Hallo...
Ich bin Speranta, fast 41 Jahre alt und ich hab manchmal das Gefühl, nicht allein in meinem Kopf zu sein. Ich lebe im Norden Deutschlands mit meinem Ehepartner, zwei Jungs, einem Hund und einem Scrabblebeutel voller Diagnosen.

Als ich das mit der PTBS hörte, war ich regelrecht geschockt. Eigentlich hätte es mich überhaupt nicht wundern sollen. Ich kann mich an die ersten 12 Jahre meines Lebens kaum erinnern. Es ist wie ein blinder Fleck in meiner Vergangenheit. Alles, was ich noch weiß, sind ein paar sehr rare eigene Erinnerungen (die so gut wie immer irgendeine Form von Gewalt beinhalten) und Erzählungen dritter. Es ist alles sehr distanziert von mir, wenn ich davon berichte, fühlt es sich an, als erzähle ich von einem Buch, dass ich gelesen habe. Manchmal habe ich das Gefühl, als sei ich irgendwie zersplittert oder kaputt gegangen oder so? Ich bin mit einem alkoholkranken Vater und Großvater aufgewachsen, wurde missbraucht, meine Mutter ist ein beratungsresistentes co-abhängiges Miststück, mein Großvater hat laut Aussage meiner kleinen Schwester versucht, mich zu erw*rgen (ich kann mich absolut nicht erinnern, aber es würde erklären, warum ich Panik kriege, wenn mein kleines Kind sich an meinen Hals hängt), in der Schule wurde ich angespuckt und gemobbt und irgendwie hatte ich nie das Gefühl, irgendwo dazu zu gehören. Aber da vorher noch nie jemand im Zusammenhang mit mir von PTBS gesprochen hat, hat es mich doch getroffen.
In der Schwangerschaft mit dem Kleinen war ich stark suizidgefährdet. Die behandelnde Ärztin (Oberärztin einer Klinik mit Station für postnatale Depressionen) vermutete relativ schnell im Gespräch eine Borderline-Störung ("Das ist mein Steckenpferd, wissen Sie Frau Speranta?"), diese wurde aber nie diagnostiziert, da ich 8 Wochen vor dem errechneten Geburtstermin nicht in eine Klinik gehen wollte. Ich saß auch schon mal völlig verzweifelt bei einer Neurologin und hielt mich selbst für bipolar, weil ich immer so wahnsinnige Stimmungsschwankungen habe und meine Laune sich von jetzt auf gleich ändert. Wurde ebenfalls nicht richtig kontrolliert, ich sollte ein Stimmungstagebuch führen und dann wurde das Problem schnell mit meinem Zyklus in Zusammenhang gebracht. Behandelt jedoch nicht. Das war noch vor den Kindern.
Als ob das alles noch nicht genug wäre (allein der Autismus des Großen zieht einen ganzen Rattenschwanz an Erschwerungen in unserem Leben hinter sich her) habe ich aber wie oben schon geschrieben manchmal das Gefühl, nicht allein in mir zu sein. Als wir im August 2021 die Diagnose für unseren Großen hatten, dachte ich, ich lasse mich ebenfalls diagnostizieren, denn irgendwo musste das Kind das ja herhaben und ich kann ihn in vielem so gut verstehen... Und dabei kam dann eben ADHS heraus, was mir (vorerst) erklärte, warum es nie leise in meinem Kopf ist. Dieses Gefühl der Zerissenheit hab ich schon so lange ich denken kann, ich hab kein Identitätsgefühl, weiß nicht, wer ich bin, trage immer die zur Situation gewünschte Maske, habe immer das Gefühl, nur eine Rolle zu spielen.