Borderline ruiniert mich

Fragen und Erfahrungsaustausch zu Persönlichkeitsstörungen und Schizophrenie, Bipolaren Störungen ('Manisch-Depressives Krankheitsbild'), Wahrnehmungsstörungen wie zB. Dissoziationen, MPS, Grenzbereichen wie Borderline, etc.

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granatapfelkern
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Borderline ruiniert mich

Beitrag Mi., 20.04.2022, 16:47

Ich lebe seit über 20 Jahren mit der Diagnose Borderline, in den letzten Monaten geht es mir immer schlechter damit. Ich komme damit einfach nicht mehr klar. Ich bin völlig überfordert und überreizt von allem. Ich versuche es wirklich jedem nur recht zu machen (ich weiß selbst dass das gar nicht möglich ist aber trotzdem versuche ich es), ich nehme alles persönlich, ich reagiere mit Heulkrämpfen auf eigentlich ganz normale Sätze. Ich weine dann stundenlang und ich bin nicht mehr ansprechbar oder zu beruhigen, nehme Beruhigungsmittel und trinke Alkohol. Ich hatte einen Nervenzusammenbruch bei meiner Hausärztin, die nichts anderes tun konnte, als mir wieder Beruhigungsmittel aufzuschreiben weil sie nicht wusste was sie mit mir machen soll. Eine Tagesklinik oder Kur kommt bei mir nicht in Frage. Ich habe Tiere (alt und krank) um die ich mich kümmern muss und die komplett auf mich bezogen bin. Ich weiß dass das wie eine lahme Ausrede klingt und das sieht auch mein Psychiater so, der auch nicht mehr weiter weiß. Selbstschädigendes Verhalten wie zuviele Tabletten, Alkohol oder Selbstverletzung kommen immer häufiger vor. Ich kann einfach nicht mehr mit dieser Krankheit leben, sie ruiniert mich. Ich bin in einer Therapie und ich weiß dass meine Therapeutin tut was sie kann, aber es ist nicht ihr Gebiet und sie kann mir deshalb leider auch nicht weiterhelfen. Geht es noch jemanden so? Weiß jemand weiter? Ich bin so verzweifelt. Hat jemand eine Empfehlung für eine/n Therapeut/in der sich wirklich mit Borderline auskennt und mir weiterhelfen kann? Selbstbetroffene können mir auch gerne schreiben um sich über die Krankheit auszutauschen.

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sebi
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Beitrag Mi., 20.04.2022, 17:02

Hallo Granatapfelkern, ich habe dich gelesen. Deine Not geht mir nahe und berührt mich. D a s wollte ich dir dalassen.
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Philosophia
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Beitrag Mi., 20.04.2022, 18:18

Mir tuts auch sehr Leid... ich hatte auch lange Zeit Borderline-Symptome aufgrund meiner PTBS und weiß daher, wie furchtbar das ist. Ich habe immer noch das Problem, dass ich schnell in überstarke Anspannung gerate, auch Ängste habe ich durchaus noch. Alles andere habe ich mittlerweile im Griff. Das Wichtigste war für mich, mich selbst nach und nach mögen zu lernen. Doch das ging natürlich nicht einfach so aus mir selbst heraus. Allerdings habe ich mehr und mehr die Entscheidung getroffen, für mich Gutes zu wollen. Der Prozess hat über zehn Jahre gedauert und auf meinem Weg waren konstante und gute Beziehungen (therapeutisch und v.a. privat) wichtig. Es bedeutete, mein Leben komplett umzukrempeln und unguten alten Dingen den Raum zu nehmen. Das war so schwer, da ich Angst vor Veränderung hatte - meine destruktiven Muster boten mir Sicherheit (auch wenn sie mir schadeten). Ich kann dir nur Mut, Kraft und Hoffnung wünschen. Es ist möglich, aus dem Borderline-Sumpf rauszukommen, aber es erfordert extrem viel Durchhaltevermögen. Was heute vielleicht noch nicht geht, geht vielleicht morgen. Aber heute ists, wie ich dich lese, ein megaschwerer Tag - und jeder Tag mit Borderline ist auch wirklich ein Kampf.
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sebi
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Beitrag Mi., 20.04.2022, 18:28

Ich kann Philosophia nur zustimmen. Meine Diagnose ist PTBS. Meine TraumaTherapie dauerte 7 Jahre. Was brauchte es: Alte, kranke Erfahrungen durch neue, gesunde überschreiben. Und ja, ich kenne dieses schnelle Gekränktsein so gut, so lange wirkte es bei und in mir. Immer öfter und besser gelang es mir, neben den gesunden Erfahrungen, von der Vogelperspektive auf mein Leben zu schauen. Das schaffte Distanz. Von oben/aussen/Abstand betrachtet: Was wird d a eigentlich gespielt? Und. Will i c h da mitspielen?

Und dann auch die Frage von mir an mich (gemäss Viktor Frankl): Muss ich mir von mir alles gefallen lassen?
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Philosophia
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Beitrag Mi., 20.04.2022, 18:45

sebi hat geschrieben: Mi., 20.04.2022, 18:28 Muss ich mir von mir alles gefallen lassen?
Danke dafür, sebi :)
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sebi
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Beitrag Mi., 20.04.2022, 19:13

Viktor Frankl formulierte es so: "Ich muss mir von mir nicht alles gefallen lassen." Und für mich bedeutete das, meine vielen An-Teile/Überzeugungen/Erwartungen/Erlerntes/Erfahrenes zu hinter-fragen. W a s gehört wirklich zu mir? W a s ist nicht Meins.
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sebi
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Beitrag Mi., 20.04.2022, 19:15

Granat-Apfel-Kern ... was für ein aussagekräftiger Nick. Jedes Wort für sich ein Statement!
Granat - ein Edelstein
Apfel - um ein eigener Baum werden zu können, muss der Apfel erst runterfallen
Kern - jeder Kern trägt das ursprüngliche Potential in sich und ist unverwundbar.

Und alles zusammen: Granatapfelkern.
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granatapfelkern
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Beitrag Mi., 20.04.2022, 19:42

Danke an sebi und Philosophia für die lieben und aufmunternden Worte!

@sebi: Wie kann ich mir eine Traumatherapie vorstellen? Du kannst mir auch gerne privat schreiben.

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sebi
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Beitrag Mi., 20.04.2022, 19:46

Versteh ich jetzt nicht wirklich. Du schreibst, seit 20 Jahren mit der Diagnose Borderline. Und fragst nach Trauma-Therapie?
Und ja, ich schreibe privat nicht.

Meine 7 jährige Traumatherapie ist seit 10 Jahren beendet. Zur Info.
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Pianolullaby
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Beitrag Mi., 20.04.2022, 20:05

Hast Du denn ein Trauma Granatapfelkern?
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Philosophia
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Beitrag Mi., 20.04.2022, 20:16

Kann man ohne Trauma Borderline entwickeln?
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Tupsy71
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Beitrag Mi., 20.04.2022, 20:30

Mh, soweit ich weiß, haben die meisten Traumatas Borderline inbegriffen, oder? Also als Diagnose- denk-. Borderline ist glaub ich recht häufig ausgesprochen worden. Es gibt ja auch da Abstufungen, oder?
Aber egal: Sache ist, dass Diagnosen generell schwer zu akzeptieren sind. Wünsche daher der Granatapfelkern alles Gute und viel Kraft

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sebi
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Beitrag Mi., 20.04.2022, 20:35

Kann man denn Borderline auch als Stärke definieren? Nicht immer nur als Defizit? Frag ich mich halt.
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sebi
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Beitrag Mi., 20.04.2022, 20:47

Ja, für mich war es wichtig, um mich, mein Verhalten, meine Fühlen verstehen zu können ... jahrelang als Kind sexuell missbraucht ... weshalb ich reagiere, wie ich reagiere. ...
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Teilchen
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Beitrag Mi., 20.04.2022, 22:50

Philosophia hat geschrieben: Mi., 20.04.2022, 20:16 Kann man ohne Trauma Borderline entwickeln?
Prozentual haben mehr Borderlinepatienten ein Trauma aber es gibt durchaus auch Menschen die diese Erkrankung ohne vorangegangebes Trauma entwickeln. Wärend eines Klinikaufenthaltes hatte ich diesbezüglich eine wirklich interessante Unterhaltung mit einer Borderlinepatientin die laut eigenen Angaben kein Trauma erlebt hatte. Ich füge mal einen Bricht aus der Oberbergklinik hinzu, falls es jemanden Interessiert:

"Eine Erkrankung ist auch ohne das Erleben von Traumata möglich
Es gibt Patienten, die eine Borderline-Persönlichkeitsstörung entwickeln, ohne dabei erschütternde Erfahrungen in der Kindheit oder Jugend gemacht zu haben.
Die Wissenschaft geht daher inzwischen davon aus, dass die Kommunikation bestimmter Hirnzentren, welche die emotionale Verarbeitung kontrollieren, bei Menschen mit Borderline-Syndrom gestört ist. Das erklärt, warum Borderliner Gefühle sehr viel intensiver als gesunde Menschen erleben. Einige Studien kommen zu dem Schluss, dass eine Beeinträchtigung des Frontalhirns die Impulssteuerung des Borderline-Kranken beeinträchtigt und seine Handlungen hemmt."

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