Umgang mit Wut und Frust

Das Leben ist wesentlich durch unsere Arbeit geprägt. Der Job kann jedoch auch Quelle von Ärger und Frustration sein, oder persönliche Probleme geradezu auf die Spitze treiben...
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opossum
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Umgang mit Wut und Frust

Beitrag Mi., 12.01.2022, 13:17

Hallo Community,

nach langer Zeit habe ich das Forum wieder gefunden und schreibe in der Hoffnung, dass es jemanden gibt, der mir mit eigenen Erfahrungen ein paar Schritte weiterhelfen kann - und das Schreiben tut ja auch schon gut.

Bin in folgender Situation gelandet:
nach 15 Jahren Support-Tätigkeiten wollte ich ein Stück weitergehen und in die Projektmitarbeit wechseln. Ich hatte schon immer wieder mal in einzelnen Projekten mitgearbeitet und gemerkt, dass mir das wirklich liegt und Spaß macht.
Also: Jobwechsel.
Der neue Arbeitgeber hat mir nicht verschwiegen, dass die Situation schwierig ist, aber es wurde mir zugesichert, dass daran gearbeitet wird, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen und die Dinge zu verbessern.
Von Anfang an habe ich klargestellt, dass ich keine Leitungsfunktion einnehmen möchte, da ich das auch schon mal versucht hatte und es mir einfach nicht liegt / ich damit überfordert bin.

Mit Ende Juli hat mein Vorgänger, der intern alleinverantwortlich für den Bereich gewesen ist, aufgehört, statt ihm wurden mit Anfang August zwei Personen eingestellt - ich war eine davon.
Die projektverantwortliche Person der externen Firma hat dann mit Ende August auch aufgehört, einer der Mitarbeiter hat die Agenden übernommen.
D.h. die beiden Personen, die das Projekt gestartet und schon teilweise umgesetzt hatten, haben beide aufgehört.
Mit dem neuen Team wollten wir neu durchstarten - seitens der verantwortlichen Personen wurde der Projektplan verändert, da der ursprüngliche Plan nicht haltbar war.
Es hat alles gut begonnen, die Einsicht in die Fehler war groß und es war wirklich der Wille da, die nächsten Schritte besser zu machen.

Und dann wurde im Herbst vom obersten Chef der organisatorische Projektleiter gekündigt (wegen persönlicher Differenzen) und mein neuer Kollege (der mit mir gemeinsam begonnen hatte) hat daraufhin gekündigt.

Somit bin jetzt ich intern alleinverantwortlich, wir haben keinen Projektleiter (ein neuer ist schon gefunden, wird aber erst Mitte / Ende Jänner starten) und ich muss alles koordinieren - das Beheben der Fehler, die bisher entstanden sind, die Kommunikation mit der externen Firma, ab Februar das Einschulen einer neuen Mitarbeiterin und die Vorbereitungen für die nächsten Projektschritte.

Und je mehr ich mache, umso mehr sehe ich, wie ungenau und schlampig im Projekt gearbeitet wurde.
Es sind so viele Fehler entstanden und die Anwender sind so frustriert.
Ich muss diese Fehler beheben, damit die Anwender weiter arbeiten können und muss den Frust der Anwender aushalten - auch wenn sie wissen, dass ich die Fehler nicht verursacht habe, stehe ich jetzt doch an der Position, die dafür verantwortlich ist...

Mein Chef ist super, er unterstützt mich, wo er nur kann - aber er ist fachlich nicht in meinem Bereich, sondern nur organisatorisch mein Vorgesetzter. Fachlich bin ich zur Zeit eben alleine.

Aber ich bin so wütend auf meinen Vorgänger und die projektverantwortlichen Personen.
Und mein Problem ist: Wut richtet sich bei mir nach innen.
Ich fühle mich traurig und deprimiert, weil ich die Wut nicht rauslassen kann.
Es fühlt sich blöd an, zu sagen: die sind schuld. Aber es ist nun mal faktisch richtig, dass sie unsauber gearbeitet haben.
Und es sind auch seitens der Fachabteilungen und der Vorgesetzten, die jetzt noch da sind, falsche Entscheidungen getroffen worden - aber mit denen muss ich noch zusammenarbeiten, deshalb "darf" ich nicht wütend sein auf sie.

Kennt jemand solche Situationen?
Wie seid ihr damit umgegangen?

Danke fürs Zuhören! Es hat gut getan, sich mal alles von der Seele zu schreiben!

LG,
opossum

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Waldschratin
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Beitrag Mi., 12.01.2022, 18:53

Hallo opossum,
ich kenn da eigentlich nur einen wirklich wirksamen Weg bei mir : Es in "Muskelarbeit" umsetzen und somit ausagieren durch körperliche Bewegung.
Das kann profaner Sport sein, oder ich mach was kaputt, was "erlaubt" ist. Bei kleinerem Frust z.B. Knetmasse, Männchen draus formen und dann mit der Faust plattmachen. Einen Luftballon zur Hälfte ausblasen, Gesicht drauf malen und dann kaputt knautschen. Ordentlich die fiesesten Schimpfwörter dabei raushauen, weil "Stimme geben" bei mir auch viel löst.

"Sozialverträglicher" ist da die Variante "Singen", schön laut und mit "Volumen", wahlweise gerne mal extra schräg und schrill. (Kann man ja als "künstlerische Freiheit" deklarieren.)

Wenn du einen Kamin und die Möglichkeit dazu hast : Holz hacken. Kannst du nebenbei noch anstehende Arbeit erledigen. ;-)

Oder : Anger Rooms, Demolition Rooms, Wuträume, Ausrasträume buchen und dort mal ganz legitim Dampf ablassen.

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opossum
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Beitrag Mi., 12.01.2022, 19:32

Liebe Waldschratin,

ja, schon im Schreiben ist mir klar geworden - die Wut muss ich irgendwie äußern, sonst frisst sie sich noch tiefer rein.
Ich hab jetzt schon körperliche Symptome (Magenschmerzen / -krämpfe) und schmerzhafte Verspannungen.

Bin aber noch nicht besonders geübt darin, Wut auszudrücken - es ist schon ein Fortschritt, dass ich dieses Gefühl überhaupt erkenne.
Bis vor kurzem hatte ich das immer als Depression und massive Selbstzweifel empfunden, was eigentlich Wut hätte sein sollen.

Vielen Dank für deine vielen Ideen!

Die Stimme der Depression in mir hat befürchtet, dass jemand mir sagt, ich solle doch Verständnis für die Ex-Kollegen haben und Frust & Ärger seien nicht gerechtfertigt...
Aber ich glaub, Verständnis zu entwickeln ist dann dran - und wahrscheinlich auch ein bisschen einfacher - wenn man die Wut zuerst auf eine gesunde Art und Weise rausgelassen hat...

LG,
opossum

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Gespensterkind
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Beitrag Do., 13.01.2022, 12:17

opossum hat geschrieben: Mi., 12.01.2022, 19:32 Die Stimme der Depression in mir hat befürchtet, dass jemand mir sagt, ich solle doch Verständnis für die Ex-Kollegen haben und Frust & Ärger seien nicht gerechtfertigt...
Das scheint ja eher Deine eigene "moralische" Über-Ich-Stimme zu sein. Die Stimme, die dafür sorgt, dass Du Deinen Frust eher in Dich hineinfrisst.
opossum hat geschrieben: Mi., 12.01.2022, 19:32 Aber ich glaub, Verständnis zu entwickeln ist dann dran - und wahrscheinlich auch ein bisschen einfacher - wenn man die Wut zuerst auf eine gesunde Art und Weise rausgelassen hat...
Das ist sicherlich gesünder für Dich!

Ich finde Dich sehr reflektiert, Du erkennst ja selbst, dass es Dir nicht gut tut, diese Wut nicht rauszulassen, Du erkennst sogar, woran das liegt. Insofern glaube ich auch, dass Du einen Weg für Dich findest, einen anderen Kanal zu finden als Bauchschmerzen etc. Manchmal hilft tatsächlich das Schreiben. Ich kann viel über Schreiben rauslassen. Aber körperliche Tätigkeiten sind natürlich auch echt hilfreich. Ich putze zum Beispiel dann sehr viel :roll:

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Waldschratin
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Beitrag Do., 13.01.2022, 15:29

Oh ja, Putzen ist auch ne gute Möglichkeit! Dazu fetzige Musik aufs Ohr und dann hast du noch den guten Nebeneffekt einer sauberen Wohnung. :boogie:

opossum hat geschrieben:Die Stimme der Depression in mir hat befürchtet, dass jemand mir sagt, ich solle doch Verständnis für die Ex-Kollegen haben und Frust & Ärger seien nicht gerechtfertigt...
Oh, meiner Erfahrung nach fragt Frust und Ärger nie danach, ob es jetzt gerechtfertigt ist oder nicht! :->
Ich erleb v.a. den Ärger und oft genug auch die Wut als sowas wie ne "Naturgewalt" in mir.

Kämpfe ja auch schon eigentlich "seit immer" mit Depressionen, obwohl ich von Haus aus eher der "aggressive Typ" bin. Das hat sich früher dann gerne mal in Richtung Jähzorn ausgetobt - ist so rein gar nicht dienlich.... :roll:

Gefühle "sind" nunmal, die sind nicht verhandelbar.
Es braucht halt immer einen Umgang damit. Mit den positiven Gefühlen ja auch.
Gefühle wollen uns ja in Bewegung bringen, von daher ist der körperliche Ausdruck eines Gefühls der erste Schritt des Umgangs damit.

Ich hab da auch Hemmungen gehabt anfangs.
Von daher kamen mir ja Gedanken wie Singen oder Schimpfwörter (für mich alleine). Oder dann später die Knete und die Luftballons.
Das kann man schön für sich machen, ohne "Zuschauer". Und in der Intensität anfangen, die man grade möchte.

Einen Ball gegen ne Wand spielen oder Squashen gehen hilft auch. Hab ich auch gern gemacht, als ich das körperlich noch konnte.
Oder schwimmen gehen, Bahnen ziehen, sich auspowern dabei.

Da kannst du dich behutsam mit dir selber rantasten. :hugs:

Und das mit dem Verständnis für die lieben Kollegen : Es darf ja auch beides gleichzeitig nebeneinander sein, die Wut und das Verständnis. :ja:

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opossum
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Beitrag Fr., 14.01.2022, 12:59

Vielen vielen Dank für euren Zuspruch!

Wenn ich eure Antworten lese, fallen mir auch meine eigenen "Werkzeuge" wieder ein:
Schreiben ist bei mir immer sehr hilfreich, Musik laut aufdrehen und sich dazu auspowern mit kleinen Hanteln als Zusatz, Farbe auf die Leinwand schmeißen...

Wenn man das schon länger nicht mehr gemacht hat, vergisst man diese Ressourcen irgendwie...
Da braucht man dann den Austausch mit anderen, um sich wieder zu erinnern!
Danke!

Ganz liebe Grüße,
opossum

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