Ich finde, er übernimmt keine Verantwortung

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Ich finde, er übernimmt keine Verantwortung

Beitrag Do., 09.07.2020, 20:46

Mein Psychiater und ich haben eine Meinungsverschiedenheit.

Es geht um das Thema "Verantwortung übernehmen" Was versteht ihr darunter?

2 Situationen:

1. Ihr müsst eine OP machen und habt auch nach zwei Wochen immer noch aussergewöhnlich starke Schmerzen.
Ihr fragt euch, ob was bei der OP schiefgelaufen ist, vielleicht eine Komplikation, oder ob das doch noch normal ist. Ihr kontaktiert den Chirurgen. Wie sollte sich der Chirurg eurer Meinung nach verhalten?

2. Ein Arbeitskollege macht einige Änderungen im Projektordner seines Teams.
Am nächsten Tag meint eine Kollegin, du, die Zahlen in der Tabelle wirken irgendwie merkwürdig. Stimmt da schon alles?
Die Arbeitskollegin weiss nicht, dass der Arbeitskollege den Ordner am Vortag bearbeitet hat.
Es könnte sein, dass er was durcheinandergebracht hat. Wie sollte er sich eurer Meinung nach verhalten?

Ich bin sooo gespannt auf eure Antworten!!
Sag euch dann, worauf ich hinauswill :))

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Sinarellas
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Beitrag Do., 09.07.2020, 21:15

Der Chirurg würde an eine ambulante Praxis übergeben die für die Nachversorgung spezialisiert ist. Im Idealfall.
2 versteh ich nicht, wie sollte er der etwas durcheinandergebracht hat (ist dem nun so oder nur vermutung?) sich großartig verhalten. Entweder er sagt hupsi oder nö war ich nicht.
..:..

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Anna-Luisa
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Beitrag Do., 09.07.2020, 21:52

1) Die Nachsorge würde doch vermutlich ambulant oder im Rahmen einer Reha-Klinik durchgeführt werden. Da bräuchte ich kein Gespräch mit dem Chirugen. Der dortige Arzt könnte mir sicher sagen, ob die Art meiner Schmerzen normal ist - oder ob weitere Untersuchungen veranlasst werden müssen.

2.)Der Kollegin mitteilen dass der Kollege da gestern noch etwas bearbeitet hat. Vielleicht klärt es sich dadurch? Wenn der Kollege da ist, ihn fragen. Wenn nicht, nachrechnen, nochmals ausdrucken oder so.
Fordere viel von dir selbst und erwarte wenig von den anderen. So wird dir Ärger erspart bleiben.
(Konfuzius)

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Beitrag Do., 09.07.2020, 22:02

in beiden Fällen ist zunächst nicht klar:
Ist dem Chirurgen oder dem Arbeitskollegen ein Fehler unterlaufen oder nicht?
Und genau darum geht es mir: Wo fängt Verantwortung an?
Kann der Chirurg/Arbeitskollege einfach sagen: Na, wird schon passen, oder gehört es zu seiner Verantwortung, nachzuprüfen, ob ihm eh kein Fehler unterlaufen ist?

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montagne
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Beitrag Do., 09.07.2020, 22:31

Unter Berücksichtigung der eigenen Perspektive, der Perspektive der anderen, Sachzwängen für einen möglichst guten Verlauf sorgen, meinen Beitrag leisten bis der Prozess abgeschlossen ist. Das heißt für mich Verantwortung übernehmen.

Verantwortung tragen heißt aber auch Verantwortung abgeben, bevor es zu viel wird, eben weil man sich ha bis zum Abschluss der Sache verpflichtet hat und nicht nur solange wie man selbst kann oder will.
Verantwortung übernehmen heißt trotzdem sie nicht ungerechtfertigt auf andere abschieben. Es heißt immer ein Stück weit seine Bedürfnisse zurückzustellen, weil es eben nicht nach dem Lustprinzip geht.
Verantwortung übernehmen ist für mich jedoch kein Synonym für Fehler ausbügeln.

Ich glaube die Allergie, die viele dabei haben Verantwortung zu tragen ist in der Kindheit begründet, weil man Kindern sagt, sie müssen Verantwortung übernehmen und damit fast immer meint zu Missetaten stehen oder Fehler ausbügeln.
Statt dessen sollte doch Verantwortung in die Zukunft gedacht und das positive Ergebnis im Blick haben. Die Verantwortung für Erfolg trägt jeder gerne, aber das Wort kommt meist erst zum Einsatz, wenn Fehler und Misserfolg da sind.
amor fati

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Beitrag Do., 09.07.2020, 23:08

@montagne
ich bin schwer beeindruckt von deiner Antwort.

"immer ein Stück weit seine Bedürfnisse zurückzustellen, weil es eben nicht nach dem Lustprinzip geht"
genau.

Wie du sagst, im Prinzip ist der Begriff auf die Zukunft ausgerichtet.
Man übernimmt Verantwortung für eine bestimmte Aufgabe für einen bestimmten Zeitraum.
z.B. ich passe auf die Kinder bis 5 Uhr auf.
und was dann in dieser Zeit alles auftritt, da kümmert man sich dann drum. Kind weint, muss zum Arzt etc.
Man gibt eine Art Garantie ab, die besagt, ich kümmere mich bis dahin darum. Tja, blöd halt, wenn in der Zeit was Unangenehmes auftritt.

Mit deinem differenzierten Blick, wie würdest du dann die zwei Fallbeispiele beurteilen?
Zuletzt geändert von captcha am Do., 09.07.2020, 23:22, insgesamt 1-mal geändert.

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Sunita
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Beitrag Do., 09.07.2020, 23:13

@captcha ich kann leider nichts produktives zu deiner Frage beitragen und würde montagne in der Erklärung zustimmen.

Allerdings würde mich interessieren (sofern du es erzählen möchtest) inwieweit das auf deinen Psychiater bezogen ist?

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Beitrag Do., 09.07.2020, 23:47

Es ist ihm bei meiner Behandlung eine Komplikation passiert - das hab ich aber erst viel später begriffen.
Aber ich hab ihm damals gleich am Anfang deutlich mitgeteilt, dass es mir nicht gut geht damit - und ich finde, er hätte daraufhin seine Behandlungsweise überprüfen müssen. Hat er aber nicht, wodurch die negativen Folgen noch grösser gworden sind.
Und er sagt heute lapidar, er hat das nicht gewusst/gemerkt. Meine Name ist Hase, ich weiss von nichts.
Und ich finde, er übernimmt da nicht wirklich Verantwortung, weil wenn Verdachtsmomente auftreten, dass was nicht stimmt, gehört es in meinen Augen zur Verantwortung dazu, dass man dem nachgeht.


mio
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Beitrag Fr., 10.07.2020, 00:17

captcha hat geschrieben: Do., 09.07.2020, 22:02 Ist dem Chirurgen oder dem Arbeitskollegen ein Fehler unterlaufen oder nicht?
Ich würde sagen beide müssten erst mal nachfragen wie die andere Person darauf kommt dass da ein Fehler vorliegt bzw. wo sie den Fehler sieht oder was das ist das der anderen Person komisch vorkommt.

Und je nachdem wie die Antwort ausfällt prüfen, ob sie da auch einen möglichen Fehler erkennen können, können sie selbst keinen erkennen dann könnte man im Fall des Chirurgen einen weiteren Kollegen vorschlagen oder hinzuziehen damit sich das noch mal ein anderer Arzt anschaut, wobei da eben wirklich die Frage ist wer die Nachsorge betreut, das sehe ich auch so. Ich war durchaus auch schon bei den behandelten Ärzten/dem operierenden Operateur der Klinik zur Nachsorge, in dem Fall wäre das mein Ansprechpartner für mögliche Komplikationen. Ist für die Nachsorge jemand anders verantwortlich dann wäre erst mal die Person der Ansprechpartner. Erkennt man einen Fehler und kann ihn selbst korrigieren dann sollte der korrigiert werden. Erkennt man keinen dann sollte das erst mal jemand anders nochmal überprüfen und man das auch vorschlagen. Kann man ihn nicht selbst korrigieren dann sollte man dafür sorgen dass jemand anders ihn korrigiert.

Im Falle des Kollegen kann dementsprechend der wenn er selbst keinen Fehler erkennt die Kollegin bitten ihm zu sagen was genau ihr komisch vorkommt und sich das noch mal selbst genauer anschauen wenn er nachvollziehen kann dass ihr das komisch vorkommt und entsprechend nacharbeiten. Kann er es nicht nachvollziehen kann er ihr vorschlagen dass sie das selbst nochmal überprüft und ihr sagen dass es sein kann dass er da einen Fehler gemacht hat er aber selbst so keinen erkennen kann und deshalb ihre Hilfe braucht. Kann sie daraufhin den Fehler klarer benennen sollte er ihn meiner Meinung nach soweit möglich selbst korrigieren.

Nur weil jemand einen Fehler vermutet muss ja noch lange kein Fehler passiert sein von daher wäre ich vorsichtig mit zu viel vorauseilendem eigenem Aktionismus wenn ich keinen Fehler sehen kann sondern würde zu allererst diese Frage zu klären versuchen.

Also wo wird der Fehler vermutet? Kann ich da auch einen Fehler erkennen? Kann der mögliche Fehler konkretisiert werden? Was sagen andere zu der Annahme dass da ein Fehler vorliegt die sich mit der Materie auskennen? Kann ich selbst den Fehler korrigieren oder muss ich das an jemand anders weitervermitteln der den Fehler korrigiert?


mio
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Beitrag Fr., 10.07.2020, 00:57

captcha hat geschrieben: Do., 09.07.2020, 23:47 wenn Verdachtsmomente auftreten, dass was nicht stimmt, gehört es in meinen Augen zur Verantwortung dazu, dass man dem nachgeht.
Es kann aber auch passieren dass jemand das wirklich nicht erkennt bzw. so sieht nachdem er das für sich geprüft hat obwohl es sich im Nachhinein als Fehler herausstellt dass das verkannt wurde. Dann kann man sich eigentlich nur noch entschuldigen für den Fehler und schauen ob Schadenbegrenzung möglich ist.

Bzw. in der Situation in der das auftauchte halt vorschlagen sich doch noch mal eine andere Meinung einzuholen wenn man da mehr Sicherheit haben möchte. Mehr geht eigentlich nicht.

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Pinguin Pit
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Beitrag Fr., 10.07.2020, 04:05

Die Arbeitskollegin weiss nicht, dass der Arbeitskollege den Ordner am Vortag bearbeitet hat
Captcha, kann es sein, dass hier ein "nicht" zuviel ist? Nachdem Du die Sache nun aufgeklärt hast, kommt das mir so vor. Macht so nämlich sonst keinen Sinn.
Die Vergangenheit ist nicht tot - sie ist nicht einmal vorbei. (William Faulkner)

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Pinguin Pit
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Beitrag Fr., 10.07.2020, 04:22

captcha hat geschrieben:Aber ich hab ihm damals gleich am Anfang deutlich mitgeteilt, dass es mir nicht gut geht damit
captcha hat geschrieben:Und er sagt heute lapidar, er hat das nicht gewusst/gemerkt
mio hat geschrieben:Es kann aber auch passieren dass jemand das wirklich nicht erkennt bzw. so sieht nachdem er das für sich geprüft hat
Det Patient hat aber gesagt, dass was nicht stimmt, das hätte die Erkenntnis für den Arzt gewesen sein müssen bzw. wenn der Arzt abstreitet, es gewusst zu haben, kann er es nicht für sich geprüft haben.
Die Vergangenheit ist nicht tot - sie ist nicht einmal vorbei. (William Faulkner)

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Shukria
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Beitrag Fr., 10.07.2020, 06:45

An captcha,

Ich versteh nicht warum du nicht gleich dein Anliegen geschildert hast (das du findest das dein Psychiater keine Verantwortung übernommen hat).

Warum hast du das so kompliziert gemacht mit 2Geschichten dazu ausdenken und schauen was da bei rumkommt?
Ist doch schon sehr theoretisch. Was kannst du dir denn daraus für dich ableiten?

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Sadako
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Beitrag Fr., 10.07.2020, 06:47

Ich würde differenzieren zwischen: Verantwortung übernehmen im Sinne von ich erkläre mich zuständig, für eine bestimmte Angelegenheit zu sorgen (auf die Zukunft gerichtet) und ich erkenne an, dass etwas, was in meinem Verantwortungsbereich gelegen hat, schief gegangen ist und mein Handeln bzw. Nichthandeln hat dazu beigetragen (in Bezug auf die Vergangenheit)
Zweitens ist eine Art Schuldanerkenntnis und wird oft ritualisiert verwendet. „Ich übernehme die volle Verantwortung für...“

Zumindest im Fall der KnieOP wird sich der Arzt hüten, das zu sagen, weil wenn er nachweislich sagt: Ja, ich habe ihre Schilderungen nicht ernst genommen und deshalb haben sie zusätzliche Gesundheitsschäden erlitten, dann hast du gute Aussichten einen Kunstfehlerprozess gegen ihn zu gewinnen.


montagne
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Beitrag Fr., 10.07.2020, 07:49

Captcha, ich verstehe deinen Ärger, vllt. Verletztheit. Ich könnte dir 2 Beispiele nennen, einmal, weil ich genau so einen Fall nach einer OP hatte und auch hat meine Therapeutin nicht immer alles wahrgenommen, obwohl ich es doch gesagt habe. Wie nun damit umgehen?

Ich bezweifle jedoch, dass es vergleichbar ist.

Zum einen, solltest du einen bleibenden Schaden erlitten haben und damit einklagbare Forderungen bestehen, wird er sicher nichts zugeben, das unterschreiben Ärzte bei der Versicherung gegen Kunstfehler.

Ansetzen ja, wie geht man damit um?
Ich weiß von mir, dass ich mich psychischen Belangen früher, als ich noch nicht so weit war, wie heute, viel weniger gut ausdrücken konnte. Ich habe es doch gesagt... ja... aber es kam nicht an. Das kann ich heute sehen. Etwas sagen und etwas erfolgreich rüberbringen ist nicht immer das selbe.

Manchmal ist es hilfreicher von der Frage des Fehlers wegzugehen, hin zur Betrachtung der Dynamik. Gucken, wie konnte das passieren und gucken, was kann ich nächstes mal anders machen? Und auch mit ihm klären, aus der eigenen Sicht erläutern, was damals schief gelaufen ist. Das ist aber was anderes als Schuld- und Fehlerzuweisung.

Manchmal passieren Fehler ja und diejenigen, die sie gemacht haben, stehen nicht dazu. Ist blöd, aber kommt sicher oft im Leben vor und man selbst ist auch nicht frei davon.

Trotzdem finde ich, engt das ausschließliche Denken in der Kategorie Fehler ein. Weil man so natürlich weniger Raum hat die Dynamik und den eigenen Anteil zu betrachten. Denn man selbst tut sich ja auch schwer damit Fehler einzugestehen, so wie jeder halt, nur die einen mehr, die andere weniger.
amor fati

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