mich nicht - die Frauen, die mich wollen, will ich nicht"
Adler sah ihn an und fragte trocken: "Und finden Sie das in Ordnung?"
"Nein!" rief der junge Mann
"Na also!", sagte Adler und ging.

Fazit: Wenn du das Problem erkannt hast, liegst an dir, und nur an dir, die Dinge zu ändern.
Alles ist gut, wenn es aus Schokolade ist.

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Beitrag Mi., 08.05.2013, 07:27

Dieses "Gemeinschaftsgefühl" setzt Alfred Adler gegen das neurotisch überhöhte "Persönlichkeitsgefühl". Oder anders gesagt: Nimm dich nicht so wichtig. Es geht auch ohne dich.

Auch als Chance, nicht das Gefühl haben zu müssen, überall gleichzeitig sein zu müssen, dass eine Lücke irgendwann durch einen anderen gefüllt wird, dass es auch ein DU gibt, das agiert, dass es da eine Gemeinschaft gibt, die irgendwo auch auffängt, es also diesen Sicherheitsapparat des Neurotikers im übersteigerten Ausmaße nicht braucht.
Lieben Gruß
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Ephraim
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Beitrag Do., 09.05.2013, 07:55

Ratlosigkeit hat geschrieben: Akzeptanz ist passiv besetzt - leben und leben lassen - was Isolierung nicht ausschließt.

Gemeinschaftsgefühl hat eine starke aktive Facette, die auch mit der selbstverständlichen und freiwilligen Übernahme von Verantwortung und Pflichten zu tun hat.
Ich bin öfters auf Spielplätzen um etwas Sport zu machen (rücksichtsvoll, nicht dominant; Kinder haben immer Vorfahrt).

Neulich war ich an einem, habe meine Sachen gemacht am Rande mitbekommen, daß ich ein paar Kinder in die Haare kriegten, nicht leicht beleidigt und schmollend, tiefer, ernster, verletzter.

Den Anlaß habe ich nicht gesehen, mir fiel es auf, als ein Junge aus einem Unvermögen sich anders zu helfen sehr gehässig "Ich geb dir auf die Fresse!" immer wieder wiederholte. Vom Stimmungseindruck her meine ich er war verletzt, gedemütigt, wahrscheinlich zu recht (auch wenn in diesem Thema es grundsätzlich verschiedene Standpunkte gibt; aus meinem Blickwinkel),das Milieu war eher ein finanziell gut gestelltes.

Das Hick-Hack ging weiter, die anderen Kinder, drei, zogen ihn weiter damit auf, er könne nichts dagegen machen, du bist blöd, er wurde eindringlicher.

Irgendwann dachten die Mütter (der "hackenden" Kinder) sie müßten eingreifen, von wegen "auf die Fresse" und stellten sich demonstrativ machtbewußt zu dritt (3 Erwachsene) gegenüber dem Jungen hin und sagten (so ungefähr): "Na, da wirst du aber ganz schön Probleme haben, wenn du dich mit uns allen schlagen willst." und lachten sich dabei gegenseitig zu.

Ich war sehr konsterniert und etwas bestürzt, daß es überhaupt kein verständnis für die Motivation der Vorgönge oder auch den Ansatz erstmal alle zu beruhigen gab, sondern gleich ein absolutes Machtverhältniss hergestellt wurde.
Wäre ich in näherer Beziehung gewesen, hätte ich zuerst gefragt was los sei, erst bei einem, dann anderen, dann weiter.

Der Punkt ist, der Junge konnte nichts mehr machen, was sollte er auch schon tun, seine Mutter, glaube ich, war noch mit anderen Kindern da und wollte sich lieber raushalten, sich es nicht mit tonangebenden Mütter auf diesem Spielplatz verscherzen.


Da vollzog sich eine Isolierung ausgelöst durch ein enger zentriertes (die eigene Familie + Freunde; nicht die gesamte Spielplatz-Gemeinschaft) Gemeinschaftsgefühl, eben auch dadurch, daß keine Verantwortung übernommen wurde (hängt jetzt davon ab, wie man Verantwortung bestimmt, ich meine als Erwachsener körperliche Überlegenheit genüber einem Kind auszuspielen und nur die eigenen Leute, ungeachtet der Ursachen, zu schützen, bzw. zu Machtpositionen zu verhelfen, zählt nicht zu Verantwortung.).


Ich habe nichts gemacht, das mit Absicht. Etwas zu sagen wäre zu aufdringlich gewesen, ich habe mit meinen Übungen aufgehört, durch meine Haltung ausgedrückt, hier ist ein Mißstand, ich werde nicht einfach so weitermachen. als wäre nichts geschehen.
Der Junge beruhigte sich, als er das mitbekam, die Mütter schämten sich, ich bin dann gegangen.


Das, finde ich, war Verantwortung übernehmen, ich mische mich ein, so wie es angemessen geht, bei Themen wo es zwingend nötig scheint.
Das hat aber auch nur gewirkt, weil ich eine Gemeinschaft dezidiert verlassen habe.

Muß dazu sagen, es hätte die Möglichkeit bestanden mit den Müttern näher in Kontakt zu kommen, fanden den Sport ganz gut; weiß nicht ob, falls ein engerer Kontakt dagewesen wäre, ich es auch getan hätte, vielleicht hätte ich dann auch nur unangenehm berührt zur Seite geschaut.
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Beitrag Do., 09.05.2013, 07:57

in dem Kontext noch habe ich an einer anderern Stelle im I-Net was dazu geschrieben, es paßt ganz gut, finde ich, bin zu faul es zu übersetzen (das Oberthema war, "Do children belong to the community?", in dem weitesten Sinne, wie "belong" verstanden werden kann):

"When it was still snowy, I came along two boys, I guess 7 and 5 years old, beneath a frequented road, who throwing snowballs at passing cars.

I told them to stop, their playing could cause an accident, I was straight "What you do is not good, stop it", but left it at this point. I was not giving them a roasting, they stopped and I wanted to get along, but the elder buttenholed me.
At first denying what was obvious, then changing the subject, all with the intention to get me in a "Small-Talk-mood", where you keep a kindness-level, to , in this particular situation, avoid the feeling of being rebuked.

In this case the kid used, I would say, a community sense, to escape his responsibility.


Another Situation, in a bus.

Three boys (~7,8) were jostling each other, the biggest overthrowing the smallest, enjoying his strength, all in a friendship-zone, but at the edge of defining strength-roles (who is the leader, who has to obey, within limits).

From my perspective, it was a little bit to much, I am sure the other passengers felt the same way, but no one wanted to say something. I paused and said calm "relax", then went on.

It perplexed me, the boys reacted, the strong loosing grip, the smaller exhaling. They accepted that before it got too far stretched and were now more conscious and careful.

What important is, they alloted me authority, for them at this time, I was in charge. There I drew back, kept distance, first of all, because I dont wanted to command them, but it implied also that they can handle the situation now for themselves.
They knew this was too much, too offensive, now they know how to handle, and fine.

In this example the understanding of belonging (commanding) would have not given them the space comprehend themselves as self-responsible.


In a shop a liitle girl, around 4 years old, did not got what she wanted and started to cry desperately. the wanted object was a sandwich, the mother forbad with the words: "And white bread we will not eat at all!". She was too hard, in my view, somehow technocratic.

I cared but did not intervened. I tried to sympathise with the girl, but not to the extent that I would interfere with the mothers position.

It did not helped, she was crying and crying.

Only the saleswoman, when the couple arrived at the checkout, was able to calm her, by, I am not sure how she really made it, getting in ~"direct sympathetic connection", which I would have considered for myself as being to bothersome. But it worked well.

There a influential (sense of) community was helpful."
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Ephraim
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Beitrag Do., 09.05.2013, 08:00

Wäre "Isolierung" für dich, @Ratlosigkeit, ein legitimer Vorwurf, also wenn jemand zu dir käme und sagen würde: "Ihr beachtet mich nicht genug, was soll das?" fändest du es verständlich, oder würdest genauso handeln?

So wie ich mich an "Gemeinschaftsgefühl" (ich habe immer noch nicht Adlers Begriff darunter verstanden)
herantaste, hat es einiges mit Nähe zu tun, auch Genuß, Wohligkeit.
Aber mir ist aufgefallen, wenn ich mich mit anderen darüber unterhielt, daß öfters eine ~"Korrektheit" hervortrat.
Ich fragte nach einem (mglw. intrinsischen) innigem Gefühl ("Wie fühlst du dich wenn ihr zusammen seid? Was fehlt dir, wenn nicht?"), zur Antwort kam (ich weiß, es hört sich, verschroben an, war aber so) ~"So macht man das richtig./ Das gehört sich so".

Würdest du zusammensein, miteinander Zeit verbringen als Pflicht ansehen?


elana hat geschrieben:Dieses "Gemeinschaftsgefühl" setzt Alfred Adler gegen das neurotisch überhöhte "Persönlichkeitsgefühl". Oder anders gesagt: Nimm dich nicht so wichtig. Es geht auch ohne dich.

Auch als Chance, nicht das Gefühl haben zu müssen, überall gleichzeitig sein zu müssen, dass eine Lücke irgendwann durch einen anderen gefüllt wird, dass es auch ein DU gibt, das agiert, dass es da eine Gemeinschaft gibt, die irgendwo auch auffängt, es also diesen Sicherheitsapparat des Neurotikers im übersteigerten Ausmaße nicht braucht.
Welche Textstellen siehst du bei Adler, die das GG nach "Nimm..." definieren?
Stimmst du ihm da zu?

Ist mir jetzt nicht ganz klar, ob du Adler interpretierst, oder deine Ansicht darstellst, ich nehms mal als letzteres.

Verstehst du es als ein Affront, wenn sich jemand zu wichtig nimmt? Was heißt das genau, bzw. wann verhält sich jemand so? Wäre ich das, bei den oben genannten Beispielen?

"Es geht auch ohne dich." klingt etwas wie eine absichtliche Verletzung, "Siehst du, wir brauchen dich nicht.", wenn von einem anderen, nicht einem selbst, ausgesprochen.

Man könnte es ja auch als einen Zug des "nervösen Charakters" sehen, daß Gefühl zu haben, eine Lücke zu hinterlassen. Käme darauf an in welchen Zusammenhängen, ob bei der Arbeit oder in der Familie.

Spielst du mit "Lücke" auf einen fehlenden Partner an? Fände ich zuweit von GG entfernt, auch bei Adler, mehr beim Zärtlichkeitsbedürfnis, denke ich.

Der Sicherheitsapparat des Neurotikers wird durch die Gemeinschaft ersetzt (weil diese auffängt)?
Kannst du ein Beispiel für aufgefangen-werden nennen?

Ehrlich gesagt, ich steige nicht ganz hinter "überall gleichzeitig sein" und "agierendes DU", kannst du das noch näher beschreiben, an konkreten Erlebnissen?



Adler gibt es komplett hier

http://www.textlog.de/alfred-adler.html

Edit: alles, außer "über den nervösen Charakter""
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Beitrag Do., 09.05.2013, 09:15

Hi Ephraim,
ich glaube, es hakt bei der Definition von "Gemeinschaftsgefühl" bzw. "Gemeinschaft". Adler meint damit die gesamte Menschheit, alle Lebewesen, die sich durch ihr Sein und Verhalten als Menschen definieren. Das hat nichts mit Gruppen innerhalb dieser Gemeinschaft zu tun (die man natürlich auch als Gemeinschaften bezeichnen kann - ist ein Begriffsproblem).

Am besten wird das in Adlers "Der Sinn des Lebens" beschrieben - der Inhalt ist kurz gesagt: Das Leben hat keinen Sinn per se. Erst durch unser Dasein als Menschen können wir ihm (durch Handeln und Verhalten) einen Sinn geben, dadurch dass wir Aufgaben übernehmen, die für die gesamte Gemeinschaft - und damit indirekt auch für uns selbst - Sinn machen. Anders gesagt: einen Platz unter allen anderen finden.

Dieser Platz bringt natürlich sowohl Rechte als auch Pflichten mit sich - heute nennt man das "Teamfähigkeit" im allerweitesten Sinne. Diese ist nicht bei allen gleich stark entwickelt/vorhanden und besonders Kinder lernen das erst im Zuge ihrer Entwicklung.
Natürlich kann es je nach Situation "teamfördernder" sein sich einzumischen oder sich rauszuhalten. Stellt man sich in Deinem Beispiel mit dem Spielplatz die Frage: Um was ging es da eingentlich wirklich? - wäre meine Antwort (auf Adler basierend): darum, dass alle miteinander auskommen und es friedlich zugeht (die Gemeinschaft funktioniert). Das kann auf unterschiedliche Weise erreicht werden - und zwar von jeder der beteiligten Personen (auch den Kindern). Das Raushalten kann dabei ebenso richtig (oder falsch) sein wie das Einmischen, weil beides der Gemeinschaft zuträglich sein kann. Wichtig ist, dass bei den Beteiligten das Gemeinschaftsgefühl die Motivation zum Handeln ist und nicht das "Recht behalten, sich durchsetzen, den andern fertig machen, gewinnen".
Alles ist gut, wenn es aus Schokolade ist.

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Ephraim
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Beitrag Do., 09.05.2013, 09:31

Findest du, ich habe mich falsch verhalten?
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Beitrag Do., 09.05.2013, 09:48

@Ephraim

Ich zitiere Alfred Adler/Über den nervösen Charakter S. 25:

Der neurotische Anfall endlich, dem Kampf um die Macht vergleichbar, hat die Aufgabe, das Persönlichkeitsgefühl vor Herabsetzungen zu bewahren. Aus der resultierenden Haltung eines Angreifers oder Angegriffenen erwächst dem Nervösen der Eindruck einer besonderen Feindseligkeit des Lebens. Seine Einfügung in die Gemeinschaft ist fortan gehindert,

Ich kann Dir das Buch sehr empfehlen. Alfred Adler erörtert dort in aller Breite die Zusammenhänge zwischen Minderwertigkeitsgefühl, dem daraus kompensierenden Sicherheitsbedürfnis in allen Lebensbereichen (Macht, Kontrolle) und der Aufwertung des Persönlichkeitsgefühls, das dem Gemeinschaftsgefühl entgegensteht. Typische Leitlinien des Nervösen: "Wo warst Du denn, als man die Welt verteilet!" (S. 19) und "Gewissenhaft bin ich auch! (S. 19) u. v. m.

Es ist unmöglich, das alles zu zitieren, es ist unglaublich satt geschrieben, man kann fast jeden Satz anstreichen. Das Buch ist sehr ergiebig.
Lieben Gruß
elana

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Beitrag Do., 09.05.2013, 10:07

Ephraim hat geschrieben:Findest du, ich habe mich falsch verhalten?
Wenn die Frage an mich geht - "falsch" in Bezug auf was?

Wie beurteilst Du es selbst: Hast Du durch dein Verhalten (wie immer es war) die Situation verschlimmert, verbessert oder gar nicht beeinflusst? Je nach dem, welche Auswirkungen dein Verhalten hatte, war es "richtig" oder "falsch", ganz egal wie es konkret war.

Und worum ging es Dir persönlich in der ganz konkreten Situation? Um Dich? Um die anderen beteiligten Personen? Oder um die Situation als ganzes, die Interaktion zwischen allen?
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Beitrag Do., 09.05.2013, 10:18

Ephraim hat geschrieben:Findest du, ich habe mich falsch verhalten?
So wie Du das erzählst von den Reaktionen her, war Deine Reaktion passend.
Lieben Gruß
elana

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