F60.9 Persönlichkeitsstörung, nicht näher bezeichnet

Fragen und Erfahrungsaustausch zu Persönlichkeitsstörungen und Schizophrenie, Bipolaren Störungen ('Manisch-Depressives Krankheitsbild'), Wahrnehmungsstörungen wie zB. Dissoziationen, MPS, Grenzbereichen wie Borderline, etc.
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Mondherz
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F60.9 Persönlichkeitsstörung, nicht näher bezeichnet

Beitrag Fr., 30.03.2018, 11:13

Hallo Ihr,

ein Bekannter (22) von mir, hat diese Diagnose erhalten. Er hat quasi von Kleinkindalter an, diese Auffälligkeiten (kann nicht oder nur schlecht Emotionen zeigen, meistens immer gleich bleibender Gesichtsausdruck, sozial komplett zurück gezogen, hat nie Freunde gehabt, keine Freundin, hält an gleichen Tagesablauf fest, kann Ziele nicht verfolgen, schafft es nicht Abi/Ausbildung durch zu ziehen. Ist dabei aber hoch intelligent. Nicht aggressiv. Die Narz. PS kann man ausschließen. Klaut nicht, quält nicht. Asperger Autismus wurde ausgeschlossen.

Er braucht Hilfe, das ist klar.

Ich habe zu der Diagnose ein paar Fragen:

1. Was könnten die Ursachen sein?
2. Wie stehen die Chancen auf einen Grad der Behinderung?
3. Welche Therapieform wäre hier angebracht?
4. Welche Unterstützung kann ihm die Familie geben?

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Mondherz
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Beitrag Sa., 31.03.2018, 18:44

Hat hier niemand Erfahrung oder Infos dazu?

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Kaonashi
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Beitrag Sa., 31.03.2018, 19:24

Persönlichkeitsstörungen prägen sich normalerweise erst im Lauf des Heranwachsens aus und werden dann im Erwachsenenalter diagnostiziert. Auffälligkeiten im Kleinkindalter liegen meines Wissens nach nur vor, wenn entweder eine angeborene Störung vorliegt, oder wenn im Baby-Alter schon starke Vernachlässigung vorlag. Beispielsweise haben schon Kleinkinder Auffälligkeiten, die als Baby gequält oder nicht beachtet wurden. Letzteres kann auch der Fall sein, wenn die Mutter nach der Geburt starke Depressionen hatte und sich nicht um das Kind kümmern konnte. Etwas derartiges müsste aber dann ja bekannt sein. Wenn in der Familie alles normal und liebevoll war, dann ist eine angeborene Störung (wie Asperger) wahrscheinlicher. Wegen dem Ausschluss von Asperger sollte hinterfragt werden, wer das ausgeschlossen hat. Ob es nur "irgendein" Psychiater oder Psychologe war, oder ob es bei einer darauf spezialisierten Stelle ausgeschlossen wurde. Im ersteren Fall wäre eine Zweitmeinung von einer spezialisierten Stelle eventuell sinnvoll. Im zweiten Fall wird es wohl zutreffen, dass kein Asperger vorliegt, dann muss man die Ursachen woanders suchen.

Die Therapieform ist davon abhängig, worauf der Betreffende seinen Schwerpunkt legen möchte. Bei der Verhaltenstherapie geht es hauptsächlich um den praktischen Umgang mit den jetzt bestehenden Schwierigkeiten. Bei der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie geht es mehr um die Aufarbeitung der Gefühle in der Kindheit. Oft wenden Therapeuten aber Elemente aus verschiedenen Therapieformen an, sodass es nicht unbedingt auf die Therapieform ankommt, sondern mehr auf den Therapeuten.

Die Unterstützung, die die Familie geben kann, ist hauptsächlich Akzeptanz. Das heißt, keine Vorwürfe machen und fragen, wieso die Person etwas nicht auf die Reihe bekommt, sondern eher Verständnis und falls es gewünscht ist, Hilfe anbieten (aber nicht aufdrängen).


shesmovedon
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Beitrag Sa., 31.03.2018, 19:25

Zum GdB: kommt darauf an, wie eingeschränkt er ist durch die Störung. Vielleicht, mit Glück, bekommt er einen GdB von 30. Denke nicht, dass er mehr bekommt mit dieser Störung. Aber da hat er ja auch schon beruflich Vorteile.

Die Therapieform: Das ist abhängig von seinen alltäglichen Problemen. Liegen die eher in Richtung Beziehung, würde eine TfP oder gar eine Analyse Sinn machen. Sind es eher umgrenzte Ängste, macht eine VT Sinn.

Keine Ahnung, ob einen die Familie bei sowas unterstützen kann. Ich denke, dass man ne PS meistens durch eine eher schwierige Familienkonstellation/-problematik bekommt. Aber ich denke, dass das auch einfach genetisch bedingt sein kann und weniger durch äußere Einflüsse getriggert. Wie es bei deinem Bekannten ist, kann dir hier natürlich niemand sagen, weil niemand ihn kennt.

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Mondherz
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Beitrag Sa., 31.03.2018, 20:01

Danke Kaonashi,

als Kleinkind hat er schon nie Emotionen zeigen können. Hat sich nie gefreut, über Geschenke. Mit Gleichaltrigen konnte er nie was anfangen, hatte deswegen als Kind und Jugendlicher nie einen Freund. Geschweige denn Freundin.

Ist wie gesagt hoch intelligent, braucht aber Stunden für alles. (Duschen, Besorgungen machen, etc.)
Die Mutter hat von zu Hause aus gearbeitet, war immer bei den Kindern. Depressiv war sie sicherlich, aber bewusst vernachlässigt hat sie die Kinder nie. Die Eltern haben viel mit den Kindern unternommen. Aber eben auch gestritten und sich dann später getrennt. Die Eltern waren zueinander schwierig, das war bestimmt keine liebevolle, heile Atmosphäre zu hause. Aber man hat sich für die Kinder sehr bemüht.

Asperger wurde von einer Klinik mit Asperger Ambulanz ausgeschlossen.

Schwerpunkt wäre wohl Aufarbeitung der Vergangenheit, dadurch besseres sich-selbst-verstehen und zugleich lernen, wie man den Alltag und eine Ausbildung bewältigen könnte.

Wie soll man da mit den Ämtern umgehen? Die nehmen doch keine Rücksicht auf eine PS. Wer nicht in das Getriebe passt, wird passend gequetscht.

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Mondherz
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Beitrag Sa., 31.03.2018, 20:08

Danke Schlendrian,

den GdB von 30 hat er schon erhalten, bevor diese Diagnose auf den Tisch lag. Die 30 hat er wegen Depression und nochwas. erhalten.

Die Beeinträchtigungen sind aber eh da. Er bekommt sein Leben nicht geregelt. Schafft keinen Abschluss, nichts. Er ist den ganzen Tag zu hause, von allen isoliert. Wohnt noch mit Mutter und Geschwister zusammen. Er nimmt am Leben nicht teil. Geht nicht raus, keine Freunde, nichts. Das nenne ich schwer behindert. Da muss doch mehr als 30 drin sein.

Gibt es irgendwelche Förderstellen für solche Fälle? Ich kenne mich da überhaupt nicht aus. Ich stelle mir so eine Förderung vor, dass er in irgendein Ausbildungszentrum für "Benachteiligte" unterkommen könnte. Ob es sowas gibt und wie sowas wohl heißen mag oder weiß jemand, wen man da fragen könnte?

Psychotherapeutensuche gestaltet sich ja auch ... langwierig. Irgendwie denke ich, dass niemand richtig hilft. Wie alt er muss er denn werden, ehe er mal eine Ausbildung anfangen kann?


shesmovedon
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Beitrag Sa., 31.03.2018, 20:25

Naja, es gibt das Berufsförderungswerk, darüber könnte er zum Beispiel eine Ausbildung machen. Die findet dann nicht auf dem 1. Arbeitsmarkt statt. Und dann halt mal googeln, was es vielleicht in der Nähe gibt. Wenn er so schwer eingeschränkt ist, dann wäre der 1. Arbeitsmarkt wahrscheinlich eh nichts für ihn und vielleicht eher die Behindertenwerkstatt. Wobei das halt schwierig dort ist, wenn man einigermaßen intelligent ist. Es gibt leider nicht viel zwischen 8 h Ausbildung im Berufsförderungswerk und Behindertenwerkstatt.

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Beitrag Sa., 31.03.2018, 21:55

ja danke, wir schauen mal was es da so gibt ...

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Kaonashi
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Beitrag Sa., 31.03.2018, 22:03

Was die Höhe des GdB angeht, da wäre vielleicht schon noch eine Erhöhung auf 50 drin, aber nur wenn er einen guten Psychiater hat, der einen entsprechenden Bericht für das Versorgungsamt schreibt. Dann kann ein Antrag auf Erhöhung des GdB gestellt werden, auch mit der Begründung, dass eine weitere Diagnose zusätzlich zur Depression vorliegt.

Dann könnte er auch, glaube ich, von der Reha-Abteilung bei der Agentur für Arbeit betreut werden und bekäme dort andere Angebote als vom Jobcenter.

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Mondherz
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Beitrag So., 01.04.2018, 06:28

Danke, ich gebe die Infos an die Familie so weiter.

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Plüschpony
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Beitrag Mo., 02.04.2018, 17:18

Hallo Mondherz,

ich habe gerade durch Zufall den Beitrag hier gefunden. Ich habe vor Jahren meine 1. Ausbildung in einem Berufsbildungswerk gemacht, aber aus gesundheitlichen Gründen abbrechen müssen - was auch an diesem speziellen Berufsbildungswerk lag ;) . Trotzdem halte ich Berufsbildungswerke (keine Berufsförderungswerke) für durchaus sinnvoll und sie können einem, vorausgesetzt man hat ein nettes BBW gefunden, den Weg in eine zufriedenere Zukunft ebnen.

Der Vorteil wäre eben, dass du dort auch psychologische, medizinische und pädagogische Unterstützung zusätzlich zu einer Therapie haben könntest und eben deine Ausbildung, mit Rücksicht auf deine Einschränkungen, machen könntest. Du kannst dir auch erst einmal verschiedene BBW's in der Umgebung anschauen und einen Termin vereinbaren um dir einen ersten Eindruck zu verschaffen.

​Es gibt auch Träger, die nicht direkt ein BBW sind, aber auch sogenannte Rehaausbildungen anbieten, die über die Agentur für Arbeit finanziert werden könnten, auch dort hättest du z.b. psychologische Betreuung, ebenso könnte vielleicht auch eine Ausbildung in Teilzeit etwas für dich sein? Man muss sich auf jeden Fall durchsetzen können und am besten wissen, welchen Beruf man ergreifen möchte und bei welchem Träger man dies erreichen möchte.

​Viele Grüße
Plüschpony

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Sinarellas
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Beitrag Mo., 02.04.2018, 22:48

Berufsförderungswerk ist eine äußerst feine Sache wenn man dort eine Umschulung macht. Am Ende IHk abschluß mit achtung auf die persönliche Problematik.
..:..

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Mondherz
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Beitrag Di., 03.04.2018, 06:15

Hallo Plüschpony und hallo Sinarellas,

das hört sich ja wirklich gut an. Darf ich noch fragen, ob die Berufswahl sehr eingeschränkt ist oder gehen die auch auf "Wunschberuf" (IT-Bereich) ein?
Und ist man dann eigentlich in den "Fängen" des Arbeitsamtes? Man liest ja so schreckliche Dinge wie Eingliederungsvereinbarung (die man nie unterschreiben sollte), Sanktionen und all sowas.
Ist dieses BFW wirklich auf Seiten der jungen Menschen oder geht es nur um Statistik beschönigen und am Ende landen alle in Zeitarbeitsfirmen?

(Ich frage mal so ganz naiv.)

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Plüschpony
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Beitrag Di., 03.04.2018, 16:05

Hallo Mondherz,

ein Berufsförderungswerk ist eigentlich nur für Menschen, die schon eine Ausbildung abgeschlossen haben und in ihrem Beruf nicht mehr arbeiten können aus den verschiedensten Gründen. Hier gibt es eine Auflistung der Berufsförderungswerke in ganz Deutschland https://www.bv-bfw.de/alltags-sprache/startseite.html. Die Qualität der Werke schwankt wie gesagt je nach Engagement der Ausbilder und allgemeinen Hilfsangebote (Psychologen, Pädagogen ect.). Auf jeden Fall sollte man sich vor der Entscheidung die Einrichtung ganz unverbindlich anschauen und Fragen stellen ;-) .

Es gibt in vielen Berufsbildungswerken den IT Bereich, also Berufe wie z.b. der Fachinformatiker mit dem Schwerpunkt Anwendungsentwicklung oder auch "nur" der System Elektroniker. Eine Auflistung der Werke findest du hier: http://www.bagbbw.de/. Ich kann sagen, dass die Agentur für Arbeit diese Ausbildungen finanziert und man nichts mit dem eigentlichen Jobcenter zu tun hat. Man hat auch einen Rehaberater in der Agentur, die sind noch mal anders spezifiert. Als erstes wird er wohl zum ärztlichen Dienst vom Arbeitsamt müssen und seine Belastbarkeit zu prüfen, dann gibt es die Möglichkeit in solch einer Einrichtung eine 4 wöchige Arbeitserprobung zu machen (auch in unterschiedlichen Bereichen, wenn gewollt). Danach kann eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme oder gleich die Ausbildung beginnen.

Es gibt aber auch noch andere Einrichtungen, die Ausbildungen für Behinderte anbieten - ebenfalls mit gültigem IHK Abschluss. Google mal nach etwas wie "Ausbildung für behinderte Menschen Stadt XY" oder auch nur "Rehaausbildung Stadt XY" in vielen dieser Einrichtungen kann man dann auch die Ausbildung absolvieren, die man gerne machen möchte. Es ist sinnvoll sich da durchzusetzen zur Not auch mit Attesten und Stellungnahmen von Psychologen o.ä. warum gerade diese Ausbildung und die Einrichtung notwendig ist.

Man unterschreibt übrigens keine Eingliederungsvereinbarung - das passiert meistens nur beim Jobcenter. Er bekommt während der BVB übrigens auch Ausbildungsgeld (ich glaube ca. 216€) und während der regulären Ausbildung (420€) + separates Geld für die Fahrkarte.

Es gibt wirklich tolle Werke, die sich engagieren, aber eben auch welche, denen das alles egal ist.
Das Deutsche Rote Kreuz Berufsbildungswerk in Berlin ist z.b. absolut nicht zu empfehlen, weil die Auszubildenden alleine gelassen werden mit ihrem Problemen und zum Teil auch grundlos zusammengeschrien wurden. Mit Menschen in Krisen kann man dort nicht umgehen und Mobbing untereinander ist an der Tagesordnung.

Einige meiner ehemaligen Kollegen sind recht zügig, 1-2 Monate in Arbeit gekommen, viele auch schon während der Ausbildung, durch Praktika zum Beispiel, aber es hängt auch viel vom Beruf ab. Die kaufmännischen Berufe haben keinen guten Arbeitsmarkt mehr, weil es entsprechend viele Menschen gibt.


shesmovedon
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Beitrag Di., 03.04.2018, 16:17

Beim Berufsförderungswerk kann man eine Erstausbildung ganz genauso machen, das weiß ich zufällig sehr genau, weil mir das schon vom Arbeitsamt nahegelegt wurde, da ich mein Studium bisher nicht abgeschlossen habe und schwerbehindert bin.

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